Apotheken der Alten und Neuen Welt.

Wie so vieles andere in der Medizin verdanken wir auch die Apotheken dem Orient, aus dem sie über Griechenland und Rom auf uns gekommen sind.

Die alten Griechen nannten sie Pharmazie, ein der ägyptischen Sprache entlehntes Wort, und erkannten damit gleichzeitig an, daß die Apothekerkunst ihren Ursprung im Land der Pharaonen hatte. Unter Apotheke verstanden Griechen sowohl wie Römer etwas anderes.

In einer Pariser Apotheke

Sie war ihnen nur ein Aufbewahrungsort für allerhand Waren. Im kaiserlichen Rom wurden hauptsächlich die Räume im oberen Teil des Hauses, in denen Wein in Amphoren, Bocksbeuteln und Schläuchen in gleichmäßiger Mittelwärme gelagert wurden, Apotheken genannt.

In England und den Vereinigten Staaten, in Italien und den übrigen romanischen Ländern hat man die alte Bezeichnung Pharmazie beibehalten. Die erste Apotheke entstand wahrscheinlich in der zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts n. Chr. unter den persischen König Sapor II. in der Stadt Dschondisabur. Der große Kalif Almansur schuf später neben einer hohen – auch medizinische Anstalten und eine Apotheke und sorgte für Vorlesungen über die materia mediea. Im 9. Jahrhundert schrieb ein arabischer Arzt die erste Pharmakopöe, und seine Jünger und Nachfolger berief Kaiser FriedrichII. der größte Hohenstaufe, als Lehrer an die Universität Salerno, diese hohe Schule der Medizin, und legte somit den Grund zu dem heutigen Apothekenwesen. Er erließ auch die erste wirkliche Medizinalorduung, und hier wurde zum erstenmal die Arbeitsteilung zwischen Arzt und Apotheker ausgesprochen. Bis dahin wurde die Einsammlung und Zubereitung von Arzneimitteln vornehmlich von den Aerzten und den in der Medizin erfahrenen Mönchen ausgeübt. Sie hatten dabei freilich sehr unter der Konkurrenz der Kräuterweiblein, der alten Schäfer, Jäger und Köhler zu leiden, die ja auch heutigentags noch ihren studierten Kollegen ins Handwerk pfuschen sollen.

Eine deutsche Apotheke

In Deutschland entstand die erste Apotheke im Jahr 1303 in Prenzlau. Berlin folgte erst im Jahr 1488. Unter dem Schutz der Privilegien, die das Apothekergewerbe vor der Konkurrenz und vor der rein geschäftlichen Ausbildung des Betriebs bewahrten, hat die pharmazeutische Kunst sich glücklich weiter entwickelt und hat all die Schlacken, die ihr noch aus dem Mittelalter anhafteten, in Europa wenigstens, abgestreift.

Die heutigen Apotheker haben nichts mehr gemein mit ihren Vorläufern, den “Confectionarii”, die oft aus dem Stand der Zuckerbäcker hervorgingen. Zwar sind die Apotheken bei uns noch nicht ganz über das Konfekt hinweggekommen. Es gibt dort für kleine Leckermäuler noch allerhand süße Schleckereien für Geld und gute Worte.

Sodawasserföntäne und Ladentisch einer amerikanische Apotheke

In den meisten amerikanischen Apotheken hin gegen ist der Verkauf von Zuckerwaren und der Ausschank an der “Soda Fountain” wichtiger und einträglicher als die Anfertigung von Rezepten, da sehr viel mit sogenannter Patentmedizin kuriert wird. Betritt man eine solche Apotheke, so fällt der Blick zuerst auf einen langen, mit raffinierter Eleganz ausgestatteten Schanktisch (siehe Abbildung), daß man an eine “Bar” erinnert wird. Es ist die bei den Damen und Kindern mit Recht so beliebte Sodafontäne, an der ein blütenweißer Ganymed mit Grazie seines Amtes waltet. “Bitte, mit oder mit ohne with or without) ?” ist eine stereotype Frage, das heißt: wünschen Sie Soda mit Fruchtsaft oder diese Mischung noch mit Vanilleeis verherrlicht? Neben diesem Erfrischungsplätzchen haben die Apotheken Raum für unzählige Dinge, da sie gleichzeitig Drogen- Parfümerie- und Zigarrengeschäfte damit vereinigen – letzteres sehr zum Aerger der Spezialgeschäfte, da diese am Sonntag geschlossen werden müssen, während die Apotheken natürlich geöffnet bleiben. Wenngleich die Vereinigten Staaten kein Apothekenprivileg kennen, besteht doch in allen Staaten eine strenge Vorschrift über die Ausübung der Rezeptur.

Innenansicht einer amerikanischen Pharmazie

Jeder Apothekenbesitzer ist gezwungen, sich einen Gehilfen halten, der die Examina einer Pharmazeutenschule bestanden hat, und dem ausschließlich die Anfertigung der Rezepte obliegt.

Die englischen Apotheken ähneln in manchem den amerikanischen, wenn sie in ihrem Geschäftsbetrieb auch nicht so weit gehen wie diese.

Innenansicht einer englischen Apotheke

In England sowohl wie in Amerika deuten große, dickbauchige, mit gefärbtem Wasser gefüllte Flaschen (siehe Abbild) im Schaufenster, die nachts durch Gasflammen erleuchtet werden, dem Landes kundigen schon von weitem an, wo sich eine Apotheke befindet.

Mit farbigem Wasser gefüllte Kugeln, die Wahrzeichen der englischen und amerikanische Apotheken

Die Bezeichnung einer Apotheke nach einem Tier kennt man in beiden Ländern nicht. Diese ist bei uns sowohl wie in Italien, Spanien und Frankreich allgemein üblich, wenn auch vielleicht das in der Tür baumelnde Krokodil der “Farmacia al Coccodrillo“ in Neapel (siehe Abbild) ein leises Lächeln bei uns hervorrufen würde.

Die Krokodilapotheke in Neapel

Die Apotheken der Alten wie der Neuen Welt sind, was die Rezeptur anbelangt, einander ziemlich gleich.

Blick in eine italienische Apotheke

Ihre Leiter oder Gehilfen müssen eine streng wissenschaftliche Prüfung ablegen, und man kann ein von einem hiesigen Arzt geschriebenes Rezept – wenn es lesbar ist – irgendeinem Apotheker der andern Länder anvertrauen. Er wird es ebenso gewissenhaft anfertigen wie der Berliner.

Dieser Artikel von S. Osthaus erschien 1904 in Die Woche. Die Bilder wurden nachcoloriert.