Die Wahl des Betriebs-Systemes für städtische Tiefbahnen

Tabelle

Von Gustav Schimpff und Wilhelm Kübler.

I.

Die Anlage von „Tief-“ oder „Untergrund-Bahnen“ zur Vermittelung eines städtischer Schnellverkehrs steht gegenwärtig in fast allen Grosstädten im Vordergrunde des Interesses. Tiefbahnen sind im Betriebe in London, Glasgow, Paris, Budapest und Boston; weitere Anlagen in London, Paris und Berlin sind im Bau oder werden vorbereitet, und eine grössere Reihe von Städten, unter denen New-York, Hamburg und Neapel zu nennen sind, planen ernstlich die Ausführung solcher Verkehrswege.

Allgemein ist man sich dabei über die technischen Aufgaben ziemlich im Klaren, insbesondere kann heute kaum davon die Rede sein, als Antriebsmittel etwas anderes als den elektrischen Strom zu benutzen, und mit gleicher Entschiedenheit lässt sich bei Kenntniss der örtlichen Verhältnisse sagen, ob Unterpflasterbahn oder Untergrund-(Röhren-)bahn zweckentsprechender ist. Es bleibt aber im Einzelnen über die besondere Art der Ausführung noch manche Frage offen, in erster Linie die, ob man der Zugförderung durch Lokomotiven oder der durch Motorwagen den Vorzug geben soll; auch scheinen sich die Fachleute darüber noch nicht klar zu sein, welches von den verschiedenen Systemen elektrischen Betriebes den besonderen Bedingungen der Tunnelbahnen am besten entspricht.

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Die ersten Untergrundbahnen waren bekanntlich die Metropolitan- und Metropolitan-District-Bahn in London, deren Anlage schon im Jahre 1860 begonnen wurde und die in der gegenwärtigen Gestalt seit 1884 bestehen. Die Betriebsmittel wurden den Hauptbahnen entsprechend gewählt und als Antrieb bis heute Dampflokomotiven benutzt, deren Ersatz durch Elektromotoren jetzt allerdings als nothwendig anerkannt und gesichert ist. Als weitere Anlagen, bei denen ebenfalls eine unmittelbare Verbindung mit dem Hauptbahnnetz herzustellen war. sind nachher mehre andere Bahnlinien entstanden: im Jahre 1886 die Glasgower City & District Eisenbahn, 1896 die Glasgow Central-Eisenbahn, welche beide auch dem Güterverkehr dienen; 1894 die Verlängerung der Sceaux-Linie in Paris bis zum Luxemburg-Palais, und, gegenwärtig im Bau, die Verlängerung der Hauptlinie der Orleansbahn an der Seine entlang bis zu dem neuen Endbahnhof am Quai d’ Orsay.

Diese Linie benutzt elektrische Lokomotiven, während die anderen 3 Bahnen Dampfkraft anwenden, wobei jedoch für die Sceaux-Linie nach ihrer weiteren Verlängerung bis zum Quai d’ Orsay ebenfalls elektrische Lokomotiven in Anwendung kommen werden.

Aus der Uebertragung der Abmessungen der Hauptbahnen ergab sich bei diesen Bahnen ein so grosser Tunnelquerschnitt, dass dadurch die Herstellungskosten des Bahnkörpers ganz bedeutende wurden und bei den älteren Anlagen dieser Art eine genügende Verzinsung des Anlagekapitals unmöglich machten. Man ging daher zuerst bei der City and South London Railway dazu über, die Benutzung der Bahn durch Hauptbahn-Betriebsmittel auszuschliessen und einen erheblich kleineren Tunnelquerschnitt zu wählen, wobei natürlich die äusserste Beschränkung der lichten Höhe der Wagen und eine möglichst tiefe Lage des Fussbodens über Schienenoberkante angewendet werden mussten.

Das Ziel, die Abmessungen der Betriebsmittel zu verringern, ohne dabei die bequeine Benutzung des den Fahrgästen gebotenen Raumes störend zu beschränken, ist bei den einzelnen Anlagen dieser Art in mehr oder minder zufriedenstellender Weise erreicht worden. Bei den ersten derselben, der City and South London Eisenbahn und der Glasgower Kabelbahn, ist man in der Beschränkung der lichten Höhe des Wagenraumes zu weit gegangen, so dass bei den beiden neueren Röhrenbahnen Londons, der Central London und der Waterloo and City Railway, der lichte Durchmesser des Tunnels, der bei der City and South London Railway 3,1 m, bei der Glasgower Kabelbahn 3,35 m beträgt, hier wieder auf 3,5 und 3,7 m erhöht wurde. Das Maass von 3,5 m ist auch für die Erweiterung der Metropolitan und Metropolitan District Eisenbahn vorgesehen, welche als zweites Stockwerk unter der bestehenden Ringlinie angelegt werden soll. Der Berliner Spreetunnel mit 3,75 m Tunnelweite kann zum Vergleiche nicht unmittelbar herangezogen werden, da er zwar ein Probestück der von der A. E. G. geplanten Untergrundbahnlinien darstellt, jedoch die Abmessungen der ihn befahrenden zweiachsigen Strassenbahnwagen mit denen der sonst stets gebrauchten vierachsigen Schnellverkehrwagen nicht in Vergleich gestellt werden können.

– Bei den Unterpflasterbahnen, bei denen sich die Tunnelbaukosten in mässigeren Grenzen halten, erschien eine so ängstliche Beschränkung der Höhenabmessungen zumeist nicht nothwendig, und so sind denn die Betriebsmittel dieser Bahnen etwas geräumiger angelegt. In Frage kommen die Anlagen in Berlin und Paris, während die Unterpflasterbahn in Boston, als zunächst für den Betrieb mit vorhandenen Strassenbahnwagen bestimmt, in diesem Zusammenhange aus den Betrachtungen ausscheidet.

Die Hauptabmessungen und sonstigen Daten der hier genannten Bahnen sind in der Tabelle zum Vergleich zusammengestellt worden, soweit hierüber Angaben vorlagen. In Ermangelung solcher sind einige ergänzende Zahlen geschätzt worden.

Tabelle
Tabelle

Eine Zusammenstellung der Tunnel-Querschnitte und der Wagenzüge dieser Bahnen ist in den Abbildungen, Tafel I und II gegeben.

Tafel I. Tunnel-Querschnitte. Maasstab 1 zu 200
Tafel I. Tunnel-Querschnitte. Maasstab 1 zu 200

Spurweite: Abgesehen von der Glasgower Kabelbahn mit 1,22 m Spur findet sich auch bei den unter II und III genannten Bahnen die normale Spurweite. Bei ihrer Wahl ist zumtheil die Absicht maassgebend gewesen, die Möglichkeit eines Ueberganges der Tiefbahn-Betriebsmittel auf normalspurige Bahnen – nicht umgekehrt – offen zu halten; aber auch wo diese Rücksicht nicht genommen zu werden brauchte, gab man der Normalspur den Vorzug, weil bei einer gegebenen Wagenbreite von 2-2,75 m mit der Wahl einer schmalen Spur die Gleichgewichts-Verhältnisse der Wagen ungünstigere werden und weil es bei Normal-Spurbahnen möglich ist, die Räder der Laufachsen unter die Längssitze zu legen und so eine möglichst tiefe Lage des Wagenbodens zu erzielen. (Auf die Vor- und Nachtheile dieser Anordnung kommen wir im weiteren Verlauf der Abhandlung.)

