Abt Gerhard zeichnete sich nicht nur durch große Frömmigkeit und ein entschiedenes Vorgehen zur Wahrung der abteilichen Rechte aus, sondern wußte auch das Urteil des Bischofs Arnold von Wied zu rechtfertigen, welches dieser über den Feuereifer der Siegburger Mönche in der klösterlichen Zucht und Thätigkeit (1152) gefällt hatte (Lac. I, 374.).
Kaiser Friedrich bekundete ihnen seine allerhöchste Zufriedenheit durch die Anerkennung ihrer hergebrachten Rechte und Privilegien und setzte unnachsichtliche Strafe darauf, so oft jemand sie in irgend einer Weise antasten oder mit frecher Absicht schädigen würde: 60 Schillinge für jeden Frevler innerhalb des Burgbanns und 300 Pfund Gold für jeden Herzog, Grafen, Markgrafen etc., für geistliche und weltliche Personen.
Der Streit um das Burgterrain von Blankenberg
Trotzdem wagten es die Grafen Heinrich und Eberhard von Sayn, auf dem abteilichen Terrain zu Blankenberg eine Burg anzulegen und sich gewaltsam in dem Besitze desselben zu erhalten. Engelbert von Berg erwies sich als schwacher Schirmherr, und der Kaiser war allzu viel in Italien beschäftigt, als daß er die Rechtsfrage hätte prüfen und demgemäß auch entscheiden können. In dieser Not wandte sich der Abt an Papst Lucius III. zu Rom, welcher den angefleheten Schutz annahm und die beiden Grafen mit dem Kirchenbann bedrohte. Allein diese kümmerten sich wenig darum und bauten unausgesetzt weiter.
Das Burgrecht der Abtei
Schließlich legte sich der Erzbischof Philipp von Heinsberg ins Mittel und brachte es mit Unterstützung Engelberts und anderer Herren zu einem Vergleiche, der dem unliebsamen Streite ein Ende machte. Abt und Konvent verzichteten auf ihre Ansprüche an das Terrain und erhielten dafür unbeschadet der Ansprüche Engelberts und seiner Nachfolger den ganzen Lauf der Sieg von der alten Brücke bei Wolsdorf aufwärts bis zum Einflusse der Rotenbach (also ein zweite Rotenbach, welche in die Sieg mündete) in dieselbe, ebenso den Mühlengraben nebst der Fischerei in diesen Gewässern zugesichert, so jedoch, daß den beiden Grafen, ihren Gemahlinnen und den Anwohnern des Flusses gestattet sein sollte, für sich selbst unter Umständen einen Fisch zu fangen. Das Flußbett sollte in dem alten Laufe erhalten und Uferbeschädigung durch Hochwasser auf gemeinsame Kosten ausgebessert werden.
Für die Höfe zu Menden und zu Kümpel wurden die Dienstleistungen und Abgaben festgesetzt und das Stadtrecht der Gemeinde Siegburg ohne Widerspruch anerkannt.
Kein Bürger sollte vor das Gericht der Grafen gestellt werden dürfen, aber jeder Provinziale oder Unterthan der beiden Herrn in Siegburg sein Recht suchen und sich mit dem Urteile der Schöffen zufrieden geben; wolle er appellieren, so könne dieses nach außen geschehen, und dann sollte jedes Gericht die Befugnis haben, ein rechtskräftiges Urteil zu fällen. Bei Körperverletzung oder Tötung eines Ministerialen oder sonstigen Unterthanen der Grafen durch Leute der Abtei sollten die Grafen nicht für sich allein die Bestrafung vornehmen, sondern in Übereinstimmung mit dem Abte und nach vorhergehender Aufforderung zur Schadloshaltung. Dasselbe sollte im umgekehrten Falle geschehen.
Würden Heiraten unter beiderseitigen Unterthanen geschlossen, so sollten die Kinder aus den Ehen geteilt werden und zwar so, daß das erste, dritte, fünfte, wenn die Mutter zur Familie der Abtei gehöre, dieser zufalle, das zweite, vierte, sechste u.s.w. den Grafen, jedoch nur die Knaben, nicht auch die Mädchen; im umgekehrten Falle sollte das Gegenteil stattfinden. Bräche Krieg zwischen den Sayner Herren und Engelbert aus, so sollten die Dienstleute und Güter des Abtes von Seiten der Grafen Ruhe und Frieden haben, mit Ausnahme, wenn sie die Waffen ergriffen und gegen die Herren aufständig würden; wenn sie zugefügte Schädigungen vergälten, so werde dadurch der Vertrag nicht gebrochen.
