IX. Feste

An Festen hatte Köln vor fünfzig Jahren keinen Mangel.

Die wichtigsten waren, selbstredend, die religiösen, die “hohen Tage” des Jahres, wie der Kölner sie bezeichnend nannte, und die er mit urherkömmlicher Gewissenhaftigkeit beging.

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Neujahrstag / Bälle / Jlöksillig Neujohr!

Neben den Kirchenfesten und den so genannten Andachten, für welche bei den Bürgern gesammelt wird, die Opferbüchse herumgeht, wurden der Neujahrstag, die Fastnacht, die Kirchweihfeste und die Namenstage in allen Familien, bei Vornehmen, wie in der Mittelclasse, als wahre Familienfeste gefeiert – die Familie, der eigene Heerd hatten noch ihre heilige Bedeutung. Die Glückwünsche zum “glückseligen Neujahr”, zu den “glückseligen Feiertagen” und zu den Namensfesten zu vergessen, hätte der Kölner für eine Sünde gehalten. In jeder Familie führt ein Mitglied einen förmlichen Terminkalender über die Namenstage in der Familie und Freundschaft, und wehe! wehe! wurde einer derselben versäumt oder vergessen, – nicht selten Ursache des bittersten Familienhaders. In der St.-Sylvester-Nacht vom letzten December auf den ersten Januar knatterten an allen Enden der Stadt Flinten- und Pistolenschüsse, an einzelnen Häusern tönten Ständchen, während in den Weinschenken und Bierhäusern um Neujahrs-Bretzeln gekartet und mit dem herzlichsten Jubel das Neujahr begrüßt wurde, tönte von den Thürmen die zwölfte Stunde den Scheidegruß des alten.

Die vornehmen Classen hatten ihre Bälle, ihre Redouten, doch sollen unsere Großmütter, unsere Mütter nicht darin gewetteifert haben, wo möglich fast im paradiesischen Urzustande unserer Urmutter Eva zu erscheinen. Zucht und Schaam walteten bei solchen Tanzfesten als die jungfräuliche Unschuld schützenden Genien; echt weibliche Züchtigkeit war der Frauen und Jungfrauen schönster und reizendster Schmuck, und die Balltoiletten, wie ich mir sagen ließ, möglichst einfach, es genügte ein schlichtes seidenes oder Mullkleid.

Welche Anstrengungen wurden nicht gemacht, was wurde nicht aufgeboten, einander das Neujahr abzugewinnen? Jede nur denkbare List wandte man an, selbst die Kirche wurde dazu benutzt, der glückliche Gewinner zu sein. Die ganze Stadt war am Neujahrs-Morgen in fieberhafter Aufregung. Es war ein wirkliches Neujahrsfest, der altherkömmliche Wunsch: “jlöksillig Neujohr!” tönte auf der Straße und in den Häusern, hatte noch seine volle Pietät, war nicht bloß leere Formel. Auf das “Jlöksillig Neujohr” antwortet gar oft das: “Göv Jott et wöhr wohr!” Und wer schildert die Freude, überlistete man einen Bekannten und gewann ihm das Neujahr ab? An solchem Jubel nahmen die Herzen noch Theil. Uebergroß war die Freude an den einfachen Neujahrsspenden, den Herzen aus Mürbe, oder aus anderem Teig, buntverziert, mit den gedruckten Neujahrswünschen beklebt, den riesengroßen Bretzeln, mit welchen wir Kinder uns herumschleppten, hatten wir dem “Patt” und der “Jott” und allen Familienmitgliedern das “jlöksillig Neujohr” gewünscht. Welche Kunstwunder waren für uns Kinder die pariser und nürnberger beweglichen Neujahrswünsche mit ihren Attrapen, wie sie von Weihnachten bis zum 21. Januar, dem Tage der heiligen Agnes, so lange nämlich galten noch die Neujahrswünsche, bei den wenigen Bilderhändlern ausgehängt waren.

Bei Bäckern, Brauern, in den Specereihandlungen erhielten die Dienstleute ihr Neujahr, und jeder, der zu irgend einer Familie in dienstlicher Beziehung stand, wurde mit einem “Neujöhrchen” bedacht. Die “Neujohrsplaetz” vom Bäcker, welche Delicatesse für Jung und Alt in den Bürgerhaushaltungen!

Rechnungen zu Neujahr waren im Allgemeinen, besonders in der Mittelclasse, etwas Unerhörtes, ausgenommen vom Doctor und aus der Apotheke. Was sonst gekauft, vom Handwerker gemacht wurde, ward auch baar bezahlt. Der echte Kölner sah in einer Rechnung, einem Laus Deo, wie er sagte, einen “Afjrunt” (affront), wirklich etwas Entehrendes.

Der Abend des Neujahrstages war in den Bierhäusern ein Festabend. Die so genannten Stammgäste erhielten entweder eine Citrone oder eine Muscatnuß als Geschenk zum Bier, auch wohl eine irdene Pfeife und Tabak, wofür dem Burschen oder Zapfjungen ein Neujahr gegeben wurde. Auch die Weinwirthe regalirten ihre Gäste; es gab gewöhnlich ein Tractamentchen, wobei, nach altherkömmlicher Sitte, tüchtig aufgetischt und das beste Fäßchen im Keller auch nicht geschont wurde.

