Das aufstrebende Bürgertum in Siegburg

Der Seidenberger Hof und das Hofgericht

Von Wichtigkeit für noch bestehende Verhältnisse ist ein Vertrag aus dem Jahre 1474, den der Abt Wilhelm mit den Primissaren Birbach und Hulweck hinsichtlich des Seidenberger Hofes abschloß, den Birbach bei seinem Abgange als Pfarrer von Geistingen der Frühmesse zu Siegburg unter der Bedingung vermacht hatte, daß jährlich in mense Junio für ihn und seine Erben ein feierliches Jahrgezeit mit Gelücht, Virgilien und Commendatien, als sich das versteit, und drei andere Messen abgehalten würden, auf daß ihre Seelen Ruhe und Seligkeit in dem Jenseits fänden. Der Abt überließ dem Hofe verschiedene Ländereien, Busch und Weiher an dem Seidenberge und nahm dafür den Dürrenbroich nebst Wiesen, Wald und Weiher entgegen, so daß das beiderseitige Terrain mehr abgerundet wurde.

Die Besitzer des Seidenberger Hofes waren zugleich Erbhofschöffen in der Klinkenberger Gemarkung und zahlten dem Kloster zu Seligenthal jährlich 1 Mark Erbzins, dem Haupthofe aber 4 Stüber Abgabe. Das Hofgericht fand in der Aulgasse statt, wo man des Sonntags gewöhnlich zur Kirche ging. Den Richter ernannte die Abtissin von Vilich und wählte dazu, wenn keine andere Persönlichkeit dazu geeignet war, den Schultheißen von Siegburg. Es umfaßte alle die hofhörigen Güter betreffenden Streitigkeiten unter den Hofgenossen oder zwischen diesen und dem Eigentümer des Gutes, ferner Zinsversäumnis, schlechte Wirtschaft, Feldfrevel, Investitur sowie Auflassung oder Verpfändung von Hofgütern, Vereidigung der Hofgenossen, Aufnahme neuer Mitglieder, vormundschaftliche Angelegenheiten und dgl. mehr, d. h. Hinsichtlich der Leibeigenen und Grundhörigen, außerdem noch alles, was sich auf ihr persönliches Abhängigkeitsverhältnis zu dem Herrn des Hofes bezog, Verheiratung, Erbrecht, Buteil, Sterbefall, Leibzins, Frondienst, Immobilarveräußerungen, Freilassungen und was sonst noch dahin gehört. Unter Buteil verstand man eine Erbschaftssteuer, die der Grundherr entweder in einem Anteil an dem Mobilarnachlasse oder wenigstens an dem Viehbestande und dem Heergewäte des verstorbenen Mannes resp. der Grade der verstorbenen Frau bezog.

Über Kurmede wird später einmal die Rede sein.

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Windecker Vertrag

1478 ging der Abt mit dem Herzog einen Vertrag ein, demgemäß die Windecker Leute, wenn sie nach Siegburg übersiedelten, doch noch für sich, aber nicht für ihre Nachkommen in Windeck schatzpflichtig sein sollten, wenn sie aber jenseits der Agger 5 oder 6 Jahre zu Troisdorf ansässig gewesen wären, diese Steuern nicht mehr zu bezahlen brauchten.

Wolsdorf und Troisdorf

Man sieht aus der Ausnahme, daß das Herrendorf, Truchtesdorf, von jeher wohl in einem anderen Verhältnisse zu der Abtei gestanden hat, als es später die Herrn von Berg anerkennen wollten. Troisdorf bildete mit Wolsdorf ein „patrimonium“ von dem Siegberge, und der Vogt war dem Abte und dem Herzoge in gleicher Weise vereidigt. Für seine Dienstleistungen bezog er von letzterem 12 ½ Malter Hafer nebst der Amtskleidung, von den Nachbaren der zwei Hundschaften 53 Hühner.

Am Gerichte hatte er die „kleine Wette“ und von allen Brüchtenverhören im Ganzen 10 Goldgulden, seine Schöffen 12 Raderalbus und von der Gemeinde Dienst- und Schatzfreiheit. Die Gerichtsboten bekamen bei der Aufstellung der Steuern 2 Mark Laufgeld, sonst einen Sümber Hafer und ein Huhn, und waren ebenfalls von Schatz und Frondiensten frei. Mußten sie die Schöffen zu Gerichte laden, so erhielten sie einen ganzen Raderalbus, für Pfändungen und dergleichen Handlungen 3 Stüber. Die Zeugen hatte derjenige zu bezahlen und zu köstigen, der sie vorführte, den Gerichtsschreiber der Vogt zu stellen.