Auch die Rücksichten auf die Anordnung der Motoren, Bremsen usw. begünstigen die Wahl der Normalspur. (In Paris lag ursprünglich die Absicht vor, die Stadtbahn schmälspurig anzulegen; nach langen Verhandlungen gelang es jedoch der technischen Aufsichtsbehörde, auch hier die Normalspur durchzusetzen.)
(Fortsetzung folgt.)

Die Wahl des Betriebs-Systemes für städtische Tiefbahnen.

I. Beschreibung der einzelnen Bahnen. (Schluss.)

Ueber die Betriebsmittel der ersten vier mit Dampf betriebenen Bahnen ist weiter nichts besonderes zu bemerken, da sie sich wenig oder gar nicht von den sonst auf Hauptbahnen gebräuchlichen unterscheiden. Es sei nur noch erwähnt, dass die mit äusseren Lenkachsen, also nicht mit Drehgestellen versehenen Wagen der Metropolitan Railway (Abbildg. 3) die verhältnissmässig scharfen Kurven von 120 m Halbmesser zu durchfahren haben.

Als Betriebsmittel der Orléansbahn sind die Vorortzugwagen dieser Bahn eingesetzt (Abb. 4), die sich unseren Betriebsmitteln gegenüber durch grosse Leichtigkeit auszeichnen. Ein Wagen mit 70 Plätzen III. Kl. wiegt nur 11 t (Eisenbahntechnik der Gegenwart Bd. I S. 373.), während unsere zweiachsigen Stadtbahnwagen mit (früher) 50 Plätzen 12 t wiegen. So erklärt sich das auffallend niedrige Bruttogewicht für den Sitzplatz von 325 kg, trotz des Antriebes durch eine Lokomotive.

Abbildg. 4 und 6
Abbildg. 4 und 6

Die City & South London Railway wurde für Kabelbetrieb erbaut (Abb. 5 u. 6); erst kurz vor Vollendung der Anlagen entschloss man sich zu elektrischem Betriebe und musste diesen nun dem Vorhandenen anpassen: Mit Rücksicht auf die beschränkte Abmessung des Tunnels, welche ein Anbringen von Motoren unterhalb des Wagenfussbodens erschwerte, erschien Lokomotivbetrieb als der zweckmässigere. Bald stellte sich jedoch die Unwirthschaftlichkeit dieses Betriebes für die kurzen Züge von 3 Wagen heraus (siehe Lerche a. a. O. und Gleim, Deutsche Bauzeitung 1896 S. 344); man beschaffte zunächst einen Probezug mit Motorwagen (Abb. 3a. Taf. II) und beschloss, als dieser sich bewährte, den Betrieb mit Motorwagen allmählich vollständig durchzuführen. Bei der neuen Betriebsart vermindert sich die Zuglänge für den Sitzplatz von 0,35 m auf 0,29 m und das Zuggewicht für den Sitzplatz von 438 auf 342 kg. Noch weiter herunter ging man mit den Abmessungen des Wageninneren bei der Glasgower Kabelbahn (Abb. 7). Man wählte zwar den Durchmesser des Tunnels grösser als bei der Londoner Bahn (3,35 m gegen 3,1 m), legte aber den Wagenfussboden so viel höher, dass im Wagenraum nur Höhenmaasse von 1,85 m in der Mitte und 1,4 m an der Seite vorhanden sind, die nach unseren Begriffen die Benutzung derartiger Betriebsmittel ziemlich unmöglich machen würden. Es ist wohl klar, dass derartige ungenügende Wagenabmessungen auf die Einnahmen der Bahn höchst ungünstig einwirken werden, sobald andere Verkehrsmittel den Reisenden zu Gebote stehen.

Bei der Central London Railway wurde der Tunneldurchmesser auf 3,5 m vergrössert, und die Betriebsmittel erhielten eine Höhe von 2,85 m über Schienenoberkante, welche jedenfalls für einen antrieblosen Wagen völlig ausreichend zu nennen ist. Die Skizze des Wagenzuges wurde, da Zeichnungen nicht vorlagen, nach den vorhandenen Angaben zusammengestellt.( Ursprünglich war offenbar beabsichtigt, die 10,5 m langen Wagen mit 6 Doppelreihen von Quersitzen in Abtheilform, mit je 4 Sitzen und Mittelgang zu versehen. Man hätte so 48 Plätze im Wagen und 336 im Zuge erhalten. Später ging man indessen zu der gezeichneten Wagenform über, um den Wagenfussboden tiefer legen zu können und mehr Raum für Stehplätze zu gewinnen. Derartige Wagen mit Quersitzen in der Mitte und Längsbänken an beiden Enden wurden zuerst auf der New Yorker Hochbahn angewendet und werden daher in Amerika „Manhattan Type“ genannt.)

Bei der Waterloo & City Railway (Abb. 8 u. 9) wurde mit Rücksicht auf den Motorwagenbetrieb der Tunnelquerschnitt auf 3,7 m bemessen, um auch oberhalb der Motoren nutzbaren Wagenraum zu erhalten. Es erscheint allerdings zweifelhaft, ob die Anordnung des erhöhten Platzes über der zweiten Treibachse, mit 1,8 bzw. 1,4 m lichter Höhe, als eine besonders glückliche Lösung bezeichnet werden kann. Im übrigen stellen die Wagen mit ihrer gewissen Weiträumigkeit, dem ihnen nachgerühmten ruhigen Gang und der hellen Ausstattung des Inneren einen erheblichen Fortschritt gegenüber den Wagen der beiden zuerst genannten Röhrentunnelbahnen dar.

Ein Vergleich der Zugbilder in Abbildg. 2, 6 und 8 zeigt den Unterschied in der Bauart der Motorwagen zwischen der City and South London und der Waterloo and City Railway. Bei beiden liegt der Wagenfussboden unterhalb Motoroberkante. Bei den leichten Zügen der City and South London Railway konnte man sich auf zwei verhältnissmässig kleine Motoren für den Zug beschränken; der unter dem Führerabtheil liegende Motor greift nach oben in den Fussboden des Führerraumes ein, ähnlich wie dies Abbildg. 5 an der Lokomotive in grösserem Maassstabe zeigt. Das zweite Räderpaar des Antriebdrehgestelles liegt unter den Sitzbänken.

Die Motorwagen der Waterloo and City Railway tragen an dem äusseren Drehgestell 2 Motoren, die ebenfalls die Achsen unmittelbar antreiben und sehr viel Raum beanspruchen, wie aus Abbildg. 8 und dem Schaubild Abbildg. 12 ersichtlich ist. Hier musste deshalb der Fussboden oberhalb des treibenden Drehgestelles in dessen ganzer Ausdehnung erhöht werden, was sich zwar für das Führerabtheil ohne Schwierigkeit ermöglichen liess, für das Wageninnere jedoch zur Anlage des erwähnten, 6 Plätze umfassenden, erhöhten Raumes nöthigte. Wenn eine diesbezügliche Bemerkung in der Veröffentlichung über diese Bahn im „Engineer“ vom 22. Januar 1899 zutrifft (as the trains work on the shuttle principle (als Pendelzüge verkehren) each motor car has spells of alternate work and rest.), so werden hier nur die beiden Motoren des ersten Wagens zum Antrieb des Zuges benutzt, während die beiden Motoren des letzten Wagens leer laufen. Diese etwas befremdende Anordnung hat allerdings den Vortheil, dass elektrische Leitungen längs des Zuges entfallen, dafür aber den Nachtheil, dass sich das todte Gewicht des Zuges erhöht und dass die Regelung der Motoren beim Anfahren weniger günstig wird.

Aehnlich wie bei der City and South London Railway ist der Wagenfussboden bei der Budapester Unterpflasterbahn angeordnet. Auch hier werden nur die äusseren Achsen angetrieben. Der Führersitz ist gegen das Wageninnere beträchtlich erhöht. Abb. 13 zeigt einen der dort einzeln verkehrenden Wagen.

