Siegen

Geschichtliches.

Der alte, tapfre deutsche kriegslustige Stamm der Sigambrer (Sigambri, Sicambri), hatte seine Sitze in dem Gau der Sieg; der Name bedeutet nichts anderes, als Sieganwohner. Ob aber die jetzige Stadt Siegen am Siegberge, zu der übrigens jetzt noch die Vorörter: Sieghütte, unter’m Hain und die Hammerhütte gehören, das alte „Segodonum“ des Ptolemäus, der Hauptort der Sigambrer und der später sie ersetzenden Tenchterer gewesen ist, lasse ich dahingestellt sein. In den oben erwähnten Bewohnern der vier Dörfer des sogenannten Hickengrundes will man die Nachkommen der Tenchterer noch ungemischt gefunden haben.

Siegen (Sigena, Sige), die Hauptstadt des vormaligen Fürstenthums Siegen, welches die jetzigen Bürgermeistereien Siegen, Weidenau, Wilnsdorf, Netphen, Hilchenbach, Ferndorf umfasste, muss im zehnten Jahrhunderte schon bestanden haben, doch wohl nur eine Villa, wenn es wahr ist, dass der Graf Meingosus (Megingoz, Manguosus, Megingaudus), dessen Besitzungen sich von Deutz bis über Siegen hinaus erstreckten, schon um 9S0 die Kirche des h. Martin in Siegen mit Gütern dotirte, vielleicht gründete.

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Das Siegerland gehörte zu dem Oberlahngau, das zu Ende des elften Jahrhunderts unter den Grafen von Laurenburg stand, die ihren Namen von der an der Lahn liegenden Burg Laurenburg herleiteten, aber bereits 1160 als Grafen von Nassau auftreten, so genannt nach der wahrscheinlich um 1101 an der Lahn erbauten Burg Nassau.

[Ich verweise, was die Geschichte des Landes angeht, auf Dr. F. W. Th. Schliephake, Geschichte von Nassau von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart, auf der Grundlage urkundlicher Quellenforschung. Wiesbaden 1864. Umfassende Gründliohkeit und Klarheit zeichnen dies Werk aus.]

Finden wir auch bereits 1079 – 1089 urkundlich Sigena erwähnt, da um diese Zeit zwei Brüder, Heribert und Gerung, der Abtei Deutz zu ihrem Seelenheil in Sigena mehrere Mansen schenken, so ergibt sich daraus keineswegs, dass Siegen schon eine Stadt war. Historisch ist die Zeit der Gründung der Stadt noch nicht ermittelt. Es bestand die Stadt Siegen aber am Anfange des 13. Jahrhunderts.

Wahrscheinlich wurde Siegen 1220 in dem Kampfe zwischen den Grafen von Nassau und von Sayn, von Letzterem genommen und eingeäschert, denn im Jahre 1224 wird Siegen als eine wieder neuerbaute Stadt (quod opidi Sige de novo constructi) erwähnt, welche der Graf von Nassau, Heinrich der Reiche, dem Erzbischof Engelbert I. von Köln zum halben Miteigenthum in Bezug auf Münze, Zoll und alle andern Rechte überträgt; jedoch mit der Bestimmung, dass ohne beiderseitige Bewilligung sich daselbst kein Kölner Bürger oder Schlossvogt niederlassen durfte.

Ein Schloss bestand also bereits um diese Zeit, wie denn überhaupt in den meisten Städten Deutschlands, die ursprünglich keine Niederlassungen der Römer, ein Burgbau den Kern der Stadt bildete, so in den bischöflichen die Kathedrale und der bischöfliche Palast. Um die Burg oder den Palast siedelten sich zuerst die Ministerialen und Muntmannen an, um Schutz und Schirm zu finden, und gaben so den Städten ihren Ursprung. Es wird in demselben Jahre das Kaufhaus erbaut.

Heinrich der Reiche, der um 1254 starb, hatte die Grafschaft Nassau unter seine Söhne Wallram und Otto getheilt, und so kam 1255 an die Wallramische Linie: Weilburg, Wiesbaden und Idstein,an die Ottonische: Siegen, Dillenburg, Herborn, Beilstein und Ems.

Die Erzbischöfe von Köln übten um diese Zeit noch das Münzrecht in Siegen, in Attendorn und Weilburg, was sich aus dem 1258 erlassenen Schiedsspruche zwischen dem Erzbischof Conrad von Hochstaden und der Stadt Köln ergibt, durch welchen die Rechte des Erzbischofs festgestellt werden.

Mit dem Grafen Otto war der herrschsüchtige Erzbischof eben wegen des Besitzes von Siegen in harte Fehde gerathen. Diese Fehde wurde jedoch 1259 am 1. Oktober von Conrad dahin geschlichtet, dass Stadt und Schloss Siegen gemeinschaftlich bleiben (quod oppidum et castrum Sygen habemus nos et ipse comes iu communi dominio indivisim), und die dem Grafen Otto gestellte Lehenrente, weil dieser den Erzbischof in seiner Fehde gegen Limburg unterstützt hatte, nicht mehr bezahlt werden sollte.

Schon 1276 entstand zwischen dem Erzbischof Siegfried von Köln und der Stadt Siegen wieder ein Span, weil Jener der Stadt ihre Gerechtsamen nicht bestätigen wollte, da sich die Bürger geweigert hatten, in eine Erhöhung der Bede zu willigen. Erst, als sie sich hierzu verstanden, erhielt die Stadt die Bestätigung ihrer Privilegien.

Graf Heinrich I. belieh die Stadt am 19. Okt. 1303 förmlich mit dem Soester Stadtrechte. Die Urkunde bezeichnet die Stadt auch als eine neuerbaute. Der 1303 wegen des Ungelts, der Accise zwischen dem Grafen und den Bürgern ausgebrochene Streit wurde dahin vermittelt, dass die Bürgerschaft die Einkünfte des Kaufhauses und des Ungelts bezog, aber die doppelte Bede dem Grafen allein entrichten musste, da das Erzstift Köln seine Hälfte damals an den Grafen von Nassau verpfändet hatte.