Fastnacht

Nach dem Neujahrstag kam die Fastnacht, der “Fastelovend”, ein Volksfest so alt, wie die Stadt, denn es ist sicher, daß dasselbe römischen Ursprungs. Der Mummenschanz oder die Mummerei hatte aber schon im Mittelalter den Vätern der Stadt viel Kopfbrechens gemacht und mancherlei Verbote des “Vermombens, Verstuppens und Vermachens”, wie der Schwerter- und Reifentänze hervorgerufen (1), die im siebenzehnten Jahrhunderte wiederholt wurden, denn vom Jahre 1601 bis 1681 haben wir wiederholte Verordnungen, welche “die Mummerey und Heidnische Tobung” verbieten.

In einer Bestimmung des Raths über die Fastnachtsfeier des Jahres 1487 heißt es: “Datt sich Niemantz binnen Ire Stede vermome, verstuppe oder vermache bei tage oder bei nachte, ind so vermombtt, verstupptt oder vermacht oeuer die straße ghan noch ryde oder sich also finden laße. Ind datt noch nymandtz vome Iren Burgiren, Burgerßen oder Ingeseßen einige Momen einlaße up die boiße von x mark koelsch.” – Dasselbe Verbot untersagt aufs strengste die damals als Fastnachtsspiele beliebten “Schwert- und Reifentänze”.

Karneval in Köln – der große Faschingsumzug am Rosenmontag auf dem Neumarkt im Jahr 1900

Bellejeck

Die neue französische Verwaltung hatte am 12. Hornung 1795 auch die Fastnachtfeier untersagt, was auch noch im folgenden Jahre geschah, bis sie am 7. Pluviose des Jahres XII. wieder erlaubt wurde. Der Commandant ertheilte auch dem “Citoyen Bellejeck”, dem Schellennarr, wie der Reimsprecher der Bauerbänke hieß, der in Begleitung von ein paar Geigen und Baßgeigen als mittelalterlicher Mummenschanz, Pritschmeister am Weiberfastnacht von Haus zu Haus zog – die Erlaubniß “de faire son tour”.

Mötzebestot oder Weiberfastnacht

Am Morgen des Donnerstags vor Fastnacht-Sonntag, der Weiberfastnacht, spukte toller Unfug in den Straßen. Mit dem Rufe: “Mötzenbestöt!” riß man sich unter einander Mützen und Hüte ab. Am tollsten war dies Treiben auf dem Altenmarkte unter den Gemüseweibern, den Vorkäuferinnen und den Bauern, oft ein wahrer Mänaden-Tanz. Der Bellejeck hielt seine Runde, sagte seine Reime her, sang seine alten Weisen und sammelte sich ein Scherflein an milden Spenden, die ihm in den Apfel gesteckt wurden, welchen er in der Linken trug, während die Rechte die Pritsche handhabte. Die kleinen Mädchen zogen truppenweise durch die Straßen und sangen:

“Fastelovend kütt eran,
Spille mer op der Büsse,
Alle Maedcher krigen ‘ne Mann,
Ich un och mi Söster.”

Oder sie jubelten:

“Aennche, Susaennche,
Wat haess do en dingem Kaennche,
Rude Wing of wisse Wing?
Morge salls do Bruk sinn.”

Vorbereitung

In allen Bürgerhäusern die rührigste Thätigkeit. Die Woche vor Fastnacht ist eine allgemeine Scheuerwoche, vom Keller bis zum Speicher wird in den Häusern gefegt.

Muze

Nach der Schwierigkeit wird geschmort und gebacken, denn auch beim geringsten Bürger wird es nicht vergessen, das kölnische Fastnachtgericht, die “Muzen” (2), zu bereiten, ganz dünn gerollte süße Mehlkuchen, die in Butter geschmort werden, dann “Muze-Maendelcher”, “Krabben”, die süddeutschen Faschings-Krapfen, trockene und nasse Waffeln.

Muzen, ein Name, der nur in Köln vorkommt, desselben Stammes, wie Matze.

Ganze Körbe dieser Herrlichkeiten wurden fabricirt und in dem Heiligthume des Hauses, auf dem so genannten Saale für die Festtage aufbewahrt. Wie oft habe ich meine Mutter bei dieser Gelegenheit über die theuren Preise der Eier lamentiren hören, wenn sie vielleicht acht oder zehn Stüber, vier Silbergroschen das Viertel kosteten. “Et wor nitt op un bei zo brengen!”

Am Montage, dem Rohsenmontage, begann der Mummenschanz. Einzelne Masken zogen neckend durch die Straßen, von den Kindern mit dem Geschrei: “Do jeit jett! do steit jett!” verfolgt. Charakteristisch waren die so genannten “Rummelspöt”.

