Die Kabel der Welt

Die Kabel der Welt

Old-Englands dominierende Stelle im Besitz der internationalen Kabelverbindungen ist sattsam bekannt, und es lebt noch frisch in der Erinnerung, welch energischen Gebrauch Chamberlain von diesem Besitz bei Niederringung der Burenrepubliken zu machen wußte. Inzwischen hat sich aber allen an der Weltpolitik teilnehmenden Nationen die Ueberzeugung aufgedrängt, daß die Schaffung unabhängiger telegraphischer Verbindungen Hand in Hand gehen muß mit dem Aufbau der Flotte. Das bestarmierte Schiff wird zum wertlosen Rüstzeug, wenn nicht die Möglichkeit besieht, ihm von der Heimat aus die erforderlichen Ordres schnell und sicher zukommen zu lassen.

Amerika steht im Begriff, San Francisco über Hawaii mit den Philippinen und Ostasien zu verbinden, ein Werk, durch das die Vereinigten Staaten sowohl in politischer als in merkantiler Beziehung im Stillen Ozean ein wesentliches Uebergewicht über das meerbeherrschende Albion erlangt haben würden. Aber England beugte vor. In aller Stille wurde der alte Plan, Kanada durch ein beide Hemisphären durchziehendes Kabel mit Australien zu verbinden, zur Ausführung vorbereitet. Und heute stehen wir vor der vollendeten Thatsache. Das neue „All-British“ Kabel geht von Vancouver über die Fanninginsel, Fidschiinseln, Norfolkinsel nach Southport in Queensland mit Nebenlinien nach Neuseeland; es berührt also ausschließlich englischen Besitz, und Telegramme von London nach Australien würden niemals eine militärische Zensur zu befürchten haben. Das Kabel mißt 13 438 Kilometer bei einem Kostenaufwand von 40 Millionen Mark.

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Während bisher die Staatsverwaltungen den Bau der großen überseeischen Kabel Privatgesellschaften überließen, hat England mit diesem Grundsatz bei dem Pacifickabel gebrochen, die Kosten sind von England und den beteiligten Kolonien gemeinsam aus dem Staatssäckel gedeckt worden. Die Fertigstellung des Kabels ist ein epochemachendes Ereignis, wird durch dieses doch erst jetzt dem elektrischen Funken zum erstenmal der Weg rund um den Erdball gebahnt.

Mag England auch den Hauptvorteil ernten, zugleich wird das Kabel dem friedlichen Wettstreit der Volker im Weltverkehr dienen und somit der Menschheit zum Segen gereichen.

Wir geben unseren Lesern eine Skizze der zur Zeit vorhandenen unterozeanischen Telegraphenlinen.

Die Kabel der Welt
Die Kabel der Welt

Dem Verkehr zwischen Europa und Nordamerika dienen 15 Kabel, von denen sich 10 in englischem, je 2 in französischem und nordamerikanischem Besitz befinden und nur eins (via Azoren) deutsches Eigentum ist. (Deutsch-Atlantische Telegraphengesellschaft in Köln). Die drei Kabel zwischen Europa bezw. Afrika und Südamerika gehören ebenso wie die beiden Kabel nach Südafrika englischen Gesellschaften. Das gesamte Kabelnetz der Erde berechnet sich auf 371 607 km.

Hiervon entfallen auf

englischen Besitz (einschl. Kolonien)269 871 km
französischen Besitz33 976 km
Vereinigte Staaten von Amerika31 889 km
Deutschland nur14 844 km

Der Rest verteilt sich auf Dänemark, Rußland, Italien u.s.w. Für Deutschlands Unternehmungsgeist bietet der Kabelbau noch ein reiches Arbeitsfeld; aber auch hier gilt es schnell zu handeln, bevor uns wie schon so oft entgegenschallt: zu spät!

Dieser Artikel erschien zuerst in Die Woche 52/1902.