Zollstätte zu Bergheim

Es war schon zu lange her, nämlich 1472 „umbtreint (in termino = ungefähr) Agentendag, als man eynen groissen kometen am himmel sach, dat is eyn stern myt eyme sterz ind man sachte wunders, wat dairnae komen sul“, sonst hätte man annehmen können, daß dieses Naturereignis die neue Zollstätte vorbedeutet habe, welche Herzog Wilhelm auf Beschwerde der Kölner Kaufleute von Lülsdorf nach Bergheim an der Sieg verlegte und so die Interessen der Siegburger zu beeinträchtigen schien. Indes zeigte sich der Herzog überaus wohlwollend und befreite nicht nur die Mönche, sondern auch die Bürger von jeder Abgabe an der genannten Stätte, ja er gewährte ihnen sogar, „wat burger erffschaft sy buyssen dem burgbanne von Siberg in unsem lande von Blankenberg volle Schatzfreiheit zo ewigen Dagen“, sofern diese Freiheit bis dahin schon bestanden habe, und wollte es bei allen Rechten, Freiheiten und Privilegien der Abtei, wie es seine Vorfahren gehalten, gnädiglich belassen. Die Mönche und die Unterthanen des Klosters wollte er beschirmen und sie „zo geiner ungewöinlichen schatzung, geschenken, deynst noch ungelde“ anhalten und verhoffen, daß dieses auch seine Nachfolger thäten.

Das Wort ewig hätte weglassen sollen, die Zukunft hatte er nicht in seiner Gewalt. Die auf Martini-Abend 1487 verlängerte Accise trug ihm von der Stadt 300 oberländische Gulden und großen Dank ein, dem Kanzler des Landes aber und Herrn Reden, wahrscheinlich einem Rat, je 25 Gulden a 4 Mark, weil diese sich für die Überlassung der Steuer bei dem Herzoge verwandt hatten.

1488 beehrte der Kaiser Friedrich die Abtei mit einem Besuche, und auf dem Bürgerhause ward „ein ganzes Faß Wein“ verschenkt. In seiner Begleitung befand sich der Kurfürst von Köln und auch der Herr von Berg, ebenfalls mit großem Gefolge. Da mochten die Bürger die Augen aufthun, wahrscheinlich mehr als 1482 zu Köln, wo sie zum ersten Male einen Elephanten sahen. Wer diesen besehen wollte, mußte anfangs I Albus Trinkgeld geben, darauf 8 Heller und später nur 1 Stüber. Der „aventurre, der dat vur. dier umbvoirte, treckede oueh mit ouer die See in Englant, darnae erdrank he in der See mit dem Elephant.“ So die Kölhoff’sche Chronik p. 348. Der Zweck des kaiserlichen Besuches wird in der Stadtrechnung nicht angegeben, aber vemutlich hängt er mit der Reichsunmittelbarkeitserklärung der Abtei zusammen, um die sich der Abt Wilhelm angelegentlichst bemühete. Derselbe starb 1489 am 3. Dezember und wurde abgelöst durch Johann von Nesselrode, dessen Namensvetter uns schon früher begegnet ist. Unter ihm wird zum ersten Male eine „papeyerne mull“ in Siegburg genannt, deren Erzeugnissen wir offenbar das Glück verdanken, über die Huldigungsfeierlichkeiten bei dem Regierungsantritte eines Abtes nähere Mitteilungen zu haben.

Formalitäten bei der Huldigungsfeier neuer Äbte

Johann hielt seinen Einzug in die Stadt am 13. Juli 1490, begleitet von dem Dompropste zu Köln, dem Abte von Heisterbach, dem Landdrosten von Nesselrode, dem Herrn von Isenburg und mehreren anderen Rittern und Edlen, deren Namen nicht weiter genannt sind.

Die Bürger hatten sich im Sonntagsanzuge am Kölnthore versammelt, um ihn in Empfang zu nehmen, und 50 von ihnen standen unter Waffen.

Als der Zug herannahte, wurde die Hammey geöffnet und der Abt hereingelassen, das Thor selbst aber geschlossen. Dann richtete der Bürgermeister an ihn folgende Ansprache: „Lieber Herr! Ew. Wohlgeboren sei unserem Herrgott, dem hl. Anno und uns willkommen! Ew. Wohlgeboren ist allhier in der Meinung, uns zu geloben, die Bürger Siegburgs bei ihren Freiheiten, Privilegien, alten Herkommen und Gewohnheiten zu erhalten, dieselben nicht zu erschweren, sondern zu bessern, welches Gelöbnis Ew. Wohlgeboren bei den Gelübden zu Gott im Himmelreich, dem hl. Vater Anno und dem Gotteshause gethan haben,“ worauf der Abt deutlich Ja sagte und jedem der Umstehenden die Hand reichte.

