An seine Stelle war Reginhard getreten, sein treuer Prior, welcher es dem Vorgänger an edlem Streben gleichzuthun suchte. Der Ruf der Abtei war längst durch ganz Deutschland gedrungen, und ihre Bewohner wurden zum Teil nach andern Klöstern entsandt, um Geist der Sittenstrenge und rastloser Thätigkeit einzuführen.
In Saalfeld (Lambert I. c. ad annum 1071) war dieses schon durch Anno geschehen, desgleichen zu Grafschaft, welches jener am Astenberge in Westfalen gegründet hatte; ihnen folgten St. Pantoleon zu Köln und München-Gladbach. Männer wie Norbert, der spätere Abt von Iburg (Wattenbach Geschichtsquellen II, 24. Norbert verfaßte die schöne Biographie Bennos II. von Osnabrück.), zogen sich nach Siegburg zurück, um hier dem Dienste der Frömmigkeit zu huldigen, und andere, wie Ruprecht, um sich mit wissenschaftlichen Studien zu befassen, wieder andere, um das Leben in dem Kloster kennen zu lernen und vielleicht ein noch strengeres für sich zu beginnen.
Die Zahl der Mönche war auf 60 gestiegen, und ein reger Eifer auf allen Gebieten des Schaffens entfaltete sich auf und an dem Berge. Man gerbte Häute und walkte Tücher, man machte Schuhe und flocht Körbe, die Goldschmiederei wurde nicht weniger betrieben wie die Eisen- und Kupferbearbeitung. Der Berg ward zum Teil mit Weinreben bepflanzt, und Pfirsiche und Aprikosen zeitigten die schönsten Früchte.
In der Bestellung der Felder und Gartenbaukunst thaten es die Mönche allen Siegburgern zuvor, und wer von ihnen etwas lernen wollte, brauchte nur um Mitteilung zu bitten, um ein freundliches Entgegenkommen zu finden.
Die Waren, welche sie auf den Markt in der Stadt oder nach Köln auf die Martinsinsel sandten, zeichneten sich durch ihre Güte und Wohlfeilheit aus; denn sie mußten nach der Vorschrift Benedikts alles billiger aushändigen, als man es sonstwo erwerben konnte, „auf daß der Name Gottes in Allem gelobt werde.“
Ihre Klosterschule ward die Bildungsstätte für Laien wie für Mönche. Sie setzten den Unterricht fort, den der Küster oder der Pastor in der Stadt begann, aber nicht weit genug führen konnte. Man lehrte das Drivium und Quadrivium, und Poesie und Geschichtsschreibung trieben ihre wackeren Blüten. Leider ist durch die Schweden später vieles zerstört worden, was von dem emsigen Streben und Treiben, dem sich die ersten Bewohner der Abtei hingaben, Zeugnis ablegen könnte. Die festgefügte Ordenszucht bot der umwohnenden Stadtgemeinde ein schönes Beispiel treuer Pflichterfüllung und freudigen Gehorsams, und das brüderliche Zusammenwirken ein treffliches Vorbild genossenschaftlichen Gemeinsinns, wodurch der Bürgergeist erstarken und edle Bürgertugend sich ausbilden konnte. Der Geist der Frömmigkeit mahnte zur Nachahmung, und die Hand der Wohlthätigkeit weckte Gefühle, deren Schwingungen die Anregung zu gleichem Handeln geben mußten.
Daß Almosen geben nicht arm macht, konnte man bei den Mönchen am besten sehen. Sie spendeten reichlich und gewannen doch noch dazu.
Hatte Erphos Dankbarkeit dem großen Stifter der Abtei ein schönes Grabmal gesetzt, so wollte Reginhard ihm einen Lobredner stellen, dessen Überschwänglichkeit freilich lauten Anstoß erregte.
(Zolner in seiner vita Annonis scheint Reginhard selbst für den Verfasser der Biographie zu halten, indem er in der Einleitung zu seinem Werke (noch ungedruckt im Besitze des Pfarrers von Siegburg) sagt, daß er den ehrwürdigen Procurator des Siegberger Coenobiums Vater Reginhard zum Gewährsmann habe, „qui formam seribendorum tradens ita me suorum ultimum huic operi subiugavit, ut, cum verbis propriis utar, Eius omnino sensum sequar.“ Am Rande steht die Bemerkung mit blasserer Tinte, daß auf Reginhards Befehl ab „ignoto Coenobii“ die vita in „membranea“ geschrieben sei.)
Wie er geheißen, ist nicht bekannt geworden, aber auch der Überarbeiter seiner Lebensbeschreibung war der großen Aufgabe nicht gewachsen und von Parteilichkeit nicht ganz frei zu sprechen. Giesebrecht sagt von ihm, Anno habe keinen schlechteren Biographen finden können, und Wattenbach (L. c. H, 78. Giesebrecht lI, 276) fällt über seine Leistung ein noch viel härteres Urteil. Der geschichtliche Wert des Buches mag also gering sein.