Ueber einen Topf spannte man eine nasse Schweinsblase, in deren Mitte ein Stück Schilfrohr angebracht war, an welchem man mit der Hand auf- und niederfuhr, wodurch ein dumpfes Geräusch, ein Gebrumme entstand. Alte

Fastnachtlieder mit höchst originellen Weisen:

“Hansjörjelche sühs do nitt,
Datt Vujelchen dat weld sterve,
Hev imm ens dat Staezche op,
Dat Staezchen op, dat Staezchen op, dat Staezchen op,
Un blös im en et Kervche!”

Oder:

“O Moder, de Vinke sin dud,
Sei fresse Kei Jrummelebe Brud,
Haett ehr dae Vinke zo fresse gejeven
Dahn waeren de Vinken am Leve gebleven!”

klangen an allen Enden.

Bände

Aufsehen erregten die größeren Masken-Gesellschaften, die so genannten “Bände” (3), Gesellschaften, welche auf den Straßen und in den Häusern in dramatischen Vorstellungen die im Laufe des Jahres vorgekommenen Stadtlächerlichkeiten geißelten, und gar oft so weit gingen, einzelne Persönlichkeiten portraittreu zu copiren.

Band – Verein zu einem bestimmten Zwecke, das engl. “a band”. Im Schriftdeutschen wird das Wort “Bande” jetzt nur in verächtlichem Sinne gebraucht, so Räuber-Bande, Komödianten-Bande u.s.w.

Ein berühmter Musaget dieser Stadt-Dramen war in der Zeit, von der wir reden, ein Herr Hoffmann, städtischer Beamter, dessen Laune und Humor als eben so originel, als unerschöpflich geschildert ward.

An den Fastnachttagen zeichnete sich die Bürgerschaft in allen Classen durch ihre Gastlichleit aus. In der allgemeinen Freude bildete die Stadt gleichsam eine Familie. In den größeren reicheren Familien gingen an den drei Tagen die “Tractamente” bei den Hauptzweigen um; aber auch der Kleinbürger that sich zu Hause mit den Seinigen ein ungewöhnliches Bene. Daß bei diesen Gelegenheiten mitunter des Guten zu viel gethan wurde, wird Niemanden auffallen. Man erzählte mir sogar, daß in einem däftigen Bürgerhause meiner Nachbarschaft, die Gäste in einem Korbe am Seile des Gringkopfes heruntergelassen wurden, weil die Enge der Treppe mit ihrem Zustande nicht in Einklang gebracht werden konnte.

An Bällen und Tanzvergnügen war auch kein Mangel. Jede Bürgerclasse hatte die ihrigen, so bei Ehl auf dem Domhofe, im alten und im neuen Kuhberge, und eben nicht viel Erbauliches habe ich mir von dem Schlußballe der Feier, der am Aschermittwoche bei Rodius in der Schmierstraße gehalten wurde, erzählen lassen. Der Besuch des Theaters mit seinen damals so beliebten Quodlibets: “Scherz und Ernst” war in den Fastnachtstagen für die Mittelclasse eine so genannte “Rente”.

Am Aschermittwoche holte sich Jeder sein Aschenkreuz. Gegen Mittag tummelten sich die Bäckerburschen mit weißbehangenen Schüsseln, mit warmen “fosche” Schößchen, eine Art Semmel, in den Straßen umher, dieselben ihren Kunden zu bringen, da, nach uraltem Brauche, in den kölnischen Familien am Aschermittwoche warme Schößchen zu Mittag gespeis’t und sonst bis zum Abende gefastet wurde. Das Abendessen bestand in vielen Familien an diesem Tage aus Sauerkraut und Häringen.

Fastnacht-Begraben

Nach altem Festgebrauche, der sich übrigens noch im südlichen Deutschland und selbst in Griechenland erhalten hat, wurde am Aschermittwoch die Fastnacht begraben. Mit förmlichem Leichengeleite trug man eine Puppe auf einer Bahre durch die Stadt und verbrannte dieselbe auf einem Platze. In einzelnen Gegenden Oesterreichs vertritt eine Baßgeige ohne Saiten die Puppe.

Die Feier im Jahre 1812

Noch steht diese Feier aus dem Jahre 1812 lebendig vor meiner Seele. In Köln und der Umgegend lagen die verschiedenen Regimenter der kaiserlichen Garde, Cuirassiere, Carabiniers und Dragoner, die Blüthe der Reiterei des napoleonischen Heeres, des Befehls gewärtig, nach Rußland aufzubrechen. Eine Abtheilung dieser stattlichen Panzerreiter veranstaltete 1812 eine pomphafte Begräbnißfeier der Fastnacht. Das Trompetercorps in seinen weißen weiten Mänteln, die Mann und Roß umhüllten, von den blitzenden Helmen wallte der Trauerflor, ritt der Bahre voran, die von einer Abtheilung trauertragender Reiter umgeben war, selbst die silbernen Pauken waren in Trauerflor gehüllt, und dumpf tönte der Trauermarsch vor dem in ernster Stille durch die Straßen nach dem Neumarkte ziehenden Leichenzuge. Ihr Fastnachtspiel war den lebenskräftigen Männern, mit spärlichen Ausnahmen, ein verhängnißvolles Vorspiel ihrer Todtenfeier in Rußlands eisigen Gefilden; sie begruben hier das Kriegsglück der Gottesgeißel des neunzehnten Jahrhunderts.

