Der Burgbann
Ein noch größerer Gewinn ward der Abtei dadurch zu teil, daß König Heinrich ihr am 4. Oktober 1071 auf Ansuchen Erphos die Strafgerichtsbarkeit auf den abteilichen Villen im Umkreise und die Fischerei in den stehenden und fließenden Gewässern daselbst verlieh, so jedoch, daß in keinerlei Weise die Gerechtigkeit und Gewalt des Grafen beeinträchtigt würde.
Diese Villen oder Höfe waren Sieglar, Geistingen und Pleis.
Die Grenze des Burgbanns ist in dem Aktenstücke ganz genau angegeben. Sie lief von dem Einflusse der Agger in die Sieg jene hinauf bis zur Rotenbach, diese entlang bis zur Feldmark von Kaldauen, dieses umschließend über die Sieg nach dem rätselhaften Hageneiche, weiterhin über die Bonner Straße bis Bozenlohe, ferner an der Grenze von Verlohe vorbei, der Sieg wieder zugewandt, bis zum Altenforst, von da nach dem Werde und zur Sieg, dem Dorfe Lar gegenüber, endlich zurück zu der Stelle, wo die Agger in die Sieg mündet. In diesem so umgrenzten Gebiete sollte niemand bei Strafe von 60 Schillingen es wagen dürfen, jemanden gefangen zu nehmen, ihn zu berauben oder zu verletzen, überhaupt jemanden zu belästigen, und derselben Strafe an den Abt derjenige verfallen sein, der ohne seine Erlaubnis einen großen oder kleinen Fisch zu fangen sich unterstehen würde.
Rechtspflege über die klösterlichen Besitzungen – der Vogt
Die Rechtspflege über die klösterlichen Besitzungen, mit Ausnahme über die Gemeinde Siegburg, übte nach dem Willen des Abtes der Schutzvogt, für den Anno in der Person eines gewissen Gerlach von Wickrode gesorgt hatte. Derselbe sollte einmal im Jahre an den ihm zugewiesenen Orten erscheinen und über Blutvergießen, Friedensstörung, Diebstahl und Erbschaftsangelegenheiten zu Gericht sitzen.
Als Belohnung für seine Mühewaltung erhielt er den dritten Teil der Brüchtengelder, aber nur von denjenigen Sachen, die in den Vogtssitzungen wirklich zur Entscheidung kamen und dahin gehörten. Jede andere Sache blieb dem Urteile des Abtes vorbehalten, so daß er ein Recht hatte, nach Belieben seine Unterthanen zu bestrafen, wenn sie sich seinen billigen Anordnungen widersetzten.
Die Grundholden bis 5 Meilen Entfernung mußten vor dem Vogte „am Fuße des Siegberges“ erscheinen und zwar die Bewohner von Eschmar, Sieglar, Meindorf, Menden, Troisdorf, Sülz am ersten Tage der Gerichtssitzungen, die von Oberpleis, Dondorf, Geistingen, Nister, Mülldorf, Berghausen, Immenroth, Churscheid, Inger am zweiten, und die von Ober- und Unteragger nebst den von ihnen Abhängigen am dritten Tage.
Für jeden Tag erhielt der Vogt vom Abte 2 Scheffel Weizen, 1 Ohm Wein, 2 Ohm Bier, 2 Schweine, 1 Ferkel, 2 Gänse, 4 Hühner, 20 Eier und 6 Scheffel Hafer, eine anständige Einnahme. Aber der Vogt hatte auch noch andere Geschäfte für die Abtei zu besorgen, die auszuführen ihr selbst schlecht angestanden hätte oder geradezu verboten war, z. B. die Einziehung der staatlichen Gefälle und den Heerbanndienst im Reichskriege, die Durchführung mancherlei Fehden und Streitigkeiten für die Mönche, und vor allem den unmittelbaren Schutz, wenn Leben und Eigentum der Unterthanen und das Kloster selbst in Gefahr kamen.
