Berliner Neubauten 95 – Die Gemeinde-Doppelschule an der Wilms-Strasse

Portalbekrönung des Einganges für Knaben

Architekt: Stadtbaurath Ludwig Hoffmann.

Auf dem städtischen Grundstück an der Wilmsstrasse und der Bärwaldstrasse im südlichen Theil Berlins sollten eine Gemeinde-Doppelschule, ein Lehrer-Wohnhaus mit Lesehalle und eine Volksbade-Anstalt errichtet werden.

Die Aufgabe war schon früher bearbeitet worden. Die Vertheilung der einzelnen Bauten auf dem Grundstück musste auch beibehalten werden, nur das Schulgebäude, welches dicht an der Nachbargrenze angeordnet worden war, wurde 6 m von dieser Grenze abgerückt. Die Grundrissbildung und die architektonische Gestaltung der einzelnen Gebäude sind dann neu bearbeitet worden, der Schulbau und das Lehrer-Wohnhaus wurden kürzlich fertiggestellt, die Volksbade-Anstalt befindet sich noch in der Bauausführung. Der Zugang zum Schul-Gebäude geschieht von der Wilmsstrasse aus durch das Lehrer-Wohnhaus. Dieses enthält im unteren Geschoss die Volks-Lesehalle, darüber die Wohnungen des Schuldieners und des Heizers, in den oberen zwei Geschossen die Wohnungen der beiden Rektoren. Eine ernste und einfache Gestaltung der Fassade entsprach dem Zweck des Gebäudes, die Kennzeichnung desselben als städtischer Bau verlangte eine sehr kräftige Behandlung. Die beiden unteren Geschosse wurden äusserlich zusammengefasst und kommen ohne horizontale Gesimstheilung als derbe Quaderfläche einheitlich zur Erscheinung. Um die Quaderfläche nicht übermässig auseinander zu reissen, wurden die Fugen in einem noch flachen Winkel schräg eingeschnitten. Die unter den Fenstern eingesetzten weichen Profile, sowie die über den Thüren von Professor Otto Lessing ausgeführten, in kleinem Maasstab und figürlich sehr lebhaft behandelten Tafeln sollen gegensätzlich die Quaderfläche ruhig und gross erscheinen lassen, Damit diese Quaderfläche möglichst breit erhalten bleibe und dabei die Fenstertiefen zu voller Wirkung gebracht werden, sind hier keine besonderen Gewändetheile eingesetzt worden, die Quadern reichen vielmehr bis zu den Holztheilen der Fenster, dabei wurden die Quaderfugen 8 cm vorher abgesetzt. Die Fugen sind bei den 39 cm hohen Quadern 11 cm breit und 7 cm tief. Die Quaderflächen erhielten dadurch, dass sie im Steinbruch gespitzt und dann nicht mehr nachgearbeitet wurden ein ungekünsteltes Aussehen; die Tiefe der Fensterlaibungen beträgt 54 cm.

Dies ist ein historischer Text, welcher nicht geändert wurde, um seine Authentizität nicht zu gefährden. Bitte beachten Sie, dass z. B. technische, wissenschaftliche oder juristische Aussagen überholt sein können. Farbige Bilder sind i. d. R. Beispielbilder oder nachcolorierte Bilder, welche ursprünglich in schwarz/weiß vorlagen. Bei diesen Bildern kann nicht von einer historisch korrekten Farbechtheit ausgegangen werden. Darüber hinaus gibt der Artikel die Sprache seiner Zeit wieder, unabhängig davon, ob diese heute als politisch oder inhaltlich korrekt eingestuft würde. Lokalgeschichte.de gibt die Texte (zu denen i. d. R. auch die Bildunterschriften gehören) unverändert wieder. Das bedeutet jedoch nicht, dass die darin erklärten Aussagen oder Ausdruckweisen von Lokalgeschichte.de inhaltlich geteilt werden.

Die beiden oberen Geschosse, welche die zwei Rektorenwohnungen aufnehmen, sind architektonisch etwas mehr betont worden. Sie werden durch eine durchgehende Pfeilerstellung. zusammengefasst, die architektonische Behandlung ist kräftig, die Gliederung.

