Das Jahr 1289 brachte wahrscheinlich der Abtei das Recht der freien Vogtswahl zurück, indem Erzbischof Siegfried von Köln während seiner zehnmonatlichen Gefangenschaft beim Grafen Adolf von Berg nach der Schlacht bei Worringen Gelegenheit gefunden haben dürfte, sich mit diesem über den fraglichen Gegenstand auseinanderzusetzen und auch den Papst zur Zurücknahme seiner Anordnungen zu bewegen.
Wenigstens stellt Adolfs Nachfolger, Wilhelm I., 1296 der Abtei ein Reversale aus, welches die leidigen Zustände als bereits abgethan annehmen läßt und jenen verpflichtet, nicht nur die Schirmvogtei wie seine auszuüben, sondern auch die Interessen des Klosters in jeder Weise wahrzunehmen.
Es stimmt dem Wortlaute nach mit allen späteren Reversalen überein, welche bei der Übernahme der Vogtei durch die Herrn von Berg gegeben wurden, und mag als Beleg dafür dienen, wie wenig Herzog Philipp Wilhelm seiner Zeit dazu berechtigt war, die Einverleibung von Siegburg in sein Land durch Gewaltthaten zu erzwingen.
„Allen, welche dieses Schriftstück lesen“, so lautet es in der Übersetzung, „thuen wir Wilhelm, Graf zu Berg, durch gegenwärtiges Schreiben und noch dazu durch öffentliches Bekenntnis kund, daß wir die Schutzvogtei über das Kloster Siegberg weder im ganzen noch zum Teile durch irgend welches Erbrecht, sondern lediglich durch die freie Wahl des Herrn Adolf, Abten des genannten Klosters, und aus reiner Gunst desselben besitzen, indem wir ehrlich und fest versprechen, von nun an vorgedachtes Kloster mit allen seinen Zugehörigkeiten, Propstein, Besitzungen, Sachen wie Personen, Gegenwärtiges und Zukünftiges, gegen jedweden Angreifer schützen und ihnen in allen Nöten und Gefahren mit thatkräftiger Hülfe beistehen zu wollen. Die Rechte und Privilegien der Kirche, ihre Freiheiten und Verträge, welcher Art sie auch sein mögen, werden wir unverbrüchlich achten und sie nicht vermindern, auch nicht zugeben, so viel an uns liegt, daß sie von einem andern vermindert und beeinträchtigt werden, im Gegenteil werden wir sie vermehren und vergößeren. Außerdem ist von uns vereinbart worden, daß beiderseits drei vernünftige und einsichtsvolle Männer gewählt werden sollen, die damit beauftragt und durch einen Eid verpflichtet sind, falls irgend eine Streitfrage zischen uns und dem vorgenannten Kloster auftauchen würde, sich auf Einladung dazu in der Stadt Siegburg zu versammeln, hier mit Weisheit und Vernunft den Gegenstand des Streites zu prüfen, ihn nach den Privilegien und Freiheiten der Kirche abzuwägen und scharfsinnig zu entscheiden. Tritt der Fall ein, daß einer von diesen Herrn stirbt, so soll innerhalb eines Monates ein anderer eben so geeigneter an seine Stelle gesetzt werden. Können sie in irgend einem Falle nicht übereinkommen, und steht es durch uns oder die Geschworenen fest, daß sie vernünftiger Weise nicht zur Entscheidung gelangen können, so wollen wir, Wilhelm, vorgenannter Graf, dieserhalb rücksichtlich des Abtes und seines Konvents gehalten sein, mit fünf unserer ehrenhaftesten Ritter in der Stadt Siegburg zu erscheinen und hier solange zu verweilen, bis jeder Zweifel auf die oben bemerkte Art und Weise vollständig beseitigt ist. Zu allem diesem und jedem Einzelnen verpflichten wir uns, vorgenannter Graf Wilhelm, ehrlich, fest und treu und schließen jeden Betrug und jede Arglist aus. Zur Bekräftigung und zum öffentlichen Zeugnis des Gesagten haben wir diesen Brief mit unserem Insiegel versehen. Geschehen in Gegenwart der Unterzeichneten: Heinrich, genannt von Hurst, Fahnenträger, Gottschalk von Kalghen, Henneken von Bensberg, Dietrich von Ellner, Adolf von Winkhovel, Heinrich von Fereroris und mehrerer anderer unserer Räte und Edeln. Im Jahre des Herrn 1296, auf Grünendonnerstag.“
Abt Abolf sollte im Februar 1298 das Zeitliche segnen, nachdem er vorher noch die Klosterfrauen zu Grefrath in die Kongregation der Abtei aufgenommen und von einem Edelherrn Ernst von Virneburg dessen Hof zu Menden käuflich erworben hatte. Sein Nachfolger wurde Nikolaus von Lahnstein, der erste Adlige, welcher in Siegburg zu der Abtswürde emporgehoben wurde.