Fest bestand die Bürgerschaft auf allen ihren Rechten ihren Regenten gegenüber, und es erhoben sich natürlich um so grössere und manchfaltigere Verwickelungen, weil die Stadt bis dahin zwei Herren hatte, den Grafen von Nassau und den Erzbischof von Köln. Die Bürgerschaft gerieth 1305 in Zwist mit dem Grafen Heinrich wegen ihrer Ansprüche an das Amt vor dem Hayn oder das Hayngericht, das seinen eigenen Schultheiss und Schöffen hatte und über Marienborn, Laan, Burbach, Müsnershütte, Eisenfeld, Rödgen und Willersdorf Recht sprach. Sie musste aber ihr Drittel abtreten; doch verlieh ihr Graf Heinrich das Recht, dass über Verbrechen und Vergehen, die innerhalb der Stadtmauern begangen wurden, nicht ausserhalb der Thore „cum gladio evaginato“ gerichtet werden durfte.

Noch im Jahre 1343 einigten sich der Erzbischof Walram von Köln und der Graf Heinrich von Nassau nebst seinem Sohne Otto, da zwischen ihnen wegen des Besitzthumes der Hälfte der Stadt neue Streitigkeiten entstanden waren, über die gegenseitigen Rechte. Nachdem der Erzbischof die in der Stadt und im Lande Siegen an die Grafen verpfändeten kölnischen Leute eingelöst hatte, wurde bestimmt, dass das Erzstift die Hälfte der Burg „dat gelegen is zu der Sygen wart,von der eynre portzen bis an dy ander, ind dat ander halfscheyt von der burch, dat gelegen is zu der Weystere wart, sal bliven uns greven van Nassowe ind unsen erven.“ Der Thurm, der Brunner, beide Thore und der freie Platz, der mitten in der Burg von des Erzbischofs Haus bis an den Thurm gelegen, sollten gemeinschaftlich bleiben, jedoch der Thorbau stadtwärts dem Erzbischofe, und der Thorbau haynwärts den Grafen von Nassau. Sollte der Eine oder der Andere in der Burg bauen wollen, so durfte dies nicht zur Beinträchtigung des Andern geschehen, und wären die äussern Mauern zu verstärken, dürften sie nicht stärker gemacht werden, als sie waren, es sei denn, dass man beiderseits übereingekommen, die ganze Burg fester zu bauen. Die Stadt selbst und der Beifang um dieselbe, auf welchem weder Beide, noch ein Anderer bauen durfte, blieben den Grafen und dem Erzstift gemeinschaftlich. Den um die Burg und die Stadt gelegenen Wald (Haynen) mussten sie auch gemeinschaftlich pflegen. Beide Parteien beschworen, den Burgfrieden stetig und gegenseitig zu halten und Keiner, Burg und Stadt gegen den Andern zu benutzen, wohl aber gegen andere äussere Feinde.

Beide Besitzer der Stadt hielten dort ihre Amtleute auf dem Schlosse. Im Jahre 1344 ernennt Erzbischof Walram von Köln den Ritter Friedrich von Selbach, genannt der Dauve zum Amtmann von Siegen und der ehemals zum Amte Wildenberg gehörigen Ortschaften Krombach, Ober- und Nieder-Holzklau und Hilchenbach. Erzbischof Wilhelm von Köln überlässt am 10. Februar 1351 seinen Amtleuten zu Gensdorf und Siegen Godart von der Hesen und Friedrich von Selbach für eine Schuld von 3000 alten Schilden die Burg und Stadt Siegen und ihre Bürger, sowie die Burg zu Ginsbach zu freiem Pfandgenuss.

Diese Verpfändung geschah trotz aller Einsprüche der Bürger, die sich auf ihre vom Kaiser Ludwig dem Bayern 1346 empfangenen und 1349 vom Kaiser Karl IV. bestätigten Briefe beriefen, nach welchen Bürger und Stadt Siegen weder von Nassau, noch von Köln sollte versetzt werden dürfen.

Zu ihrem Schaden mochten die Bürger nur zu oft erfahren haben, welche Lasten ihnen aus den Verpfändungen, die damals an der Tagesordnung und Siegen häufig trafen, hervorgingen, indem die Pfandinhaber selbstredend mit aller Strenge alle gesetzlichen und ungesetzlichen Mittel zur Geltung brachten, um ihre Pfänder möglichst rentbar zu machen, wobei die Bürger selbst am härtesten getroffen waren.

Wer sollte den Bürgern unter Kaiser Karl IV. Recht verschaffen gegen den Erzbischof von Köln, dem er wegen der Wahl seines Sohnes Wenzel alle denkbare Schonung angedeihen liess?

Der Erzbischof von Köln Friedrich III. von Saerwerden (1370 – 1394) legte während seiner ganzen Regierung das Schwert nicht nieder, focht eine Fehde nach der andern aus, bald gegen die Kölner, bald gegen die Grafen von Nassau und gegen Engelbert III. von der Mark. Als er im Begriff, mit Letzterem anzubinden, vermittelte Erzbischof Cuno von Trier, als Coadjutor des Erzstifts Köln, 1381 am 1. Februar eine Sühne zwischen dem Erzbischofe Friedrich und dem Grafen Johann von Nassau. Alle Gefangenen wurden gegenseitig freigegeben, nachdem sie Urphede geschworen; die in dem Kriege ihre Lehen verloren hatten, wurden wieder belehnt und sollte aller, durch Raub, Mord und Brand geschehener Schaden gegenseitig verziehen werden. Die kölnischen Pfandbriefe über die Halbscheid der Burg Ginsberg sollen geprüft werden und die kölnische Hälfte von Siegen dem Grafen Johann von Nassau, so lange Erzbischof Friedrich lebt, als Amtmann überlassen bleiben mit einer Mannrente von 200 Gulden. Die Grafen von Nassau scheinen von diesem Augenblicke an im Besitze der kölnischen Hälfte der Burg und Stadt Siegen geblieben zu sein, denn unter dem Erzbischofe Kölns, Dietrich von Mörs (1414 – 1463) hatte das Erzstift schon seit 1421 seine Gemeinschaft an Siegen völlig aufgegeben.

