Versuchen wir nun, uns die älteste Stadt vor Augen zu führen, so weit es nach den vorhandenen Spuren noch möglich ist.
Dieselbe legte sich im Halbkreise um den von Westen und Norden her sanft ansteigenden Siegberg, bei dem jetzigen Wasserwerke der Königlichen Gefangenenanstalt beginnend und am Holzthore, da wo der Weg zum Kleiberge abführt, gegen Osten endigend. Ein Hauptweg verband diese beiden Punkte und bildete mit seinen Häusern eine Art Basis, auf welcher sich die weiteren Ausbaue ansetzen konnten. Der Marktplatz nahm die höchste Stelle des Bogens ein, und wurde vermutlich erst jetzt mit Wohnungen umstellt; denn die Bauernhöfe, welche später noch den alten Namen führen, lagen in der Holz- und Mühlengasse, zwei auch in der Nähe des Tierbungerts und einer in der Sackgasse (jetzt Sterngasse). Dem Markte gegenüber wurde das Kölnthor angelegt, während das Grömmelzthor noch eine Zeitlang auf sich warten ließ. Der Driesch war, wie schon der Name sagt, ein ödes Terrain, und die Aulgässer wohnten näher am Holzthore, so daß sie dieses benutzen konnten.
Um die Mauer der Stadt lief in ansehnlicher Breite und Tiefe ein Graben, der aus der Quelle vom Tönnisberge her mit Wasser versehen wurde. Über denselben führten 3 Zugbrücken, an der Außenseite durch Brückenköpfe befestigt, und rechts und links mit Mauern eingefriedigt. Hier mußte jedermann Halt machen, der als Unbekannter oder mit zollpflichtigen Waren versehen in die Stadt eintreten wollte. Man nannte diese Räume Hammey, d. i. Hemmung. Die Ringmauer war durch runde Türme gekräftigt und etwa sechs Meter hoch. Vor der Brustwehr nach innen zu lief ein, aus zwei vorkragenden Steinen gebildeter Mauergang, der später, bei Verwitterung desselben und zur größeren Befestigung der Mauer, durch einen Bogengang ersetzt wurde. Auf denselben gelangte man durch Stufen, vielfach auch durch Leitern, welche zu dem Zwecke in Bereitschaft gehalten wurden. Die Thortürme waren viereckige Bauten, zum Teil mehrere Stockwerke hoch und mit Verteidigungsmitteln versehen. Nach dem ältesten Stadtsiegel zu schließen, führten sie einen Zinnenkranz um den Fuß der Helmspitze. Das Mühlenthor ist späteren Ursprungs und durch die Anlage der Mühlen veranlaßt worden.
Seitdem hieß der Ausgang an der Südseite des Berges das alte Thor.
Der Berg selbst war ebenfalls mit einer schwachen Mauer nach der Stadt zu umgeben und dadurch gegen unbefugtes Betreten geschützt. Der Aufstieg zu demselben führte durch die Berggasse und hatte ein Gitterthor, neben dem ein Pförtner Wache hielt. Die Straßen in der Stadt führten alle den Namen Gassen und wurden von den anstoßenden Eigentümern benannt. Das städtische Gemeindehaus, domus publica, lag unten am Markte, an der Stelle des jetzigen Gymnasiums, und hatte hinter sich einen großen Raum, auf dem man Palissadenhölzer und dergleichen aufbewahrte. Es wurde später in Stein aufgeführt, vermutlich zu der Zeit, wo auch die Kirche einen Um- oder Anbau erfuhr, denn es hatte unten einen Saal mit gothischen Fenstern. Die Kirche wurde allmählich alt, aber genügte noch den damaligen Verhältnissen. Darf der Schreiber diese eine Vermutung wagen, so war sie aus einem Baptisterium entstanden und ursprünglich Johannes dem Täufer geweiht. Derselbe hatte noch im 15. Jahrhundert einen Altar in der Kirche und wurde hier mit großer Auszeichnung verehrt. Wann die Reliquien des hl. Servatius in ihr niedergelegt sind, und dieser als Patronus angenommen worden ist, läßt sich nicht mehr mit voller Sicherheit ermitteln. 1125 war ihr Pastor Ewerwinus.
Die Häuser zu beschreiben, ist nicht gut möglich. Sie waren jedenfalls noch, sehr unansehnlich und recht niedrig gestochen. Als Bedeckung diente Schilf und Stroh, Schornsteine kamen noch kaum in Anwendung. Jedes Haus führte einen besonderen Namen von einem über der Thür angebrachten Zeichen.
