Das Faustrecht
Die Zeiten wurden immerfort noch trauriger und verhängnisvoller.
Die fast beständige Abwesenheit Kaiser Friedrichs aus Deutschland, seine unaufhörlichen Streitigkeiten mit der Kirche und dem Papste, der wiederholt den Bann über ihn aussprach und die Unterthanen vom Eide der Treue und des Gehorsams gegen ihn entband, die Kämpfe mit seinen eigenen Söhnen und die Gegenkaiser, welche hier am Rheine gemacht wurden, wo die Fäden der hohen Politik in den Händen des Kölner Erzbischofs zusammenliefen, der selbst fast unablässig auf dem Kampfplatze weilte: das alles hatte die früher eingerissenen Übelstände nur verschlimmert und das ohnehin schon schwache Reichsregiment fast vollständig matt gelegt.
Auf allen Wegen und Stegen lauerten die Stegreifritter, den unvorsichtigen Wandersmann auszuplündern und die Warenzüge der Kaufleute fortzuschleppen. „Die Pflugschar des Bauern ward zum Schwerte und die Sense zur Streitaxt“, wie ein Schriftsteller sich ausdrückt, ohne daß jener darum imstande gewesen wäre, den frechen Räuber abzuwehren und sein bißchen Wachstum in Sicherheit zu bringen. Das Vieh stahl man von der Weide, und jeder Dieb trug Stein und Stahl bei sich, die strohgedeckten Häuser in Brand zu stecken, um aus der Verwirrung der Betroffenen Vorteil zu ziehen. Eine Bestrafung der Übelthäter war kaum zu erzwingen, da eben das Faustrecht herrschte, und die Advokaten mit den Unglücklichen ein oft grausames Spiel trieben.
So wenig Ansehen genoß selbst der Gegenkönig Wilhelm von Holland, den man, noch ehe er den Ritterschlag bekommen, zur Herrscherwürde emporgehoben hatte, daß ihm die Kölner z. B, eines Tages zu Neuß, wo er sich gerade aufhielt, das Haus über dem Kopfe anzündeten und die Utrechter, welche ihre Wünsche durch ihn nicht erfüllt sahen, ihm Gattin und Tochter abfingen; in der Kirche warf man nach ihm mit Steinen. Unter solchen Zuständen darf es nicht wunder nehmen, wenn die rheinischen Städte sich verbanden und sich selbst Hilfe zu verschaffen suchten, da sie vom Könige nicht gewährt werden konnte. Ihr 1244 gegründeter Bund wurde 1255 noch einmal erneuert und auch vom Könige Wilhelm zu Oppenheim bestätigt.
Abt Hermann in Siegburg wollte der Verwilderung der Bürger dadurch vorbeugen, daß er sie zur Frömmigkeit einlud und denjenigen einen Ablaß verschaffte, die am Christihimmelfahrtstage, auf St. Michael und am Einweihungsfeste der Abteikirche in dieser erschienen und die vorgeschriebenen Bedingungen zur Gewinnung desselben erfülle würden; aber es wird nicht erzählt, wieviele seiner Einladung nachgekommen sind. In dem Kloster selbst herrschte noch biedere Frömmigkeit, und seine Bewohner freuten sich noch des besten Rufes. Cäsarius von Heisterbach berichtet von einem Kanonilus aus Bonn, der eines Tages im Jagdanzuge und von Hunden und Fallen begleitet in das Zimmer seines Amtsbruders getreten sei und diesen durch wilden Lärm in seinen Betrachtungen gestört habe.
„Großer Gott, rief damals der ehrwürdige Herr aus, wie lange noch willst du den Leichtsinn dieses Menschen ertragen!“ Dabei fielen seine Blicke auf die Worte Pauli im Römerbriefe, welcher gerade vor ihm ihm aufgeschlagen lag:
„Wer bist du, daß du einen fremden Knecht richtest?
Er steht und fällt mit seinem Herrn, er wird aber stehen, denn Gott ist mächtig genug, ihn aufrecht zu erhalten.“
Er schalt den Mitbruder nicht weiter sondern ließ ihn zu seinem Vergnügen ausziehen. Er wird stehen, hatte er gedacht, und wirklich ging der Jäger in sich, entsagte der Welt und trat in das Kloster zu Siegburg.