Innerhalb des Burgbannes und des Umfanges des Pleiser Hofes höre die gräfliche Gerichtsbarkeit auf; Friedensstörung, Körperverletzung, Zweikämpfe, Bestrafung von Dieben durch Gefangensetzung oder Aufhängen sei dem Abte und dem von ihm dazu Beauftragten vorbehalten, und der Schirmvogt nur im Notfalle herbeizuziehen.
Die Schöffen hätten je nachdem das Hofrecht oder das allgemeine deutsche Recht in Anwendung zu bringen und kein anderes.
Verhandelt und urkundlich festgestellt zu Neuß am 24. Dezember 1182.
Päpstlicher Schutzbrief
Der Schutzbrief des Papstes vom 11. November 1181 führt folgende Güter auf, welche die Abtei damals besaß: die beiden Agger, Hennef, Ober- und Niederpleis, Bergheim a. d. Sieg, Geistingen, Menden, Sieglar, Olm, Strälen, Weißkirchen, Hirzenach, Remagen, Tüddern, Zülpich, Millen, Fürstenberg nebst den dazu gehörigen ganzen partiellen Kirchen und Propsteien, Stockem, Beleke (in der Nähe von Arnsberg), Eschmar, Güls, Lay, Bendorf, Muffendorf, Flatten, Pier, Euenheim, Kirchscheid, Sülz, Meindorf, Dondorf, Mülldorf, Irmenroth (im Kirchspiel Asbach), Hofstäde (bei Datteln), Anröchte (im Kreise Lausberg· und Hof (im Kreise Altena), Quintinach (jetzt Carbach), Edelkirchen (ebenfalls im Kreise Altena), Widdau (im Lohmarer Walde), Sievenich, Entzen, Niester (bei Altenkirchen), Bracht, Overath, Winkenbach, Albach, Heisterschoß, Braschoß, Unkelbach, Braubach, Kriesdorf, Waldorf, Geislar, Füssenich, Kessenich, Venhausen, Spiel, Wolperath, Küdinghoven, Dahlhausen, Reinshagen, Ülpenich, Gymnich, endlich Geseke (bei Paderborn).
Die Verwaltung derselben kostete einen großen Apparat, und nicht wundern darf es, wenn trotz der größten Umsicht der Äbte vielleicht manches ins Schwanken geriet und dieses oder jenes dem Kloster entzogen wurde. Die Bauern insbesondere hatten einen harten Kopf und vergaßen leicht ihre Befugnisse.
Eine Wasserprobe
In Hemerde z. B. hatten sie 1152 die Gerechtsame der Abtei an dem dortigen Walde einfach ignoriert und ihn gänzlich abgetrieben. Die Schadloshaltung der Mönche schien ihnen lächerlich, man solle erst den Beweis der Zugehörigkeit bringen, erklärten sie. Erzbischof Arnold, der sich zufällig in Soest aufhielt, bekundete nun das Rechtsverhältnis der Abtei und forderte die Bauern auf, das Gegenteil zu beweisen. Man willigte in eine Wasserprobe ein, die aber einen ungünstigen Verlauf für die Einfältigen nahm. Bei ihr wurden nämlich die Angeklagten in einen Teich oder Fluß geworfen, und wenn sie an der Oberfläche blieben, als schuldig betrachtet, wenn sie untersanken, freigesprochen. Bei der Heißwasserprobe mußte der Betreffende mit bloßen Händen einen Gegenstand vom Boden des Gefäßes heben, ohne sich zu verbrennen. Zu solchen Experimenten mochte sich nun wohl nicht jeder mehr bereit finden, wenn er vor Gericht etwas zu thun hatte, aber sie kamen immerhin noch vor. Ein Zwang zu Ordalen scheint nicht mehr vorgelegen zu haben.
Dies ist ein Ausschnitt aus Rudolfs Heitkamps Buch „Siegburgs Vergangenheit und Gegenwart“ von 1897. Mehr Infos dazu hier.
Kapitelübersicht
Über das Buch
Buch zur Siegburger Geschichte von 1897 wieder erhältlich
Rezension zu Siegburgs Vergangenheit und Gegenwart
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Kapitel des Buches
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I. Siegburgs älteste Verhältnisse – Wahrheit und Vermutung.