Daraus erwuchs ihm eine Achtung gebietende Stellung, und der Habgierige mochte sie leicht benutzen, sich allerlei Vorteile durch das Kloster zuwenden zu lassen und schließlich wohl gar den Herrn desselben zu spielen. Einige Sicherheit dagegen gewährte diesem der Umstand, daß der Abt den Schutzvogt nach eigenem Ermessen wählen konnte und von Erblichkeit der Würde von vornherein keine Rede war. Auch bestand die Vorschrift Karls des Großen, daß der Gaugraf und der Centenar dieses Amt nicht bekleiden dürften.
Indes änderte sich die Gauverfassung, und am Niederrhein insbesondere traten schon bald nach dem Sturze des Pfalzgrafentums territoriale Grafen auf, welche als Landesherrn auch den Schutz der Klöster beanspruchten und deshalb den Mönchen recht viel zu schaffen machten. Den Ordensleuten blieb dann nichts anders übrig, als sich willig in ihr Ansinnen zu fügen und schon zufrieden zu sein, wenn ihre Immunitäten von ihnen anerkannt wurden. so erging es der Abtei Siegburg den Herren von Berg gegenüber, welche vom 12. Jahrhundert als Schutzvögte derselben erscheinen. Sie suchten die freie Wahl durch Erblichkeit zu ersetzen, und jeder Versuch, das statutenmäßige Recht durch Umgehung ihres Hauses zur Geltung zu bringen, verwickelten den Abt in Unannehmlichkeiten, gegen welche selbst der Schutz des Reiches sich schwach erwies. Doch darüber später das Nähere.
Vorläufig war alles auf das Beste geordnet, und Anno konnte mit Vergnügen zu einer Schöpfung hinaufblicken, die seinen Glaubenseifer vor der Welt bekunden und seine Frömmigkeit im hellsten Lichte zeigen sollte. Zu ihr nahm er in guten und bösen Tagen seine Zuflucht, in ihr fand er seine Erholung und den Frieden mit sich selbst, wenn ihn die Welt anekelte, und diese ihm nur Undank statt Dank entgegenbrachte. Die Ordensleute waren seine liebsten Freunde, und er machte selbst jede Tugendübung mit, welche die Regel und das eigene Streben ihnen vorschrieb. Er gehorchte, wie Lambert von Hersfeld sagt, nicht nur dem Abte, sondern auch den Decanen.
Dies ist ein Ausschnitt aus Rudolfs Heitkamps Buch „Siegburgs Vergangenheit und Gegenwart“ von 1897. Mehr Infos dazu hier.
Kapitelübersicht
Über das Buch
Buch zur Siegburger Geschichte von 1897 wieder erhältlich
Rezension zu Siegburgs Vergangenheit und Gegenwart
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Kapitel des Buches
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I. Siegburgs älteste Verhältnisse – Wahrheit und Vermutung.
Der Siegberg und seine Bewohner
Römerstraßen & Altdeutsche Gräber
Ansiedlungen und Ständeunterschiede
Rechte und Gerichtswesen
Der Auelgau und die erste christliche Gemeinde
Die Siegburg
Pfalzgraf Heinrich und sein Streit mit Anno, Erzbischof von Köln
II. Die Gründung der Abtei
Die Gründung der Abtei, ihr Zweck, die Abteikirche & die Ordensregeln
Insassen und Ausstattung des Klosters mit Gütern
Der Burgbann, die Rechtspflege und der Vogt
Annos Tod, sei Begräbnis und seine letzte Ruhestätte
III. Die Stadt Siegburg
Die Stadt Siegburg – Markt-, Zoll & Münzrecht sowie ihre Befestigung
Ihre Verwaltung und Gerichtsbarkeit
Älteste Zustände in ihr
Lage und Beschaffenheit
IV. Entwickelung der Abtei
Entwickelung der Abtei und die Fixierung ihrer Besitzungen
Die Sage von Erpho
Klösterliches Leben und Treiben
Annos Lebensbeschreibung und das Annolied
Blutbad in Köln, geflüchtete Juden in Siegburg
Die Decanie im Auelgaue
Vornehme Begräbnisse auf der Abtei
Vermächtnis Heinrichs IV. und Heinrichs V.
