Hauberg-Wirthschaft.

Diese Niederwaldungen führen den Namen: „Hauberge,“ und je nach dem Hauptbestand „Eichen-Hauberge“ oder „Birken-Hauberge.“ Sie werden in bestimmten Fristen, nach der Haubergs-Ordnung von 1834, in 6 bis 7 Jahren bis auf die Wurzel abgetrieben, der Boden um dieselben aufgehackt und mit Buchwaizen oder Roggen bestellt und dann, nach der Ernte, wenn das Jungholz eine gewisse Stärke erreicht hat, als Viehweiden benutzt.

Bedürfnis hat wahrscheinlich diese ganz eigenthümliche‚ Hauberg-Wirthschaft, die wir sonst nur in den Kreisen Altenkirchen und Olpe, im Dillenburgischen und im Odenwalde finden, in’s Leben gerufen, und schon früh nach bestimmter Ordnung geregelt, bis zu Anfang des vorigen Jahrhunderts der Fürst des Siegener Landes Friedrich Wilhelm Adolph, nachdem er sich 1702 mit Elisabeth, Prinzessin von Hessen-Homburg vermählt hatte, der Hauberg-Wirthschaft ein allgemeines Gesetz gab, welches der Volksmund mit dem Namen „goldene Jahn-Ordnung“ bezeichnet hat. Nach derselben sind alle Hauberge einer Ortsgemarkung konsolidirt, d. h. in ein Ganzes verschmolzen und in 15 oder 20 Haue oder Schaaren, wie man die Schläge nennt, eingetheilt, von denen jedes Jahr nur einer abgetrieben werden soll. Hinsichtlich der Nutzniessung ist das Ganze in Stammjähne oder gleiche Parzellen abgetheilt, an welchen jeder einzelne Haubergbesitzer nach seinem früheren Alleineigenthum nach Ruthen, Albus, Pfennigen, Bechern und Maassen Antheil hat.

Ende April werden die Haue in Stammjähne getheilt und diese verloost, um, in Jähne getheilt, wieder an die einzelnen Interessenten nach ihren Gerechtsamen verloost zu werden. Nach dieser Verloosung kann derjenige das Stück, das ihm als Loos zugefallen, auf zwei Jahre als Eigenthum benutzen, abholzen und mit Frucht bestellen, nach deren Erndte das Ganze wieder Gesammt-Eigenthum wird, das, wenn die Reihe an den Hau kommt, von Neuem in obiger Weise getheilt wird, wobei zu bemerken, dass die ungetheilten kleinen Stücke, unter dem Namen „Sauf-Ecken“, im Wirthshause an den Meistbietenden der Haubergberechtigten versteigert werden, und der Ertrag in Gemeinschaft verjubelt wird.

Natürlich ist diese Bewirthschaftung der Forsten bestimmten Regeln unterworfen. Zuerst wird in den Haubergen Anfangs März gestraucht oder der Hain geräumt, d. h. die Reiser an den jungen Stämmen abgehauen, zu Schanzen und Wellen gebunden und aus dem Hau geschafft. Nachdem hierauf zu je 15 Schritten die Samenriedel, die stehen bleiben sollen, mit einem Strohseile oder einer Weide bezeichnet sind, wird alles Holz, ausser den, noch nicht 1 1/2 Zoll haltenden Samenloden, bis auf den Boden abgehauen. Mit Ende April muss dies Geschäft beendet sein, nur in den mit Eichen bestandenen Bergen, deren Rinde als Lohe benutzt wird, dauert es bis Ende Mai, da man mit dem Schälen der Stangen erst beginnen kann, wenn der Saft völlig in Umlauf getreten, indem sich dann erst die Schaale leicht vom Splinte löst.

Das Schälen geschieht mit dem Loheisen von unten herauf. Nachdem die Rinde am Stamme getrocknet, wird sie abgerissen und in Bürden gebunden, die, zu 1 1/2 bis 2 Gulden verkauft, den Gerbereien des Siegener Landes das herrlichste Material zu ihren weit berühmten Lohgerbereien liefern, welche mit ihrem Produkte dem Thale im Durchschnitte jährlich 200,000 Thlr. einbringen.