Die Wagen der anderen beiden im Bau begriffenen Unterpflasterbahnen (Berliner und Pariser Elektrische Stadtbahn) unterscheiden sich von den bisher beschriebenen Drehgestellwagen grundsätzlich dadurch, dass der Wagenfussboden oberhalb der Räderoberkante gelegen ist.

Die, übrigens noch nicht genau festgestellte, Form der für Berlin bestimmten Wagen geht aus dem Zugbild Tafel II hervor. Die innere Wagenbreite von 2,2 m erlaubte nur 3 Sitze in der Quere des Wagens, wenn noch ein Mittelgang freibleiben sollte. Man hat deshalb die zuerst geplante Anordnung von Querbänken verlassen und statt dessen Längsreihen angeordnet, wobei sich die gleiche Anzahl Sitzplätze ergiebt, der mittlere Wagenraum jedoch sich besser zu Stehplätzen eignet. Die Wagen ähneln nunmehr den grossen Strassenbahnwagen.

Die lichte Tunnelhöhe der Bostoner Unterpflasterbahn ist so bemessen, dass ein Betrieb mit Drehgestellwagen, deren Fussboden ebenfalls oberhalb des Radumfanges liegt, erfolgen kann. Es ist beabsichtigt, die Züge der jetzt im Bau begriffenen und nach Charlestown hinüberführenden Hochbahn später auf die Unterpflasterbahn übergehen zu lassen, und auch ein Anschluss südlicher, mit Elektrizität zu betreibender Vorortbahnen ist in Aussicht genommen.

(Fortsetzung folgt.)

Die Wahl des Betriebs – Systemes für städtische Tiefbahnen.

II. Vergleich der verschiedenen Betriebsformen.

Wir unterscheiden nach den vorhergehenden drei Betriebsformen, die bei den bei uns als Kleinbahnen gebauten und elektrisch betriebenen Tiefbahnen angewendet worden sind:

1. Lokomotiven.
2. Motorwagen; die Räder schneiden in den Wagenkasten ein („Tiefliegende Wagenfussböden”).
3. Motorwagen; der Radumfang bleibt ganz unterhalb des Wagenkastens („Hochliegende Wagenfussböden“‘).

Um die Frage zu beantworten, welche dieser Betriebsformen im allgemeinen als die zweckmässigste bezeichnet werden muss, werden wir die Vor- und Nachtheile derselben zu vergleichen haben.

Im grossen Maasstabe tritt uns der LokomotivBetrieb bei der Central London Railway entgegen.

Die Wagenformen
Die Wagenformen

Diese Bahn benutzt 32 elektrische Lokomotiven (Hierzu kommen noch 2 Dampflokomotiven, welche vermuthlich bei Betriebsstörungen eingreifen sollen. Abbildg. 14). Die Züge werden aus 7 Wagen gebildet und bleiben während des ganzen Tages unverändert in ihrer Zusammensetzung,

Es ist zunächst ins Auge fallend, dass bei Lokomotiv-Betrieb das todte Gewicht der Züge erheblich vermehrt wird. Aus den Vergleichszahlen tritt dies allerdings nicht so deutlich hervor, da die grosse Länge der Züge hier günstig einwirkt. Unter Zugrundelegung der in der Skizze des Wagenzuges angegebenen Wagenform erhalten wir die beiden „maassgebenden“ Zahlen: Zuglänge für den Sitzplatz 0,33 m und Gesammtgewicht für den Sitzplatz 576 kg. Und wenn wir die ursprünglich angenommenen Wagen, welche 48 Sitzplätze und keine Stehplätze enthalten, in die Rechnung einführen, so vermindern sich diese Zahlen auf 0,25 m und 447 kg. Deutlicher geht die Vermehrung des todten Gewichtes aus folgender Ueberlegung hervor. Das Gewicht der Maschine beträgt 42 t, die 4 Motoren derselben leisten zusammen 800 P. S. Würde man statt dessen 12 Motoren etwa in 3 Motorwagen über den Zug von 7 Wagen vertheilt haben, auf deren jeden dann etwa 60 P. S. gekommen wären, so würde deren Gewicht nur etwa 26 t betragen haben, der ganze Zug wäre also 16 t leichter geworden.

Abbildg. 10 Motorwagen von Jackson & Sharp Co.
Abbildg. 10 Motorwagen von Jackson & Sharp Co.
Abbildg. 11 Motorwagen von Jackson & Sharp Co.
Abbildg. 11 Motorwagen von Jackson & Sharp Co.
Abb. 12 Antriebs-Drehgestell von Siemens Brothers & Co. London
Abb. 12 Antriebs-Drehgestell von Siemens Brothers & Co. London

In diesem besonderen Falle war die Form des Längsprofiles der Verminderung des Antriebsgewichtes günstig. Die Strecke zwischen je 2 Stationen besteht nämlıch hier (ebenso wie bei der Waterloo and City Railway) aus 3 Stücken, deren erstes mit 1:30 fallend, das zweite wagrecht, das dritte mit 1:60 steigend angelegt ist. Es ist augenscheinlich, dass durch die zum grössten Theil auf der Gefällstrecke erfolgende Anfahrt die nothwendige Anfahrtzugkraft und damit auch das Gewicht der Lokomotive erheblich vermindert wird. Wollte man dieselbe Beschleunigung bei wagrechter Strecke beibehalten, so würde das Lokomotivgewicht rd. 60 t statt 20 t betragen müssen.

So zweckmässig die Anlage der geneigten Strecken auf den ersten Blick erscheinen mag, so giebt sie doch zu erheblichen betriebstechnischen Bedenken Veranlassung, wenn die Strecke zwischen zwei aufeinander folgenden Ausfahr-Signalen derselben Fahrrichtung nochmals durch die Blocksignale getheilt ist. Und das wird eintreten, sobald man im Interesse einer möglichst dichten Zugfolge die Einfahrtsignale ebenfalls als Blocksignale ausbildet, wo also ein Anfahren auf wagrechter oder gar steigender Strecke nicht ausgeschlossen ist. Ferner erschwert sie die nachträgliche Anlage von Zwischenstationen. Sie ist auch nur bei Untergrundbahnen, nicht bei Unterpflasterbahnen ausführbar.

Einen schwerwiegenden betriebstechnischen Nachtheil bietet die Anwendung von Lokomotiven deshalb, weil sie auf den Kehrstationen ein Umsetzen oder Wechseln der Maschine und damit Verschubbewegungen mit ihrem Aufwande von Gleisanlagen und an Zeit erforderlich macht, welche bei Motorwagen wegfallen, sich allerdings auch bei Schleifenbetrieb vermeiden lassen. Sodann ist eine Verlängerung der Zugstärke während des Betriebes so gut wie unmöglich, und das hat nur in dem Falle keine Bedenken, wenn man den Schwankungen des Verkehrs im Verlaufe des Tages durch Veränderung des Zugabstandes genügend sich anpassen kann. Inwieweit dies ausführbar erscheint, soll später gezeigt werden.

Es ist aber noch ein weiterer Grund, der gegen die Benutzung von Lokomotiven spricht. Bei jeder Bahnanlage wächst der Verkehr allmählich im Laufe der Jahre. Es wird also zweckmässig sein, zunächst kurze Züge laufen zu lassen, allmählich die Zahl der Wagen im Zuge zu vermehren und später die Zugfolge bis zu dem erreichbaren Mindestabstand zu verdichten. Es ist aber wirthschaftlich falsch, in den ersten Jahren des schwachen Verkehres die kurzen Züge mit der Lokomotive zu befördern, deren Gewicht für den später zu erwartenden Verkehr bemessen und deren Wirkungsgrad bei halber Belastung ein ungünstiger ist. Und andererseits ist es, wenn das Höchstmaass der Zugstärke und gleichzeitig der Zugdichte erreicht ist, nicht möglich, die Leistungsfähigkeit der Bahn durch Verlängerung der Züge zu erhöhen, da alsdann die Lokomotiven an der Grenze der Zugkraft angelangt sind.