Alsbald setzte sich der Zug wieder in Bewegung, und nun gings durch das „Spalier“ bildende Publikum den Berg hinan, wohin ihm der Magistrat und die Rottmannschaften folgten. In der Kirche ward „ein Sermon“ gehalten, der die Bedeutung des Tages klar legen sollte, und dann begaben sich der Bürgermeister und der Rat in die „alte Kapelle neben dem Chore“, um dem „Schultheißen anstatt des Abtes“ den vorschriftsmäßigen Huldigungseid zu leisten.

Dieser lautete: „Diesen Tag alle und fort mehr alle wegen geloben wir freie Bürger zu Siegburg, treu in hold zu sein unserem Abte als unserem Grundherrn, Se. Ehrenwürden Ärgstes zu wehren und sein Bestes zu thun, so wahr uns Gott helfe und die Heiligen.“ Die Thorschlüssel, welche dem Abte überreicht waren, wurden nunmehr zurückgegeben, und „von Stunde an die Thore geöffnet, damit jeder frei aus- und eingehen könne,“ die Gesellschaft aber egab sich ins Refektorium, wo ein Mahl hergerichtet war, und die Stadt schenkte „dem Abte aus Gunst, und nicht für Recht, ein halbes Fuder Wein.“ Dasselbe that der Abt am folgenden Tage bei den Bürgern, so unter Waffen gestanden, und „auch das nicht von Rechtswegen, sondern aus Gunst,“ damit nur ja nicht die Freundlichkeit in eine Pflichtmäßigkeit ausartete und später einmal Forderungen gestellt werden könnten, die keine von beiden Parteien zu leisten imstande wäre. Übrigens pflegte man keineswegs mit Liebesbeweisen zu kargen, und die Bürger machten sich eine Ehre daraus, ihre Ergebenheit dem Abte an den Tag zu legen.

So findet sich auf Ostern 1468 z. B. ein Präsent von 4 Mark Kölnisch verzeichnet, auf Allerheiligen ein solches von 6 Mark, auf Annotag eins von 4 Mark und auf Weihnachten wieder eins von 6 Mark. Auf Palmtag 1469 schenkte man ihm einen Lachs für 4 Stüber, wohl auch eine anständige Gabe, obgleich der Preis für die Jetztzeit ein spottbilliger ist.

1574 ging man schon etwas weiter und sandte ihm auf Palmtag 20 Mark und Galentine d. h. einen Kuchen, den man von Köln her bezogen hatte, auf Ostern 17 Mark, zu Neujahr 20 Mark und 2 Scheffenkuchen „kostet 6 Mark 4 Stüber,“ 1602 einen „Dubbel-Scheffenkuchen für 5 Gulden u.s.w., u.s.w., auf Fronleichnam 1574 einen Hammel für 3 Mark 4 Stüber, 1605 auf Großfastelabend 2 Viertel feinen und 3 Viertel neuen Weines, facit VII Guld. VII albus. Auf Maitag pflegte man ihm einen Maibaum zu setzen und zum Kühltrunk zwei Viertel des besten Weins aus dem Rathauskeller zu kredenzen, und wenn er Besuch hatte, der sich für Siegburgs Angelegenheiten interessierte, so fehlte es an Einladungen und anderen Beweisen von Zuvorkommenheit, die jenem etwa erwünscht sein konnten. 1568 begegnet uns sogar der Fall, daß man Musik zu der Tafel bestellte, die der Abt mit einem Rate, vermutlich aus Düsseldorf, hielt. Es waren das zwei Wulfrather Künstler, ein Geigenspieler und ein Flötenbläser, die je 3 Mark Belohnung erhielten.

Johann von Nesselrode war ein liebenswürdiger Herr und regierte nahezu 20 Jahre. Er vereinigte in sich die Strenge seines Vorgängers mit der Milde eines Kuno, dessen Andenken noch im Volke fortlebte.

Von seiner Sorge um die Unterthanen giebt uns die Geschichte mit dem Styffenbein Aufschluß, und von seinem Wohlwollen gegen Arme ein ausehnliches Legat, das er zu Gunsten derselben auswarf.