Die Stadt bot im sechszehnten Jahrhunderte einen wahrhaft festen Anblick, denn von durchschnittlich 5 Fuss mächtigen Mauern umwallt, von einer starken Burg von sechszehn grössern und kleinern festen Thürmen geschützt, zwischen denen sich sechs mit Thorburgen versehene Stadtthore erhoben, drohete sie von ihrer Höhe, eine riesige feste Burg, in das Thal. Ihr Mauerbering war von elf hügeligen Hauptstrassen durchschnitten. Durch verschiedene Feuersbrünste, da die meisten Häuser in Holzwerk gebaut sind, wurde aber das Innere der Stadt mehrere Male verändert. So brannte 1592 am St. Jacobi-Tage die ganze obere Stadt nieder, und nachdem dieser Theil wieder neuerbaut, verzehrte 1695 vom 10. bis 20. April eine Feuersbrunst die untere Stadt, worüber eine Stadtchronik berichtet: „1695 10/20 April ist ein erschrecklicher Brand in Siegen und fast 2/3 der Stadt abgebrannt, wobei denn 11 Personen und 20 Stück Vieh verbrannt. Ist untig der Backstube – Wande in Johannes Dauben eines Bäckers Haus angegangen, durch den Flachs, so im Ofen gedörrt und oben unter das Dach in einen Sack gestopft und des andern Tages sollte geschwungen werden. Also durch einen starken Ostwind alle Häuser längs des Marktes bis an das Lohrthor, die ganze Lohrstrasse und die ganz fürstliche Behausung evangelischen Theils verbrannt. Hernach hat sich der Wind westwärts gedreht, die ganze Cölnerstrasse und Hinterstrasse bis oben ober das Markt hinauf an Langenbach’s (später Bürgermeister Engelschen) sein altes Haus, als selbiges annoch (1722) am Eckpfosten zu sehen hinten am Haus. Und hat sich der Wind West-Nord gedreht also nachgelassen und gedämpft worden. An der Zahl 300 Häuser und Bäu sind verbrannt. Das Feuer hat in dem gebrannten Kumer acht Tage hernach noch geglühet.“

Wohlthäter der Stadt waren Johann VI., der Ältere Graf von Nassau-Katzenellenbogen, und sein Sohn Johann VII. der Mittlere, dem in der Theilung des väterlichen Erbes 1607 das Siegerland (Nassau-Siegen) zufiel. Johann der Ältere liess das untere Schloss, seine Residenz, renoviren, mit einem Zeughause versehen und den Hofgarten anlegen. Er förderte die hohe Landes-Schule, und verlegte 1605 zur Pestzeit die Druckerei von Herborn, das sich seinen Unwillen zugezogen hatte, nach Siegen. Sein Nachfolger Johann VI. gründete, nach dem Vorbilde Herborn’s, das Paedagogium, und errichtete 1616 die ritterliche Kriegsschule, deren erster Leiter Hauptmann Johann Jacobi von Wallhausen. Ritterlichen Sinnes waren die meisten Mitglieder des Geschlechtes deren von Nassau. Das Banner des nassauischen Löwen hatte siegreich geweht in den vorzüglichsten Fehden des Niederrheins, im gelobten Lande, vor Allem in dem grossen ewig denkwürdigen Freiheitskampfe der Niederlande.

Wer kennt und ehrt nicht die Namen Wilhelm und Moriz von Oranien?

Wie das ganze Siegthal, wurde auch die Stadt Siegen gar hart von den Krieges-Gräueln des grossen deutschen Krieges heimgesucht, und nicht minder in den folgenden Kriegsläuften des 17. Jahrhunderts. Freund und Feind, die im Besitz der Stadt wechselten, brandschatzten und plünderten nach blinder Willkür.

Die nassauischen Länder, und so auch das Siegerland waren unter dem Grafen Wilhelm dem Reichen 1516 – 1559 seit 1530 zur Reformation übergetreten, bekannten sich anfänglich zur lutherischen Lehre, aber seit 1577 zur reformirten. Johann VIII. der Jüngere (1623 – 1638) trat 1612 in Rom wieder zur katholischen Kirche über. Er bot 1623 bei seinem Regierungs-Antritte alle Mittel auf, seine reformirten Unterthanen zur katholischen Confession zurückzubringen, obwohl er 1617 einen Revers ausgestellt hatte, bei seinem Regierungsantritte seine Unterthanen beim protestantischen Glauben und die kirchlichen und Schulanstalten des Landes ungekränkt zu lassen. Mit Gewalt wurde der Rücktritt der Bürger erzwungen, nachdem Graf Johann VII. die reformirten Prediger und Lehrer aus seinem Lande verjagt und ein Jesuiten-Collegium in Siegen gegründet hatte. Die Messe und Beichte, oder Verbannung war die Losung. Der Fanatismus der Zeit liess es bei beiden Religionsparteien an solchen Gewaltthätigkeiten nicht fehlen.

Als sich in der zweiten Hälfte des grossen deutschen Religionskrieges durch Gustav Adolph das Waffenglück für die Protestanten entschied, entsetzte 1632 Johann Moritz seinen Bruder Johann seiner Würde, vertrieb die Jesuiten und machte den Religionsverfolgungen ein Ende. Als aber nach Gustaf Adolphs Tod die Waffen der Katholiken wieder siegreich glücklich, kam auch Johann 1636 wieder in den Besitz des Sieger Landes und starb 1638 in Renain in Orange. Johann war der Stifter der katholischen nassau-siegenschen Linie. Sein Nachfolger Johann Moritz brachte 1650 – 51 auf gütliche Weise eine Theilung des Siegerlandes nach confessionellem Unterschiede zu Stande. Das katholische Land, auch als Johannland bezeichnet, umfasste die heutigen Bürgermeisterei-Bezirke Netphen mit Hillnhütte, Wilnsdorf und Weidenau auf dem linken Siegufer mit Hardt, Münkershütte und Schnepperkauler.

Das reformirte Land bestand aus dem jetzigen Bürgermeisterei-Bezirk Hilchenbach ohne Hillnhütte, Ferndorf, Freudenberg und die zur Bürgermeisterei Weidenau gehörigen Ortschaften Sohlbach, Dillnhütte, Geisweid, Klafeld, Birlenbach, Buschgardtshütte, Trupbach, Selbach, Achenbach, Gosenbach und Niederschelden.

Siegen selbst mit den drei Hütten blieb Sitz beider Confessionen. Das alte obere Schloss, die die Stadt beherrschende Burg war Sitz der katholischen Linie, das unter derselben gelegene sogenannte Schloss der protestantischen.

Johann Franz Desideratus (1638 – 1699), Sohn Johann’s des Mittleren, wurde in den Reichsfürstenstand erhoben, zu welcher Würde 1652 alle Glieder des Hauses Nassau gelangten.

