Auf Deutschlands Edelsitzen 3 – Schloß Falkenberg in Oberschlesien

In den unsicheren Seiten des düsteren Mittelalters, als die Edlen des Landes zum Schutz gegen feindliche Angriffe Burgen und Schlösser erbauten, die sich aus ursprünglich sehr primitiven Anfängen hölzerner Blockhäuser mit dem Fortschreiten der Zeit in feste Bollwerke aus Erde und Stein entwickelten, entstand auch Schloß Falkenberg in Oberschlesien. „Nemodline“, d. h. „ich bete nicht“, lautete der ehemalige slawische Name.

In schwerem, massigem Aufbau strebt das Schloß empor, als Zeuge der Zeiten urwüchsiger Kraft und mittelalterlichen Trutzes. Wie ein Märchen vergangener Tage, wie ein Traum aus „tausend und einer Nacht“ mutet den Beschauer der alte Herzogsitz an. Wo sind sie, die einst in blinkenden Rüstungen mit wallendem Helmbusch ein- und auszogen? – Seine ersten Besitzer waren die Herzöge von Oppeln, ein rauhes, kriegerisches Geschlecht. Mit Bolko von Falkenberg traten sie aus dem Dunkel der Tradition in die Geschichte ein. Im Jahr 1314 war es, als dieser Bolko, der dem König Johann von Böhmen den Vasalleneid geleistet hatte, die damals schon bestehende Stadt Falkenberg zu seiner Residenz erhob und daselbst ein Schloß erbaute. Ueber 200 Jahre herrschten die Herzöge von Oppeln über Falkenberg. So mancher Sturm brauste in dieser Seit über Stadt und Schloß dahin. Die Hussiten nahmen im Jahr 1428 Falkenberg ein und sengten und plünderten dort. – Aus den Tagen der Herzöge stammt auch die alte Sage, die man sich noch heute in Falkenberg erzählt: im weiten Rittersaal des Schlosses hielt der Herzog mit seinen Mannen ein üppiges Gastmahl ab. Das edle Blut der Reben floß in Strömen, und die erhitzten Gemüter der Zecher suchten nach einem Opfer, um ihren Uebermut zu kühlen. Da betraten sieben arme Mönche, die als Pilger nach dem heiligen Land strebten, den Saal und baten demütig um Imbiß und Nachtquartier.

Dies ist ein historischer Text, welcher nicht geändert wurde, um seine Authentizität nicht zu gefährden. Bitte beachten Sie, dass z. B. technische, wissenschaftliche oder juristische Aussagen überholt sein können. Farbige Bilder sind i. d. R. Beispielbilder oder nachcolorierte Bilder, welche ursprünglich in schwarz/weiß vorlagen. Bei diesen Bildern kann nicht von einer historisch korrekten Farbechtheit ausgegangen werden. Darüber hinaus gibt der Artikel die Sprache seiner Zeit wieder, unabhängig davon, ob diese heute als politisch oder inhaltlich korrekt eingestuft würde. Lokalgeschichte.de gibt die Texte (zu denen i. d. R. auch die Bildunterschriften gehören) unverändert wieder. Das bedeutet jedoch nicht, dass die darin erklärten Aussagen oder Ausdruckweisen von Lokalgeschichte.de inhaltlich geteilt werden.

Der Herzog und seine wilden Zeitgenossen ergriffen aber die frommen Gottesdiener und warfen sie durchs Fenster in den Wallgraben hinab, wo die Unglücklichen ihren Tod fanden. Seither blieben die Blutspuren am äußeren Gemäuer als untilgbares Merkmal dieser Frevelthat haften. So erzählt die Sage.

Im sechzehnten Jahrhundert kam Falkenberg an den Markgrafen Georg von Brandenburg, nach diesem durch verschiedene Hände als Pfandobjekt, bis im Jahr 1581 Kaspar von Pückler die Herrschaft käuflich erwarb. Auf die Pücklers, die das unter ihnen niedergebrannte Schloß neu aufbauen ließen, folgte Weighard v. Promnitz und nach ihm das Geschlecht derer v. Zierotin. Nach dem Aussterben des letzteren traten um 1779 die Grafen Praschma die Erbschaft von Falkenberg an und haben Schloß und Herrschaft noch heute in Händen.