Vikar Hulweck

Die Hauptrolle in Siegburg spielte damals der Vicar Hulweck, von dem oben schon die Rede gewesen ist. Dieser verstand es, die Bürger an sich heran zu ziehen und sie zur Gottesfurcht anzuleiten. Selten waren seine Messen schwach besucht, und seinen Worten folgte man mit größter Aufmerksamkeit. Als er 1492 krank wurde, war sein letzter Gedanke die Erhaltung der Frühmesse, und so vermachte er denn zu derselben nicht nur sein väterliches Vermögen, einen Busch am Kaldauer Wege, einen Garten vor dem Grömmelzthore hinter der Burg und einen zweiten vor dem Kölnthore, sondern er kaufte auch zur Herstellung einen besseren Vicarie die Halle, welche 1408 der alde Christan, später ein Fleischhauer namens Severin besessen hatte, ind de ligt vur dem groissen Kirchhofsysen lanxen dat huys, dat unsem hern dem Abte jairs V mark Erfzing enbrink, also das jetzige Küsterhaus. Unter Kirchhofseisen haben wir uns wohl ein Gitter oder eine Gitterthür zu denken, womit der Kirchhof nach der Mühlengasse zu abgesperrt war. Eine ähnliche Vorrichtung fand sich auch neben dem großen Winter dem Rathause gegenüber, wo der Zugang über Treppenstufen hinwegführte. Hulwecks Beispiele folgten später Dietrich Korf und seine Ehefrau Oda, welche ein Kapital zu der Frühmesse stifteteten, das auf dem sogenannten Rotenbacher Hofe stand und 1499 von dem Ankäufer Albert von Markelsbach mitübernommen wurde. Dieser Hof wird schon 1369 erwähnt, wo er mit dem Schneffelrod, dem Junkersbroich, dem Schmittehof, dem Knollenbroich, dem Leyhof und anderen Höfen der Nachbarschaft in den Mühlenzwang der Mühle zur Mulen verwiesen wurde, wohin auch Wolsdorf und Kaldauen gehörten.

In den letzten Jahren hatte Siegburg viel durch Krankheiten und anderes zu leiden gehabt und 1495 war die Sterblichkeit so groß, daß der „schoilmeister en geyne Kynder zo leren ynhadde“, was ihm eine schmerliche Einbuße brachte denn er mußte von dem Schulgelde mit leben. Aber die Stadt erbarmte sich seiner und schenkte ihm zu dem jährlichen Zuschusse von 4 Mark noch einen neuen Rock, facit II Gulden. Vermutlich hatte in dieser Zeit der eigentliche Kirchhof zur Bestattung der Leichen nicht ausgereicht, so daß man zum St. Pauluskirchhofe seine Zuflucht nehmen mußte und deshalb darauf bedacht war, demselben ein würdigeres Aussehen zu geben. Der obengenannte Jakob von Lutzerade nebst seiner Frau Styna umfriedigten ihn mit einer Mauer, ließen 3 Krucifixe auf demselben aufstellen und fundierten auch für Hospitalskapelle eine freitägliche Singmesse und einen neuen Altar. Die Messen werden wohl die Mönche gelesen haben, da das Institut auf ihrem Terrain lag.

Das Reichskammergericht

In Deutschland regierte damals Maximilian I., ein Sohn Kaiser Friedrichs III. von Österreich, der bei mancherlei Anlagen und Fähigkeiten immer nur „groß im Kleinen und kleinlich im Großen“ gewesen war. Das deutsche Reich hatte deshalb unter seiner Regierung sehr gelitten, und Maximilian mußte alles aufbieten, die Verhältnisse desselben wieder in Ordnung zu bringen und namentlich die Grenzen gegen übermütige Feinde sichern. 1495 hob er zu Worms das sogenannte Fehderecht auf und setzte zur Handhabung des ewigen Landfriedens ein Reichskammergericht in, das anfangs zu Frankfurt, dann zu Speier und später noch zu Wetzlar seinen Sitz hatte. Es bestand aus 16 Urteilern unter der Leitung eines Fürsten, Grafen oder Freiherrn als obersten Kammerrichters und sollte den Reichsunmittelbaren als erste, den Reichsmittelbaren als zweite Instanz dienen. Dabei blieben aber die Austrägalgerichte der Fürsten, d. h. Austrage- oder Schiedsgerichte zur Verhütung von Fehden und Schlichtung von Streitigkeiten noch bestehen, und die Städte insbesondere weigerten sich, von ihrer eigenen Gerichtsbarkeit Abstand zu nehmen. Daher dauerten denn trotz der Acht und schweren Geldbußen die Zänkereien fort, und Maximilian vermochte die Ruhe im Reiche ebenso wenig herzustellen, wie er mit seinen äußeren Feinden gut fertig wurde.