Abbildg. 14 Lokomotive der Central-London Railway. Maasstab 1 zu 100. (Nach Engineering 25. Feb. 1898.)
Abbildg. 14 Lokomotive der Central-London Railway. Maasstab 1 zu 100. (Nach Engineering 25. Feb. 1898.)

Diesen Nachtheilen des Lokomotiv-Betriebes stehen nur sehr wenige Vorzüge gegenüber, die sich aus der Vereinigung der Antriebe an einer Stelle ergeben, nämlich Wegfall der elektrischen Leitungen im Zuge und Vereinfachungen der Schaltungs-Einrichtungen, sowie eine bessere Anordnung der Wagen-Untergestelle, so dass sich hieraus die Anwendung derselben selten wird rechtfertigen lassen. Schwerwiegender ist die Verminderung der lichten Tunnelhöhe von etwa 0,4 m gegenüber der Anwendung von Motorwagen mit hochliegenden Wagenfussböden. Wenn man aber den Grundsatz beachtet, dass, je stärker eine Bahn betrieben wird, desto mehr die Ersparnisse an Anlagekosten gegenüber der Verminderung der Betriebs- und Unterhaltungskosten zurücktreten, so erscheint auch dieser zweite Vortheil nicht ausschlaggebend.

Gehen wir nun zum Vergleich der beiden Motorwagen-Systeme mit tiefliegenden und mit hochliegenden Fussböden über. Je tiefer die Lage des Fussbodens ist, desto geringer sind offenbar die Tunnel-Baukosten und man wird, sobald man den Fussboden der Personen-Abtheile tiefer als die Oberkante des Rades legt, mit denselben Tunnel-Abmessungen auskommen, wie bei Lokomotiv-Betrieb. Auf der anderen Seite bietet die Lage des Fussbodens oberhalb der Räder erhebliche Vortheile für die Benutzung und den Bau der Wagen.

Zwei Forderungen sind es, die hinsichtlich der Benutzung der Wagen gestellt werden, nämlich erstens ein ungehinderter Längsverkehr innerhalb des Zuges und zweitens das Verändern der Zugstärke.

Ein Längsverkehr ist zunächst aus Verkehrsrücksichten nothwendig oder zum mindesten sehr erwünscht, um eine gleichmässige Vertheilung der Reisenden über den Zug herbeizuführen. Er erscheint auch für den Fall geboten, dass der Zug im Tunnel stecken bleibt und die Insassen gezwungen sind, zu Fuss zur nächsten Station zu gehen, um alsdann ein Entlanglaufen in dem schmalen Raum zwischen den Wagen und der Tunnelwandung unnöthig zu machen. Weiter ist es von Wichtigkeit, dass ein Beamter während der Fahrt zu allen Wagenabtheilen gelangen kann (Das Fehlen dieser Einrichtung machte sich schon bei der Berliner Stadtbahn als Mangel fühibar und würde bei Tunnelbahnen noch stärker als solcher empfunden werden.) und endlich wird man, entsprechend den preussischen „Betriebs-Vorschriften für Kleinbahnen mit Maschinen-Betrieb“, in diesem Falle mit einem Beamten im Führerraum, also zwei Beamten im Zuge auskommen können

Wir sahen bereits, dass eine Veränderung der Zugstärke bei jeder Bahnanlage im Verlaufe der Jahre unbedingt erforderlich ist. Je leichter diese Veränderung des Fassungsraumes der Züge sich bewerkstelligen lässt, desto weiter hinaus kann man den Zeitpunkt schieben, wo die Grenze der Leistungsfähigkeit des Verkehrsweges erreicht werden wird, und desto wirthschaftlicher wird der anfängliche Betrieb mit geringeren Zugstärken sein.

Abbildg. 15 - 17
Abbildg. 15 – 17

Wie wichtig es ferner ist, die Wagenzahl der Züge innerhalb des einzelnen Tages verändern zu können, zeigen die Kurven der täglichen Schwankungen des Verkehres auf der Berliner Stadtbahn und der Wannseebahn in den Abbildgn. 15-17. (Nach „Berlin und seine Eisenbahnen” II S. 124 u. 443, sowie „Das Ergebniss des Wannseebahn-Wettbewerbes“, Berlin 1898, bei R. Rhode.) Da nun der grösste für eine Stadtbahn noch zweckmässige Zugabstand 5 Minuten und der kleinste bei elektrischem Betriebe mögliche 2 Minuten beträgt (Die grösste auf der Berliner Stadtbahn erreichte Zugzahl beträgt 18 in der Stunde, entsprechend einem mittleren kleinsten Zugabstande von 3,3 Minuten.), jedoch das Verhältniss des stärksten Verkehres zum schwächsten auf der Stadtbahn 4:1, auf der Wannseebahn 13:1 beträgt, so folgt, dass man den Schwankungen des Verkehres sich allein durch Aenderung des Zugabstandes nicht genügend anpassen kann. Hauptsächlich auf die mangelnde Anpassungsfähigkeit des Betriebes an den Verkehr ist es zurückzuführen, dass die Platzausnutzung der Stadtbahn nur 30 % beträgt.

Sehen wir nun zu, wie weit sich diese beiden Forderungen beim Betriebe mit tiefliegenden Wagenfussböden und erhöhtem Boden über den Antrieben erfüllen.

Bildet man die Züge so, dass sich nur an jedem Ende ein motorisch angetriebenes Drehgestell befindet, so ist ein Längsverkehr gut möglich. Die Züge der drei inbetracht kommenden Bahnen, der City and South London, der Waterloo and City Railway und der Budapester Unterpflasterbahn sind so gebildet.

Eine allmähliche Vergrösserung der Zugstärke ist bis zu einem vorher zu bestimmenden Höchstmaasse möglich. Man muss dann die Motoren so stark wählen, dass sie den längsten in Aussicht genommenen Zug schleppen. Dann hat man bei geringerer Zugstärke, den Verhältnissen des Lokomotiv-Betriebes genau entsprechend, unnöthiges todtes Gewicht und geringen Wirkunsgrad. Die erreichbare Zuglänge ist durch die Grösse des Reibungsgewichtes eng begrenzt. Die Veränderung der Zugstärke im Verlaufe des Tages ist unausführbar.

Bildet man dagegen den Zug aus einer Anzahl Einheiten (von je etwa 3 Wagen), deren jede ebenso an jedem Ende den erhöhten Raum für den Antrieb besitzt, so ist eine Veränderung der Zugstärke (um je eine Einheit) wohl möglich; dagegen ist der Längsdurchgang unmöglich gemacht. Ausserdem wird hierbei der todte Raum des Zuges erheblich vergrössert. Beide Forderungen lassen sich dagegen ohne weiteres erfüllen, sobald man hochliegende Wagenfussböden und damit völlige Freiheit in der Zahl und Lage der Antriebe hat.