Dieser war ein Landsmann des damals noch regierenden Kaisers Adolf von Nassau und von den Ordensleuten vielleicht eben deshalb in den Vordergrund gerückt worden, um an ihm einen angesehenen Vertreter ihrer Interessen nach obenhin zu gewinnen. Die Achtung seiner Mitbrüder wußte er sich durch große Strenge und väterliche Fürsorge zu verdienen, die Liebe seiner Unterthanen aber durch zwei Handlungen, die mehr als alles andere von seinem Wohlwollen und seiner edlen Gutmütigleit beredtes Zeugnis ablegen können. Er schenkte dem Hospitale an dem Berge einen Hof bei Wahlscheid namens Weg und suchte den Grafen Wilhelm durch Bitten zu bestürmen, daß dieser den Bürgern wie den Mönchen volle Abgabenfreiheit von Zoll und Wegegeldern zwischen Siegburg und dem Rheine zukommen ließ, was dessen Nachfolger später nachzuahmen pflegten. In demselben Jahre 1309 erwarb er auch von einer kinderlosen Witwe deren Mühle an der Sülz und gieng er mit dem Herrn von Heinsberg einen Vergleich ein, demzufolge ihm die Propstei Oberpleis jährlich einen Ohm Wein und einen Denar Abgaben von ihrem Hofe zu Niederdollendorf entrichten sollte. Das wäre alles, was die Urkunden von diesem Herrn noch zu berichten wissen.
Dies ist ein Textausschnitt aus dem Buch “Das Siegthal” von Ernst Weyden, zuerst erschienen im Jahr 1865. Das Buch ist nun wieder erhältlich, die Bilder sind Beispielbilder und i. d. R. nicht dem Buch entnommen.
Kapitelübersicht
Über das Buch
Buch zur Siegburger Geschichte von 1897 wieder erhältlich
Rezension zu Siegburgs Vergangenheit und Gegenwart
Weitere Rezension zu Siegburgs Vergangenheit und Gegenwart
Kapitel des Buches
Die mit Links hinterlegten Textteile sind bereits online verfügbar. Die anderen Teile werden nach und nach eingestellt.
I. Siegburgs älteste Verhältnisse – Wahrheit und Vermutung.
Der Siegberg und seine Bewohner
Römerstraßen & Altdeutsche Gräber
Ansiedlungen und Ständeunterschiede
Rechte und Gerichtswesen
Der Auelgau und die erste christliche Gemeinde
Die Siegburg
Pfalzgraf Heinrich und sein Streit mit Anno, Erzbischof von Köln
II. Die Gründung der Abtei
Die Gründung der Abtei, ihr Zweck, die Abteikirche & die Ordensregeln
Insassen und Ausstattung des Klosters mit Gütern
Der Burgbann, die Rechtspflege und der Vogt
Annos Tod, sei Begräbnis und seine letzte Ruhestätte
III. Die Stadt Siegburg
Die Stadt Siegburg – Markt-, Zoll & Münzrecht sowie ihre Befestigung
Ihre Verwaltung und Gerichtsbarkeit
Älteste Zustände in ihr
Lage und Beschaffenheit
IV. Entwickelung der Abtei
Entwickelung der Abtei und die Fixierung ihrer Besitzungen
Die Sage von Erpho
Klösterliches Leben und Treiben
Annos Lebensbeschreibung und das Annolied
Blutbad in Köln, geflüchtete Juden in Siegburg
Die Decanie im Auelgaue
Vornehme Begräbnisse auf der Abtei
Vermächtnis Heinrichs IV. und Heinrichs V.