Zu diesen gehörten namentlich die Türken, Franzosen und Italiener.

Selbst die Schweizer und Schwaben spotteten seiner Krieger, und diese wollten nicht in das Schwaderloch hinein, obgleich ihr badischer Hauptmann geschworen hatte, er wolle „der Kuhmäuler Land so sengen und brennen, daß Gott auf dem Regenbogen vor Rauch und Flammen mit den Augen blinzeln und seine Füße an sich ziehen solle“. Seine häufige Abwesenheit aus Deutschland zwang ihn, das Reichsregiment in die Hände eines Reichshofsrates zu legen, und dieser hatte eben so viel Ansichten und Willen, als verschiedene Köpfe zu urteilen und zu entscheiden hatten.

Türkensteuer

Übrigens ging seine Thatigkeit und Sorge doch nicht für ganz Deutschland verloren, indem er mancherlei Anordnungen und Befehle erließ welche die sittlichen Zustände desselben aufbessern konnten z. B. Verbote gegen übermäßiges Essen und Trinken, gegen Fluchen und Schwören, als deren Strafe man die bösen Blasen oder die Lustseuche ansah, gegen unsittliche Kleidertracht, „die Kleider sollten hinten und vorne gut decken,“ gegen Luxus bei Hochzeiten, gegen das Treiben der Spielleute, Gaukler und Narren, gegen Betrug mit Tüchern und Wein etc. etc., wozu noch 1497 der Befehl kam, die Zigeuner als Spione der Türken zu betrachten und sie ganz und gar aus dem Lande zu verweisen. Die Türken waren die Störenfriede, welche Europa in Angst und Bangen hielten; der Feuereifer der Kreuzfahrer war nirgends mehr zu finden, und die Fürsten hatten keine Lust, ihren Muth für die österreichischen Lande in die Schanzen zu schlagen. Daher verhallte die Türkenglocke, die öffentlichen Gebete verstummten, und nur ungern zahlte man die Steuer, welche zur Besoldung von Heeren ausgeschrieben wurde.

In Siegburg kam der Fall vor, daß Johann zum Kettenpütz sogar beschuldigt wurde, beim Einsammeln der Gelder doppelte Taschen gehabt zu haben, und Jakob zum Bock, der die Behauptung aufstellte, mußte dafür ins Gefängnis wandern. Interressant, wenn auch erst späterer Zeit angehörig, ist das Protokoll, worin ein Franz Knütgen zum Kriege gegen die Türken verurtheilt wurde, nachdem ihm der Tod durch den Strick in Gnaden erlassen war. Er mußte bei 300 Goldgulden Strafe Urfehde schwören und sich verpflichten, 6 Jahre in Ungarn gegen den Erbfeind der Christenheit zu fechten, im anderen Falle werde sein „Haupt in der Scheffenkiste liegen,“ und die Verwandten hätten die Strafe zu bezahlen. So geurteilt am 15. Februar 1606. Die Türkenstener betrug 1608: 109 Richsdaler 55 albus, 1678 im Wintentermine 112 Thaler 48 albus und wurde während 6 Tage an den Häusern eingesammelt.

Daß im 15. Jahrhundert schon Hexen in Siegburg verbrannt wurden, ist nicht zu beweisen, aber es verdient doch bemerkt zu werden, daß der berüchtigte „Hexenhammer“ eines Jakob Sprenger und Genossen 1489 in Köln gedruckt wurde und eine Anleitung zur Behandlung der angeblichen Hexen enthielt. Später werden wir ihrer genug finden, und ersparen wir daher die Besprechung des Gegenstandes für die betreffende Zeit.

Preisverhältnisse

Zum Schluß nach eine Andeutung über die Preisverhältnisse, obgleich sie nicht aus Siegburger Rechnungen entnommen sind.

In Schweinfurt galt 1488 eine Gans 8 Pfennige, eine Huhn 3, ein Schock Eier 10-12, ein Pfund Karpfen 6, ein Buch Papier 11-12 ½ Pfennig, ein Paar Knabenschuhe 12 oder einen Groschen, 10 Stockfische 1 Gulden oder 16 Groschen, ein Pfund Pfeffer den dritten Teil, eine Tonne Heringe 6 Gulden, ein Ochs nur 3 ½, Gulden; einen Wagen zu beschlagen kostete 3 Pfund zu a 30 Pfennig u.s.w. Der Tagelohn betrug 6-7 Pfennige, während man früher schon wohl 18 bezahlt hatte.