Zustände auf der Abtei
Daß nicht mehr alle Ordensleute in gleich gutem Rufe standen, weiß derselbe Cäsar uns auch mitzuteilen (Homil. II. 72). Es ist indes ein strenger Sittenrichter und deshalb vielleicht nicht ganz Vorurteilsfrei. In einen Konvent „Schwarzer Brüder“, so erzählt er, kam der Magister Alexander, der durch seine Rednergabe großen Ruf besaß. Erfreut über seinen Besuch richtete man an ihn die Bitte, doch auch bei ihnen einmal das Wort Gottes zu predigen, aber kurz, wie einer aus der Gesellschaft rief. Alexander ließ sich nicht zweimal bitten, sondern sagte es ihnen für den folgenden Tag zu. Ein jeder war gespannt rechtzeitig zur Stelle. Da erhob sich Alexander und sprach: „Wer aus Gott ist, der höret Gottes Wort; darum höret ihr es nicht, weil ihr nicht aus Gott seid.“ Er hatte ihnen kurz, aber treffend die Wahrheit gesagt und nahm Abschied von den verblüfften Brüdern.
Visitation des Klosters
Gottfried II. bethätigte einen regen Eifer in der Erhaltung und Sicherstellung des abteilichen Vermögens, mußte es sich aber gefallen lassen, daß aufgrund eines Konzilsbeschlusses vom Jahre 1215 eine Visitation des Klosters vorgenommen wurde, zu der der Erzbischof die Kommissare zu ernennen hatte. Diese trafen alles in der besten Ordnung, mit Ausnahme der wachsenden Schulden, gegen die man unter den obwaltenden Umständen vergeblich ankämpfte. Indes fand man doch ein Mittel, eine Besserung der Lage herbeizuführen, indem man 2 weitere Kirchen, die zu Gymnich und zu Weißkirchen, der Abtei einverleibte (Lar. I 415 u. Anmerk.), und außerdem noch zu Overath eine Propstei gründete (id. 428). Die dortige Kapelle war seit langer Zeit von dem Siegburger Kloster abhängig und hatte durch die Spenden wunderbar Geheilter sowie durch andere Gaben an St. Cyriacus einen ansehnlichen Opferstock bekommen. Dieser wurde zum Teil zur Fundierung der Klostercelle verwandt, mit dem anderen Teile aber der Propstei Oberpleis aufgeholfen, die trotz ihrer vielen Besitzungen in sehr schlechten Verhältnissen steckte. Laut einer Urkunde bei Lac, II. 79 besaß diese zu Erzbischof Engelberts Zeiten einen Mansus zu Uckerath, einen zweiten zu Geistingen, ein Gut zu Kurscheid, desgl. zu Ulenberg, ein anderes zu Dernbach, zwei zu Buserath, eins zu Gratesfeld, eins zu Bergheim, eins zu Honnef, dazu einen Weinberg, ebenso zu Erpel, ferner ein Gut zu Bellinghausen, ein Haus in Siegburg, das vom Abt Nikolaus erworben war, und noch mehrere andere Besitzungen, von denen die Größe, nicht aber die Lage angegeben ist. Trotzdem steckte sie, wie gesagt, in sehr drückenden Schulden, die man sich nicht gut erklären kann. Sie erhielt 100 Mark und anderes aus dem Opferstock, mußte aber der Propstei St. Cyriak bis zu deren Einlösung jährlich 4 Fuder Wein von ihrem Gute zu Dollendorf und 20 Malter halb Roggen halb Weizen von dem zu Dorrendorf stellen. Die Propstei zu Fürstenberg bei Xanten wurde aufgehoben, und die Wohnung nebst dem Hofe zu Birten den abgebrannten Cisterziensernonnen von Horst übertragen, welche dafür in dem Siegburger Hofe zu Köln nach und nach 250 Mark Kölner Denare entrichten sollten. (Siehe Näheres bei Cardauns: Konrad von Hochstaden)
Jener Hof lag unter den „Fetten Hennen“ und diente als Absteigequartier der Mönche, insbesondere des Abtes, wenn dieser in Köln etwas zu thun hatte. Er gehörte ihm persönlich. Die Lehnsgüter zu Birgel und Muffendorf überließ er dem jedesmaligen Vorsteher der Deutschordenskommende zu Ramersdorf, von dem er die sogenannte Hergewede empfing.
So entstand das Deutschordenshaus zu Muffendorf, welches später mit der Katharinenkommende in Köln verbunden wurde während Ramersdorf zur Ballei Altenbiesen gehörte. Hergewede hieß eine Steuer, die der neueintretende Lehnsmann zu geben hatte, Herwede eine solche die beim Ableben des Vasallen an den Lehnsherrn zu entrichten war Du Cange erklärrt ersteres als „arma bellica“, von Heer und Geweth.
Dies ist ein Ausschnitt aus Rudolfs Heitkamps Buch “Siegburgs Vergangenheit und Gegenwart” von 1897. Mehr Infos dazu hier.