Der Ortsvorsteher hieß 1139 Lambert, ein etwas späterer Gerlach; Mitbürger von ihm waren Volber, Knetel, Sigward, Engelbert, Hartmann, Arnold, Güzelinus, Becelinus, Bertram, Theoderich, Eberhard u. a.; 1150 hieß der Schultheiß Leo, zwei Nachbaren Walter und Richolfus, 1174 der Schultheiß Dietrich, der Zöllner Wolfinus, welche beide eine Gesandtschaft zu Kaiser Friedrich nach Sinzig unternahmen (Die Namen sind aus Lac. Urkundensammlung genommen.). 1184 ist in dem „liber miraculorum“ des Herrn Zolner a Brandt von einem „senator huius civitatis“ die Rede, der durch die Verehrung Annos wunderbar geheilt worden sei. Man sieht aus der Benennung, daß das städtische Wesen bereits Fortschritte gemacht hatte, und der „villieus“ wohl schon „magister civium“, d. i. Bürgermeister genannt wurde.
Dies ist ein Ausschnitt aus Rudolfs Heitkamps Buch „Siegburgs Vergangenheit und Gegenwart“ von 1897. Mehr Infos dazu hier.
Kapitelübersicht
Über das Buch
Buch zur Siegburger Geschichte von 1897 wieder erhältlich
Rezension zu Siegburgs Vergangenheit und Gegenwart
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Kapitel des Buches
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I. Siegburgs älteste Verhältnisse – Wahrheit und Vermutung.
Der Siegberg und seine Bewohner
Römerstraßen & Altdeutsche Gräber
Ansiedlungen und Ständeunterschiede
Rechte und Gerichtswesen
Der Auelgau und die erste christliche Gemeinde
Die Siegburg
Pfalzgraf Heinrich und sein Streit mit Anno, Erzbischof von Köln
II. Die Gründung der Abtei
Die Gründung der Abtei, ihr Zweck, die Abteikirche & die Ordensregeln
Insassen und Ausstattung des Klosters mit Gütern
Der Burgbann, die Rechtspflege und der Vogt
Annos Tod, sei Begräbnis und seine letzte Ruhestätte
III. Die Stadt Siegburg
Die Stadt Siegburg – Markt-, Zoll & Münzrecht sowie ihre Befestigung
Ihre Verwaltung und Gerichtsbarkeit
Älteste Zustände in ihr
Lage und Beschaffenheit
IV. Entwickelung der Abtei
Entwickelung der Abtei und die Fixierung ihrer Besitzungen
Die Sage von Erpho
Klösterliches Leben und Treiben
Annos Lebensbeschreibung und das Annolied
Blutbad in Köln, geflüchtete Juden in Siegburg
Die Decanie im Auelgaue
Vornehme Begräbnisse auf der Abtei
Vermächtnis Heinrichs IV. und Heinrichs V.
Die Propsteien Oberpleis, Hirzenach, Remagen, Zülpich
Bedeutende Ordensmänner
Abt Kunos Vermächtnis und Anordnungen
Streit mit dem Kassiusstift und die Propstei Millen
Reinalds von Dassel Vorschrift hinsichtlich der abteilichen Güter
V. Städtisches
Städtisches: Marktprivilegien, Christihimmelfahrtsmarkt & Servatiustag
Städtisches Leben und Treiben
Leprosenhäuser – Krankenhäuser, die Kirche und die Einführung des St. Nikolausfestes
Die Märtensfeuer
Das Holzfahrtsfest und der Maibaum
VI. Kannosisation Annos und Siegburgs Kunstschätze
Der Streit um das Burgterrain von Blankenberg, das Burgrecht, der Schutzbrief sowie eine Wasserprobe
Annos Heiligsprechung
Annos Charakterisierung, die Abteikirche
Reliquien und Reliquienschreine
Älteste Siegel der Abtei, der Stadt und des Gerichtes etc., die Einverleibung der Kirchen Oberpleis und Zülpich
VII. Verhängnisvolle Zeiten
Ausplünderung Siegburgs, Engelbert von Köln und Heinrich von Limburg, Übertragung der Schutzvogtei an die Kölner Kirche
Heinrichs Bemühungen, dieselbe (die Schutzvogtei) für das Haus Berg wiederzuerlangen
Das Faustrecht, die Zustände auf der Abtei sowie die Visitation des Klosters
König Richard und Kölner Flüchtlinge in Siegburg
Vertrag , Burg & Pfarrkirche
Privilegium der Kölner Marktbesucher in Siegburg
Consultationsrecht der Wipperfürther (und ebenso auch der Lenneper in Siegburg)