Fest zur Feier der Geburt des Königs von Rom

Diese Feier ruft mir ein allgemeines Bürgerfest in die Erinnerung, welches die Stadt am 9. Juni 1811 zur Feier der Geburt des Königs von Rom beging. So etwas war nie dagewesen. Am Vorabende das Glockengeläute, das Donnern der auf dem Domhofe aufgestellten Kanonen und Stadtböller – und nun die Erwartung, die uns nicht schlafen ließ. Aus dem Dome ging der Festzug, eröffnet von dem “Jecken Baehnchen” (4), dem Fähnrich und Führer, den Heiligen-Knechten und Heiligen-Mädchen, Trommel und Pfeifen, welche den alten kölnischen National-Marsch spielten:

“Zum Zerum, zerum Zafferohn,
Der Puckel en Papeer jedohn,
Zum Zirewidewit, zum zirewidewit
Zum Zerum, zerum Zafferohn!”

Jecken Baehnchen, wahrscheinlich ein Familien-Name. Der bunt in die Stadtfarben gekleidete Volksnarr mit Schild und hölzernem Säbel tanzte früher in gewissen Processionen vor dem Venerabile. Anspielung auf König David vor der Bundeslade.

Und nun das künstliche Fahnenschwenken, die Sprünge des Jecken Baehnchen und die Tänze der Heiligen-Knechte und Heiligen-Mädchen, an die sich die Vorsteher der Bauerbänke, die Bauermeister in ihrem uralten Costüme schlossen. Den Schülern der Secundär-Schule folgten die Steinmetzen, Zimmerleute mit geschmückten Werk-Insignien, und nun hoch zu Roß ein Ritter in voller Rüstung, mit wallendem Helmbusche, das alte, mächtige Stadtbanner tragend, das zwei Lanzenträger unterstützen mußten. Dann die Zünfte mit ihren Fahnen und Insignien, der Triumphwagen Napoleon’s mit seiner Büste, umgeben von alle gorischen und Göttergestalten, den zehn so genannten Rosenbräuten, die am weißen Sonntag des Jahres 1810 zur Erinnerung an die Vermählungsfeier des Kaisers mit der Erzherzogin Maria Louise mit Invaliden getraut worden waren. Dies alles unter schallender Musik, dem Paulenwirbel und Trompetengeschmetter, dem Klange der Glocken dahinziehend, war für Alt und Jung etwas Unerhörtes, in der Stadt nie Gesehenes, uns Kindern unvergeßlich. Gastereien, Vollsspiele, Mastklettern, Feuerwerke und Tanzvergnügen, die sich auch am folgenden Sonntage wiederholten, bildeten den Schluß des Festes.

Osterfest / Poschdag

Das nächste Fest war Ostern, kölnisch Pösche, enen huhen Dag. Die Römerfahrt am Palmsonntage, an dem sich jeder Bürger, jede Haushaltung mit dem geweihten Palm versah, der Besuch der Kirchen, wo das heilige Grab gebaut, in feierlicher Procession, welcher auch von einzelnen Gruppen in den letzten Tagen der heiligen Woche bei Tag und Nacht unter stillem Gebete fortgesetzt wurde.

Ernst und würdevoll war die Kirchenfeier der heiligen Woche.

Judas-Verbrennen

Uns Kindern in der Dompfarre war das Verbrennen des Judas, wie wir sagten, am Grimendonnerstage im Domchore ein großartiges Schauspiel. Von der Decke hing ein Bündel Werg, in welchem einige Schwärmer verborgen, und dies wurde mit der Osterkerze angezündet. Wir ermangelten auch nie, in der Nachbarschaft Brennmaterialien zu sammeln, um am Charfreitage, an welchem die Schnarren und Klappern die Glocken vertraten, in den Straßen den Judas zu verbrennen.

In allen Haushaltungen wurde der Indas ausgefegt, vom Speicher bis zum Keller geputzt und gewaschen, besonders das Kupfer und Zinn gescheuert, und die Wohnstuben “jewiss”, d. h. weiß getüncht. Schneider und Schuster waren in der größten Thätigkeit, denn um Ostern und Pfingsten gab es, nach altem Brauche, für Alt und Jung etwas Neues, und war es auch nur ein paar Schuhe.

Ostereier

Am Ostersamstage färbte man allenthalben die “Poscheier”, wie man die Ostereier nannte, mit welchen man sich am Ostertage unter einander beschenkte. Die buntbemalten, mit allerlei Sprüchen beschriebenen Ostereier wurden von uns Kindern als wahre Kunstwerke bestaunt.

Nach Anhörung der Messe am Ostersonntage, hielt man den feierlichen Rundgang, um in der Familie und Freundschaft einen “jlöcksillige Pöschtag un noch vil Folgen, Allelujah!” zu wünschen, wobei es für die Kinder nie an Geschenken von Ostereiern fehlte. Beim Mittagessen wurden von dem Hausvater oder der Hausmutter alle Speisen vermittels eines Büschels geweihten Buchses, Palm genannt, mit Weihwasser besprengt, und das Schlußgericht bildeten die gefärbten Ostereier. Die Osterfeier dauerte, wie alle Hauptfeste, Sonntag, Montag und Dinstag.

