Kloster Merten

Folgen wir der Landstrasse, so werden wir plötzlich durch das auf dem rechten Ufer auf einer Felsenplatte sich mit seiner romanischen Kirche äusserst malerisch erhebende, von üppigen Fruchtfeldern umwogte Kloster Merten überrascht.

Sanft steigen die meist mit Äckern bestellten Höhen hinter demselben an und wechseln mit nackten Felsen und bewaldeten Stellen. Der Fährmann harrt unser. Ein Wiesenthälchen zieht sich links an der Landstrasse hin, durch dessen Grün wir Pfade finden, die uns auf einem nicht steil angehenden Wege nach den Ruinen von Blankenberg führen.

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Kloster Merten mit seiner nächsten Umgebung bildet eine so schöne, in sich abgeschlossene Landschaft, als wenn ein phantasiebegabter Maler dieselbe komponirt hätte. Unwillkürlich ruft man aus: „O wie schön!“ An der Ostseite der sie auf zwei Seiten einschliessenden Klostergebäude erhebt sich die romanische, dreischiffige Klosterkirche, deren Hauptfagade von zwei Thürmen flankirt ist, von denen der östliche aber nur bis zur Dachhöhe des Mittelschiffes reicht. Die Kirche, jetzt als Pfarrkirche benutzt, hat noch eine flache Decke, wie ursprünglich alle romanischen Kirchen. Ihre Bauformen bekunden ihr Alter, wahrscheinlich die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts. Das Innere bewahrt noch eine Menge alter Grabsteine der in diesem Theile des Thales einst begüterten Familien. Eine Grabplatte aus fein polirtem schwarzen Marmor trägt die Jahreszahl 1703 und die Inschrift: Johann Werner Sebastian, Baron Scheiffart von Merode, dominus territorialis in Merten.

Der ursprüngliche Rittersitz Merten lag etwas weiter siegabwärts auf einem niedrigen Vorsprung des Höhenzuges, rechts neben der Eisenbahn, am Anfange des Einschnittes vor dem Mertener Tunnel.

Auch die gräfliche Oberförsterei ist auf dem Burgstadel einer alten Veste gebaut, wie dies noch die Ruinen von drei Warten und Spuren von Gräben andeuten. Auffallend muss es Jedem sein, wie viele adligen Familien an den Ufern, auf den Höhen der untern und mittlern Sieg ihre Edelsitze und Vesten hatten und dies in gerader Richtung auf einer Strecke von höchstens 6 Meilen. Im mittleren Siegthale mahnt der Karakter der Dörfer noch zum Theil an die Blüthenzeit der Junkerherrschaft, wenn auch die Dienstgelder, Rauch-Hühner, Rauch- Vogt- und Förstershafer und die Last des Besthauptes — der Burgbesitzer hatte das Recht beim Absterben eines Familienvaters seiner Dienstpflichtigen, das beste Stück Vieh oder Geräthe der Hinterlassenschaft zu beanspruchen — seit 1806 aufgehoben sind:

Erinnerungen dieser Lasten haben aber noch bis in die zwanziger Jahre bestanden. Im obern Thale hat das Feudalwesen nie geblüht, hat längst der bürgerliche Gewerbfleiss den vollkommensten Sieg über alle diese Nachklänge des Mittelalters davongetragen.

Rittersitz und Dorf Merten (Mertene) waren ein kurkölnisches Lehen, mit welchen seit dem Anfange des 13. Jahrhunderts die Herren von Wildenberg, und seit 1420 die Familie von Hatzfeld belehnt waren. Durch den oben, bei den historischen Andeutungen über Schloss Allner angegebenen Familienwechsel kamen diese Besitzungen an die Scheiffart von Merode, von denen dieselben an Spies von Büllesheim und zuletzt, nach langwierigem Prozess, wie wir oben gehört haben, an die Grafen von Hatzfeld übergingen, mit Franz Ludwig von König Friedrich Wilhelm III. in den Fürstenstand erhoben. Nach dem Tode dieses Fürsten, kam das Kloster und die Besitzungen in Merten an die Familie der Grafen von Hatzfeld-Weisoder Kinsweiler-Calceum, die ihren Antheil am Kloster zur Pächterwohnung umgeschaffen haben.