Die Propsteien Oberpleis, Hirzenach, Remagen, Zülpich
Bedeutende Ordensmänner
Abt Kunos Vermächtnis und Anordnungen
Streit mit dem Kassiusstift und die Propstei Millen
Reinalds von Dassel Vorschrift hinsichtlich der abteilichen Güter
V. Städtisches
Städtisches: Marktprivilegien, Christihimmelfahrtsmarkt & Servatiustag
Städtisches Leben und Treiben
Leprosenhäuser – Krankenhäuser, die Kirche und die Einführung des St. Nikolausfestes
Die Märtensfeuer
Das Holzfahrtsfest und der Maibaum
VI. Kannosisation Annos und Siegburgs Kunstschätze
Der Streit um das Burgterrain von Blankenberg, das Burgrecht, der Schutzbrief sowie eine Wasserprobe
Annos Heiligsprechung
Annos Charakterisierung, die Abteikirche
Reliquien und Reliquienschreine
Älteste Siegel der Abtei, der Stadt und des Gerichtes etc., die Einverleibung der Kirchen Oberpleis und Zülpich
VII. Verhängnisvolle Zeiten
Ausplünderung Siegburgs, Engelbert von Köln und Heinrich von Limburg, Übertragung der Schutzvogtei an die Kölner Kirche
Heinrichs Bemühungen, dieselbe (die Schutzvogtei) für das Haus Berg wiederzuerlangen
Das Faustrecht, die Zustände auf der Abtei sowie die Visitation des Klosters
König Richard und Kölner Flüchtlinge in Siegburg
Vertrag , Burg & Pfarrkirche
Privilegium der Kölner Marktbesucher in Siegburg
Consultationsrecht der Wipperfürther (und ebenso auch der Lenneper in Siegburg)
Eine Judenverfolgung
Wortlaut der Vogtsreversalien
Ökonomische Verhältnisse der Abtei und die Einverleibung der Pfarrkirchen
Die Topfbäcker, das Waldschuldheißenamt
Siegburger Juden
VIII. Dynasten im Abtsgewande.
Verhältnis der Abtei zur Kölner Kirche, zum Reiche und dem Hause Berg
Schutz- und Trutzbündnis zwischen der Abtei und Stadt Siegburg
Verhältnis der Abtei zum römischen Stuhle
Dienstmannenverhältnis
Siegburg Enklave von Berg, Löwenburg und Blankenberg
Berg zum Herzogtum erhoben
Verhältnis zwischen Deutz und Siegburg
Propstei Aulgasse
IX. Das aufstrebende Bürgertum
Pelegrin von Drachenfels
Überrumpelung Siegburgs durch Adolf von Berg und Brand der Stadt
Schlichtung der Streitigkeiten zwischen Adolf und Pelegrin
Der güldene Opferpfennig der Juden
Frühmessenstiftung
Agger- und Siegbrücke
Verwendung der Accise
Das Mühlenthor
Verkauf der Burg an das Erzstift Köln und Rückgängigkeit des Verkaufs
Die ersten Zunftbriefe
Das Schöffenessen
Ausübung des Münzrechtes der Abtei
Vorladungen vor die Feme
Das Recht des Antastes in der Vogtei und Stadt Siegburg
Der Galgenberg
Der Seidenberger Hof und das Hofgericht
Windecker Vertrag
Wolsdorf und Troisdorf
Zollstätte zu Bergheim
Formalitäten bei der Huldigungsfeier neuer Äbte
Vikar Hulweck
Das Reichskammergericht
Türkensteuer
Preisverhältnisse
X. Siegburgs Blütezeit.
Reichsunmittelbarkeit der Abtei
Restauration der Pfarrkirche
Bevölkerungsziffer der Stadt
Namen der Häuser an den Hauptstraßen
Der Tierbungert
Reformatorische Bestrebungen im Erzstift Köln etc.