Portalbekrönung des Einganges für Mädchen
Portalbekrönung des Einganges für Mädchen
Portalbekrönung des Einganges für Knaben
Portalbekrönung des Einganges für Knaben

wurde in Ausladung und Detaillirung derb und dabei einfach gehalten. Das Material, ein Wünschelburger Sandstein, eignet sich seiner grossen Härte und des scharfen Kornes wegen zu rauher Flächenbehandlung, die Struktur dieses Materiales liess bei den kleinsten Plättchen für die beabsichtigte Wirkung einen feineren Maasstab als 18 mm Höhe und 12 mm Vorsprung nicht zu.

Berliner Neubauten 95 - Die Gemeinde-Doppelschule an der Wilms-Strasse
Berliner Neubauten 95 – Die Gemeinde-Doppelschule an der Wilms-Strasse

Während die Fassade des Lehrerwohnhauses, als des an der Strasse gelegenen und nicht ausgedehnten Gebäudes, durchweg aus Sandstein hergestellt werden konnte, geschah bei den am Hofe sich weit ausbreitenden Fassaden des Schulgebäudes die Verwendung des Sandsteines nur an den der Witterung besonders ausgesetzten Fassadentheilen. Bei dem weiten Standpunkt des den Hof Betretenden konnten am Schulgebäude auch die Dachflächen zur Wirkung hinzugezogen werden. Die architektonische Behandlung der Fassaden ist schlicht, der ornamentale und figürliche Schmuck wurde auf die dem Eintretenden nahe sichtbaren Hauptportale beschränkt. Hier sind an den beiden Eingängen zur Knabenschule und zur Mädchenschule die Erfolge oder Misserfolge der alten und der neuen Pädagogik in scherzhafter Weise zur Darstellung gekommen. Die Modelle dazu hat Bildhauer August Vogel in der ihm eigenen überaus feinfühligen und peinlich gewissenhaften Weise angefertigt, ihre Ausführung in Stein geschah durch Bildhauer Hildebrand.

Lehrer-Wohnhaus an der Wilms-Strasse
Lehrer-Wohnhaus an der Wilms-Strasse
Mittelbau des Schulgebäudes
Mittelbau des Schulgebäudes

Auch das Innere des Gebäudes ist sehr einfach behandelt worden. Bei den gewölbten Treppenhäusern und den gewölbten mittleren Korridoren wurden Wirkungen erstrebt, wie sie in einfachen Klostergebäuden der Barockzeit vorkommen. Auch die Schulzimmer sind in bescheidener Weise ausgebildet worden, nur in der Aula hat an den einseitig gut beleuchteten kurzen Wänden Bildhauer Westphal sehr wirkungsvolle Flachreliefs angetragen. Alle Holztheile im Gebäude, die Thüren wie die Schulmöbel erhielten einen blauen Anstrich, letztere wurden noch durch aufgemalte bunte Blumen etwas belebt. Auf den Wänden aufschablonirte kleine Friese nehmen in den verschiedenen Räumen auf die Thätigkeit daselbst Bezug. Bei äusserster Beschränkung in den zu verwendenden Mitteln wurden doch alle Einzelheiten bis zu den einfachsten Schulbänken in natürlicher Grösse im Atelier bearbeitet und an Probestücken festgestellt. Bei der Bearbeitung und Detaillirung der Entwürfe nahmen in technischer Beziehung Stadtbmstr. Matzdorff, sowie in architektonischer Beziehung während der ersten Zeit Archit. Westphalen und später Stadtbmstr. Schneegans Theil, die Bauausführung unterstand dem Stadtbauinsp. Neumann und wurde von Reg.-Bmstr. Spiller geleitet. Die Maurerarbeiten führten Eckert und Dannenberg, die Zimmerarbeiten G. A. L. Schultz & Co. aus. Die Malerarbeiten fertigte M. J. Bodenstein an. An Baukosten wurden beim Schulgebäude für 1 cbm umbauten Raumes etwa 14,50 M., beim Lehrer-Wohnhaus etwa 20,50 M. benöthigt. Die Ausführungszeit betrug zwei Jahre.

Ludwig Hoffmann.

Dieser Artikel erschien zuerst am 02.06.1900 in der Deutsche Bauzeitung.