Kapitelübersicht
Über das Buch
Buch zur Siegburger Geschichte von 1897 wieder erhältlich
Rezension zu Siegburgs Vergangenheit und Gegenwart
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Kapitel des Buches
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I. Siegburgs älteste Verhältnisse – Wahrheit und Vermutung.
Der Siegberg und seine Bewohner
Römerstraßen & Altdeutsche Gräber
Ansiedlungen und Ständeunterschiede
Rechte und Gerichtswesen
Der Auelgau und die erste christliche Gemeinde
Die Siegburg
Pfalzgraf Heinrich und sein Streit mit Anno, Erzbischof von Köln
II. Die Gründung der Abtei
Die Gründung der Abtei, ihr Zweck, die Abteikirche & die Ordensregeln
Insassen und Ausstattung des Klosters mit Gütern
Der Burgbann, die Rechtspflege und der Vogt
Annos Tod, sei Begräbnis und seine letzte Ruhestätte
III. Die Stadt Siegburg
Die Stadt Siegburg – Markt-, Zoll & Münzrecht sowie ihre Befestigung
Ihre Verwaltung und Gerichtsbarkeit
Älteste Zustände in ihr
Lage und Beschaffenheit
IV. Entwickelung der Abtei
Entwickelung der Abtei und die Fixierung ihrer Besitzungen
Die Sage von Erpho
Klösterliches Leben und Treiben
Annos Lebensbeschreibung und das Annolied
Blutbad in Köln, geflüchtete Juden in Siegburg
Die Decanie im Auelgaue
Vornehme Begräbnisse auf der Abtei
Vermächtnis Heinrichs IV. und Heinrichs V.
Die Propsteien Oberpleis, Hirzenach, Remagen, Zülpich
Bedeutende Ordensmänner
Abt Kunos Vermächtnis und Anordnungen
Streit mit dem Kassiusstift und die Propstei Millen
Reinalds von Dassel Vorschrift hinsichtlich der abteilichen Güter
V. Städtisches
Städtisches: Marktprivilegien, Christihimmelfahrtsmarkt & Servatiustag
Städtisches Leben und Treiben
Leprosenhäuser – Krankenhäuser, die Kirche und die Einführung des St. Nikolausfestes
Die Märtensfeuer
Das Holzfahrtsfest und der Maibaum
VI. Kannosisation Annos und Siegburgs Kunstschätze
Der Streit um das Burgterrain von Blankenberg, das Burgrecht, der Schutzbrief sowie eine Wasserprobe
Annos Heiligsprechung
Annos Charakterisierung, die Abteikirche
Reliquien und Reliquienschreine
Älteste Siegel der Abtei, der Stadt und des Gerichtes etc., die Einverleibung der Kirchen Oberpleis und Zülpich
VII. Verhängnisvolle Zeiten
Ausplünderung Siegburgs, Engelbert von Köln und Heinrich von Limburg, Übertragung der Schutzvogtei an die Kölner Kirche
Heinrichs Bemühungen, dieselbe (die Schutzvogtei) für das Haus Berg wiederzuerlangen
Das Faustrecht, die Zustände auf der Abtei sowie die Visitation des Klosters
König Richard und Kölner Flüchtlinge in Siegburg
Vertrag , Burg & Pfarrkirche
Privilegium der Kölner Marktbesucher in Siegburg
Consultationsrecht der Wipperfürther (und ebenso auch der Lenneper in Siegburg)