Die Kirche und den Rest des Klosters überliess die Regierung der Gemeinde Merten, welche die Kirche als Pfarrkirche und den ihr zugefallenen Theil des Klosters als Vikarwohnung und Schullokal benutzt.

Das Kloster Merten war ein Nonnenkloster des Bettlerordens der Augustiner. Der Distrikt in dem dasselbe Spenden sammeln durfte, ging bis nach Honnef, wo sich bis zur Aufhebung der Klöster noch folgender Gebrauch erhalten hatte. Am dritten Tage nach dem Feste des h. Gereon, zogen vier Nonnen aus dem Kloster Merten mit ihrem Prior nach Honnef, in dessen Pfarrkirche an diesem Tage ein feierliches Anniversarium für die Abgeschiedenen der Familie von Löwenburg gehalten wurde.

Dreimal rief die Glocke zu dem Seelenamte, vor dessen Beginn die Nonnen aus Kloster Merten die Todtenvigilien sangen, dann die Commendatio beteten und eine pfündige Wachskerze auf dem Bahrgerüste opferten. Wahrscheinlich war das Kloster eine Stiftung deren von Löwenburg. Nach dem Todtenamte versammelten sich die Nonnen mit den Geistlichen, dem Küster und den Chorsängern auf dem Mertenshof in Honnef zu einem Mittagsmahle.

Kloster Merten und seine Umgebung ist einer der Plätze, von denen der Naturfreund nicht gerne scheidet, die zur stillen Betrachtung einladen, jetzt nur zuweilen durch das Brausen eines Eisenbahnzuges unterbrochen, der hier durch den ersten Tunnel der Bahnstrecke geht.

Welchen Weg wir auch von Merten nach Eitorf wählen, ob auf dem rechten, oder dem linken Ufer des Flusses, ob auf der Höhe oder der gewöhnlichen Strasse entlang, jeder ist eben lohnend, eben reizend. Der erste führt durch anmuthige Waldpfade, deren Lichtungen die freundlichsten Blicke auf die Flusslandschaften gewähren. Hier findet der Botaniker manch seltene Pflanzen. Auf dem linken Ufer folgen wir neben der Eisenbahn der Landstrasse, links die schönsten Aussichten auf die Sieg bietend, deren Wiesengründe stets im Sommer bis zum Spätherbste mit Heerden belebt, auf der rechten Seite bald nah’ an den meist malerisch bewachsenen Felsen herlaufend, denen die Strasse abgedrungen ist, bald an lieblichen Wiesenthälchen vorbei.

Plötzlich überrascht uns das sich an dem linken Ufer der Sieg weit hindehnende, gar freundliche, man darf sagen einladende Eitorf mit dem reichen Wechsel seiner Umgebung. Der Vordergrund des von der Landstrasse aus das Auge erfreuenden landschaftlichen Bildes, freier als die jetzt im Thalgrunde folgenden, wird links durch das Stationsgebäude gebildet, mit empfehlenswerthem Restaurant, und rechts durch‚ ein in seinen Bauformen einfach bescheidenes, aber niedliches evangelisches Kirchlein, dessen Unterbau die Pfarrerwohnung und Schule, und das mit seiner Freitreppe und den Glocken im Giebel eine malerische Facade bietet. Heiter ist die ganze Umgebung, heiter wird sich hier Jeder gestimmt fühlen.

Kehrt der Frühling hier auch mit den Nachtigallen und den andern Natursängern um vielleicht acht Tage später mit seinen Freuden und Wonnen ein, als an dem etwa sechs Stunden entfernten Rheine, so prangt aber auf diesen Höhen, in den Siefen und Thalschründen der Herbst mit seiner Pracht, dem bunten Wechsel seiner malerischen Laubfrische weit länger, als am Rheine; weit später verlieren hier die Bäume ihren Laubschmuck. An Schönheiten reich ist hier jede Jahreszeit, und wer dieselben in voller Seelenruhe, im heitersten Frieden der freundlichsten Umgebungen geniessen will, der schlage hier sein Zelt auf. Dank wird er uns wissen für den Rath.

Dies ist ein Textausschnitt aus dem Buch “Das Siegthal” von Ernst Weyden, zuerst erschienen im Jahr 1865. Das Buch ist nun wieder erhältlich, die Bilder sind Beispielbilder und i. d. R. nicht dem Buch entnommen.