Die Propsteien Oberpleis, Hirzenach, Remagen, Zülpich
Bedeutende Ordensmänner
Abt Kunos Vermächtnis und Anordnungen
Streit mit dem Kassiusstift und die Propstei Millen
Reinalds von Dassel Vorschrift hinsichtlich der abteilichen Güter
V. Städtisches
Städtisches: Marktprivilegien, Christihimmelfahrtsmarkt & Servatiustag
Städtisches Leben und Treiben
Leprosenhäuser – Krankenhäuser, die Kirche und die Einführung des St. Nikolausfestes
Die Märtensfeuer
Das Holzfahrtsfest und der Maibaum
VI. Kannosisation Annos und Siegburgs Kunstschätze
Der Streit um das Burgterrain von Blankenberg, das Burgrecht, der Schutzbrief sowie eine Wasserprobe
Annos Heiligsprechung
Annos Charakterisierung, die Abteikirche
Reliquien und Reliquienschreine
Älteste Siegel der Abtei, der Stadt und des Gerichtes etc., die Einverleibung der Kirchen Oberpleis und Zülpich
VII. Verhängnisvolle Zeiten
Ausplünderung Siegburgs, Engelbert von Köln und Heinrich von Limburg, Übertragung der Schutzvogtei an die Kölner Kirche
Heinrichs Bemühungen, dieselbe (die Schutzvogtei) für das Haus Berg wiederzuerlangen
Das Faustrecht, die Zustände auf der Abtei sowie die Visitation des Klosters
König Richard und Kölner Flüchtlinge in Siegburg
Vertrag , Burg & Pfarrkirche
Privilegium der Kölner Marktbesucher in Siegburg
Consultationsrecht der Wipperfürther (und ebenso auch der Lenneper in Siegburg)
Eine Judenverfolgung
Wortlaut der Vogtsreversalien
Ökonomische Verhältnisse der Abtei und die Einverleibung der Pfarrkirchen
Die Topfbäcker, das Waldschuldheißenamt
Siegburger Juden
VIII. Dynasten im Abtsgewande.
Verhältnis der Abtei zur Kölner Kirche, zum Reiche und dem Hause Berg
Schutz- und Trutzbündnis zwischen der Abtei und Stadt Siegburg
Verhältnis der Abtei zum römischen Stuhle
Dienstmannenverhältnis
Siegburg Enklave von Berg, Löwenburg und Blankenberg
Berg zum Herzogtum erhoben
Verhältnis zwischen Deutz und Siegburg
Propstei Aulgasse
IX. Das aufstrebende Bürgertum
Pelegrin von Drachenfels
Überrumpelung Siegburgs durch Adolf von Berg und Brand der Stadt
Schlichtung der Streitigkeiten zwischen Adolf und Pelegrin
Der güldene Opferpfennig der Juden
Frühmessenstiftung
Agger- und Siegbrücke
Verwendung der Accise
Das Mühlenthor
Verkauf der Burg an das Erzstift Köln und Rückgängigkeit des Verkaufs
Die ersten Zunftbriefe
Das Schöffenessen
Ausübung des Münzrechtes der Abtei
Vorladungen vor die Feme
Das Recht des Antastes in der Vogtei und Stadt Siegburg
Der Galgenberg
Der Seidenberger Hof und das Hofgericht
Windecker Vertrag
Wolsdorf und Troisdorf
Zollstätte zu Bergheim
Formalitäten bei der Huldigungsfeier neuer Äbte
Vikar Hulweck
Das Reichskammergericht
Türkensteuer
Preisverhältnisse
X. Siegburgs Blütezeit.
Reichsunmittelbarkeit der Abtei
Restauration der Pfarrkirche
Bevölkerungsziffer der Stadt
Namen der Häuser an den Hauptstraßen
Der Tierbungert
Reformatorische Bestrebungen im Erzstift Köln etc.
