Ein Konzert bei Richelieu

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Als Richelieu, der achtzehn Jahre lang als der allmächtige Premierminister des schwachen und unfähigen Ludwig XIII. Frankreich beherrscht halte, im Sterben lag und sein Beichtvater ihn aufforderte, seinen Feinden zu verzeihen, antwortete der große Staatsmann: „Ich habe nie andere Feinde gehabt, als die Feinde des Staates und des Königs!“

Und wirklich hatte Richelieu von Anbeginn seines politischen Wirkens an seine Person in so innige Verbindung mit dem Königthum gebracht, daß er auch da, wo er seine persönlichen Interessen förderte, das Hauptziel seiner Politik: die Erhebung der Monarchie in Frankreich über jeden besonderen Willen und die Ausbreitung der Autorität Frankreichs über ganz Europa nie aus den Augen ließ. Sein Auftreten war ein glanzvolles; seine Schlösser und Paläste, seine Dienerschaft, seine Mahlzeiten, die prunkvolle Ausstattung seiner Wohnräume – Alles verrieth den mächtigen und reichen Mann, der die Geschicke des Landes in seiner Hand hielt. Diesem anspruchsvollen Auftreten lag jedoch keineswegs nur Selbstsucht oder Hoffahrt zu Grunde, vielmehr wollte Richelieu in erster Linie der Macht Frankreichs dadurch auch äußerlich einen imponirenden Ausdruck geben und dem Königshof im Louvre, dessen Prachtentfaltung ihm nicht königlich genug erschien, ergänzend zur Seite treten. In Paris ließ er zuerst das Palais Petit Luxembourg und dann durch Lemercier das Palais Kardinal, später Palais Royal genannt, erbauen, am liebsten jedoch hielt er in dem nahegelegenen Dorfe Ruel Hof, wo er einen weitläufigen Palast mit Parkanlagen, Gärten und Wasserkünsten hätte aufführen lassen.

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Dort verkehrte er mit geistreichen und gelehrten Männern, huldigte seiner Vorliebe für die Kunst, namentlich für die dramatische Poesie, und lauschte den Vorträgen seiner Kapelle, in der die ausgezeichnetsten Musiker und Sänger vertreten waren. – Das vorzügliche historische Genrebild von J. Leisten, dessen Holzschnittnachbildung unsere Leser auf S. 164 u. 165 finden, stellt ein solches Konzert bei Richelieu dar. Von einer Zimmerorgel begleitet, die ein bärtiger Ordensbruder spielt, läßt ein Männerchor sich vernehmen, zu dem als Solostimme augenscheinlich die der gerade vortretenden reizenden Sängerin hinzutreten soll. Die Umgebung des Kardinals bilden außer dem neben dem spielenden Mönche stehenden Pater Joseph, der gefürchteten „grauen Eminenz“, verschiedene hohe weltliche und geistliche Würdenträger und schöne Damen, die er nicht weniger wie die Männer geschickt für politische Zwecke zu benutzen verstand. Er selbst ruht, anscheinend schwach und gebrochen, in seinem Lehnstuhl, doch erfuhren es seine Gegner oft genug, daß er, wenn das Staatsinteresse es verlangte, plötzlich Krankheit und Schwäche von sich abschüttelte um ihre Ränke zu durchkreuzen. Der Maler hat die hohe geistige und staatsmännische Bedeutung Richelieus so trefflich in seinem Aeußeren zum Ausdruck zu bringen verstanden, daß seine Gestalt den Mittelpunkt des figurenreichen Gemäldes bildet, und das Auge des Beschauers immer wieder zu ihr zurückkehrt.

Dieser Artikel erschien zuerst in Heft 7/1890 des Das Buch für Alle.