Verwaltungsgebäude der Invaliditäts- und Alters-Versicherungs-Anstalt Mecklenburg zu Schwerin i. M.

Der Invaliditäts- und Alters-Versicherungs-Anstalt für die beiden Grossherzogthümer Mecklenburg stand bei Beginn ihrer Thätigkeit nur eine Miethswohnung zur Verfügung, die sich jedoch als zu klein erwies, als im Januar 1892 zur Errichtung von Kartendepots geschritten werden musste.

Um dem Platzmangel dauernd überhoben zu sein, wurde deshalb der Entschluss gefasst, für die Anstalt ein eigenes Gebäude zu errichten und zu diesem Zwecke ein Grundstück von 60 zu 54 m Ausdehnung an der Friedrich-Franz-Strasse hierselbst käuflich erworben.

Grundriss

Die dargestellten Grundrisse zeigen die Grösse, Anordnung und Zweckbestimmung der einzelnen Räume der beiden Hauptgeschosse. Längs der Strasse erstreckt sich das die Bureauräume enthaltende Vordergebäude, an welches sich hofwärts vorläuflg ein Flügel anschliesst, der zur Aufbewahrung der gefüllten Quittungskarten dient, Der zweite Flügel soll erst bei hervortretendem Bedürfniss errichtet werden.

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Im Besonderen sei beim Vorderhaus Folgendes bemerkt:

Das Kellergeschoss umschliesst 2 Dienerwohnungen, das Kesselhaus für die Niederdruck-Dampfheizung, sowie die nothwendigen Feuerungsgelasse und Kellerräume. Der Keller ist theils mit I-Trägern, theils mit etwa 2,5 m weit gespannten Kappen überwölbt. Der Fussboden des Erdgeschosses besteht aus Zementestrich mit Linoleumbelag auf Pappunterlage; nur Treppenhaus und Korridore haben Plattenbelag aus roten Sullinger und weissen Solnhofer Sandsteinfliesen erhalten. Die Stufen der Haupttreppe sind aus eben demselben Sollinger Sandstein gearbeitet und liegen an ihrer unteren Seite frei. Die Holzbalkendecke des Erdgeschosses trägt den Pitsch-pine-Fussboden des Obergeschosses, das strassenwärts u. a. den mit einer Holzdecke versehenen Sitzungssaal des Schiedsgerichtes enthält. Die Wände sämmtlicher Räume der beiden Hauptgeschosse sind mit 1,25 m hohen Wandbekleidungen von Holz versehen und im übrigen theils mit Leimfarbe gestrichen, theils (in den Vorstandszimmern) tapeziert. Die massive, zwischen I-Trägern gewölbte Decke des Obergeschosses schliesst dieses gegen das Dachgeschoss ab, zu dem eine hölzerne, in feuersicherem Raume liegende Treppe führt und welches in den mittleren und seitlichen Aufbauten noch 6 grössere, vorerst unbenutzte Räume enthält. Ein Telephonanlage verbindet das im Obergeschoss belegene Sekretariat mit den Arbeitszimmern der einzelnen Abtheilungen und mehre Aufzüge erleichtern den Transport von Akten und Karten zwischen den in beiden Geschossen belegenen Arbeitsräumen der Karten-Abtheilung und der Registratur.

Schnitt nach C-D

Der Kartenflügel besteht aus 4 je 2,20 m lichten hohen Geschossen, von denen je 2 nur durch durchbrochene Platten aus Eisenguss, auf I-Träger gelegt, getrennt werden, um durch den so entstehenden grösseren Luftraum eine bessere Ventilation zu erzielen. Das Dach des Kartenfügels besteht aus ½ Stein starken Kappen, deren Widerlager durch besonders geformte auf den oberen Flanschen des I-Trägers liegende Rollschichten gebildet werden, während auf den unteren Flanschen ein verputzter Einschub aus Gipsdielen gelegt ist. Das Gewölbe ist mit Zementestrich abgeglichen und dieser mit einer 3 cm starken Asphaltschicht überzogen. Von den einzelnen Geschossen ist das I. und III. Obergeschoss unmittelbar von den beiden Hauptgeschossen des Vordergebäudes zugänglich, und eine Treppenanlage und ein Aufzug verbinden die einzelnen Geschosse untereinander.