Die gefällten, gewöhnlich zwischen 8 und 10 Fuss langen und von 2 1/2, bis 4 Zoll im Durchmesser haltenden Stangen werden in die Thalgründe geschafft, wo die Köhler ihre Meiler bauen, und hier zu deren Verbrauch aufgestapelt.

Nachdem die Haue vom Holze geräumt, wird der Rasen zwischen den Stöcken mit scharfen Hainhacken vom Boden geschält und in 2 bis 3 Zoll dicken Platten zum Trocknen aufgestellt. Sollen die Haue mit Buchwaizen bestellt werden, verbrennt man die Rasen zu Ende Mai. Ihre Asche dient als Dung für die Mitte Juni vollzogene Aussaat. Bei Roggensaat, die natürlich später erfolgt, werden die Rasen erst Mitte Juli verbrannt und zwar in kegelförmigen Haufen, die man über dem gesammelten kleinen Reisig aufthürmt. Zweimal 24 Stunden dauert der Rasenbrand. Die Aschenhaufen werden vor der Aussaat mit der Hainkratze gleich vertheilt und die Saat selbst auf 1 bis 2 Zoll tief untergehackt. Die mit Buchwaizen bestellten Haine heissen Haidlooshaine, die mit Roggen besäete Kornhaine. Gewöhnlich wird der Roggen auf Tüchern in den Hainen ausgedroschen.

In der Regel können die Haue wieder mit dem sechsten Jahre als Rindvieh-Weiden benutzt werden, bei jüngeren Holzungen und künstlicher Pflanzung oder Saat aber erst nach zehn und zwölf Jahren. Als Viehweiden werden die Hauberge so lange betrieben, bis sie wieder abgeholzt werden.

Sie haben demnach als Holzungen, Fruchtland und Viehweiden dreifachen Nutzen und bilden die Hauptnahrungsquellen der Landbewohner, denn ausser dem zum Kohlenbrennen benutzten Holze, liefern sie im Durchschnitt jährlich 130,000 Bürden Lohe und etwa die Hälfte der jährlichen Kornerndte oder ein Viertel des Fruchtbedarfs, nämlich etwa 3 Millionen Pfund Stroh. Im Kreise Siegen stehen 106,405 Morgen Interessenten-Waldungen und 6466 Morgen Gemeinde-Waldungen unter der Communal- und Haubergs-Oberförsterei, während die Waldungen des Siegkreises zur Oberförsterei Siebengebirge gehören. Sämmtliche Waldungen stehen unter der technischen Leitung eines Regierungs-Forstmeisters.

Nach diesem Systeme der Forstwirthschaft ist im Siegthale an keine Ausrodung der Waldungen zu denken, mithin an keine Umgestaltung des äusseren Karakters in seiner grössten Ausdehnung.

Der Niederwald mildert zudem wesentlich die Rauheit des Klimas dieses hochgelegenen Landstriches, dem blosser Hochwald noch mehr Kälte bringen würde, wie auf der anderen Seite eine durchgreifende Entwaldung der Thalgehänge alle Nachtheile in der Umgestaltung der klimatischen Verhältnisse, wie wir diese in anderen Gegenden und Ländern, denen man unvernünftiger Weise den Segen des Waldschutzes genommen hat, so bitter zu beklagen haben.

Dies ist ein Textausschnitt aus dem Buch „Das Siegthal“ von Ernst Weyden, zuerst erschienen im Jahr 1865. Das Buch ist nun wieder erhältlich, die Bilder sind Beispielbilder und i. d. R. nicht dem Buch entnommen.

Inhaltsverzeichnis
Vorwort.
Zur Einleitung.
Das Siegthal.

Die Sieg.
Sieg-Quelle, Lauf und Mündung.
Bergbau, Viehzucht und Köhler-Meiler.
Hauberg-Wirthschaft.
Wiesen-Cultur.
Ackerbau, Weinbau.