Wo nur eine Apeltif ihren Kram aufgeschlagen, an allen Ecken und Enden der Stadt, sah man Knaben-Gruppen mit dem Eierspiele, kölnisch: “Kippen” beschäftigt, und mit welcher Emsiglkeit? Die Spieler suchen einander die Spitzen der Eier einzuschlagen, “Spéz” oder “Aasch”, der sie einschlägt, gewinnt das Ei des anderen. Sind die Spitzen eingeschlagen, nimmt man auch die Seiten, man “huddelt”. Die armen Magen der Knaben! Ich entsinne mich noch, daß sich ein Bäckerlehrling in meiner Nachbarschaft an hartgesottenen Eiern zu Tod aß.

Gottestrag

Vierzehn Tage nach Ostern begann die kölnische Gottestrag, eine Art Messe. Meist Kuchenladen, dann für uns Kinder die größten Schauseligkeiten in den Bilder-Boutiken der Italiener, in dem bunten Kram des Vingt-cinq sous! Altherkömmlich waren die holländischen Waffelbuden, deren Gebäck das gewöhnliche Meßgeschenk der Kinder war. Wunder hörte ich, erzählte meine Großmutter, wie in reichsstädtischer Zeit am Montage nach dem zweiten Sonntage nach Ostern vom Rathhausthurme die “Freiheit” ausgeblasen, für die fremden Kaufleute und Krämer das Recht der freien Handthierung begonnen, aller Zunftzwang denselben gegenüber aufgehört, und sogar die Bauern ihr Brod feil bieten durften, woher die “Landweck” um diese Zeit der Freiheit in den Straßen feilgeboten werden durften. Die Schilderungen der am Freitage darauf Statt findenden Gottestrag, der feierlichen Procession, an der die gesammte Geistlichkeit, die verschiedenen Mönchsorden, das Domcapitel, Bürgermeister und Senat, alle Zünfte, sämmtliche Pfarreien und Schulen Theil nahmen und die gesammten Domschätze zur Schau getragen wurden, wofür die Stadt sich verbürgen mußte, überboten in ihrer Pracht und Herrlichkeit alle unsere Vorstellungen. Man zog um den ganzen äußeren Stadtbering, so daß sich die Kinder ordentlich mit Mundvorrath in ihren Netzen versahen. Mit welcher Andacht habe ich oft die Abbildung derselben auf dem Hollar’schen Prospecte der Stadt bewundert. Erzbischof Theodorich von Meurs (1414 – 1463), sette am 22. April 1423 auf einer Synode diese Gottestrag – Theophoria – ein, der Hussiten-Kriege wegen.

Ein allgemeines Necken unter allen Ständen brachte der erste April mit sich, das so genannte “in den April schicken”, einander zum Besten halten, wobei oft die tollsten Einfälle aufgetischt wurden. Hatte sich Jemand anführen lassen, dann spottete man ihn aus mit dem Rufe: “Aprels-Jeek! Aprels-Jeck!”

Pfingsten

Zu Pfingsten, mit seinen Pfingst-Bretzeln, wurden auch die Feiertage in der Familie und Freundschaft angewünscht, dann auch wohl Ausflüge in die nächste Nachbarschaft gemacht, aber höchstens bis nach Brühl in den Park, nach Bensberg in den Wald, oder auch wohl nach Altenberg, dies nur von den Herrschaften; der gewöhnliche Bürger begnügte sich mit einem Spazirgange durchs Feld. Die Laden-Vorsteherinnen und die Ladenmädchen hatten an den drei hohen Sonntagen zu Ostern, Pfingsten und Weihnachten frei, alle Laden in der ganzen Stadt waren geschlossen. An den hohen Tagen spulte, nach der Meinung unserer Mütter, der Teufel in den Häusern, weßhalb es an denselben häufig bei Mafrauen und Mijuffern kein “jod Wedder es.”

Kirmessen

Pfingstmontag brachte das erste Kirchweihfest, die erste Kirmeß, “Quirinus-Kirmess” in St. Gereon, welche sich nun in den einzelnen Pfarren bis zur Kirmeß in der Kirche Maria in der Kupfergasse, der letzten im September, folgten. Allgemeine Bürgerfeste, dann geht’s hoch her bei Reich und Arm, aber stets im vollen Familienkreise gefeiert. Welcher Kölner kennt nicht De Noél’s humoristisches Volkslied: “Alaaf de Kölsche Kirmesse” mit seiner originellen Singweise?

Vor der Kirmeß wird in jedem Hause Scheuerfest gehalten; in den den Thoren zugelegenen Straßen frischt dann jeder Bürger seinen Giebel mit Tünche auf.

Beiern

Das Kirmeßläuten, das so genannte “Beiern”, verkündet den Pfarrgenossen am Samstag-Abende das langersehnte Fest, mit welchem in allen Häusern die Freude, die Lust einzieht. In jeder Pfarre hat das Kirmeßgeläute seinen eigenen Rythmus, so sangen wir Kinder, beierte es in Groß-St.-Martin:

“Stink Linkjass haett Kirmess!”

