Das Aufgebot der englischen Freiwilligen

Nach den blutigen Niederlagen im südafrikanischen Krieg hat England Divisionen auf Divisionen auf den Kriegsschauplatz geworfen. Das Mutterland ist jetzt fast ganz von stehenden Truppen entblößt, die Baracken im Lager von Aldershot stehen leer, und selbst in dem unruhigen Irland haben nur wenige Garnisonen die volle Besatzung.

Da das seegewaltige England keine allgemeine Wehrpflicht kennt, so mußte das Land in dieser Notlage an Freiwillige appellieren, und man muß anerkennen, daß die ganze Bevölkerung in rühmlicher Bereitwilligkeit dem Ruf gefolgt ist.

Ansprache des Prinzen von Wales an die Offiziere des Londoner Freiwilligenkorps für den südafrikanischen Feldzug
Musterung der englischen Freiwilligen-Kavallerie (Imperial Neomanry)

Jetzt vergeht fast kein Tag, an dem nicht eine Freiwilligenabteilung in den verschiedenen Hafenplätzen sich nach Südafrika einschifft. Besonders die Stadt London hat ein großes Korps auf die Beine gebracht, die sogenannten „City Imperial Volunteers“, während sich die Jugend der besseren Stände mehr zu der freiwilligen Kavallerie der „Imperia Neomanry“ drängte.

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An den Tagen, da diese Truppen zur Front abgingen, herrschte natürlich große Begeisterung in ganz London, und es gab mancherlei festliche Veranstaltungen, die für den, der das ruhige, selbstverständliche Funktionieren der Mobilisation in einem kontinentalen Staat kennt, fast etwas Komisches haben. Da jagte ein Festessen das andere. Die biederen Freiwilligen, die noch ein paar Wochen vorher im Kontor oder in der Werkstatt, von niemand beachtet, ihrer Arbeit nachgegangen, wurden auf einmal die Helden des Tages.

Trompeter der Freiwilligen
Wachtmeister der Freiwilligen

Die Stadt London machte sie feierlich zu Ehrenbürgern, und der Lordmayor pries ihren Mut und Patriotismus in einer überschwänglichen Rede. Selbst der Prinz von Wales, der sich sonst wenig um militärische Dinge kümmert, warf sich in Uniform und wünschte den Soldaten Lebewohl und glückliche Rückkehr, wobei er nach englischer Sitte jedem die Hand drückte. – Feldzüge, die mit großen Festlichkeiten begonnen, haben oft ein trauriges Ende genommen.

Abschied des Londoner Scheriffs von den englischen Freiwilligen auf dem Schiff Pembroke Castle
Einschiffung des englischen Freiwilligenkorps auf dem Dampfer Ariosto

In der That werden diese jungen Männer, die meist aus Abenteuerlust in den Krieg ziehen, nach einer Ausbildungszeit von wenigen Monaten, ohne an die Strapazen des Feldzuges und das afrikanische Klima gewöhnt zu sein, dem Krieg kaum eine andere Wendung geben. England schickt nur neue Opfer in das sichere Gewehrfeuer der Buren. Unabweisbar aber drängt sich jetzt auch den leitenden Kreisen die Notwendigkeit von der Reformation des englischen Heerwesens auf.

Dieser Artikel erschien zuerst 1900 in Die Woche.