Von Beuel nach Blankenberg
Beuel, Landstrasse-Pützchen.
Von Beuel durch das Siebengebirge nach Siegburg.

Die Deutz-Giessener Bahn.
Der Bau.
Geheimer Baurath Haehner.
Baukosten.
Deutz-Bensberg.
Lüderich.
Wahner Heide.
Haltestellen – Lauf der Bahn.


Fusswanderungen durch das Siegthal.

Vom Rheine bis nach Siegburg.
Die Sieg-Mündung.
Die alte Sieg.
Regulirung der Flussmündung.

Isabellen-Insel.
Die Kriegsgeschichte der Isabelleninsel.
Fischfang, Alsen und Salme in der Sieg.
Die Kirche zu Schwarz-Rheindorf.
Maibeiern.
Mai-Lehen.
Maibaum.
Thierjagen.
Spinnstuben-Abende.
Volksgebräuche.
Martinsfeuer.
Bittwoche.
Spielbaehn.
Glockengiesser Claren.
Siegburg.


Siegburg und seine Umgebung.
Geschichte Siegburg’s.
Anno, der Heilige.
Legende.
Die Abtei.
Anno-Lied.

Schicksale der Stadt.
Hexenwesen in Siegburg und in Bonn.
Schicksale der Abtei.

Die Stadtkirche des h. Servatius.
Der Reliquien-Schatz.
Die Provinzial-Irren-Heilanstalt.
Ihre Einrichtung.
Garten-Anlagen.
Aussicht vom Kirchthurme.
Die Wolsberge.
Geognostisches.
Botanisches.


Von Siegburg nach Eitorf.
Geognostisches.
Rittersitz zur Mühle.
Legende.
Weinbau.
Seligenthal.
Schöne Aussichten.

Hennef.
Schloß Allner.
Der Schloßwald.
Geschichte.
Meroderer-Brüder.
Fürst Franz Ludwig von Hatzfeld.

Broelthal.
Ausflug in’s Broelthal.
Geognostisches.

Kloster Bödingen.
Der Silberling.

Rittersitz Attenbach.
Freiherr Theodor von Hallberg.


Blankenberg.
Die Burg.
Geschichte der Veste, der Stadt und des Amtes Blankenberg.
Stachelhardt.


Kloster Merten

Eitorf und seine Umgebungen.
Gasthöfe.
Geschichtliches.
Kirche.
Volksleben.
Dr. Meyer’s Heilanstalt für Nervenleidende und Gemüthskranke.
Ausflüge.
Hohenstein.
Geognostisches.
Burg Weltenroth.
Der hohe Schade.
Hippelroth.
Der Kelterberg.
Halft.
Die Schnepperstraße.
Die Siegwiese.
Bergbau.


Nach Windeck.
Wege von Eitorf nach Windeck.
Herchen.
Das Ohmbad-Thal.
Sage: Der Heilborn.
Nebenbäche.
Präsidenten-Brücke.
Botanisches.
Der Irserbach.
Der Hof Stein.
Durchstich.
Kesselthal von Stromberg.
Leuscheid.
Romanischer Taufstein.
Haltestelle.
Au und Umgebung.
Burgsitze bei Röcklingen.
Hoppengartner Berg
Höhe von Dreisel.
Das hohe Wäldchen, Baiershahns Höchste, der Altenstuhl, Bodenberg und die Wilhelmshöhe.
Wilbringhoven und Haus Broich.
Ritter von Huhn zu Broich.
Windeck.


Burg Windeck.
Geschichte der Veste und des Amtes Windeck.
Sage.
Adolph von Berg.
Opladener Ritterrecht.
Amt Windeck.
Burg Windeck im dreissigjährigen Kriege.
Zweite Einnahme durch Schweden und Hessen.
Zerstörung der Veste.
Disposition des Baues der Veste.
Neues Burghaus.
Curiositäten.
Die Burgterrasse.
Vesten und Burgsitze.
Erdwälle oder Schläge.
Amtleute.
Archiv von Windeck.
Eselshafer.