In vielen Kirchen klang es:

“Minge Dume, minge Finger, mingen Ellenbogen,
Wer mich lev haett, es mi Sehwöger!”

Die Glocken sangen in St. Andreas, zur Rübstiels-Kirmeß, zur Kirchweihe ladend:

“Zint Andres, Zint Andres, Zint Andres es ene jode Mann,
Hae jitt, watt hae no jeve kann,
Un wann hae selver nix en haett,
Dann jitt hae auch keinem andere jett!”

In St. Johann Baptist beierte es:

“Spulmannsjass, do Rackerpack,
Haett Flüh em Sack!
Haett Lüss em Sack!”

Und in der Elend-Kirche, zur Knöchelches-Kirmeß, tönten die Glocken:

“Dudekop, wat solle mer koche?
Labberdon met Aehdaeppel!”

Ohne Beiern keine Kirmeß, daher die Dom-Kirmeß unbeachtet. Im Dome wurde nur einmal, so viel ich mich erinnere, gebeiert, um Mitternacht des 30. März 1814, als die Kunde des Einzugs der Verbündeten in Paris nach Köln kam. Man läutete die Zeit der Schmach der Fremdherrschaft zu Grabe, und grüßte mit feierlichem Glockenklange eine neue Zeit der Verheißung.

Straßenschmuck

Wir Kinder sammelten schon ein Halbjahr vorher in der ganzen Nachbarschaft, bei Verwandten und Bekannten die ausgeblasenen Eierschalen zur Anfertigung der Kronen und Sterne, die aus buntem Papier, Guirlanden von Taxus und Eierschalen, Pfeifenstielen, Glasstreifen gemacht, mit Fähnlein aus Klappergold verziert und mit der Inschrift: “Vivat uns Kirmess!” geschmückt, quer über die Straßen aufgehängt wurden. Welch’ eine Freude! welch’ ein Jubel! an welchem die Kinder nicht allein, auch die Alten herzlichen Theil nahmen.

In den außerhalb der Altstadt gelegenen Vierteln, besonders in den Bauerbänken wurden, außer den Sternen und Kronen, die weißgetünchten Giebel der Häuser mit frischen Maien und blühenden Sonnenblumen oft bis unter das Dach geschmückt.

Fänndrich un Föhrer

Lustig schallte das Gebeier, Fähnrich und Führer zogen hier durch die Pfarre, um beim Herrn Pastor, den Caplänen, den Bauermeistern und den Kirchmeistern ‚et Faenndel” zu schwenken.

Unter Begleitung der Trommel und Pfeifen schwenkte der Fähnrich sein Fändel mit kurzem Stiele, bald um den Kopf, um den Leib, zwischen den Beinen durch in allen nur denkbaren, uns Kindern unbegreiflichen Evolutionen. Dem also Geehrten wurde unter feierlichem Reimspruch ein Glas Wein überreicht und eine Schnitte frisch abgeschnittenen Kirmeß-Wecks, wofür das herkömmliche Kirmeßgeld gespendet wurde. Wir Kinder sangen:

“Minge Mann, minge Mann es Faennderich,
Frau Faennderich’s ben ich,
Un wann minge Mann dat Faenndel schwenk,
Dann springen ich üver Stöhl un Baenk.
Minge Mann, minge Mann es Faennderich,
Frau Faennderich’s ben ich!”

Processionen

Welche Schauspiele für uns Kinder die Kirmeß-Processionen, die mit frischem Laub bestreuten Straßen, die in den Hausthüren der vornehmsten Pfarrgenossen gebauten Altäre im bunten Schmuck der Bilder und Kerzen mit dem Reichthume ihrer oft kunstvollen Crucifixe, ihrer silbernen Leuchter. Und nun gar die Processionen der Bauerbänke, wo noch der Fähnrich seine Fahnen-Exercitien machte, der Führer einherstolzirte mit seinen glänzenden Stulpstiefeln, die Linke mit dem weißen Stulphandschuh über die rothe Schärpe in die Seite gestemmt, in der Rechten horizontal schwebend den glänzenden Spieß tragend und das Haupt geziert mit dem mit rothen Federn eingefaßten dreieckigen Hute, und das “Jecken Baehnchen” in buntem mittelalterlichen Costüm tanzend vor dem Hochwürdigsten, wie einst König David vor der Arche des Bundes. Und die Heiligen-Mädchen und Heiligen-Knechte, so genannt, weil, sie die Heiligenbilder in den Processionen trugen.

Die Haupt-Procession war die Frohnleichnams-Procession, welche die alte Gottestrag ersetzend, vom Dome ausging. Am Vorabende verkündeten auf dem Domhofe die Stadtböller das Fest.

Alle Geistlichen der Stadt, alle Beamten, die Richter in ihren Roben, die Douaniers, die Invaliden und, war Garnison in der Stadt, die gesammte Besatzung en grande tenne nahmen an dem festlichen Umzuge Theil, begleiteten denselben unter den Waffen.