Man wird fernerhin nicht ausser Acht lassen dürfen, dass im Interesse einer besseren Bauart der Wagen die hochliegenden Fussböden den Vorzug verdienen. (Es ist schon wiederholt erwogen worden, die Wagen der Berliner Stadtbahn, die jetzt tiefliegende Wagenlussböden haben in solche mit normaler Bodenlage umzuändern.) Abgesehen davon, dass man in diesem Falle in der Anordnung der Sitze und einer späteren Veränderung derselben freie Wahl hat, wird sich vor allem die Uebertragung der Zugkraft von Wagen zu Wagen besser erreichen lassen. Ein Blick auf den Längsschnitt des City and South London Wagens (Abb. 6) lässt erkennen, wie schlecht sich diese Aufgabe bei tiefliegenden Wagenfussböden lösen lässt. Berücksichtigt man ferner, dass Achsbrüche und Entgleisungen vorkommen können, so wird man für die Möglichkeit zu sorgen haben, den Wagenkasten im Tunnel vom Drehgestell abheben zu können. Das ist aber um so schwerer ausführbar, je tiefer der Wagenkasten unter die Oberkante der Räder herabreicht. Endlich ist zu bedenken, dass man zweckmässig nicht einen allzugrossen Theil des Tunnelquerschnittes durch den Wagen bedecken sollte, weil sonst die Luftbewegung allzusehr erschwert und der Widerstand zu stark erhöht wird. Das spricht für viel freien Raum unter dem Wagenkasten, wo zudem die Motoren dem Luftstrom möglichst ausgesetzt bleiben sollen. Diesen vielen Vorzügen der hochliegenden Wagenfussböden gegenüber tritt der Vortheil der tiefliegenden Böden, nämlich die Verringerung des Tunnelquerschnittes, weit zurück.
(Fortsetzung folgt.)

Die Wahl des Betriebs-Systemes für städtische Tiefbahnen.

III.
Nachdem sich das Betriebssystem einer Zusammenstellung von Motorwagen und Anhängewagen mit hochliegenden Wagenfussböden als das einzige allgemein zweckmässige herausgestellt hat, wollen wir weiter sehen, wie sich im Einzelnen dieser Betrieb am vortheilhaftesten gestalten wird, und zunächst auf die Vertheilung der Antriebe innerhalb des Zuges eingehen.

Zugbildung aus Treibwagen und Anhängewagen. Man kann annehmen, dass ein vierachsiger Drehgestellwagen – und andere werden kaum inbetracht zu ziehen sein – für seinen Antrieb mindestens zwei Motoren beanspruchen wird und mit höchstens vier Motoren ausgerüstet werden kann. Es wird unzweckmässig sein, alle Wagen mit Motoren zu versehen, da ein Treibwagen häufigeren und längeren Reparaturen und Revisionen ausgesetzt sein wird, als ein antriebloser Wagen. Andererseits wird man aber auch die Grösse der aus einem Treibwagen und den dazu gehörigen antrieblosen Wagen (bis zum nächsten Treibwagen) bestehenden „Einheit“ möglichst vermindern und wird zugleich zur Erzielung einer grossen Beschleunigung das Verhältniss der angetriebenen zu den Laufachsen möglichst gross zu machen suchen. Eine angestellte Berechnung hat nun gezeigt, dass sich bei der Wahl dieses Verhältnisses zu 1:1 die genügend grosse Beschleunigung von 0,4 = in 1 Sekunde noch gut erreichen lässt. Aus alledem ergiebt sich als günstigstes Verhältniss die Bildung der Züge aus einer gleichen Anzahl von Treibwagen und Anhängewagen.

Die Zugbildung kann dann in der Weise vor sich gehen, dass zunächst zwei aus einem Treib- und einem „Schleppwagen“ bestehende Einheiten mit den Schleppwagen zusammen gesetzt werden; diese Gruppe bildet den Kern des Zuges. An sie schliessen sich weitere Einheiten beiderseits in beliebiger Anzahl an. Im Anfange und in verkehrsarmen Stunden läuft der Kern allein als Zug.

Abbildg. 18. Vorschlag zur Anordnung eines Motorwagens
Abbildg. 18. Vorschlag zur Anordnung eines Motorwagens
Abbildg. 19. Zugwiderstand der City & South London Railway
Abbildg. 19. Zugwiderstand der City & South London Railway

Eine andere Anordnung mit nur 3 Wagen als Kern hat den Vorzug, dass stets Treib- und Schleppwagen wechseln, die Zugkraft also gleichmässiger über den Zug vertheilt ist.

Das An- und Absetzen von Einheiten lässt sich im Pendelzug-Betriebe ohne weiteres ausführen und beim Ringbetriebe hat man nur die Unbequemlichkeit, das Entleeren der abzusetzenden Wagen während der Fahrt bewerkstelligen zu müssen, was aber beim Vorhandensein des Längsdurchganges keinerlei Schwierigkeiten verursacht.

Wagenkasten. Reine Abtheilwagen haben den Vorzug der besten Raumausnutzung und des schnellen Ein- und Aussteigens; jedoch ist mit denselben die Forderung des inneren Durchganges durch den Zug unvereinbar; die grosse Anzahl der unbewachten Thüren ist für eine Tunnelbahn nachtheilig, und wenn man bei Durchgangswagen für getrennte Ein- und Ausgänge sorgt, so dass ein Gegenströmen beim Füllen und Entleeren der Wagen vermieden wird, so wird man ebenso kurze Abfertigungszeiten wie bei Abtheilwagen um so eher erreichen können, je kürzer die von den Fahrgästen zurückzulegenden Wege sind. Dies führt zum Vorschlage eines mittleren Einganges für jeden Wagen und je eines Ausganges an jedem Ende (Abbildg. 18). Diese Anordnung kann nicht so leicht wie die Benutzung zweier gleichartiger, an den Enden befindlicher Thüren als Ein- und Ausgang dem Publikum zu Irrthümern Veranlassung geben.

Die Bestrebungen der meisten Stadtbahn-Betriebsgesellschaften gehen, wie wir gesehen haben, dahin, die Anzahl der Sitzplätze im Wagen einzuschränken, um mehr Raum für Stehplätze zu gewinnen. Das zeitweise sehr enge und bei nicht vorgeschriebener Platzvertheilung unvermeidliche Zusammendrängen vieler Menschen wird jedoch mit Rücksicht auf die Lufterneuerung bei Tiefbahnen stets lästig sein, und um so mehr für stehende Personen, als sich die verdorbene wärmere Luft im oberen Theile des Wageninneren ansammelt. Sobald man sich aber den Verkehrs-Schwankungen durch beliebige Verlängerung der Züge anpassen kann, wird die Ueberfüllung vermieden werden und man kann alsdann auf die Schaffung überreichlichen Standraumes verzichten. Ein zwingender Grund zur Anordnung von Längssitzen ist somit nicht vorhanden.

Man wird vielmehr, um die Zuglänge für 1 Sitzplatz zu verringern, Querbänke mit 4 Plätzen in der Wagenbreite wählen müssen. Will man allzu grosse Knappheit des Wageninneren vermeiden, so wird, bei Einhaltung einer Weite von 0,6 m für den Mittelgang, die innere Wagenbreite 2,6 m betragen müssen, gegen 2,47 m bei der Berliner Stadtbahn.

Die Wagenkasten für Treib- und Schleppwagen sind ganz gleich; nur enthalten die Treibwagen auf jeder der beiden Endplattformen die Schaltapparate en Antrieb des Zuges. Natürlich sind sämmtliche Motoren des Zuges vom vordersten Führerraum aus zu steuern und die Fahrschalter sind so auszubilden, dass sie wenig Raum einnehmen und vor unbefugter Berührung verschlossen werden können, so dass die nicht benutzten Führerabtheile als Durchgänge, für Stehplätze und Tragelasten benutzt werden können.