Schloß Falkenberg in Oberschlesien

Der jetzige Besitzer Friedrich Graf Praschma, der sich die Pflege und Erweiterung seines schönen Herrensitzes sehr angelegen sein ließ, unternahm mehrfach größere Umbauten an Schloß und Nebengebäuden und verschönerte auch den Park nach englischem Muster. Leider erlitt der reiche Baumbestand des alten Parks im Jahr 1869 eine starke Einbuße. Aus den Reichenbacher Bergen kommend, brauste eine Windhose verheerend durch ganz Oberschlesien und entwurzelte 2000 der schönsten Bäume des Wildparks im Verlauf weniger Minuten. Schloß Falkenberg, wie es sich noch heute dem Blick des Fremden darbietet, ist ein großer, stattlicher abgeputzter Ziegelbau, der im Quadrat ausgeführt ist. Der das Schloß umgebende Wallgraben ist zum Teil noch erhalten.

Schloß Falkenberg in Oberschlesien

An einem schönen Sommermorgen brachte mich der Wagen des Grafen Schaffgotsch nach Falkenberg. Mein Einzug in den Ort gestaltete sich zu einem kleinen Triumph, der allerdings nicht mir galt, sondern einer Zirkusgesellschaft, die unmittelbar hinter meinem Wagen einherzog und von der hoffnungsvollen Falkenberger Jugend jubelnd begrüßt und begleitet wurde. Leider konnte ich dem großartigen Aufzug, der aus drei Pferden und einem Esel bestand, nicht weiter meine Aufmerksamkeit widmen denn soeben bog mein Wagen in den altertümlichen Schloßhof ein, und ich empfand das Gefühl als ob hinter mir unser zwanzigstes Jahrhundert versänke und vor mir das Mittelalter wiedererstände. Altersgraues Gemäuer umfing mich, dunkle Säulengänge öffneten sich vor meinen Augen, und ich hätte mich nicht gewundert wenn Ritter und Edelknappen gemessenen Schrittes mir entgegengetreten wären. Doch bald wurde meine schwärmerische Phantasie durch das Erscheinen eines sehr neuzeitlichen Lakeien einigermaßen ernüchtert, der mir meldete, daß der Graf, der zur Zeit leidend wäre, seinen Oberförster mit meiner Führung durch Schloß und Park beauftragt hätte. Der Oberförster, ein liebenswürdiger, noch jugendlicher Mann, erwies sich als sehr geschickter Cicerone und zeigte mir die ganze innere Einrichtung des Schlosses, die zumeist den Charakter eines Jagdschlosses in sich trägt. Die langen Korridore schmücken Jagdtrophäen und weidmännische Bilder aller Art.

Graf Praschma mit Familie im Salon des Schlosses Falkenberg

So manches originelle Bild, so manches seltene Stück einer Jagdbeute bekam ich hier zu sehen. Aber besonders schön ist die durch zwei Stockwerke hindurchgehende Schloßkapelle, ein oblonger Raum, dessen halbrunde Wandsäulen dorisches Gepräge aufweisen. Auch der im altdeutschen Stil gehaltene große Speisesaal befriedigt ein kunstverständiges Auge. Dunkles Getäfel, geschnitzte Eichenmöbel geben dem Saal den Anstrich eines altvornehmen Raumes. Für Liebhaber der Heraldik bietet der Speisesaal eine ganz aparte Ueberraschung. Auf den 64 hochlehnigen Lederstühlen zeigen sich die verschiedenen Wappen der 64 Ahnen des gräflich Praschmaschen Hauses geschmackvoll inkrustiert. Nachmittags wurde ich vom Grafen selbst begrüßt, der sich trotz seines Unwohlseins erhoben hatte, um mich auf seinem Schloß willkommen zu heißen. Ich hatte bei dieser Gelegenheit auch das Vergnügen, Zeuge einer sehr hübschen Scene zu sein; eins der Familienmitglieder feierte gerade Geburtstag und war aus diesem Grund Gegenstand einer niedlichen Ovation kleiner Menschenkinder. Unter der Führung frommer Schwestern erschien eine Schar kleiner Jungen aus dem Ort, die soldatisch aufgeputzt, Gedichte hersagten und hierauf militärische Exerzitien vor dem Grafen und seiner Familie ausführten. Ein kleiner Dreikäsehoch fungierte dabei als Kommandeur der Truppe und schien sich seiner hohen Würde und verantwortungsreichen Stellung voll bewußt zu sein.

Dieser Artikel von Chlodwig Graf zu Sayn-Wittgenstein erschien zuerst in Die Woche 47/1902.