Inhaltsverzeichnis
Vorwort.
Zur Einleitung.
Das Siegthal.

Die Sieg.
Sieg-Quelle, Lauf und Mündung.
Bergbau, Viehzucht und Köhler-Meiler.
Hauberg-Wirthschaft.
Wiesen-Cultur.
Ackerbau, Weinbau.

Von Beuel nach Blankenberg
Beuel, Landstrasse-Pützchen.
Von Beuel durch das Siebengebirge nach Siegburg.

Die Deutz-Giessener Bahn.
Der Bau.
Geheimer Baurath Haehner.
Baukosten.
Deutz-Bensberg.
Lüderich.
Wahner Heide.
Haltestellen – Lauf der Bahn.


Fusswanderungen durch das Siegthal.

Vom Rheine bis nach Siegburg.
Die Sieg-Mündung.
Die alte Sieg.
Regulirung der Flussmündung.

Isabellen-Insel.
Die Kriegsgeschichte der Isabelleninsel.
Fischfang, Alsen und Salme in der Sieg.
Die Kirche zu Schwarz-Rheindorf.
Maibeiern.
Mai-Lehen.
Maibaum.
Thierjagen.
Spinnstuben-Abende.
Volksgebräuche.
Martinsfeuer.
Bittwoche.
Spielbaehn.
Glockengiesser Claren.
Siegburg.


Siegburg und seine Umgebung.
Geschichte Siegburg’s.
Anno, der Heilige.
Legende.
Die Abtei.
Anno-Lied.

Schicksale der Stadt.
Hexenwesen in Siegburg und in Bonn.
Schicksale der Abtei.

Die Stadtkirche des h. Servatius.
Der Reliquien-Schatz.
Die Provinzial-Irren-Heilanstalt.
Ihre Einrichtung.
Garten-Anlagen.
Aussicht vom Kirchthurme.
Die Wolsberge.
Geognostisches.
Botanisches.


Von Siegburg nach Eitorf.
Geognostisches.
Rittersitz zur Mühle.
Legende.
Weinbau.
Seligenthal.
Schöne Aussichten.

Hennef.
Schloß Allner.
Der Schloßwald.
Geschichte.
Meroderer-Brüder.
Fürst Franz Ludwig von Hatzfeld.

Broelthal.
Ausflug in’s Broelthal.
Geognostisches.

Kloster Bödingen.
Der Silberling.

Rittersitz Attenbach.
Freiherr Theodor von Hallberg.


Blankenberg.
Die Burg.
Geschichte der Veste, der Stadt und des Amtes Blankenberg.
Stachelhardt.


Kloster Merten

Eitorf und seine Umgebungen.
Gasthöfe.
Geschichtliches.
Kirche.
Volksleben.
Dr. Meyer’s Heilanstalt für Nervenleidende und Gemüthskranke.
Ausflüge.
Hohenstein.
Geognostisches.
Burg Weltenroth.
Der hohe Schade.
Hippelroth.
Der Kelterberg.
Halft.
Die Schnepperstraße.
Die Siegwiese.
Bergbau.


Nach Windeck.
Wege von Eitorf nach Windeck.
Herchen.
Das Ohmbad-Thal.
Sage: Der Heilborn.
Nebenbäche.
Präsidenten-Brücke.
Botanisches.
Der Irserbach.
Der Hof Stein.
Durchstich.
Kesselthal von Stromberg.
Leuscheid.
Romanischer Taufstein.
Haltestelle.
Au und Umgebung.
Burgsitze bei Röcklingen.
Hoppengartner Berg
Höhe von Dreisel.
Das hohe Wäldchen, Baiershahns Höchste, der Altenstuhl, Bodenberg und die Wilhelmshöhe.
Wilbringhoven und Haus Broich.
Ritter von Huhn zu Broich.
Windeck.


Burg Windeck.
Geschichte der Veste und des Amtes Windeck.
Sage.
Adolph von Berg.
Opladener Ritterrecht.
Amt Windeck.
Burg Windeck im dreissigjährigen Kriege.
Zweite Einnahme durch Schweden und Hessen.
Zerstörung der Veste.
Disposition des Baues der Veste.
Neues Burghaus.
Curiositäten.
Die Burgterrasse.
Vesten und Burgsitze.
Erdwälle oder Schläge.
Amtleute.
Archiv von Windeck.
Eselshafer.