Es waren also recht billige Zeiten, und die Zünftler mußten wacker arbeiten, um zu existieren. 100 Jahre später zeigen sich andere Verhältnisse, und da war Siegburg in seiner Glanzperiode, die mit Gerhard von Plettenberg ihren Anfang nahm. Abt Johann von Nesselrode starb am 25. Okt. 1507 und ward allgemein betrauert.

Dies ist ein Ausschnitt aus Rudolfs Heitkamps Buch „Siegburgs Vergangenheit und Gegenwart“ von 1897. Mehr Infos dazu hier.

Kapitelübersicht

Über das Buch
Buch zur Siegburger Geschichte von 1897 wieder erhältlich
Rezension zu Siegburgs Vergangenheit und Gegenwart
Weitere Rezension zu Siegburgs Vergangenheit und Gegenwart

Kapitel des Buches
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I. Siegburgs älteste Verhältnisse – Wahrheit und Vermutung.
Der Siegberg und seine Bewohner
Römerstraßen & Altdeutsche Gräber
Ansiedlungen und Ständeunterschiede
Rechte und Gerichtswesen
Der Auelgau und die erste christliche Gemeinde
Die Siegburg
Pfalzgraf Heinrich und sein Streit mit Anno, Erzbischof von Köln

II. Die Gründung der Abtei
Die Gründung der Abtei, ihr Zweck, die Abteikirche & die Ordensregeln
Insassen und Ausstattung des Klosters mit Gütern
Der Burgbann, die Rechtspflege und der Vogt
Annos Tod, sei Begräbnis und seine letzte Ruhestätte

III. Die Stadt Siegburg
Die Stadt Siegburg – Markt-, Zoll & Münzrecht sowie ihre Befestigung
Ihre Verwaltung und Gerichtsbarkeit
Älteste Zustände in ihr
Lage und Beschaffenheit

IV. Entwickelung der Abtei
Entwickelung der Abtei und die Fixierung ihrer Besitzungen
Die Sage von Erpho
Klösterliches Leben und Treiben
Annos Lebensbeschreibung und das Annolied
Blutbad in Köln, geflüchtete Juden in Siegburg
Die Decanie im Auelgaue
Vornehme Begräbnisse auf der Abtei
Vermächtnis Heinrichs IV. und Heinrichs V.
Die Propsteien Oberpleis, Hirzenach, Remagen, Zülpich
Bedeutende Ordensmänner
Abt Kunos Vermächtnis und Anordnungen
Streit mit dem Kassiusstift und die Propstei Millen
Reinalds von Dassel Vorschrift hinsichtlich der abteilichen Güter

V. Städtisches
Städtisches: Marktprivilegien, Christihimmelfahrtsmarkt & Servatiustag
Städtisches Leben und Treiben
Leprosenhäuser – Krankenhäuser, die Kirche und die Einführung des St. Nikolausfestes
Die Märtensfeuer
Das Holzfahrtsfest und der Maibaum

VI. Kannosisation Annos und Siegburgs Kunstschätze
Der Streit um das Burgterrain von Blankenberg, das Burgrecht, der Schutzbrief sowie eine Wasserprobe
Annos Heiligsprechung
Annos Charakterisierung, die Abteikirche
Reliquien und Reliquienschreine
Älteste Siegel der Abtei, der Stadt und des Gerichtes etc., die Einverleibung der Kirchen Oberpleis und Zülpich

VII. Verhängnisvolle Zeiten
Ausplünderung Siegburgs, Engelbert von Köln und Heinrich von Limburg, Übertragung der Schutzvogtei an die Kölner Kirche
Heinrichs Bemühungen, dieselbe (die Schutzvogtei) für das Haus Berg wiederzuerlangen
Das Faustrecht, die Zustände auf der Abtei sowie die Visitation des Klosters
König Richard und Kölner Flüchtlinge in Siegburg
Vertrag , Burg & Pfarrkirche
Privilegium der Kölner Marktbesucher in Siegburg
Consultationsrecht der Wipperfürther (und ebenso auch der Lenneper in Siegburg)
Eine Judenverfolgung

Wortlaut der Vogtsreversalien
Ökonomische Verhältnisse der Abtei und die Einverleibung der Pfarrkirchen
Die Topfbäcker, das Waldschuldheißenamt
Siegburger Juden