Eine Judenverfolgung
Wortlaut der Vogtsreversalien
Ökonomische Verhältnisse der Abtei und die Einverleibung der Pfarrkirchen
Die Topfbäcker, das Waldschuldheißenamt
Siegburger Juden
VIII. Dynasten im Abtsgewande.
Verhältnis der Abtei zur Kölner Kirche, zum Reiche und dem Hause Berg
Schutz- und Trutzbündnis zwischen der Abtei und Stadt Siegburg
Verhältnis der Abtei zum römischen Stuhle
Dienstmannenverhältnis
Siegburg Enklave von Berg, Löwenburg und Blankenberg
Berg zum Herzogtum erhoben
Verhältnis zwischen Deutz und Siegburg
Propstei Aulgasse
IX. Das aufstrebende Bürgertum
Pelegrin von Drachenfels
Überrumpelung Siegburgs durch Adolf von Berg und Brand der Stadt
Schlichtung der Streitigkeiten zwischen Adolf und Pelegrin
Der güldene Opferpfennig der Juden
Frühmessenstiftung
Agger- und Siegbrücke
Verwendung der Accise
Das Mühlenthor
Verkauf der Burg an das Erzstift Köln und Rückgängigkeit des Verkaufs
Die ersten Zunftbriefe
Das Schöffenessen
Ausübung des Münzrechtes der Abtei
Vorladungen vor die Feme
Das Recht des Antastes in der Vogtei und Stadt Siegburg
Der Galgenberg
Der Seidenberger Hof und das Hofgericht
Windecker Vertrag
Wolsdorf und Troisdorf
Zollstätte zu Bergheim
Formalitäten bei der Huldigungsfeier neuer Äbte
Vikar Hulweck
Das Reichskammergericht
Türkensteuer
Preisverhältnisse
X. Siegburgs Blütezeit.
Reichsunmittelbarkeit der Abtei
Restauration der Pfarrkirche
Bevölkerungsziffer der Stadt
Namen der Häuser an den Hauptstraßen
Der Tierbungert
Reformatorische Bestrebungen im Erzstift Köln etc.
Das Zunftwesen in Siegburg
Städtische Verwaltung
Neubürger
Heiden
Einwohnerzahl, Gewerbe, Accise
Das Rathaus
Protestanten in Siegburg
Sittliche Zustände in der Stadt
Gebhard Truchses von Waldburg
Kampf auf dem Brückberg
Anschlag gegen den Abt
Die Rottmannschaften
Inventare
Preisverhältnisse
Mahlzeiten
Hans Sachs „Schöne Tischzucht“
Armenpflege
XI. Ringen und Kämpfen
Lehnwesen der Abtei
Schulwesen in der Stadt
Die Trivialschule
Sittliche Zustände
Eine Hinrichtung nach Karls peinlicher Halsgerichtsordnung
Acciseneinnahmen
Der Vogtseid
Klever Vertrag vom . Okt.
Früheres Verhältnis der kontrahierenden Teile
Güter-Erwerbungen und -Veräußerungen der Abtei
Tod Herzogs Johann Wilhelm und seine Folgen für Siegburg
Belagerung von Siegburg
Spanische Besatzung in der Stadt
Das Sendgericht
Das Schätzchen von Siegburg
XIV. Das freiadlige Stift und die Unterherrlichkeit Siegburg
Heinrich Worm
Besetzung Siegburgs durch die Franzosen
Billetierung der Juden
Eine erbauliche Scene in der Kirche
Hungersnot
Ein Kirchendiebstahl
Das Minoritenkloster
Erbhuldigung des Herzogs
Zunftverhältnisse
Revision der Abtei
Ein Geleitsbrief
Die Accise
Französische Einquartierung
Größe abteilicher Höfe der Umgegend
Kriegswirren
Konsumtionssteuer
Die Vogtei Siegburg
Beschränkung der Abtei in Gütererwerbungen
Zurückbringung der geflüchteten Reliquienschreine
Die erste Apotheke in der Stadt
Sporteln der Ärzte
XV. Die Franzosen in Siegburg und die drei letzten Äbte
Der 7-jährige Krieg
Siegburger Geiseln in Stade
Der Geiselprozeß
Die Muttergotteskapelle
Huldigung des Abtes
Abschaffung von kirchlichen Feiertagen
Die neue Poststraße
Brand der Abtei
Die Pfarrkirche
Das Läuten mit den Glocken und die Donnerwettersgärten
Revolution in Frankreich
Die Maas-Sambrearmee
Kämpfe um Siegburg herum
Einquartierungen
Säkularisation der Abtei
XVIII. Blätter und Blüten aus der Neuzeit
Gemeindeordnung
Schulverhältnisse
Verlegung des Landratsamt in die Stadt
Deutz-Gießener Eisenbahn und Postverkehr
Geschäftsleben in der Stadt
Die Gasanstalt
Restauration der Kirche
Die letzten Stadtthore
Die rechtsrheinische Eisenbahn
Die Königliche Geschoßfabrik
Wohlthätigkeitsvereine und Krankenhaus
Das Vereinsleben überhaupt
Das Kriegerdenkmal
Das Königl. Lehrerseminar und das Gymnasium
Das neue Krankenhospital
Die Herz-Jesukapelle
Das städtische Schlachthaus und die Wasserleitung
Freiwillige Feuerwehr
Katholische und Evangelische Kirche
Verlegung der Irrenheilanstalt
Strafanstalten
Das Königliche Feuerwerkslaboratorium
Die neuen Stadtteile
Der Friedhof
Schulwesen
Bevölkerung von Siegburg
Geschäftsverkehr
Post- und Eisenbahnstatistiken
Verkehrswege
Städtischer Haushaltungsetat
Anhang
Liste der Äbte
Abteiliche Güter
Liste der Vögte
Wort- und Sachregister mit Erklärung und Übersetzung der im Texte vorkommenden fremdsprachlichen Stellen und Ausdrücke sowie anderen Erläuterungen.