Das Zunftwesen in Siegburg
Städtische Verwaltung
Neubürger
Heiden
Einwohnerzahl, Gewerbe, Accise
Das Rathaus
Protestanten in Siegburg
Sittliche Zustände in der Stadt
Gebhard Truchses von Waldburg
Kampf auf dem Brückberg
Anschlag gegen den Abt
Die Rottmannschaften
Inventare
Preisverhältnisse
Mahlzeiten
Hans Sachs „Schöne Tischzucht“
Armenpflege
XI. Ringen und Kämpfen
Lehnwesen der Abtei
Schulwesen in der Stadt
Die Trivialschule
Sittliche Zustände
Eine Hinrichtung nach Karls peinlicher Halsgerichtsordnung
Acciseneinnahmen
Der Vogtseid
Klever Vertrag vom . Okt.
Früheres Verhältnis der kontrahierenden Teile
Güter-Erwerbungen und -Veräußerungen der Abtei
Tod Herzogs Johann Wilhelm und seine Folgen für Siegburg
Belagerung von Siegburg
Spanische Besatzung in der Stadt
Das Sendgericht
Das Schätzchen von Siegburg
XIV. Das freiadlige Stift und die Unterherrlichkeit Siegburg
Heinrich Worm
Besetzung Siegburgs durch die Franzosen
Billetierung der Juden
Eine erbauliche Scene in der Kirche
Hungersnot
Ein Kirchendiebstahl
Das Minoritenkloster
Erbhuldigung des Herzogs
Zunftverhältnisse
Revision der Abtei
Ein Geleitsbrief
Die Accise
Französische Einquartierung
Größe abteilicher Höfe der Umgegend
Kriegswirren
Konsumtionssteuer
Die Vogtei Siegburg
Beschränkung der Abtei in Gütererwerbungen
Zurückbringung der geflüchteten Reliquienschreine
Die erste Apotheke in der Stadt
Sporteln der Ärzte
XV. Die Franzosen in Siegburg und die drei letzten Äbte
Der 7-jährige Krieg
Siegburger Geiseln in Stade
Der Geiselprozeß
Die Muttergotteskapelle
Huldigung des Abtes
Abschaffung von kirchlichen Feiertagen
Die neue Poststraße
Brand der Abtei
Die Pfarrkirche
Das Läuten mit den Glocken und die Donnerwettersgärten
Revolution in Frankreich
Die Maas-Sambrearmee
Kämpfe um Siegburg herum
Einquartierungen
Säkularisation der Abtei
XVIII. Blätter und Blüten aus der Neuzeit
Gemeindeordnung
Schulverhältnisse
Verlegung des Landratsamt in die Stadt
Deutz-Gießener Eisenbahn und Postverkehr
Geschäftsleben in der Stadt
Die Gasanstalt
Restauration der Kirche
Die letzten Stadtthore
Die rechtsrheinische Eisenbahn
Die Königliche Geschoßfabrik
Wohlthätigkeitsvereine und Krankenhaus
Das Vereinsleben überhaupt
Das Kriegerdenkmal
Das Königl. Lehrerseminar und das Gymnasium
Das neue Krankenhospital
Die Herz-Jesukapelle
Das städtische Schlachthaus und die Wasserleitung
Freiwillige Feuerwehr
Katholische und Evangelische Kirche
Verlegung der Irrenheilanstalt
Strafanstalten
Das Königliche Feuerwerkslaboratorium
Die neuen Stadtteile
Der Friedhof
Schulwesen
Bevölkerung von Siegburg
Geschäftsverkehr
Post- und Eisenbahnstatistiken
Verkehrswege
Städtischer Haushaltungsetat
Anhang
Liste der Äbte
Abteiliche Güter
Liste der Vögte
Wort- und Sachregister mit Erklärung und Übersetzung der im Texte vorkommenden fremdsprachlichen Stellen und Ausdrücke sowie anderen Erläuterungen.