VIII. Dynasten im Abtsgewande.
Verhältnis der Abtei zur Kölner Kirche, zum Reiche und dem Hause Berg
Schutz- und Trutzbündnis zwischen der Abtei und Stadt Siegburg
Verhältnis der Abtei zum römischen Stuhle
Dienstmannenverhältnis
Siegburg Enklave von Berg, Löwenburg und Blankenberg
Berg zum Herzogtum erhoben
Verhältnis zwischen Deutz und Siegburg
Propstei Aulgasse

IX. Das aufstrebende Bürgertum
Pelegrin von Drachenfels
Überrumpelung Siegburgs durch Adolf von Berg und Brand der Stadt
Schlichtung der Streitigkeiten zwischen Adolf und Pelegrin

Der güldene Opferpfennig der Juden
Frühmessenstiftung
Agger- und Siegbrücke
Verwendung der Accise
Das Mühlenthor
Verkauf der Burg an das Erzstift Köln und Rückgängigkeit des Verkaufs

Die ersten Zunftbriefe
Das Schöffenessen
Ausübung des Münzrechtes der Abtei

Vorladungen vor die Feme
Das Recht des Antastes in der Vogtei und Stadt Siegburg
Der Galgenberg

Der Seidenberger Hof und das Hofgericht
Windecker Vertrag
Wolsdorf und Troisdorf
Zollstätte zu Bergheim
Formalitäten bei der Huldigungsfeier neuer Äbte
Vikar Hulweck
Das Reichskammergericht
Türkensteuer
Preisverhältnisse

X. Siegburgs Blütezeit.
Reichsunmittelbarkeit der Abtei
Restauration der Pfarrkirche
Bevölkerungsziffer der Stadt
Namen der Häuser an den Hauptstraßen
Der Tierbungert
Reformatorische Bestrebungen im Erzstift Köln etc.

Das Zunftwesen in Siegburg
Städtische Verwaltung
Neubürger
Heiden
Einwohnerzahl, Gewerbe, Accise

Das Rathaus
Protestanten in Siegburg
Sittliche Zustände in der Stadt
Gebhard Truchses von Waldburg
Kampf auf dem Brückberg
Anschlag gegen den Abt
Die Rottmannschaften

Inventare
Preisverhältnisse
Mahlzeiten

Hans Sachs „Schöne Tischzucht“
Armenpflege

XI. Ringen und Kämpfen
Lehnwesen der Abtei
Schulwesen in der Stadt
Die Trivialschule
Sittliche Zustände
Eine Hinrichtung nach Karls peinlicher Halsgerichtsordnung
Acciseneinnahmen

Der Vogtseid
Klever Vertrag vom . Okt.
Früheres Verhältnis der kontrahierenden Teile
Güter-Erwerbungen und -Veräußerungen der Abtei
Tod Herzogs Johann Wilhelm und seine Folgen für Siegburg
Belagerung von Siegburg
Spanische Besatzung in der Stadt
Das Sendgericht
Das Schätzchen von Siegburg

XII. Die Zeit des dreißigjährigen Krieges.
Schutzbrief Kaisers Ferdinand II.
Kontributionen
Gustav Adolf
Baudissin in Siegburg
Schwedische Besatzung unter Loyson
Pfarrer Menner
Räumung der Abtei seitens der Schweden
Bekanntmachung des Abtes von Bellinghausen betreffs der Wiederaufbauung der zerstörten Häuser
Glasjunker als Zünftler
Klösterliche Verhältnisse
Soldatenleben
Hexenprozesse
Feuersbrunst
Die Pfarrkirche
Glockenguß in Siegburg

XIII. Verlust der abteilichen Reichsunmittelbarkeit
Schutzbrief Kaisers Ferdinand III.
Johann von Bock
Vergleich vom Jahre
Die Minoriten in Siegburg
Pfalz-Neuburgische Besatzung in der Stadt
Die Leibkompagnie des Abtes
Rangstreit unter den Stadträten
Ein fauler Häring
Die Elementarschule
Die Pest
Aufnahme von Novizen
Jagdübung der Konventualen
Neue Kapitulation zwischen der Abtei und dem Herzoge
Prätensionen desselben
Bernard Gustav von Baden als Koadjutor
Seine Abdankung
Einjährige Bürgermeister
Präliminarvertrag zwischen der Abtei und dem Herzog
Der Erbvergleich
Erneuerung des Vertrages mit den Minoriten