Eine gar schlimme Zeit der Noth und des Drangsals brach aber über die Stadt Siegen und das Siegerland herein, als der Fürst zu Nassau-Siegen katholischen Theils Wilhelm Hyacinth (1699 – 1743) die Regierung antrat. Seine Regierung war eine Reihe despotischer Willkürlichkeiten und frevelnder Gewaltthaten. Hatte er gegen den eigenen Vater Joh. Franz Desideratus gefrevelt, so lebte er, sich weder um Familienverträge, noch an die Bestimmungen des westphälischen Friedens störend, in ewigem Hader und Zwistigkeiten mit dem reformirten Fürsten Friedr. Wilhelm Adolph zu Nassau-Siegen. Er hetzte die katholischen Bürger gegen die reformirten, so dass es nicht selten in den Strassen Siegen’s, zwischen den Bürgern und Soldaten zu blutigen Händeln kam, und zuletzt sogar preussische Truppen zu harter Plage des Landes einrückten, um Ruhe und Frieden wieder herzustellen.

Als der Fürst am 6. Dez. 1706 einen Bewohner von Fickenhütte Jacob Flender, welcher die Gemeinde von Weidenau zusammen berufen und zur Verweigerung der Steuern bestimmt hatte, auf das Schloss zur Haft bringen liess, empörte sich das ganze Land. In Massen zogen die Siegerländer vor das Schloss und ertrotzten auch die Freilassung des Flender. Hatte der Fürst der drohenden Gewalt nachgegeben, so sann er aber auf grausame Rache. Seinen Soldaten gelang es bei einem Überfalle der Weidenauer Gemeinde im März 1707 den Bruder Johann Flender’s, Friedrich Flender gefangen zu nehmen. Gefesselt schleppte man ihn auf das obere Schloss zu Siegen. Schon am 29. März wurde auf des Fürsten Befehl, ohne allen Prozess, ohne Urtheil und Recht der zwei und dreissigjährige Mann im Hasengarten vor dem Schlosse enthauptet und sein Kopf auf der Bastion am Marburgerthor zur Warnung für Alle aufgesteckt.

Auf dem Friedhofe zu Weidenau fand Flender sein Grab. In der dortigen Kapelle ist jetzt die eiserne Platte seines Grabes aufgestellt. Sie trägt in drei deutschen Strophen eine passende Inschrift.

Das ganze Land durchdrang ein Wuthschrei ob dieser Frevelthat. Aber sofort erschien auf Betreiben des reformirten Fürsten Friedrich Wilhelm Adolf, einem Wohlthäter des Landes, von Köln aus eine kaiserliche Commission, welche am 20. April 1707 den Fürst Hyacinth der Regierung entsetzte, in die Reichsacht erklärte und des Landes verwies.

Noch 36 Jahre lebte Hyacinth, bis zum Jahre 1739, bald in Brüssel, bald in Paris und Madrid, und trat in diesem Jahre die Regierung des ihm zugefallenen Fürstenthums Nassau-Hadamar an.

Den 15. März 1742 starb er, 77 Jahre alt, zu Hadamar. Sein Herz wurde in der Kapelle auf dem Herzberge bei Hadamar beigesetzt.

Er hinterliess keine direkten Erben. Franz Joseph Hyacinth Eugen, sein einziger Sohn aus erster Ehe, kam 1703 auf der Jagd um, und frühe starb Maria Eleonore seine einzige Tochter aus zweiter Ehe. Der letzte Spross des katholischen Fürstenhauses, ein Sohn des Halbbruders des Fürsten Hyacinth, Emmanuel Ignatius und der Marquise Charlotte de Mailly de Nesle starb im frühesten Alter. Seine Amme liess ihn aus einem Fenster des oberen Schlosses fallen. Hart büsste die Unglückliche.ihre Unvorsichtigkeit. Sie soll lebendig eingemauert worden sein. (?)

Der Volksglaube übte seine Justiz an dem wahnwitzigen Despoten, indem er ihm selbst im Grabe die Ruhe nicht gönnte. Als grosser Hund mit glühenden grimmstarrenden Augen soll er jede Nacht laut winselnd und knurrend in der Fürstengruft im Schlosse umherschleichen.

Wie die katholische Herrscherlinie des Siegerlandes mit Wilhelm Hyacinth erloschen, so starb die reformirte auch bereits 1734 mit Friedrich Wilhelm, dem Sohne Friedrich Wilhelm Adolfs († 1722) aus, der seinem Vater Wilhelm Moritz, dem Mündel und Neffen des berühmten Johann Moritz in der Regierung gefolgt war.

Als Emanuel Ignatius, Hyacinth’s Halbbruder, welcher nach dessen Ächtung den katholischen Theil des Siegerlandes verwaltet hatte, am 10. Aug. 1735 das Zeitliche gesegnet, ohne Leibeserben zu hinterlassen, nahmen die Fürsten von Nassau-Dillenburg und Nassau-Diez Besitz von dem Lande. In Siegen wurden aber ihre Maueranschläge von den Soldaten abgerissen. Stadt und Land waren in der grössten Aufregung. Aus dem kölnischen Sauerlande zogen 1600 Bauern mit 400 Mann Landsturm und zwei Kanonen zur Unterstützung der Soldaten herbei. Eine wüste Bande, die an die wilden Haufen des Bauernkriegs mahnte, Am 23. Aug. 1735 nahmen sie die Stadt und das untere Schloss ein. Die Muek-Haense wurden aber bald von den sich ermannenden Bürgern mit blutigen Köpfen heimgeschickt, schmählich in die Flucht gejagt, Geschütz, Wehr und Waffen im Stiche lassend. Noch lange nachher sang das Volk ihren Spott. Noch mahnt die sprüchwörtliche Redensart im Siegerlande:

„Wer laufen kann, der laufe, der Hannespeter — so soll der Anführer jener Bande geheissen haben — is taudt!“ an jenen Überfall.

In einem fliegenden Blatte haben sich die Spottlieder noch erhalten.

Vgl. das o. a. Werkchen von Aug. Gertner S: 52: Zwey schöne Lieder von der Cöllnischen Bauern-Belagerung der Stadt Siegen.

Kaiser Karl VI. übertrug im Jahre 1738 dem Prinzen von Oranien und Fürsten von Nassau-Diez Wilhelm IV. Karl Heinrich Friso das Sieger Land. Fürst Wilhelm IV. aus der Dillenburgischen Nebenlinie vereinigte unter seinem Scepter alle deutschen und niederländischen Besitzungen der Nassau-Ottonischen Familie und ward so der Gründer des jetzigen Oranisch-Nassauischen Hauses, an welches er auch die Erbstatthalter-Würde der Niederlande wieder brachte.