Das Zunftwesen in Siegburg
Städtische Verwaltung
Neubürger
Heiden
Einwohnerzahl, Gewerbe, Accise
Das Rathaus
Protestanten in Siegburg
Sittliche Zustände in der Stadt
Gebhard Truchses von Waldburg
Kampf auf dem Brückberg
Anschlag gegen den Abt
Die Rottmannschaften
Inventare
Preisverhältnisse
Mahlzeiten
Hans Sachs „Schöne Tischzucht“
Armenpflege
XI. Ringen und Kämpfen
Lehnwesen der Abtei
Schulwesen in der Stadt
Die Trivialschule
Sittliche Zustände
Eine Hinrichtung nach Karls peinlicher Halsgerichtsordnung
Acciseneinnahmen
Der Vogtseid
Klever Vertrag vom . Okt.
Früheres Verhältnis der kontrahierenden Teile
Güter-Erwerbungen und -Veräußerungen der Abtei
Tod Herzogs Johann Wilhelm und seine Folgen für Siegburg
Belagerung von Siegburg
Spanische Besatzung in der Stadt
Das Sendgericht
Das Schätzchen von Siegburg
XIV. Das freiadlige Stift und die Unterherrlichkeit Siegburg
Heinrich Worm
Besetzung Siegburgs durch die Franzosen
Billetierung der Juden
Eine erbauliche Scene in der Kirche
Hungersnot
Ein Kirchendiebstahl
Das Minoritenkloster
Erbhuldigung des Herzogs
Zunftverhältnisse
Revision der Abtei
Ein Geleitsbrief
Die Accise
Französische Einquartierung
Größe abteilicher Höfe der Umgegend
Kriegswirren
Konsumtionssteuer
Die Vogtei Siegburg
Beschränkung der Abtei in Gütererwerbungen
Zurückbringung der geflüchteten Reliquienschreine
Die erste Apotheke in der Stadt
Sporteln der Ärzte
XV. Die Franzosen in Siegburg und die drei letzten Äbte
Der 7-jährige Krieg
Siegburger Geiseln in Stade
Der Geiselprozeß
Die Muttergotteskapelle
Huldigung des Abtes
Abschaffung von kirchlichen Feiertagen
Die neue Poststraße
Brand der Abtei
Die Pfarrkirche
Das Läuten mit den Glocken und die Donnerwettersgärten
Revolution in Frankreich
Die Maas-Sambrearmee
Kämpfe um Siegburg herum
Einquartierungen
Säkularisation der Abtei
XVIII. Blätter und Blüten aus der Neuzeit
Gemeindeordnung
Schulverhältnisse
Verlegung des Landratsamt in die Stadt
Deutz-Gießener Eisenbahn und Postverkehr
Geschäftsleben in der Stadt
Die Gasanstalt
Restauration der Kirche
Die letzten Stadtthore
Die rechtsrheinische Eisenbahn
Die Königliche Geschoßfabrik
Wohlthätigkeitsvereine und Krankenhaus
Das Vereinsleben überhaupt
Das Kriegerdenkmal
Das Königl. Lehrerseminar und das Gymnasium
Das neue Krankenhospital
Die Herz-Jesukapelle
Das städtische Schlachthaus und die Wasserleitung
Freiwillige Feuerwehr
Katholische und Evangelische Kirche
Verlegung der Irrenheilanstalt
Strafanstalten
Das Königliche Feuerwerkslaboratorium
Die neuen Stadtteile
Der Friedhof
Schulwesen
Bevölkerung von Siegburg
Geschäftsverkehr
Post- und Eisenbahnstatistiken
Verkehrswege
Städtischer Haushaltungsetat
Anhang
Liste der Äbte
Abteiliche Güter
Liste der Vögte
Wort- und Sachregister mit Erklärung und Übersetzung der im Texte vorkommenden fremdsprachlichen Stellen und Ausdrücke sowie anderen Erläuterungen.