Die Privat-Irrenanstalt „Lindenhof“ zu Neu-Coswig in Sachsen

Architekt: Anton Käppler in Leipzig. Die Privat-Irrenanstalt „Lindenhof“ zu Neu-Coswig wurde von dem Direktor und Besitzer derselben, Hrn. Dr. med. R. H. Pierson, in den Jahren 1891-92 nach den Plänen und unter Oberleitung des Hrn. Arch. Anton Käppler in Leipzig erbaut.

Das Grundstück „Lindenhof“, ein schöner Park von etwa 60 000 qm Flächeninhalt, ist im Elbthale am Fusse der Lössnitzberge, gegen Nord- und Ostwinde durch den Höhenrücken gedeckt, gesund und landschaftlich schön gelegen. Das Gelände steigt von Südwest nach Nordost leicht an. Der Zugang liegt an der Südwest-Seite und dieser sind auch die Hauptfronten der Anstaltsgsbäude zugewendet.

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Der Gesammtanlage wurde das Pavillon- und Villensystem zugrunde gelegt, und bei der Durchbildung angestrebt, der ganzen Anlage einen freundlichen, wohnlichen Charakter zu geben, welcher auf Geist und Gemüth der Pfleglinge, soweit dieselben überhaupt noch empfindungsfähig sind, anheimelnd und beruhigend wirkt, und auch die Kranken besserer Stände die gewohnte, bequeme und elegante Umgebung nicht vermissen lässt.

Gebäude für ruhige Kranke – Gesellschaftshaus – Gebäude für ruhige Kranke

Den Kern der Anlage bildet die am Kopf dargestellte Gruppe von 4 Gebäuden, das Gesellschaftshaus mit 2 Villen für ruhige Kranke und das Wirthschaftsgebäude (Abb. 1). Das Gesellschaftshaus (Abb. 5 u. 6) enthält im Erdgeschoss den gemeinschaftlichen Speisesaal, Billardzimmer, Lesezimmer usw., im Obergeschoss den Festsaal mit Nebenräumen und einer Bühne. Der Festsaal dient zugleich als Betsaal.

Die beiden Villen (Abb. 8 u. 9) sind mit dem Gesellschaftshause durch heizbare Gänge verbunden und enthalten Einzelzimmer für die Pfleglinge, welche nach Bedarf auch gruppenweise benutzt werden können.

Das Wirthschaftsgebäude (Abb. 3 u. 4) enthält im Erdgeschoss die Koch- und die Waschküche mit Nebenräumen, beide mit Dampfbetrieb, im Obergeschoss das Wäschedepot und Dienstwohnungen, darüber einen grossen Wäschetrockenboden. Auch das Wirthschaftsgebäude ist mit dem Gesellschaftshause durch einen überbauten Gang verbunden. Ueber dem Wirthschaftsgebäude erhebt sich der Wasserthurm. Links und rechts hinter dieser Mittelgruppe liegen die beiden Isolirgebäude für unruhige Frauen und Männer (Abb. 10 u. 11). In diesen beiden Villen gruppiren sich die Krankenzimmer in jedem Geschosse um einen Tageraum. Die Isolirzellen für Tobsüchtige sind in einem Anbau im Erdgeschoss untergebracht. An diesen Anbau schliesst sich bei jeder Villa ein besonders abgeschlossener Isoliergarten (s. den Lageplan Abb. 2).

Abbildg. 2 – Lageplan

Vor der Mittelgruppe sind links und rechts je eine Villa für halbruhige Kranke geplant (Abb. 7), welche auch die Abtheilungen für Beobachtung neu aufgenommener Kranken enthalten sollen.

An der Süd- und Ostseite des Grundstücks, in der Queraxe der Mittelgruppe liegen, um einen Wirthschaftshof gruppirt, Stallgebäude, Remisen, sowie das Maschinen- und Kesselhaus. Die letztgenannten Gebäude wurden an dieser Seite errichtet, damit bei der herrschenden Windrichtung aus Südwest Rauch, Stalldunst usw. vom Anstalts-Grundstück hinweggeführt werden,

Die Privat-Irrenanstalt Lindenhof zu Neu-Coswig in Sachsen – Abbildg. 3 – 11

Der Haupteingang führt durch das Empfangs-Gebäude; dasselbe enthält im Erdgeschoss einige Warteräume für Besucher, Portierzinmer, Expedition und Telephonzimmer, im Obergeschoss die Wohnung für einen verheiratheten Arzt. Die Wohnungen für unverheirathete Aerzte sind auf die Kranken-Villen vertheilt. Im Vordergrunde, rechts vom Haupteingange, steht die Villa des Besitzers und Direktors. An der Nordwestseite des Grundstücks liegt der Gemüsegarten mit den Gewächshäusern. Die Anstalt hat zentrale Wasserversorgung, Zentralheizung und elektrische Beleuchtung, welche von den Firmen Mennicke-Dresden, Rietschel und Henneberg-Dresden und Schuckert & Co.-Leipzig ausgeführt wurden. General-Unternehmer für die Bauarbeiten waren die Hrn. Bernhard und Moritz Grosse in Kötzschenbroda. Der gesammte maschinelle Betrieb erfolgt vom Maschinen- und Kesselhause aus. Die Hauptleitungen liegen in einem begehbaren gemauerten, unterirdischen Kanal und sind von diesem aus nach den einzelnen Gebäuden abgezweigt.

Zur Belustigung und Unterhaltung der Pfleglinge sind im Park Kegelbahn, Spielplätze, Pavillons usw. errichtet. Das gesammte Anstaltsgelände ist von einer massiven Mauer umgeben.

Nach den bisher gemachten Erfahrungen kann die Anlage als eine in jeder Hinsicht vorzüglich gelungene bezeichnet werden; auch die technischen und maschinellen Einrichtungen haben sich bis jetzt gut bewährt.

Dieser Artikel erschien zuerst 1894 in der Deutsche Bauzeitung.