Sollte es bedenklich erscheinen, auch den vorderen Führerabtheil den Reisenden während der Fahrt zugänglich zu machen, auf ein Schutzabtheil also zu verzichten (es besteht dies z. B. auf der Schnellbahn Düsseldorf-Krefeld), so kann man die Thür während der Fahrt verschliessen und erst bei der Einfahrt öffnen lassen. Eine Trennung des Motormannes vom Publikum kann durch eine bewegliche Wand erfolgen (in Abbildg. 18 angedeutet).

Untergestell. Man wird darauf ausgehen, die Raddurchmesser an den Lauf- und Treibachsen möglichst klein zu halten. Dabei wird die untere Grenze einmal durch den für die Motoren erforderlichen Raum und andererseits durch die Berücksichtigung der Reibungs-Zugkräfte gegeben sein. Die Rücksicht auf die Motoren führt dann dazu, den bei den bisherigen Untergrundbahnen häufig und eigentlich mit Unrecht angewandten unmittelbaren Antrieb der Achsen ohne Vermittelung von Zahnrädern zu verlassen, wobei sich zugleich die Aufhängung der Motorgehäuse viel besser lösen lässt, die Achsen von den ungefederten Lasten befreit werden und der Motor an sich wesentlich leichter und billiger wird. Die Betriebsleiter gewinnen dabei auch noch den wesentlichen Vortheil, bei eintretenden Beschädigungen den Motor auswechseln zu können, ohne die Achse vom Wagen zu entfernen.

Berechnung der Motoren. Jeder Treibwagen erhält 4 Motoren. Diese haben demnach einen Treib- und einen Schleppwagen zu befördern. Als Vorbilder für die Schätzung der Wagengewichte dienen die Waterloo and City Railway und die Elektrische Stadtbahn in Berlin. Wir können für die Schleppwagen ein Gewicht von 13 t, für die Treibwagen ein solches von 17 t annehmen, wobei aus später zu erörternden Gründen das Gewicht der 4 Motoren nur auf zu sammen 3 t angenommen werden soll. Eine Einheit hat demnach ein Gewicht von 30 t leer, und wenn man eine Belastung von 11 t = rd. 150 Personen bei 108 Sitzplätzen als Höchstbetrag annimmt, von 41 t besetzt. Die Beschleunigung soll 0,4 m in der Sekunde betragen, so dass eine Meistgeschwindigkeit von 60 km in 42 Sekunden erreicht wird. Der Zugwiderstand auf freier Bahn würde bei V = 60 km, nach der Formel w = 1,5 + 0,001 V² bestimmt 5 ‰ betragen. Im Tunnel wird ein höherer Werth einzusetzen sein. Für die eingleisigen Röhrentunnel der City and South London Railway liegen nach Abbildg. 19 (The Electrician 1899, S. 229.) Messungsergebnisse vor, die bis V = 45 km sich erstrecken. Bei V = 60 km würden sich etwa 15 ‰ ergeben.

Wenn wir den Zugwiderstand im Beharrungs-Zustande für eine zweigleisige Unterpflasterbahn auf 10 ‰ und während der Anfahrt auf 7 % im Mittel schätzen, so ergiebt sich während der Anfahrt eine aufzuwendende Zugkraft von 2050 kg und während der Fahrt eine solche von 410 kg, entsprechend 460 P. S. am Ende der Anfahrt und 90 P. S. im Beharrungs-Zustande. Die Motoren sind demnach so zu wählen, dass sie 22,5 P. S. normaler Leistung und 115 P. S. Höchstleistung ohne weiteres liefern. Bei einer mittleren Stations-Entfernung von 800 m kommen von der Gesammt-Fahrzeit von 82 Sek. auf die Anfahrt 42 Sek., auf die Fahrt 8 Sek. und auf die Bremsung 32 Sek.

bei einer Verzögerung von 0,52 m, wie sie bei der Berliner Stadtbahn angewendet wird; wählt man 20 Sek. für den Aufenthalt, so ergiebt sie die Reisegeschwindigkeit zu 29 km. Die kleinste Stations-Entfernung, bei der die Geschwindigkeit von 60 km noch erreicht wird, beträgt 670 m.

(Schluss folgt.)

Die Wahl des Betriebs-Systemes für städtische Tiefbahnen.

(Schluss.)
IV. Wahl der Motoren und der Stromart.
Bisher ist von Eisenbahnfachleuten als Antrieb der Achsen fast ausschliesslich der Hauptstrommotor gewählt worden, und bei den Bahnen, die in unserer Tabelle angeführt sind, besteht diese Antriebsart ausnahmslos. In der That lassen die charakteristischen Eigenschaften dieses Motors seine Anwendung auf den ersten Blick als das einzig richtige erscheinen.

Das Drehmoment, d. h. die Zugkraft des Reihenschlussmotors ist im Momente des Einschaltens, wo die elektromotorische Gegenkraft gleich Null ist, sehr gross, ja scheinbar unbegrenzt. Mit zunehmender Geschwindigkeit nimmt die Zugkraft ab und nähert sich allmählich einem Grenzwerthe, welcher dem Beharrungszustande entspricht. Da der Strom, der bei direktem Einschalten im ersten Augenblicke den Motor durchfliesst, stärker als nothwendig und gut ist, so muss man ihn abschwächen, was in sehr zweckmässiger Weise durch anfängliche Hintereinanderschaltung der Motoren eines Wagens erreicht werden kann, von der man erst später zur Parallelschaltung übergeht. Diese als „Serien-Parallelsystem“ bekannte Anordnung ermöglicht es fast ganz ohne den sonst erforderlichen, nutzlos Energie verzehrenden Anlasswiderstand auszukommen und gestattet deshalb ein Anfahren mit verhältnissmässig geringen Verlusten, d. h. also mit gutem Wirkungsgrad. Das ist für Bahnen, die häufig zu halten und wieder anzufahren haben, von grösster Bedeutung.

Das Serien-Parallelsystem hat aber den Nachtheil, dass es vieladrige Leitungsführungen bedingt, die bei langen Zügen mit Motorwagen schwierig und mit Rücksicht auf die erforderlichen Kabelkuppelungen an den Stirnseiten der Wagen beinahe unmöglich sind. Diesem Mangel hat Sprague mit Erfolg durch sein „Multiple-Unit System“ abgeholfen, indem er jedem Motorwagen einen besonderen Fahrschalter (Controller) gab und sämmtliche Fahrschalter durch eine elektrisch bethäthigte Hilfsvorrichtung vom Führerstande an der Spitze des Zuges steuern liess. Die konstruktive Lösung dieser Aufgabe scheint in befriedigender Weise gelungen zu sein (Das Sprague-System ist auf der Südseitenhochbahn in Chicago und auf der Brooklyner Hochbahn im Betriebe und ist in verbesserter Form von der „Union Elektricitäts Gesellschaft“ für die Umwandlung der Berliner Stadtbahn vorgeschlagen, vergl. No. 98 des vorigen Jahrganges dies. Ztg.) und damit wäre unzweifelhaft ein wesentlicher Fortschritt erzielt. Trotzdem muss die Zweckmässigkeit des Antriebes der schweren Hauptbahn- und Untergrund-Bahnzüge aus anderen Rücksichten als die der Leitungsführung auf den Zügen infrage gestellt werden.

Der Hauptstrom-Motor ist ein Gleichstrom-Motor und muss, wie alle Gleichstrom-Maschinen, mit einem Kollektor versehen werden. Der Kollektor ist und bleibt aber trotz aller Fortschritte in der Fabrikation und trotz der weitgehenden Verbesserungen in der Bemessung des magnetischen Stromkreises in den Motoren, durch die das Auftreten von Funkenbildung an den Bürsten erheblich vermindert worden ist, ein starker Abnutzung unterworfener und gegen die schädliche Beeinflussung durch das Schmiermaterial und andere Verunreinigungen sehr empfindlicher Theil. (Wenn bei den Bahnbetrieben Störungen durch Schadhaftwerden von Kollektoren nicht häufiger auffallen, so liegt das daran, dass für reichliche Erneuerung gesorgt wird.)