Der Siegberg und seine Bewohner
Römerstraßen & Altdeutsche Gräber
Ansiedlungen und Ständeunterschiede
Rechte und Gerichtswesen
Der Auelgau und die erste christliche Gemeinde
Die Siegburg
Pfalzgraf Heinrich und sein Streit mit Anno, Erzbischof von Köln
II. Die Gründung der Abtei
Die Gründung der Abtei, ihr Zweck, die Abteikirche & die Ordensregeln
Insassen und Ausstattung des Klosters mit Gütern
Der Burgbann, die Rechtspflege und der Vogt
Annos Tod, sei Begräbnis und seine letzte Ruhestätte
III. Die Stadt Siegburg
Die Stadt Siegburg – Markt-, Zoll & Münzrecht sowie ihre Befestigung
Ihre Verwaltung und Gerichtsbarkeit
Älteste Zustände in ihr
Lage und Beschaffenheit
IV. Entwickelung der Abtei
Entwickelung der Abtei und die Fixierung ihrer Besitzungen
Die Sage von Erpho
Klösterliches Leben und Treiben
Annos Lebensbeschreibung und das Annolied
Blutbad in Köln, geflüchtete Juden in Siegburg
Die Decanie im Auelgaue
Vornehme Begräbnisse auf der Abtei
Vermächtnis Heinrichs IV. und Heinrichs V.
Die Propsteien Oberpleis, Hirzenach, Remagen, Zülpich
Bedeutende Ordensmänner
Abt Kunos Vermächtnis und Anordnungen
Streit mit dem Kassiusstift und die Propstei Millen
Reinalds von Dassel Vorschrift hinsichtlich der abteilichen Güter
V. Städtisches
Städtisches: Marktprivilegien, Christihimmelfahrtsmarkt & Servatiustag
Städtisches Leben und Treiben
Leprosenhäuser – Krankenhäuser, die Kirche und die Einführung des St. Nikolausfestes
Die Märtensfeuer
Das Holzfahrtsfest und der Maibaum
VI. Kannosisation Annos und Siegburgs Kunstschätze
Der Streit um das Burgterrain von Blankenberg, das Burgrecht, der Schutzbrief sowie eine Wasserprobe
Annos Heiligsprechung
Annos Charakterisierung, die Abteikirche
Reliquien und Reliquienschreine
Älteste Siegel der Abtei, der Stadt und des Gerichtes etc., die Einverleibung der Kirchen Oberpleis und Zülpich
VII. Verhängnisvolle Zeiten
Ausplünderung Siegburgs, Engelbert von Köln und Heinrich von Limburg, Übertragung der Schutzvogtei an die Kölner Kirche
Heinrichs Bemühungen, dieselbe (die Schutzvogtei) für das Haus Berg wiederzuerlangen
Das Faustrecht, die Zustände auf der Abtei sowie die Visitation des Klosters
König Richard und Kölner Flüchtlinge in Siegburg
Vertrag , Burg & Pfarrkirche
Privilegium der Kölner Marktbesucher in Siegburg
Consultationsrecht der Wipperfürther (und ebenso auch der Lenneper in Siegburg)
Eine Judenverfolgung
Wortlaut der Vogtsreversalien
Ökonomische Verhältnisse der Abtei und die Einverleibung der Pfarrkirchen
Die Topfbäcker, das Waldschuldheißenamt
Siegburger Juden
VIII. Dynasten im Abtsgewande.
Verhältnis der Abtei zur Kölner Kirche, zum Reiche und dem Hause Berg
Schutz- und Trutzbündnis zwischen der Abtei und Stadt Siegburg
Verhältnis der Abtei zum römischen Stuhle
Dienstmannenverhältnis
Siegburg Enklave von Berg, Löwenburg und Blankenberg
Berg zum Herzogtum erhoben
Verhältnis zwischen Deutz und Siegburg
Propstei Aulgasse
IX. Das aufstrebende Bürgertum
Pelegrin von Drachenfels
Überrumpelung Siegburgs durch Adolf von Berg und Brand der Stadt
Schlichtung der Streitigkeiten zwischen Adolf und Pelegrin
Der güldene Opferpfennig der Juden
Frühmessenstiftung
Agger- und Siegbrücke
Verwendung der Accise
Das Mühlenthor
Verkauf der Burg an das Erzstift Köln und Rückgängigkeit des Verkaufs
Die ersten Zunftbriefe
Das Schöffenessen
Ausübung des Münzrechtes der Abtei
Vorladungen vor die Feme
Das Recht des Antastes in der Vogtei und Stadt Siegburg
Der Galgenberg
Der Seidenberger Hof und das Hofgericht
Windecker Vertrag
Wolsdorf und Troisdorf
Zollstätte zu Bergheim
Formalitäten bei der Huldigungsfeier neuer Äbte
Vikar Hulweck
Das Reichskammergericht
Türkensteuer
Preisverhältnisse
X. Siegburgs Blütezeit.
Reichsunmittelbarkeit der Abtei
Restauration der Pfarrkirche
Bevölkerungsziffer der Stadt
Namen der Häuser an den Hauptstraßen
Der Tierbungert
Reformatorische Bestrebungen im Erzstift Köln etc.