Unter einer weisen Regierung, welche ihren Sitz in Dillenburg hatte und die vier Fürstenthümer verwaltete, hob sich das Siegerland rasch aus seinem zerrütteten Zustande. Bergbau, die Hauptquelle des Wohlstandes des Landes, Acker-, Wiesen- und Waldbau blüheten rasch auf mit dem Fabrikwesen und dem innern Verkehr. Auf Wilhelm IV. folgte 1751 sein Sonn Wilhelm V. Batavus, der bis 1806 in drangsalvoller Zeit regierte und das Land seinem Sohne Wilhelm Friedrich hinterliess. Dem Weltdespoten Napoleon I. wollte sich Wilhelm Friedrich nicht unterwerfen, sich mit der männlichsten Entschiedenheit weigernd, dem von Napoleon gebildeten Rheinbunde beizutreten. Die Folge dieser Weigerung war der Verlust des Fürstenthums Siegen, welches mit Hadamar und Dillenburg dem unter Murat, des Kaisers Schwager neugebildeten Grossherzogthum Berg einverleibt wurde. Bis 1813 währte die Zeit der Schmach.

Das deutsche Volk brach endlich des Tyrannen Fesseln, und zwei Monate nach der Völkerschlacht bei Leipzig, am 20. Dez. 1813 kam Wilhelm Friedrich, seit dem 6. Nov. König von Holland, wieder in den Besitz seiner deutschen Erblande.

Schon im Jahre 1815 trat er dieselben grösstentheils an Nassau ab, und Preussen erhielt gegen das Grossherzogthum Luxemburg das Siegerland.

Preussen erwarb 1816 von Nassau noch die dillenburgischen Ämter Neunkirchen, Grund, Selbach und Burbach und die vier Hicken-Dörfer, Provisorisch waren diese neuerworbenen Landestheile der Rheinprovinz zugetheilt und wurden erst 1817 der Provinz Westphalen einverleibt, den Kreis Siegen des Regierungsbezirks Arnsberg bildend, welcher drei Städte: Siegen, Freudenberg und Hilchenbach umfasst, 134 Dörfer, unter denen 18 Kirchdörfer, und 14 Höfe.

Was Siegen und das Siegerland unter Preussens fürsorglicher Regierung im Segen des Friedens, welcher seit 50 Jahren das Land beglückt, geworden, davon gibt uns jeder Schritt in dem reichgesegneten Lande Kunde, dessen Wohlstand mit jedem Jahre blühender aufstrebt.

Die Stadt und ihre Bauwerke.

Sehen wir uns jetzt ein wenig in der Stadt Siegen um, die über 8000 Einwohner zählt, von denen stark ein Siebentel katholisch sind. Ihr mächtiger Mauerwall ist grösstentheils niedergelegt, ganz ihre einst stattlichen Thorburgen.

Den Gipfel des Stadtberges krönt die theilweise zerstörte Burg oder das obere Schloss, in dem wir, nach meiner Überzeugung, den Kern der Stadt sehen. Äusserst fest war die Burg, wie dies die Mächtigkeit der Mauern bekundet, mitunter bis 9 Fuss stark. Von dem Burgstadel geniesst man eine reizende, durch den lebendigen Wechsel des die Stadt umgebenden, weiten Kesselthales, des Sieg- und Ferndorf-Thales fesselnde Aussicht, nach allen Richtungen malerisch schön, so weit das Auge reicht.

Die St. Nicolaikirche.

Die St. Nicolaikirche, welche die Stadt durch ihre Lage beherrscht, ist ein roher romanischer Übergangsbau im Sechseck angelegt mit einem durch schwere Pfeiler abgetrennten, sechseckigen Umgang unter einem Dache. Der rechteckige Chor hat eine halbrunde Apside mit Nischen zu beiden Seiten.

Die Gewölbe sind vorwiegend spitzbogig. Viereckig ist der Thurm mit Lisenen und Spitzbogenfries.

Über dem Mittelbau erhebt sich eine Kuppel mit Rundbogenfriesen. Rundbogig sind die Fenster, zum Theil aber gothisch verändert. Diese Kirche ist, wie die Martini-Kirche, die älteste der Stadt, evangelisch. Dieselbe erhielt 1658 von Fürst Johann Moritz eine fast 11 Pfund schwere silberne Taufschüssel, welche das Geschenk eines zum Christenthum bekehrten afrikanischen Königs sein soll. Im Jahre 1663 liess derselbe Fürst den grössten Theil der Kirche mit eisernen Platten belegen. Ein einfaches Kreuz bezeichnet sein Werk. Die bürgerlichen Stifter haben die Platten mit ihren Namen versehen.

Unter dem Fürstenstuhle der Kirche befand sich ursprünglich die Fürstengruft, bis Fürst Johann Moritz dieselbe nach dem unteren Schlosse verlegte.

Ausserordentlich lohnend ist es, wegen des sich hier nach allen Richtungen dem Blicke entfaltenden malerischen Berg- und Waldpanorama, den Thurm der Kirche zu besteigen, dessen bequeme Gallerie und Zopfdach auch Johann Moritz 1658 erbauen liess.

Der Zugang zum Thurm ist von Aussen frei.

Der Genuss dieser wunderherrlichen und wirklich grossartigen Rundsicht, welche uns einen Theil des Siegerlandes mit allen seinen Schönheiten beherrschen lässt und stundenlang fesseln kann, wird uns nicht durch die in grössern Städten herkömmliche Küster- oder Kirchenbettelei vergällt, indem man das Haus des Herrn zu einer Schaustätte gegen taxmässig festgestellte Eintrittsgelder herabwürdigt.

Die von 1702 bis 1725 erbaute Johanniskirche ist katholisch. In der Martinikirche besitzt der evangelische Kultus ein zweites Gotteshaus.

Siegen, ca. 1903

Der Nassauische Hof.