Dies ist ein Ausschnitt aus Rudolfs Heitkamps Buch “Siegburgs Vergangenheit und Gegenwart” von 1897. Mehr Infos dazu hier.
Kapitelübersicht
Über das Buch
Buch zur Siegburger Geschichte von 1897 wieder erhältlich
Rezension zu Siegburgs Vergangenheit und Gegenwart
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Kapitel des Buches
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I. Siegburgs älteste Verhältnisse – Wahrheit und Vermutung.
Der Siegberg und seine Bewohner
Römerstraßen & Altdeutsche Gräber
Ansiedlungen und Ständeunterschiede
Rechte und Gerichtswesen
Der Auelgau und die erste christliche Gemeinde
Die Siegburg
Pfalzgraf Heinrich und sein Streit mit Anno, Erzbischof von Köln
II. Die Gründung der Abtei
Die Gründung der Abtei, ihr Zweck, die Abteikirche & die Ordensregeln
Insassen und Ausstattung des Klosters mit Gütern
Der Burgbann, die Rechtspflege und der Vogt
Annos Tod, sei Begräbnis und seine letzte Ruhestätte
III. Die Stadt Siegburg
Die Stadt Siegburg – Markt-, Zoll & Münzrecht sowie ihre Befestigung
Ihre Verwaltung und Gerichtsbarkeit
Älteste Zustände in ihr
Lage und Beschaffenheit
IV. Entwickelung der Abtei
Entwickelung der Abtei und die Fixierung ihrer Besitzungen
Die Sage von Erpho
Klösterliches Leben und Treiben
Annos Lebensbeschreibung und das Annolied
Blutbad in Köln, geflüchtete Juden in Siegburg
Die Decanie im Auelgaue
Vornehme Begräbnisse auf der Abtei
Vermächtnis Heinrichs IV. und Heinrichs V.
Die Propsteien Oberpleis, Hirzenach, Remagen, Zülpich
Bedeutende Ordensmänner
Abt Kunos Vermächtnis und Anordnungen
Streit mit dem Kassiusstift und die Propstei Millen
Reinalds von Dassel Vorschrift hinsichtlich der abteilichen Güter
V. Städtisches
Städtisches: Marktprivilegien, Christihimmelfahrtsmarkt & Servatiustag
Städtisches Leben und Treiben
Leprosenhäuser – Krankenhäuser, die Kirche und die Einführung des St. Nikolausfestes
Die Märtensfeuer
Das Holzfahrtsfest und der Maibaum
VI. Kannosisation Annos und Siegburgs Kunstschätze
Der Streit um das Burgterrain von Blankenberg, das Burgrecht, der Schutzbrief sowie eine Wasserprobe
Annos Heiligsprechung
Annos Charakterisierung, die Abteikirche
Reliquien und Reliquienschreine
Älteste Siegel der Abtei, der Stadt und des Gerichtes etc., die Einverleibung der Kirchen Oberpleis und Zülpich
VII. Verhängnisvolle Zeiten
Ausplünderung Siegburgs, Engelbert von Köln und Heinrich von Limburg, Übertragung der Schutzvogtei an die Kölner Kirche
Heinrichs Bemühungen, dieselbe (die Schutzvogtei) für das Haus Berg wiederzuerlangen
Das Faustrecht, die Zustände auf der Abtei sowie die Visitation des Klosters
König Richard und Kölner Flüchtlinge in Siegburg
Vertrag , Burg & Pfarrkirche
Privilegium der Kölner Marktbesucher in Siegburg
Consultationsrecht der Wipperfürther (und ebenso auch der Lenneper in Siegburg)