Von Windeck nach Schönstein.
Der Krummauel.
Station Schladern.
Rosbach und die Hohe Ley.
Bensekausen.
Faehren.
Von Au nach Hamm.
Bergbau.
Ausflug nach Kloster Marienthal.
Schatzgräberei.
Botanisches.


Wissen und seine Umgebung.
Burg Schönstein
Geschichtliches.
Schloß Grottorf.
Veste Wildenburg.
Geschichtliches.
Abstecher nach dem Westerwalde.
Bodengepräge und Bewohner.
Kloster Marienstatt (Locus Mariae)
Legende.
Die Kirche.


Von Wissen nach Kirchen.
Die Eiche bei Wissen.
Die Wingertshardts-Grube.
Erlaubnisscheine zum Besuch der Gruben.
Dasberg.
Betzdorf.
Ausflug nach dem Hellerthal.
Bergbau.
Hohenselbachs-Kopf.
Geschichtliches.
Die Buchensteine.
Wildhandel.
Der Hickengrund.
Seine Bewohner.
Erläuterungen zum Begriff „Zigeuner“
Zigeuner.
Die Meckeser.
Kirchen.
Der Druidenstein.
Botanisches.
Das Küppelsfest.
Weg nach Wildenburg.


Volkes Brauch und Volkes Sitte im mittlern Siegthale.
Bekleidung.
Speisen.
Kartoffelbau.
Geschichtliches.
Prozesssucht.
Franzosenherrschaft.
Paul von Bettenhagen.
Altherkömmliche Sitten.
Der Aberglauben.
Das Amerikafieber.


Nach Siegen.
Freusburg.
Die Sage von Schloß Freusburg.
Der Giebelwald.
Die Junkernburg bei Niederschelden.
Sage.
Bergbau.
Eisenfeld.
Ankunft in Siegen.


Siegen.
Geschichtliches.
Die Stadt und ihre Bauwerke.
Die St. Nicolaikirche.
Der Nassauische Hof.
Ausweisung der Mönche.
Fürstengruft.
Der Thiergarten.
Die eiserne Jungfrau.
Das Behweibchen vom Kirchhofe.
Die Geburtsstätte Rubens.
Siegerländer Berühmtheiten.
Geistiges Leben.

Volkes Brauch und Volkes Sitte im Sieger-Lande.
Volkskarakter.
Knappschaften.
Knappschafts-Ordnung.
Ackerbau, Wiesenkultur und Viehzucht.
Der Hirte.
Besehen.
Taufen.
Pfingstlümmel und andere Sitten.
Volksfeste.
Kaffebrech.
Hammerschmiede.
Hochwaldbestand.

Das Siegerland.
Verschiedene Ausflüge in’s Siegerland.
Bergbau und Hüttenbetrieb.

Ausflug nach Müsen.
Weg nach Müsen.
Der Köln-Müsener Bergwerk-Verein.
Bergmännisches.
Besuch der Gruben.
Die Sagen vom Kindelsberg und Altenberg.
Die böse Stadt.
Die Linde auf Schloss Kindelsberg.
Der Gasthof zum Kronprinzen von Preusen in Hilchenbach.
Das Stift Keppel.
Rückkehr nach Siegen.

Ausflug nach Ginsberg, Grund und Hilchenbach.
Karakter des Landes.
Die Sagen vom Schömelberge und der alten Burg.
Der Ginsberg.
Grund, Jung gen. Stilling.
Sein Denkmal.
Der freie Stuhl auf Schloß Ginsberg.
Der Raubritter Hübner.
Das Fehmgericht.
Geschichte der Fehme.
Hilchenbach.

Ausflug nach den Quellen der Lahn, der Sieg und der Eder.
Karakter der Gegend.
Weg von Siegen.
Wege von Netphen, Deutz.
Walpersdorf.
Der Lahnhof.
Quelle der Lahn.
Die Stiegelburg.
Fernsichten.
Das Denkmal in der Kirche zu Irmgarteichen.
Die Siegquelle.
Die Ederquelle.
Hohenrode.
Lützel.
Die Kronprinzen-Eiche.
Weg nach Siegen.
Schluß.