Stadt-Musicanten

Wer könnte das ehrwürdige Corps unserer Stadtpfeifer vergessen, welche, unter der Leitung des Stadttrompeters Eisenmann, in ihren kornblauen Uniformen mit weißen Vorstößen und Rabatten und dreieckigen Hüten im Schweiße ihres Angesichts die Procession begleiteten? Unvergeßlich sind mir die Originaltypen mit den roth und blau angelaufenen Gesichtern und den stets durstigen Lebern, wie sie sich von Zeit zu Zeit aus der Procession drückten, wo eine Hand Gottes, d. h. eine Schenke, winkte.

Pauken und Trompeten

Dabei die Pauken und Trompeten, welche nach mittelalterlichem Brauche bei keinem Haupt-Kirchenfeste, bei keiner Procession fehlen durften. Welch’ ein Jubel, schlugen sie in den Kirchen einen Tusch und hallten die Trompeten schmetternd nach, bliesen und wirbelten sie in den Processionen den “Kurfürsten” voll gravitätischen Ernstes; mit den glatzköpfigen Paukenträgern eine unvergeßliche Gruppe.

Je mehr Bürger mit Wachsfackeln, “Flambauen”, die Processionen, den “Himmel”, wie der Baldachin heißt, unter dem der Priester geht, der das Venerabile trägt, begleiten, um so schöner ist sie. Ein malerisches Moment der Processionen waren nun die Betteljungen, welche neben den Fackelträgern herzogen, um das von den Fackeln träufelnde Wachs in den Händen oder in einem Schüsselchen aufzufangen, und eben so viele Kunststückchen kannten, um die Fackeln recht fließend zu machen, wie die Küster Spaniens und Italiens, deren Beneficium das von den Kerzen träufelnde Wachs, und die zu dem Ende Feilspäne und Nägel, die sie in das Wachs praktisiren, mit dem besten Erfolge gebrauchen.

Straßenleben

Durch die Straßen, wo Kirmeß war, an den Nachmittagen des Sonntags, Montags und Dinstags immer ein munteres Volksleben und buntes Treiben von Männern, Frauen und Kindern, auf allen Gesichtern die Kirmeßfreude. Vor den Bierhäusern oder den Weinschenken, wo die Fidel zum Tanz rief, ein paar lustig grünende Birken in mit Wasser gefüllten Tönnchen.

Mann und Frau und Kind besucht an den Kirmeßtagen die Bierhäuser und thun sich gütlich an hartgesottenen Eiern, Handkäschen und Lebkuchen, welche Weiber hier zum Verkaufe bieten.

Der eigentliche Kirmeßtrank war Bier mit Citronenscheibchen und Muscatnuß. Ohne formelle Prügelei war eine Kirmeß in den Pfarren der Bauerbänke nicht vollständig, wozu die Gelegenheit bald vom Zaune gerissen, wenn eine Bauerbank die Kirmeß der anderen besuchte, und man sich sogar mit Spottliedern herausforderte.

Für die Bauerbänke war die Kirmeß – Kirchmessen – der Glanzmoment im Leben des Jahres. Eine jede Bauerbank hat ihren Bellenjeck, ihren Fähnrich und Führer, ihre Heiligen-Knechte und Heiligen-Mädchen, die vor dem Kirchweihfeste gewählt und bei dem Pastor angegeben werden, ob er die Wahl genehmigt, da dies Amt eine Ehrensache, eben weil sie die Heiligenbilder in den Processionen trugen. So trugen die Sackträger nach uraltem Herkommen den Reliquienschrein des heiligen Severinus in der Procession der St.Severins-Kirmeß.

Die Bauerbänke hatten ihren Kirmeßtanz, ihren “Rei”, und vor dem Wirthshause, wo derselbe gehalten wird, prangt der von den Jungfrauen der Bauerbank bunt mit Bändern und Fähnchen gezierte Reibaum. Nach dem Nachmittags-Gottesdienste holen die Reijungen, im catunenen Camisol, mit weißer Zipfelmütze und weißem Schurz die Mädchen zum Tanze. Ein Kränzchen schmückt das Treckmützchen und ursprünglich fehlte nie der silberne Kettengürtel, an dem das silberne Besteck in rothsaffianer Scheide hing.

Gewissenhaft werden die drei Kirmeßtage gehalten, überall Freude und Lust, Schmausereien, Lied und Tanz, selbst auf den Straßen. Am Donnerstage zieht Alt und Jung, namentlich die Bauerbank der Friesenstraße nach Melaten, um dort die Kirmeß zu begraben, nämlich die Knochen der Kirmeßschinken förmlich zu verscharren, und dann den Kehraus zu machen mit einem allgemeinen Pickenick, indem die letzten Ueberbleibsel der Kirmeßfreude in Gemeinschaft verschmaus’t wurden.

Opfer

Während der Kirmeßtage sprachen die Kinder einzelner Nachbarschaften die Vorübergehenden um ein “Opfer” an mit den Worten: “Jitt mer jett zo offere”, und die umstehenden riefen unisono: “Jitt em ald jett!” “Jitt em ald jett!” Das geopferte Geld wird Abends für Wachsdraht verwandt und für die Illumination der Häuser. Zu dem Ende zogen die Knaben der Nachbarschaft an den Häusern herum mit dem alten Liede:

“Röde! röde! Eichhöhn!
Jitt uns jett en’t Zeichhöhn!
Röden ditt! röden datt!
Jitt uns jett en der Knappsack.
Mus! Mus! Komm ersus,
Breng uns e jross Stöck Jeld erüs!”