Eine Judenverfolgung
Wortlaut der Vogtsreversalien
Ökonomische Verhältnisse der Abtei und die Einverleibung der Pfarrkirchen
Die Topfbäcker, das Waldschuldheißenamt
Siegburger Juden
VIII. Dynasten im Abtsgewande.
Verhältnis der Abtei zur Kölner Kirche, zum Reiche und dem Hause Berg
Schutz- und Trutzbündnis zwischen der Abtei und Stadt Siegburg
Verhältnis der Abtei zum römischen Stuhle
Dienstmannenverhältnis
Siegburg Enklave von Berg, Löwenburg und Blankenberg
Berg zum Herzogtum erhoben
Verhältnis zwischen Deutz und Siegburg
Propstei Aulgasse
IX. Das aufstrebende Bürgertum
Pelegrin von Drachenfels
Überrumpelung Siegburgs durch Adolf von Berg und Brand der Stadt
Schlichtung der Streitigkeiten zwischen Adolf und Pelegrin
Der güldene Opferpfennig der Juden
Frühmessenstiftung
Agger- und Siegbrücke
Verwendung der Accise
Das Mühlenthor
Verkauf der Burg an das Erzstift Köln und Rückgängigkeit des Verkaufs
Die ersten Zunftbriefe
Das Schöffenessen
Ausübung des Münzrechtes der Abtei
Vorladungen vor die Feme
Das Recht des Antastes in der Vogtei und Stadt Siegburg
Der Galgenberg
Der Seidenberger Hof und das Hofgericht
Windecker Vertrag
Wolsdorf und Troisdorf
Zollstätte zu Bergheim
Formalitäten bei der Huldigungsfeier neuer Äbte
Vikar Hulweck
Das Reichskammergericht
Türkensteuer
Preisverhältnisse
X. Siegburgs Blütezeit.
Reichsunmittelbarkeit der Abtei
Restauration der Pfarrkirche
Bevölkerungsziffer der Stadt
Namen der Häuser an den Hauptstraßen
Der Tierbungert
Reformatorische Bestrebungen im Erzstift Köln etc.
Das Zunftwesen in Siegburg
Städtische Verwaltung
Neubürger
Heiden
Einwohnerzahl, Gewerbe, Accise
Das Rathaus
Protestanten in Siegburg
Sittliche Zustände in der Stadt
Gebhard Truchses von Waldburg
Kampf auf dem Brückberg
Anschlag gegen den Abt
Die Rottmannschaften
Inventare
Preisverhältnisse
Mahlzeiten
Hans Sachs „Schöne Tischzucht“
Armenpflege
XI. Ringen und Kämpfen
Lehnwesen der Abtei
Schulwesen in der Stadt
Die Trivialschule
Sittliche Zustände
Eine Hinrichtung nach Karls peinlicher Halsgerichtsordnung
Acciseneinnahmen
Der Vogtseid
Klever Vertrag vom . Okt.
Früheres Verhältnis der kontrahierenden Teile
Güter-Erwerbungen und -Veräußerungen der Abtei
Tod Herzogs Johann Wilhelm und seine Folgen für Siegburg
Belagerung von Siegburg
Spanische Besatzung in der Stadt
Das Sendgericht
Das Schätzchen von Siegburg
XIV. Das freiadlige Stift und die Unterherrlichkeit Siegburg
Heinrich Worm
Besetzung Siegburgs durch die Franzosen
Billetierung der Juden
Eine erbauliche Scene in der Kirche
Hungersnot
Ein Kirchendiebstahl
Das Minoritenkloster
Erbhuldigung des Herzogs
Zunftverhältnisse
Revision der Abtei
Ein Geleitsbrief
Die Accise
Französische Einquartierung
Größe abteilicher Höfe der Umgegend
Kriegswirren
Konsumtionssteuer
Die Vogtei Siegburg
Beschränkung der Abtei in Gütererwerbungen
Zurückbringung der geflüchteten Reliquienschreine
Die erste Apotheke in der Stadt
Sporteln der Ärzte
XV. Die Franzosen in Siegburg und die drei letzten Äbte
Der 7-jährige Krieg
Siegburger Geiseln in Stade
Der Geiselprozeß
Die Muttergotteskapelle
Huldigung des Abtes
Abschaffung von kirchlichen Feiertagen
Die neue Poststraße
Brand der Abtei
Die Pfarrkirche
Das Läuten mit den Glocken und die Donnerwettersgärten
Revolution in Frankreich
Die Maas-Sambrearmee
Kämpfe um Siegburg herum
Einquartierungen
Säkularisation der Abtei
XVIII. Blätter und Blüten aus der Neuzeit
Gemeindeordnung
Schulverhältnisse
Verlegung des Landratsamt in die Stadt
Deutz-Gießener Eisenbahn und Postverkehr
Geschäftsleben in der Stadt
Die Gasanstalt
Restauration der Kirche
Die letzten Stadtthore
Die rechtsrheinische Eisenbahn
Die Königliche Geschoßfabrik
Wohlthätigkeitsvereine und Krankenhaus
Das Vereinsleben überhaupt
Das Kriegerdenkmal
Das Königl. Lehrerseminar und das Gymnasium
Das neue Krankenhospital
Die Herz-Jesukapelle
Das städtische Schlachthaus und die Wasserleitung
Freiwillige Feuerwehr
Katholische und Evangelische Kirche
Verlegung der Irrenheilanstalt
Strafanstalten
Das Königliche Feuerwerkslaboratorium
Die neuen Stadtteile
Der Friedhof
Schulwesen
Bevölkerung von Siegburg
Geschäftsverkehr
Post- und Eisenbahnstatistiken
Verkehrswege
Städtischer Haushaltungsetat
Anhang
Liste der Äbte
Abteiliche Güter
Liste der Vögte
Wort- und Sachregister mit Erklärung und Übersetzung der im Texte vorkommenden fremdsprachlichen Stellen und Ausdrücke sowie anderen Erläuterungen.