Wir steigen die oft jähsteilen Strassen herunter zum Nassauischen Hofe oder zu dem unteren Schlosse. Einem Kloster verdankt dieser Fürstenbau seinen Ursprung. Johann V. der Jüngere, Graf von Nassau, errichtete 1488, heimgekehrt von einer Pilgerfahrt nach Jerusalem, an der Stelle des spätern Marstallbaues, den jetzt die Realschule inne hat, ein Minoriten-Kloster, das er 1493 in ein Franziskaner-Kloster umgestaltete. In der Klosterkirche wurde der fromme Graf 1516 im Ordenskleide der Franziskaner begraben (sepultus in habitu Ordinisiuxtaaltare S.Francisci), und neben ihm 1523, seine in Köln verstorbene Gemahlin, die Landgräfin Elisabeth von Hessen beigesetzt. Man fand in einem Gewölbe des Marstalles in drei zinnernen Särgen, welche auf Eisenstäben über Wasser ruhten, die Leichen eines Mannes, einer Frau und eines Kindes, aller Wahrscheinlichkeit nach der Stifter des Klosters und seine Familie.

Ausweisung der Mönche.

Graf Wilhelm sah sich veranlasst, da er einen evangelischen Pfarrer angestellt hatte, und die Mönche, trotz aller Mahnungen, in ihren Controvers-Predigten fortfuhren, dieselben 1534 auszuweisen.

Eine Zeit lang wurde das Kloster als Schule benutzt, gerieth aber in Verfall, als die Schule an die Nicolaikirche verlegt worden und die Stadt sich sogar weigerte, das Gebäude, welches ihr der Graf zu Schulzwecken schenken wollte, anzunehmen.

Graf Johann der Mittlere erbaute an der Stelle des Klosters den jetzigen Nassauischen Hof, den sein wieder zur katholischen Kirche übergegangener Sohn 1626 zu einem Jesuiten-Collegium bestimmte. Er konnte sein Vorhaben, seine Stiefmutter sammt Kindern aus demselben zu vertreiben, nicht durchsetzen, und so blieb das Franziskaner-Kloster die Residenz der reformirten Nassau-Siegenschen Linie. In dem stattlichen Baue befinden sich jetzt die Bureaux der Bergbehörde, die Realschule, die Post und verschiedene Amtswohnungen.

Fürstengruft.

Die unter dem mittleren Schlossbau gelegene Fürstengruft ist ein Werk des Fürsten Johann Moritz. Dieselbe wurde um 1669 vollendet und dreissig Jahre später von dem Corps de logis des Schlosses überbaut, indem die Gruft bis dahin frei an dem Martini-Kirchhofe lag.

Ein schweres, reich ornamentirtes Thor aus Gusseisen führt aus dem äussern Säulengange des Mittelbaues des Schlosses in die Fürstengruft. Der Eingang zu derselben wird gern gestattet. Einer der im Schlosse wohnenden Beamten bewahrt den Schlüssel.

Dem Thore gegenüber erhebt sich das Grabmal des Gründers der Gruft Johann Moritz. In einer Nische sehen wir die Büste des hochverdienten Helden, und über dieser eine Gedenktafel aus schwarzem Marmor, die, gesprungen, folgendes Epitaph in goldenen Lettern führt:

Illustrissimo Heroi,
Joanni Mauritio,
Nassoviae Prineipi, Comiti Cattimeliboci, Viandae ac Deciae, Dynastae in Beilstein etc. Ordinis Sancti Joannis Hierosolymitani per Marchiam, Saxoniam, Pomeraniam et Vandaliam Magistro, Ducatus Cliviae, Prineipatus Mindensis et Comitatuum Mareae et Ravensbergae Gubernatori etc. antehac in Brasilia per octenninum terra marique Praefecto Generali etc.

Nomini aeterni, quo te tua, maxime, virtus,
Mauritii Divos asserit inter avos,
Nulla characterem laevis membrana, nec ulla
Ferre typum levior digna papyrus erat.
Tanti depositum pretüi cui credere possem,
Cujus et hie lauros novit et ille polus:
Iudice me, quem non aetas, non atra rubigo
Exedit, auratus debuit esse lapis.
Constanter.

Die Platte trägt im obern Rande in einer Ecke Anno, in der Mitte Jehova, in der andern Ecke cIo.

Am untern Rande in der Ecke links Ioc. in der Mitte Qua patet orbis, und rechts LXI. Die Unterschrift lautet: Humillimae observantiae mon. quale cumque oft. Elias Noski.

Sechs und dreissig Sargnischen sind an den Wänden angebracht, von denen aber drei und dreissig unbenutzt blieben. Die auf Befehl des Fürsten Wilhelm Moritz aus Holland herübergebrachten Leichen wurden am 19. Juli 1669 in der Gruft beigesetzt und am 29. April 1690, nach dessen Willen, auch aus der Gruft in der Nicolai-Kirche die Leichen des Grafen Johann des Mittlern (gest. 27. Sptbr. 1623) seiner beiden Gemahlinnen Maria Magdalena Gräfin von Waldeck und Margaretha Herzogin von Schleswig-Holstein (gest. 1658) und seiner Tochter Catharina in feierlichem Geleite der gesammten Bürgerschaft.

In der Mitte der Gruft erhebt sich ein Mausoleum aus den hölzernen Modellen zu der in Marienborn in Eisen gegossenen Tumba für das Grabmal des Fürsten Johann Moritz in Cleve, zusammengesetzt, unter dem das Herz des Fürsten ruht. Seinem letzten Willen gemäss wurde die Leiche des Fürsten am 24. Nov. 1679 in der Fürstengruft Siegen’s beigesetzt.

Ausser den Angeführten ruhen in der Gruft: Fürst Wilhelm Moritz († 23. Januar 1691), dessen Gemahlin Ernestine Charlotte, Fürstin von Nassau-Schaumburg († 21. Februar 1732) und seine Söhne: Carl Ludwig Heinrich († 18. Oktober 1694) und Fürst Friedrich Wilhelm Adolph († 13. Februar 1722) des Letzteren zwei Gemahlinnen: Elisabeth Juliane Franziska, Landgräfin von Hessen-Homburg(† 12. November 1707) und Amalia Louise Herzogin zu Curland († 18. Januar 1750), dann der Ersteren Sohn, Fürst Friedrich Wilhelm († 2. März 1784) sammt seiner Gemahlin, Sophia Polyxene Concordia, Gräfin zu Sayn-Wittgenstein († 15. Dezember 1781) und seiner Schwester Charlotte Wilhelmine Louise († 7. März 1771) der letzten unverehlichten Prinzessin des Nassau-Siegenschen reformirten Hauses.

Der Thiergarten.