Unerhört zogen sie selten ab. War man unerbittlich, half alles Flehen nichts, dann brüllte der Chor:

“Et sitz en Schwalvder op dem Hüs,
De dr- dem Haer (der Frau) en Aug üs, en Aug üs!”

In den dreißiger Jahren logirte der k. preußische Cultus-Minister Eichhorn während der Kirchweihe in St.-Maria in der Kupfergasse im Kaiserlichen Hofe auf der Breitstraße. Nachmittags liegt die Excellenz im Fenster, um dem Straßentreiben zuzusehen, als ein Rudel Knaben sich unter demselben aufstellen und ihr “Röde, röden Eichhöhn!” anstimmen. Die Ercellenz gerathen außer sich vor Wuth, glaubend, man wolle sie beschimpfen.

Der Wirth wird citirt; seine Betheuerungen können die aufgeregte Erxcellenz nicht beschwichtigen, die zufällig ein wenig rothhaarig, die Policei wird requirirt, und der gelingt es endlich mit großer Mühe, die Excellenz von dem Irrthume zu überführen, daß sich die kölnische Straßenjugend gar nicht um sie gekümmert.

Jetzt wurden Leimklötzcher für die “Kellerstümpcher”, die Unschlittlichter, fabricirt, und wie stolz waren die Knaben, wenn die Illumination der Nachbarschaft recht brillant, konnten sie rechtschaffen mit den Schlüsselbüchsen feuern – kein Schlüssel mit hohler Röhre war sicher -, “Knaeppchen”, wie man die Petarden nennt, loslassen, Raketen werfen und Schmidtsfeuerchen oder Sprühteufel machen, worin sie Niemand störte. Als ein Wunder der Illumination wurde uns die Löhrgasse bei der Rochus-Kirmeß geschildert, welche auch noch später einen höchst originellen Charakter hatte. Man brachte Transparente mit allen nur erdenklichen Reimen an, Puppen und mechanische Figuren, Zachäus u.s.w. auf Stangen und Seilen, wie noch in Spanien und bei den Kirchweihfesten in Brasilien, was sich auch noch in einzelnen Pfarren der Städte Flanderns erhalten hat.

Die Sitte des Opferns an den Kirmeßtagen ist alt. Sie findet sich noch in den vlaemischen Städten, wo die Kinder die Vorübergehenden in Ringelreihen mit einem Liedchen bittend umtanzen. Wir finden sie in den Städten Spaniens und Italiens, wo die Kinder in den Straßen ihr Altärchen bauen, was auch in Köln wohl der Fall war, und die Vorübergehenden mit Liedchen um ein Opfer zu dessen Beleuchtung ansprechen.

Kirmeß auf dem Bayen-Graben

Die ganze Stadt zog aus nach der Bayen-Kirmeß im Herbste.

Bude an Bude reihte sich auf dem Bayengraben. Hier wird gekocht und geschmort, hier klangen die alten Tanzweisen, der kölnische Ländler und die “Sibbesprüng” und beflügelten die Füße der Tanzlustigen, bestand das Orchester auch nur aus dem Dudelsack, dem Hackbrett, der Lavumm und der Trumm, welche den Tact hielt. Kräme zum Kuchenschlagen, Drehbretter lockten Alt und Jung – ein wahres Volksfest, bei welchem sich Jeder an dem frischen trüben Apfeltrank gütlich that. Dies Fest, wie alle Kirmessen, waren den Bürgern noch wirklich rothe Tage in ihrem Lebenskalender.

Christfest

Den Schluß der Jahresfeste bildete der “Chresdag”, Weihnachten. Um Weihnachten wurde altherkömmlicher Weise in den Familien ein Schwein geschlachtet.

Wursten

Das Wursten war ein Familienfest, zu dem auch die Frauen der ganzen Freundschaft geladen wurden. Wie splendid war man mit den “Korwürsten”, da durfte Niemand vergessen werden, und mochte sich auch bei Manchen das Sprüchwort bewahrheiten: “Hae wirf met er Wösch no er Sick Speck.”

Christnacht

In der heiligen Nacht zieht nach Mitternacht Alt und Jung in die Christmette. War die Andacht vorbei, gings nach Hause, um hier Kaffee zu trinken, und nach diesem, in den echt kölnischen Familien, warmen Wein mit frischen Würsten, worauf man sich wieder aufs Ohr legte.

Auch am Weihnachtstage hielten die Bürger ihren Rundgang zum Wünschen, und der Wunsch war ein: “Jlöksillig Kreskind!”

Dies ist ein Auschnitt aus dem Buch Köln 1812, mehr Infos dazu hier. Das Inhaltsverzeichnis zum Buch, in dem die online verfügbaren Abschnitte verlinkt sind, ist hier zu finden.