Um seinetwillen muss man die Lager und Wellen mit besonderen Kunstgriffen konstruiren und muss bei Eisenbahnen die Motoren in dicht geschlossene Kästen einbauen, wobei jede Kühlung der sich im Betriebe erwärmenden Theile durch Luftberieselung unmöglich wird. Könnte man an Stelle des Gleichstrommotors einen anderen Motor setzen, welcher keinen Kollektor brauchte, so wäre, wenn sonst alles unverändert bliebe, die Verbesserung eine gewaltige.

Die Anwendung von Gleichstrom bedingt noch einen anderen Nachtheil: Man kann, und zwar wieder nur mit Rücksicht auf die Kollektoren, mit der Spannung nicht über eine gewisse Höhe hinausgehen. Zwar wäre ein Eisenbahn-Betrieb denkbar, bei dem eine Reihe von Generatoren im Kraftwerk und eine Reihe von Motoren auf den Zügen hinter einander geschaltet wären, so dass auf jeden Generator und auf jeden Motor nur ein so grosser Theil der Gesammtspannung käme, als er vertragen könnte. Dann würden aber wieder an anderer Stelle Schwierigkeiten entstehen; die Kraftstationen, die Schalter, die Beleuchtung würden kaum in einfacher Weise anzuordnen sein und schliesslich wäre man bei der einmal angenommenen Gesammtspannung an eine bestimmte Zahl von Motorwagen im Zuge gebunden und der Vortheil des Serien-Parallelsystems wäre verloren.

Die Möglichkeit, die Spannung höher zu wählen, als es die Gleichstrom-Antriebe gestatten, ist aber für schweren Vollbahn-Betrieb als eine unumgängliche Nothwendigkeit zu bezeichnen und ist als solche auch anerkannt und zugestanden worden. Der Grund ist der bekannte: dass man für Uebertragung grosser Energiemengen die geringsten Verluste und die billigste Leitungsanlage bei geringer Stromstärke und hoher Spannung erzielt.

Nach dem heutigen Stande der Technik lässt sich ein befriedigender Betrieb mit höheren Spannungen als 750-1000 Volt nur bei Verwendung von Wechselströmen einrichten. Man hat nun meistens, und zwar besonders in Nordamerika, die Anordnung so getroffen, dass man den in der Zentrale erzeugten, hochgespannten Wechselstrom in mehren längs der Bahn vertheilten Unterstationen in Gleichstrom niederer Spannung umformt. Ganz abgesehen davon, dass dieses System eine Verminderung der Betriebssicherheit bedeutet, da es den Bahnbetrieb gleichzeitig von zwei verschiedenen, Störungen ausgesetzten Maschinen-Anlagen abhängig macht, ist es wirthschaftlich jedem reinen Wechselstrom-System gegenüber deswegen im Nachtheil, weil die Wartung der Unterstationen die Betriebskosten erheblich vermehrt. (Ferner lehrt die Erfahrung, dass Umformer eine eigenthümliche Betriebsstörung durch mangelhaftes Parallelarbeiten hervorbringen können, worauf wir bei andererer Gelegenheit zurückkommen werden.)

Wählt man hochgespannten Wechselstrom zum Speisen der Arbeitsleitung und zum Antriebe des Zuges, so kann man nach den neuesten Erfahrungen unbedenklich bis auf 15000 Volt hinaufgehen, eine Spannung, bei der eine sichere Isolation der Leitungen und die unmittelbare Abnahme dies Stromes von der Arbeitsleitung mittels Bügel oder Schleifkontakt keinerlei Schwierigkeiten begegnet (Den praktischen Beweis hierfür erbrachten neuere Versuche von Siemens & Halske, vergl. Elektrotechnische Zeitschrift 1900, Heft 1, S. 31.), vielmehr die Abnutzung infolge der geringeren Stromstärken kleiner ist als bei niedriger Spannung. Dafür tritt aber die Nothwendigkeit ein, den Strom in drei, oder bei Benutzung der Schienen als Rückleitung in zwei Leitungen dem Wagen zuzuführen, weil bekanntlich mit Wechselstrom zu betreibende Motoren nach einem Mehrphasen-Systeme ausgeführt werden müssen, nachdem es noch nicht gelungen ist, „Einphasen-Motoren“ so zu bauen, dass sie beim Anziehen ein Vielfaches ihrer normalen Zugkraft ohne übermässig grossen Strom-Verbrauch entwickeln können.

Gegen die Benutzung von Drehstrom ist häufig eingewendet worden, dass die Zugkraft der Drehstrom-Motoren eng begrenzt sei, während die der Hauptstrom-Motoren beliebig gesteigert werden könne, so dass bei Drehstrom-Betrieb ein Steckenbleiben der Züge bei Ueberlastung derselben stattfinden könnte, was bei Gleichstrom-Motoren nicht zu befürchten wäre. Thatsächlich kann ein Drehstrom -Motor nur ein bestimmtes maximales Drehmoment liefern und fällt ab, wenn die Belastung dasselbe übersteigt. Man hat aber die Festlegung dieser „Abfallgrenze“ in der Hand und kann die Motoren so bauen, dass sie imstande sind, ein vielfaches der normalen Zugkraft herzugeben, das über die im Betriebe vorkommende Belastung hinausgeht. Bei Hauptstrommotoren ist eine beliebige Steigerung der Zügkraft auch nicht möglich, da eine Grenze durch die derselben entsprechende Stromstärke gegeben ist.

Für den Drehstrommotor bedarf man keines Kommutators, hat also namentlich bei Untergrundbahnen, bei denen Schnee und Schmutz nicht vorkommen, keinen Grund, die Motoren wasserdicht einzukapseln. Dadurch gewinnt man den Vortheil vorzüglichster Lüftung der Wicklung und kann alsdann durch in elektrischer und magnetischer Hinsicht erheblich gesteigerte Beanspruchung des Materials das Motorengewicht ausserördentlich verringern. Für den unseren Vorschlägen zugrunde gelegten Motor ergiebt sich – bei 150 P. S. grösster Leistung und einer Uebersetzung von 1:2 – ein Gewicht ‘von nur 750 kg, so dass die vier Motoren eines Wagens ein Gewicht von 3 t besitzen. Der entsprechende Gleichstrommotor von 115 P. S. grösster Leistung würde dagegen ein Gewicht von 3 t haben; das todte Gewicht eines Wagens würde bei Gleichstrom-Antrieben also 9 t mehr betragen, als bei Drehstrom-Antrieben.

Um einen Begriff davon zu geben, in welchem Verhältniss die Leitungskosten bei Drehstrom und bei Gleichstrom stehen, muss man für beide Arten der Speisung eine gewisse Spannung annehmen. Man wird bei Gleichstrom 750 Volt zu nehmen haben; bei Drehstrom wird man, wenn die Motoren direkt aus dem Netz Strom erhalten sollen, 3000 Volt wählen können; darüber hinaus würden sich Schwierigkeiten für die Herstellung der Wicklung ergeben, weil die Drahtquerschnitte zu klein und der durch die isolirende Umspinnung beanspruchte Raum im Verhältniss zu gross werden würde. Bei sehr weit weit ausgedehnten Netzen müsste man daher, um in den Zuleitungen höhere Spannungen anwenden zu können, Transformatoren auf den Wagen anbringen müssen, und das wird man um des todten Gewichtes willen und des beschränkten Raumes wegen in unserem Falle vermeiden, wo die zu überwindenden Entfernungen verhältnissmässig geringe sein werden.