XIV. Das freiadlige Stift und die Unterherrlichkeit Siegburg
Heinrich Worm
Besetzung Siegburgs durch die Franzosen
Billetierung der Juden
Eine erbauliche Scene in der Kirche
Hungersnot
Ein Kirchendiebstahl
Das Minoritenkloster
Erbhuldigung des Herzogs
Zunftverhältnisse
Revision der Abtei
Ein Geleitsbrief
Die Accise
Französische Einquartierung
Größe abteilicher Höfe der Umgegend
Kriegswirren
Konsumtionssteuer
Die Vogtei Siegburg
Beschränkung der Abtei in Gütererwerbungen
Zurückbringung der geflüchteten Reliquienschreine
Die erste Apotheke in der Stadt
Sporteln der Ärzte

XV. Die Franzosen in Siegburg und die drei letzten Äbte
Der 7-jährige Krieg
Siegburger Geiseln in Stade
Der Geiselprozeß
Die Muttergotteskapelle
Huldigung des Abtes
Abschaffung von kirchlichen Feiertagen
Die neue Poststraße
Brand der Abtei
Die Pfarrkirche
Das Läuten mit den Glocken und die Donnerwettersgärten
Revolution in Frankreich
Die Maas-Sambrearmee
Kämpfe um Siegburg herum
Einquartierungen
Säkularisation der Abtei

XVI. Siegburg unter bergischer Herrschaft
Das Zunftwesen
Schulverhältnisse
Die Kirchen Siegburgs
Verkauf der abteilichen Mühlen
Siegburg als Munizipalstadt
Budget vor
Der neue Friedhof
Bepflanzung des Marktes mit Kastanienbäumen
Huldigung des jungen Herzogs Ludwig Napoleon
Bevölkerung der Stadt
Aufhebung der Zünfte
Das französische Gesetzbuch
Zurückhaltung der Reliquienschreine
Der russische Feldzug und die Schlacht bei Leipzig
Frhr. von Hallberg
Übergang der Verbündeten über den Rhein
Steuern
Eine russische Wagenburg und der Marktplatz
Napoleons Abdankung
Die Rheinlande fallen an Preußen
Proklamation des Königs Friedrich Wilhelms III.
Napoleons Ende

XVII. Siegburg als Hauptstadt des Siegkreises
Der Landwehrstamm in der Stadt
Hungersnot
Kabinettsorder Sr. Majestät betreffs der Siegburger Schulen
Die Lateinschule
Die Siegburger Kirmes und die Bonner Studenten
Kirchliche Verhältnisse
Die Irrenheilanstalt
Örtliche und bürgerliche Verhältnisse in der Stadt
Das Zeughaus
Eine höhere Töchterschule
Das Postwesen
Fabrikanlage von Rolffs & Comp.
Die israelitische Synagoge
Die evangelische Gemeinde
Marktverkehr
Die Kartoffelkrankheit
Pfarrer Engelmann
Das Jahr
Konstitutionelle Verfassung
Zug der Freischärler unter Kinkel behufs Plünderung des Siegburger Zeughauses und die Schlacht auf dem Stallberg
Der Lohmarer Wald
Empfang des Kronprinzen Friedrich Wilhelms IV.

XVIII. Blätter und Blüten aus der Neuzeit
Gemeindeordnung
Schulverhältnisse
Verlegung des Landratsamt in die Stadt
Deutz-Gießener Eisenbahn und Postverkehr
Geschäftsleben in der Stadt
Die Gasanstalt
Restauration der Kirche
Die letzten Stadtthore
Die rechtsrheinische Eisenbahn
Die Königliche Geschoßfabrik
Wohlthätigkeitsvereine und Krankenhaus
Das Vereinsleben überhaupt
Das Kriegerdenkmal
Das Königl. Lehrerseminar und das Gymnasium
Das neue Krankenhospital
Die Herz-Jesukapelle
Das städtische Schlachthaus und die Wasserleitung
Freiwillige Feuerwehr
Katholische und Evangelische Kirche
Verlegung der Irrenheilanstalt
Strafanstalten
Das Königliche Feuerwerkslaboratorium
Die neuen Stadtteile
Der Friedhof
Schulwesen
Bevölkerung von Siegburg
Geschäftsverkehr
Post- und Eisenbahnstatistiken
Verkehrswege
Städtischer Haushaltungsetat

Anhang
Liste der Äbte
Abteiliche Güter
Liste der Vögte
Wort- und Sachregister mit Erklärung und Übersetzung der im Texte vorkommenden fremdsprachlichen Stellen und Ausdrücke sowie anderen Erläuterungen.