Aus der ernsten Wohnung des Todes hinaus in das heitere Dasein des Lebens. Der Spaziergang gilt dem Thiergarten in der Nähe der Stadt, welchen Fürst Johann Moritz 1652, 700 Morgen gross, anlegen liess. In dem lustigen Waldrevier liegt ein gar trauliches Plätzchen, das Charlotten-Thal, das im heimlichen Schatten von Buchen und Tannen einen poetisch verstohlenen Blick auf die Sieg gewährt. Es war dies Gut früher eine Besitzung der Ritter von Wildenburg, welche dasselbe dem Grafen Heinrich übertrugen. Lieblings-Ausflüge der Bewohner Siegen’s, die angenehmsten Spaziergänge sind Buschgotthardshütte am Thiergarten, die Haardt, der Rödger Wald mit der Eremitage. Direct von Siegen oder von der Hammerhütte aus kann man den, auf dem linken Siegufer sich bis nahe 1200 F. erhebenden, manchfach durch den Bergbau unterwühlten Häusling besuchen, von dessen Höhe man eine herrliche Rundschau geniesst, welche die ganze Fülle der Schönheiten des wechselreichen Berggeländes nach allen Richtungen den staunenden Blicken bietet. Mit den Schönheiten der Natur wetteifert der Segen des menschlichen Fleisses.

Die eiserne Jungfrau.

Auch das so heiter in die Natur schauende Siegen hat seine schauerlichen Sagen. Am Olbersthurme in der Stadtmauer soll eine sogenannte {eiserne} Jungfrau, eine heimliche Richtstätte gestanden haben.

Wer zum Jungfernkuss, d. h. sie zu umarmen gezwungen, stürzte, von Messern durchbohrt, in die Tiefe eines Brunnens, der in den Weisbach mündete.

Es geschah nun einmal, dass zwölf Rittersfrauen, deren Männer zu den Wissenden der Vehme gehörten, sich vereinbarten, ihre Männer bei ihrem heimlichen Treiben zu belauschen. Vermummt schleichen sie ihren Männern nach, werden aber entdeckt, erkannt und ohne Gnade zum Jungfernkusse verurtheilt. Sofort wird der Urtheilsspruch an den Unglücklichen vollstreckt. Und jetzt hört man noch in der Stunde der Mitternacht am Olbersthurme ein klägliches Gewimmer und Stöhnen, ein schauriges Rauschen über der Mauer. Die Stimmen der Frauen sind’s, die hier wehklagend ihren nächtlichen Kummergang halten und deren Anblick schon manchem Tollverwegenen Todesschreck durch das Innerste der Seele gejagt hat.

Das Behweibchen vom Kirchhofe.

Allnächtlich, so erzählt der Volksglaube, wandelt auch das Behweibchen vom Kirchhofe her in schwarzer Kleidung und weissem Häubchen durch die Strassen der Stadt, eine Todtenmahnerin. Wer dem Behweibchen begegnet, dem schlägt noch im Laufe des Jahres sein Todesstündlein.

Die Geburtsstätte Rubens.

Wir kehren nach der Stadt zurück und erkundigen uns nach dem, an der alten Burgstrasse gelegenen Dresler’schen Hause. Dies ist die Stätte, wo der grösste und produktivste Maler Flandern’s Peter Paul Rubens das Licht der Welt erblickte.

Hat Köln auch bis zum Jahr 1853 diese Ehre beansprucht, und zeigt man dort in der Sternengasse, das von Gronsfeldsche Haus, wo Frankreichs Königin Maria von Medicis in der Verbannung verschied, auch, ohne irgend einen historischen Beweis, als Geburtgstätte des grossen P. P. Rubens, so hat ein holländischer Forscher R. C. Bakhuizen van den Brink in seinem 1853 erschienenen Werke: „Het Huwelyk van Willem van Orange met Anna van Saxen“ doch zur Evidenz nachgewiesen, dass Siegen diese Ehre beanspruchen kann.

Johann Rubens, Schöffe von Antwerpen, des Malers Vater, hatte in einem unerlaubten Verhältnisse zu Anna von Sachsen, der zweiten Gemahlin Wilhelms von Oranien gestanden. Dies Verhältniss blieb, wie Bakhuizen nachweist, nicht ohne Folgen, was die Ehescheidung des Fürsten von seiner Gemahlin nach sich zog.

Als die skandalöse Geschichte ruchbar, verliess der alte Rubens Antwerpen und wählte Köln zu seinem Wohnsitze. Er befand sich einmal wegen eines Rechtsstreites in Dillenburg und wurde hier verhaftet. Im Kerker gestand er seine Schuld, und erhielt, der Haft entlassen, von dem hart zürnenden Fürsten Siegen zum Aufenthaltsorte angewiesen.

Rubens’ Gattin Maria Pepeling (Pipelingk), brachte es bei dem Fürsten dahin, dass er ihr erlaubte, nach Siegen zu ihrem Manne zu ziehen. Hier wurde Peter Paul Rubens, als Johannes Altgelt und Hermann Tiefenbach Bürgermeister waren, am 29. Juni 1577 geboren, und zwar im Brambach’schen Hause, so genannt, weil es damals Besitzthum des Amtmanns Brambach in Diez, jetzt das Dreslersche. Es war ein steinerner Bau an der Burgstrasse im Bezirk der alten Burg, welche, eine Stadt in der Stadt, durch gewaltige Mauern von der untern Stadt getrennt war, und Ausgänge in’s Freie hatte. Als die Jesuiten unter Johann dem Jüngern kein Unterkommen in der untern Burg fanden, gab er ihnen dies Haus zum Aufenthalt. Nach ihrer Vertreibung, wohnten katholische Priester in demselben, und es wurde später als Gensd’armerie-Caserne benutzt.

Dr. Ennen, Archivar der Stadt Köln, hat es versucht, gegen Bakhuizen van den Brink und Du Mortier, welcher Antwerpen als Geburtsort des P. P. Rubens bezeichnet, der Stadt Köln die Ehre zu retten, die Geburtsstätte des grossen Künstlers gewesen zu sein. Einen direkten Beweis seiner Annahme hat er nicht geliefert, und durch seine Folgerunges, nach meiner Ansicht, eben so wenig nachgewiesen, dass Bakhuizens Behauptung ungegründet. Vgl. die Abhandlung „Über den Geburtsort des P. P. Rubens“ im zehnten Heft der Annalen des historischen Vereins für den Niederrhein S. 216 flg.