– Eine vergleichende Rechnung ergiebt, dass bei Drehstrom von 3000 Volt der Querschnitt der Gesammtleitung nur % des bei Gleichstrom von 750 Volt erforderlichen Querschnittes beträgt, wenn man bei beiden dasselbe Material (Kupfer) voraussetzt und die Schienenrückleitung vernachlässigt. Nimmt man dagegen als Stromleitung bei Gleichstrom eine Eisenleitung („dritte Schiene“) an, so wäre das Querschnitts-Verhältniss beider Leitungen 1:100, so dass sich, da Kupfer etwa das Zehnfache des Eisens kostet, die Kosten der Arbeitsleitung in beiden Fällen wie 1:10 verhalten.

Drehstrom-Motoren brauchen nur Stromzuführung zu dem festliegenden Theil zu erhalten (woraus sich der Fortfall des Kollektors ergiebt), während der umlaufende Theil so ausgebildet werden kann, dass er sich unter Benutzung einer durch Fliehkraft bethätigten Vorrichtung selbstthätig schaltet und von aussen keinerlei Schleifringe oder dergleichen beansprucht. (Derartige Apparate wurden bereits verschiedentlich gebaut, z. B. von der General Electric Co., besonders aber von Siemens & Halske, die eine grosse Reihe von stationären Drehstrom-Motoren damit ausgerüstet haben.) Die Leitungsführung auf dem Zuge wird demnach sehr einfach, allerdings unter der Voraussetzung, dass eine willkürliche Regelung der Fahrgeschwindigkeit nicht verlangt wird. Eine solche ist bei Strassenbahnen unerlässlich, bei Stadtbahnen mit eigenem Bahnkörper dagegen unnöthig und von zweifelhaftem Nutzen. Im Gegensatz zu Hauptbahnen wird man bei derartigen Bahnen mit starrem Fahrplan eine Verspätungsquelle fast nie am Zuge suchen müssen (grosser Andrang, Anhängen von Wagen, Abwarten von Anschlüssen, Plankreuzungen), sondern sie wird fast immer vor dem Zuge liegen (zu geringer Zugabstand). Alsdann ist eine Beschleunigung des Zuges zum Einholen der Verspätung nicht durchführbar. Bei den kurzen Stations-Entfernungen ist andererseits der Zeitgewinn, der durch Beschleunigung der Züge erreicht werden kann, verschwindend klein.

Eine Verzögerung lässt sich natürlich ohne weiteres durch stromloses Zurücklegen einer Strecke erreichen.

Abbildg. 20. Zugbild einer Einheit
Abbildg. 20. Zugbild einer Einheit

Reihen-Parallelschaltung ist bei Drehstrom-Motoren ausgeschlossen. Die Zugkraft ist hier nicht eine Funktion der Stromstärke, sondern der Spannung; Reihenschaltung der Antriebe würde also Verringerung der Zugkraft beim Anfahren bedeuten. Es ist im Rahmen dieser Betrachtungen nicht möglich das in allen Einzelheiten zu begründen. Es soll nur auf die Thatsache hingewiesen werden, dass die Beschleunigung, die der Drehstrom-Motor während der Anfahrt giebt, annähernd konstant ist und solange gleichmässig andauert, bis die dem Motor eigenthümliche Umdrehungszahl (Synchronismus vermindert um den Betrag der Schlüpfung) erreicht ist. Beim Reihenschluss-Motor ist dagegen, wie wir gesehen haben, die Beschleunigung im ersten Augenblick am grössten und nähert sich dann allmählich dem Werth Null. Aus diesen Eigenschaften geht hervor, dass der Gleichstrom-Motor einen etwas besseren Wirkungsgrad beim Anfahren zulässt; demgegenüber bietet aber der Drehstrom-Motor die Möglichkeit, einen Theil der Anfahrenergie beim Bremsen wieder zu gewinnen. (Diese Rückgewinnung von Energie wird unter günstigen Verhältnissen etwa 25 % betragen können; vergl. der Verfasser: „Ein Entwurf zur Einführung des elektrischen Betriebes auf der Wannseebahn“, Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des Gewerbefleisses 1898, und Deutsche Bauzeitung 1898 S. 363.)

Zusammenstellung der Vergleichszahlen des vorgeschlagenen Betriebs-Systems
Zusammenstellung der Vergleichszahlen des vorgeschlagenen Betriebs-Systems

Die aus zwei Kupferdrähten bestehende Stromleitung wird man an der Tunneldecke befestigen und den Strom mittels zwei Paar Gleitbügel von derselben abnehmen. Derartige Stromabnehmer befinden sich auf jedem Treibwagen. Der Strom von 3000 Volt Spannung wird den Motoren unmittelbar zugeführt. Da die Regelung der Motoren einzeln und selbstthätig erfolgt, so beschränken sich die von dem Führer zu handhabenden Vorrichtungen – ausser der Luftdruckbremse – auf einen an der Decke jedes Führerraumes angebrachten Ein- und Umschalter, von denen nur der im ersten Führerraum im Betriebe ist, während alle anderen verschlossen sind. Die Stromleitung innerhalb des Zuges beschränkt sich auf zwei Kabel mit je drei Leitungen. Eines derselben führt den Strom von allen Abnehmerbügeln der Treibwagen zum ersten Einschalthebel, das andere von da zu allen Motoren. Der Strom zur Erleuchtung und Heizung wird jedem Wagen unmittelbar zugeführt. Zu diesem Zwecke erhalten die Schleppwagen ebenfalls Stromabnehmer und alle Wagen einen kleinen Transformator. Unter Umständen wird es sich empfehlen, für einen Theil der Beleuchtung eine kleine Akkumulatoren-Batterie einzuführen. Die Stromleitung innerhalb des Zuges und die Schaltung sind also die denkbar einfachsten.

Gegen die Anwendung der hohen Spannung wird hin und wieder immer noch ihre Lebensgefährlichkeit angeführt, und es erscheint angebracht, diese Frage hier am Schluss kurz zu streifen. Die Gefährlichkeit hochgespannter Wechselströme, die für verschiedene Personen ganz verschieden ist, beginnt für viele, bei unmittelbarer Einschaltung in den Stromkreis, schon bei etwa 200 Volt, namentlich wenn der Stromlauf das Herz treffen kann. Gleichwohl werden die Schweizer, von der Firma Brown, Boveri & Co,, ausgeführten Drehstrombahnen zumtheil mit 750 Volt befahren, und die angewandten Schutzvorrichtungen haben sich so bewährt, dass bisher nicht der kleinste Unfall bekannt geworden ist. Inbezug auf Gefährlichkeit besteht aber zwischen 750 und 3000 Volt praktisch kein Unterschied. Wenn alle Metalltheile des Wagens sorgfältig geerdet sind, ist auch in dem Falle, dass irgend eine Isolation schadhaft werden sollte, eine Gefahr bei der Berührung stromführender Theile ausgeschlossen. Ein Reissen oder Herabfallen von Leitungsdrähten ist bei den geringeren Temperatur-Schwankungen und der äusserst sicheren Befestigung an der Tunneldecke ebenfalls als ausgeschlossen zu betrachten und würde, da bei dem entstehenden Kurzschluss sofort die Sicherungen ausbrennen würden, auch nicht viel Schaden machen können.

Dieser Artikel erschien zuerst am 05., 12., 19. & 23.05., sowie am 09.06.1900 in der Deutsche Bauzeitung.