Decken-Konstruktionen

Zwischen Kartenflügel und Vorderhaus liegen mit seitlichen Verbindungsgängen zu denselben 2 Tresors, in welchen das durch Buchung des Karten-Inhalts gewonnne Ersatzmaterial der Quittungskarten in Form von Listen aufbewahrt werden soll.

Schnitt nach A-B

Die Aufbewahrung der Karten-Originale erfolgt in den Depots auf folgende Weise: Alle Karten einer Person sind in einem aus einem Pappmantel, an dessen innerer Rückenseite sich Papierstreifen zum Anheften befinden, bestehenden Buche vereinigt. Diese Bücher werden wie in Bibliotheken auf offenen Repositorien aufgestellt und in Serien von 10 000 Stück fortlaufend nach dem Eingang numerirt. Zur Auffindung der einzelnen Bücher dient ein Zettel-Register, welches für jeden Versicherten einen Zettel enthält, auf dem Serie und Nummer seines Buches im Depot vermerkt sind. Diese Zettel sind streng alphabetisch, bei gleichem Vor- und Zunamen nach dem Geburtsorte geordnet und in Schränken mit entsprechender Fächereintheilung aufbewahrt. Hat man in diesem Zettel-Register den Namen der betreffenden Person gefunden, so geben die auf dem Zettel vermerkten Signa die zur Auffindung des Buches im Depot erforderliche Auskunft. Durch diese gewählte Aufbewahrungsart ist eine mit bedeutend grösseren Umständen verknüpfte Ordnung der Karten selbst, die eine beständige Platzveränderung im Repositorium mit sich bringen würde, vermieden. Bei der Grössenberechnung des Kartendepots ist die Anzahl der jetzt Versicherten in beiden Mecklenburg auf rd. 200 000 angenommen. Sämmtliche 4 Geschosse enthalten rd. 27 . 7,50 . 4 = 810 Ifd m Repositorien; jedes Repositorium enthält 10 Fächer übereinander, sodass imganzen eine Fachlänge von 8100 m zur Verfügung steht. Die Rückenbreite eines Buches beträgt 1,5 cm, der ganze Flügel fasst also 8100 . 0,015 = rd. 530 000 Bücher.

Der im Erdgeschoss liegende, vom Zimmer der Rechnungs-Abtheilung zugängliche Tresor dient zur Aufbewahrung der Rentenlisten, derjenige im Obergeschoss zur Aufnahme der Kasse.

Verwaltungsgebäude d. Invaliditäts- u. Alterversicherungs-Anstalt zu Schwerin i. M. Architekt Oberbaurath G. Daniel in Schwerin

Im Aeusseren ist das Gebäude in gefugtem Verblendmauerwerk ausgeführt und zwar sind die vorliegenden Flächen in rother, die zurückspringenden Fensternischen in Lederfarbe gehalten. Gesimse und Fensterschrägen sind aus grün glasirten Steinen hergestellt. Die inneren Wandflächen des Kartenflügels sind in gelben Verblendern ausgeführt, um Reparaturen daselbst in Zukunft möglichst zu vermeiden.

Die Kosten des Gebäudes betragen insgesammt 250 000 M., wovon 60 000 auf den Kartenflügel entfallen. Ausserdem wurden für den Grundstückserwerb 25 000 M. gezahlt und die hölzernen Karten-Repositorien erforderten einen Kostenaufwand von 11 000 M. Die Kosten des neuangeschafften Inventars belaufen sich auf 14 000 M., sodass sich die ganze zum Bau erforderliche Summe auf 300 000 M. stellt.

Das Karten-Depot sowie die daran stossenden Arbeitsräume der Karten-Abtheilung sind im April, die übrigen Räume zum 1. Oktober 1893 in Benutzung genommen worden.

G. Daniel

Dieser Artikel erschien zuerst 1894 in der Deutsche Bauzeitung.