Von Windeck nach Schönstein.
Der Krummauel.
Station Schladern.
Rosbach und die Hohe Ley.
Bensekausen.
Faehren.
Von Au nach Hamm.
Bergbau.
Ausflug nach Kloster Marienthal.
Schatzgräberei.
Botanisches.


Wissen und seine Umgebung.
Burg Schönstein
Geschichtliches.
Schloß Grottorf.
Veste Wildenburg.
Geschichtliches.
Abstecher nach dem Westerwalde.
Bodengepräge und Bewohner.
Kloster Marienstatt (Locus Mariae)
Legende.
Die Kirche.


Von Wissen nach Kirchen.
Die Eiche bei Wissen.
Die Wingertshardts-Grube.
Erlaubnisscheine zum Besuch der Gruben.
Dasberg.
Betzdorf.
Ausflug nach dem Hellerthal.
Bergbau.
Hohenselbachs-Kopf.
Geschichtliches.
Die Buchensteine.
Wildhandel.
Der Hickengrund.
Seine Bewohner.
Erläuterungen zum Begriff „Zigeuner“
Zigeuner.
Die Meckeser.
Kirchen.
Der Druidenstein.
Botanisches.
Das Küppelsfest.
Weg nach Wildenburg.


Volkes Brauch und Volkes Sitte im mittlern Siegthale.
Bekleidung.
Speisen.
Kartoffelbau.
Geschichtliches.
Prozesssucht.
Franzosenherrschaft.
Paul von Bettenhagen.
Altherkömmliche Sitten.
Der Aberglauben.
Das Amerikafieber.


Nach Siegen.
Freusburg.
Die Sage von Schloß Freusburg.
Der Giebelwald.
Die Junkernburg bei Niederschelden.
Sage.
Bergbau.
Eisenfeld.
Ankunft in Siegen.


Siegen.
Geschichtliches.
Die Stadt und ihre Bauwerke.
Die St. Nicolaikirche.
Der Nassauische Hof.
Ausweisung der Mönche.
Fürstengruft.
Der Thiergarten.
Die eiserne Jungfrau.
Das Behweibchen vom Kirchhofe.
Die Geburtsstätte Rubens.
Siegerländer Berühmtheiten.
Geistiges Leben.

Volkes Brauch und Volkes Sitte im Sieger-Lande.
Volkskarakter.
Knappschaften.
Knappschafts-Ordnung.
Ackerbau, Wiesenkultur und Viehzucht.
Der Hirte.
Besehen.
Taufen.
Pfingstlümmel und andere Sitten.
Volksfeste.
Kaffebrech.
Hammerschmiede.
Hochwaldbestand.

Das Siegerland.
Verschiedene Ausflüge in’s Siegerland.
Bergbau und Hüttenbetrieb.

Ausflug nach Müsen.
Weg nach Müsen.
Der Köln-Müsener Bergwerk-Verein.
Bergmännisches.
Besuch der Gruben.
Die Sagen vom Kindelsberg und Altenberg.
Die böse Stadt.
Die Linde auf Schloss Kindelsberg.
Der Gasthof zum Kronprinzen von Preusen in Hilchenbach.
Das Stift Keppel.
Rückkehr nach Siegen.

Ausflug nach Ginsberg, Grund und Hilchenbach.
Karakter des Landes.
Die Sagen vom Schömelberge und der alten Burg.
Der Ginsberg.
Grund, Jung gen. Stilling.
Sein Denkmal.
Der freie Stuhl auf Schloß Ginsberg.
Der Raubritter Hübner.
Das Fehmgericht.
Geschichte der Fehme.
Hilchenbach.

Ausflug nach den Quellen der Lahn, der Sieg und der Eder.
Karakter der Gegend.
Weg von Siegen.
Wege von Netphen, Deutz.
Walpersdorf.
Der Lahnhof.
Quelle der Lahn.
Die Stiegelburg.
Fernsichten.
Das Denkmal in der Kirche zu Irmgarteichen.
Die Siegquelle.
Die Ederquelle.
Hohenrode.
Lützel.
Die Kronprinzen-Eiche.
Weg nach Siegen.
Schluß.