Eine Judenverfolgung
Wortlaut der Vogtsreversalien
Ökonomische Verhältnisse der Abtei und die Einverleibung der Pfarrkirchen
Die Topfbäcker, das Waldschuldheißenamt
Siegburger Juden
VIII. Dynasten im Abtsgewande.
Verhältnis der Abtei zur Kölner Kirche, zum Reiche und dem Hause Berg
Schutz- und Trutzbündnis zwischen der Abtei und Stadt Siegburg
Verhältnis der Abtei zum römischen Stuhle
Dienstmannenverhältnis
Siegburg Enklave von Berg, Löwenburg und Blankenberg
Berg zum Herzogtum erhoben
Verhältnis zwischen Deutz und Siegburg
Propstei Aulgasse
IX. Das aufstrebende Bürgertum
Pelegrin von Drachenfels
Überrumpelung Siegburgs durch Adolf von Berg und Brand der Stadt
Schlichtung der Streitigkeiten zwischen Adolf und Pelegrin
Der güldene Opferpfennig der Juden
Frühmessenstiftung
Agger- und Siegbrücke
Verwendung der Accise
Das Mühlenthor
Verkauf der Burg an das Erzstift Köln und Rückgängigkeit des Verkaufs
Die ersten Zunftbriefe
Das Schöffenessen
Ausübung des Münzrechtes der Abtei
Vorladungen vor die Feme
Das Recht des Antastes in der Vogtei und Stadt Siegburg
Der Galgenberg
Der Seidenberger Hof und das Hofgericht
Windecker Vertrag
Wolsdorf und Troisdorf
Zollstätte zu Bergheim
Formalitäten bei der Huldigungsfeier neuer Äbte
Vikar Hulweck
Das Reichskammergericht
Türkensteuer
Preisverhältnisse
X. Siegburgs Blütezeit.
Reichsunmittelbarkeit der Abtei
Restauration der Pfarrkirche
Bevölkerungsziffer der Stadt
Namen der Häuser an den Hauptstraßen
Der Tierbungert
Reformatorische Bestrebungen im Erzstift Köln etc.
Das Zunftwesen in Siegburg
Städtische Verwaltung
Neubürger
Heiden
Einwohnerzahl, Gewerbe, Accise
Das Rathaus
Protestanten in Siegburg
Sittliche Zustände in der Stadt
Gebhard Truchses von Waldburg
Kampf auf dem Brückberg
Anschlag gegen den Abt
Die Rottmannschaften
Inventare
Preisverhältnisse
Mahlzeiten
Hans Sachs „Schöne Tischzucht“
Armenpflege
XI. Ringen und Kämpfen
Lehnwesen der Abtei
Schulwesen in der Stadt
Die Trivialschule
Sittliche Zustände
Eine Hinrichtung nach Karls peinlicher Halsgerichtsordnung
Acciseneinnahmen
Der Vogtseid
Klever Vertrag vom . Okt.
Früheres Verhältnis der kontrahierenden Teile
Güter-Erwerbungen und -Veräußerungen der Abtei
Tod Herzogs Johann Wilhelm und seine Folgen für Siegburg
Belagerung von Siegburg
Spanische Besatzung in der Stadt
Das Sendgericht
Das Schätzchen von Siegburg
XIV. Das freiadlige Stift und die Unterherrlichkeit Siegburg
Heinrich Worm
Besetzung Siegburgs durch die Franzosen
Billetierung der Juden
Eine erbauliche Scene in der Kirche
Hungersnot
Ein Kirchendiebstahl
Das Minoritenkloster
Erbhuldigung des Herzogs
Zunftverhältnisse
Revision der Abtei
Ein Geleitsbrief
Die Accise
Französische Einquartierung
Größe abteilicher Höfe der Umgegend
Kriegswirren
Konsumtionssteuer
Die Vogtei Siegburg
Beschränkung der Abtei in Gütererwerbungen
Zurückbringung der geflüchteten Reliquienschreine
Die erste Apotheke in der Stadt
Sporteln der Ärzte
XV. Die Franzosen in Siegburg und die drei letzten Äbte
Der 7-jährige Krieg
Siegburger Geiseln in Stade
Der Geiselprozeß
Die Muttergotteskapelle
Huldigung des Abtes
Abschaffung von kirchlichen Feiertagen
Die neue Poststraße
Brand der Abtei
Die Pfarrkirche
Das Läuten mit den Glocken und die Donnerwettersgärten
Revolution in Frankreich
Die Maas-Sambrearmee
Kämpfe um Siegburg herum
Einquartierungen
Säkularisation der Abtei
XVIII. Blätter und Blüten aus der Neuzeit
Gemeindeordnung
Schulverhältnisse
Verlegung des Landratsamt in die Stadt
Deutz-Gießener Eisenbahn und Postverkehr
Geschäftsleben in der Stadt
Die Gasanstalt
Restauration der Kirche
Die letzten Stadtthore
Die rechtsrheinische Eisenbahn
Die Königliche Geschoßfabrik
Wohlthätigkeitsvereine und Krankenhaus
Das Vereinsleben überhaupt
Das Kriegerdenkmal
Das Königl. Lehrerseminar und das Gymnasium
Das neue Krankenhospital
Die Herz-Jesukapelle
Das städtische Schlachthaus und die Wasserleitung
Freiwillige Feuerwehr
Katholische und Evangelische Kirche
Verlegung der Irrenheilanstalt
Strafanstalten
Das Königliche Feuerwerkslaboratorium
Die neuen Stadtteile
Der Friedhof
Schulwesen
Bevölkerung von Siegburg
Geschäftsverkehr
Post- und Eisenbahnstatistiken
Verkehrswege
Städtischer Haushaltungsetat
Anhang
Liste der Äbte
Abteiliche Güter
Liste der Vögte
Wort- und Sachregister mit Erklärung und Übersetzung der im Texte vorkommenden fremdsprachlichen Stellen und Ausdrücke sowie anderen Erläuterungen.