Das Zunftwesen in Siegburg
Städtische Verwaltung
Neubürger
Heiden
Einwohnerzahl, Gewerbe, Accise
Das Rathaus
Protestanten in Siegburg
Sittliche Zustände in der Stadt
Gebhard Truchses von Waldburg
Kampf auf dem Brückberg
Anschlag gegen den Abt
Die Rottmannschaften
Inventare
Preisverhältnisse
Mahlzeiten
Hans Sachs „Schöne Tischzucht“
Armenpflege
XI. Ringen und Kämpfen
Lehnwesen der Abtei
Schulwesen in der Stadt
Die Trivialschule
Sittliche Zustände
Eine Hinrichtung nach Karls peinlicher Halsgerichtsordnung
Acciseneinnahmen
Der Vogtseid
Klever Vertrag vom . Okt.
Früheres Verhältnis der kontrahierenden Teile
Güter-Erwerbungen und -Veräußerungen der Abtei
Tod Herzogs Johann Wilhelm und seine Folgen für Siegburg
Belagerung von Siegburg
Spanische Besatzung in der Stadt
Das Sendgericht
Das Schätzchen von Siegburg
XIV. Das freiadlige Stift und die Unterherrlichkeit Siegburg
Heinrich Worm
Besetzung Siegburgs durch die Franzosen
Billetierung der Juden
Eine erbauliche Scene in der Kirche
Hungersnot
Ein Kirchendiebstahl
Das Minoritenkloster
Erbhuldigung des Herzogs
Zunftverhältnisse
Revision der Abtei
Ein Geleitsbrief
Die Accise
Französische Einquartierung
Größe abteilicher Höfe der Umgegend
Kriegswirren
Konsumtionssteuer
Die Vogtei Siegburg
Beschränkung der Abtei in Gütererwerbungen
Zurückbringung der geflüchteten Reliquienschreine
Die erste Apotheke in der Stadt
Sporteln der Ärzte
XV. Die Franzosen in Siegburg und die drei letzten Äbte
Der 7-jährige Krieg
Siegburger Geiseln in Stade
Der Geiselprozeß
Die Muttergotteskapelle
Huldigung des Abtes
Abschaffung von kirchlichen Feiertagen
Die neue Poststraße
Brand der Abtei
Die Pfarrkirche
Das Läuten mit den Glocken und die Donnerwettersgärten
Revolution in Frankreich
Die Maas-Sambrearmee
Kämpfe um Siegburg herum
Einquartierungen
Säkularisation der Abtei
XVIII. Blätter und Blüten aus der Neuzeit
Gemeindeordnung
Schulverhältnisse
Verlegung des Landratsamt in die Stadt
Deutz-Gießener Eisenbahn und Postverkehr
Geschäftsleben in der Stadt
Die Gasanstalt
Restauration der Kirche
Die letzten Stadtthore
Die rechtsrheinische Eisenbahn
Die Königliche Geschoßfabrik
Wohlthätigkeitsvereine und Krankenhaus
Das Vereinsleben überhaupt
Das Kriegerdenkmal
Das Königl. Lehrerseminar und das Gymnasium
Das neue Krankenhospital
Die Herz-Jesukapelle
Das städtische Schlachthaus und die Wasserleitung
Freiwillige Feuerwehr
Katholische und Evangelische Kirche
Verlegung der Irrenheilanstalt
Strafanstalten
Das Königliche Feuerwerkslaboratorium
Die neuen Stadtteile
Der Friedhof
Schulwesen
Bevölkerung von Siegburg
Geschäftsverkehr
Post- und Eisenbahnstatistiken
Verkehrswege
Städtischer Haushaltungsetat
Anhang
Liste der Äbte
Abteiliche Güter
Liste der Vögte
Wort- und Sachregister mit Erklärung und Übersetzung der im Texte vorkommenden fremdsprachlichen Stellen und Ausdrücke sowie anderen Erläuterungen.