Siegerländer Berühmtheiten.

Das Siegerland und Siegen hat auch sonst noch seine Berühmtheiten aufzuweisen, den Dichter und Kanzelredner Dr. Achenbach, den Orientalisten Dr. Lorsbach, die zwei Dichterinnen Diez u.s.w., wenn auch ihr Ruf nicht weit über die Grenzen der nächsten Heimath gedrungen, Dr. Friedr. Wilh. Ad. Diesterweg ausgenommen, am 29. Okt. 1790 in Siegen geboren, wo sein, 1812 verstorbener Vater Friedr. Karl Diesterweg das Amt eines Justizamtmannes bekleidete. Wer sich nur im Entferntesten um die preussische Volksschule und das Schicksal der preussischen Volksschullehrer bekümmert hat, der muss auch den edlen Mann, den „praeceptor Germaniae“ kennen, der wird auch stets hochachtungsund dankesvoll den Namen Dr. Diesterweg’s rühmen. Ein echter deutscher Mann, seinem edlen festen Karakter gemäss ein wahrer Siegerländer!

Wie Herr A. Horn in seinem Siegthal (S. 9) dazu kommt, den holländischen Grossadmiral Pitt Hein zu einem Siegerländer zu stempeln, weiss ich nicht, da Peter Hein, was bekannt, 1577 od. 1578 in Delftshaven geboren ward und in der Kirche zu Delft auch sein Ehrendenkmal erhielt, als er 1628, nachdem er die spanische Silberflotte, ohne die kostbaren Waaren 12 Millionen Gulden führend, genommen hatte, bald nach dieser Heldenthat in einem Seegefechte bei Dünkirchen gefallen war.

In Köln blühete ein Patrizier-Geschlecht, auch bei der westphälischen Ritterschaft aufgeschworen, welches den Namen v. Siegen führte und der Stadt Köln seit 1490 mehrere Bürgermeister gab.

Ich finde auch einen Ludwig von Siegen (á Siegen), Obristen des Landgrafen von Hessen-Cassel, um das Jahr 1643 als Erfinder der Mezzotinto-Manier in der Kupferstecherkunst bezeichnet.

Von diesem Ludwig von Siegen erlernte Prinz Rupert, den man gewöhnlich den Erfinder der sog. schwarzen Kunst nennt, das Verfahren.

Geistiges Leben.

Das geistige Leben Siegen’s ist ein sehr reges und löbliches. Musik hat von jeher freudige Pflege gefunden. Die Stadt besitzt eine durch ihre Leistungen ausgezeichnete Realschule I. Ordnung, welche, was ihr und dem geistigen Streben der Siegerländer das beste Zeugniss gibt, bei einer Einwohnerzahl Siegen’s von etwas mehr als 8000 Seelen, durchschnittlich von 200 Schülern besucht wird. Mit derselben ist seit 24 Jahren eine gewerbliche Fortbildungsschule (Sonntags)-Schule verbunden, die gewöhnlich 200 Schüler zählt und im Kreise Siegen noch 15 ähnliche Fortbildungsschulen in’s Leben gerufen hat, auf denen an 300 Schüler Unterricht für das gewerbliche Leben empfangen.

Aus den ersten Zeiten des Pädagogiums hat sich an der, aus demselben hervorgegangenen Realschule noch ein alter Brauch erhalten, die Martins- oder Stammgans. Jede Klasse nährt eine Gans, welche am h. Martins-Tage, stattlich mit Bändern und allerlei Zierrath geschmückt, in feierlichem Geleit der Schüler dem Ordinarius auf’s Zimmer gebracht und unter Gesang und Rede überreicht wird.

Da sich die einzelnen Klassen durch die Farben der Mützen unterschieden, wurde vor allem Sorge getragen, dass die Gans einer jeden Klasse auch mit dem farbigen Kappenschmucke derselben geziert war.

Eine für die Landeskultur segenreich wirkende Anstalt ist die, seit 1853 getrennt bestehende Wiesenbauschule, auf welcher der Wiesenbau theoretisch und praktisch gelehrt und Wiesenbaumeister herangebildet werden. Diese höchst nützliche Anstalt steht unter der Leitung des Cultur- und Gewerbe-Vereins des Kreises Siegen.

Die seit 1858 in’s Leben gerufene Baugewerkschule, welche Maurer, Zimmerleute, überhaupt alle Bauhandwerker und Maschinenbauer theoretisch ausbilden soll und dies durch 2 bis 3 Winterkurse, hat seit ihrer Gründung 1855 einen erfreulichen Fortschritt bekundet, denn von 1862 – 65 war dieselbe von 77 Schülern besucht, von denen nur acht Siegen angehörten.

Die 1818 gegründete und 1854 neu organisirte Bergschule ist auf 36 Schüler fundirt, welche zwei Winter hindurch unentgeltlich theoretischen Unterricht erhalten und im Sommer auf den Gruben unter Aufsicht der Revierbeamten praktischen Unterricht geniessen. Seit 1854 hat die Schule bereits 160 zu technischen Beamten qualifizirte Zöglinge entlassen.

Bergbau-, Hütten- und Hammerbetrieb ist die Seele des industriellen Lebens des Kreises Siegen.

Es blühen aber auch noch andere Industriezweige, so vor allen die Lederfabrikation, zu der das Land die Lohe liefert. Durchschnittlich werden jährlich 70,000 Häute zu Sohlleder verarbeitet in dem Durchschnittswerthe von 1,500,000 Thalern. Nicht unbedeutend sind die Leimsiedereien. Ausserdem gedeihen die Baumwollen- und Leinen-Manufaktur, die Tuchfabrikation, die Papierfabrikation, der Maschinenbau, Kesselschmiederei, Fournierschneidereien, Drahtnägelfabrikation und die Seidenzwirnerei in Freudenberg, welche im Jahre 1859 bereits 36 Centner Seide darstellte, im Werthe von 22,000 Thalern. Man sieht, dass die Intelligenz der Siegerländer in industrieller Beziehung nach allen Richtungen rührig thätig, und dass ihr Fleiss auch seinen Lohn findet.

Dies ist ein Textausschnitt aus dem Buch „Das Siegthal“ von Ernst Weyden, zuerst erschienen im Jahr 1865. Das Buch ist nun wieder erhältlich, die Bilder sind Beispielbilder und i. d. R. nicht dem Buch entnommen.