Es ist erfreulich, dass unter den eingegangenen 42 Entwürfen kein einziger war, welcher als gänzlich unzureichend und unreif hätte bezeichnet werden müssen. Es herrschte vielmehr ein gutes Mittelmaass künstlerischen Könnens vor.
Nachdem ein unfertig eingelieferter Entwurf von vornherein ausgefallen war, suchte das Preisgericht, welches am 30. November 1895 zusammentrat, zunächst in zweimaligem Rundgange eine Uebersicht zu gewinnen und schied hierauf diejenigen Arbeiten aus, welche aufgrund der höchst sorgfältig seitens der Baubeamten der Provinzialverwaltung durchgeführten Vorprüfung gar zu sehr die verfügbare Bausumme zu überschreiten schienen oder einen augenfälligen Mangel übersichtlicher Anordnung und guter Beleuchtung der Ausstellungsräume aufwiesen. Es verblieben zur Auswahl noch 20 Entwürfe, welche zur genaueren Prüfung und Berichterstattung unter die technischen Mitglieder des Preisgerichts vertheilt wurden und von welchen, ausser den 4 später preisgekrönten und den 3 zum Ankauf empfohlenen, folgende 8 als besonders lobenswerth erschienen: „Im Wettstreit bis ans Ende der Tage“, „Zeichen eines Pfeils“, „Die Krone Hannover“, „Bramante“, „Nordlicht“, „Inter arma“, „Artem non odit nisi ignarus“, „In arte voluptas“. Ausserdem standen zur engeren Wahl: „Kunst und Wissenschaft“, „Wage mit Zirkel“, „Was in Sandstein usw.“, „Schiefwinklig“ und „Für Kunst und Wissenschaft“.
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Für die fernere Beurtheilung wurde als maassgebend festgesetzt, dass denn doch der Satz von 18 M. auf 1 cbm umbauten Raumes, ohne besondere Berechnung der Fundamente, nicht unterschritten werden dürfe. Für die Gemäldekabinette sollte, wenn auch reines Nordlicht nicht durchweg zu ermöglichen wäre, doch Südlicht jedenfalls ausgeschlossen sein. Zu grosse Raumtiefen sollten für die natur- und kulturhistorischen Sammlungen nicht zugelassen werden. Vorspringende Bautheile, welche unangenehme Reflexlichter hervorbringen und knapp bemessene Innenhöfe, welche den vollen Lichteinfall beeinträchtigen, wurden als unerwünscht bezeichnet. Monumentale Gestaltung des Aeusseren, des Vestibüls und des Treppenhauses sollte gefordert werden. Die Aneinanderreihung der Innenräume sollte eine Klare und übersichtliche sein und der Ein- und Ausgang der Besucher durch ein einziges Hauptportal unter Ueberwachung gehalten werden können.
Unter Festhaltung dieser Grundsätze gelangte das Preisgericht nach dreitägiger Thätigkeit zu dem Schlusse, den ersten Preis dem Entwurf mit dem Kennwort: „Dixi“, den zweiten dem Entwurf „Leibniz“, je einen dritten den Entwürfen „Besten Gruss“ und „Am Stadtpark“ zuzuerkennen, ausserdem die Entwürfe „An der Leine“, „Klenze“ und „tres in unum“ zum Ankauf zu empfehlen. Man bedauerte, mit Rücksicht auf die vorhandenen Mittel, nicht noch zwei weitere Arbeiten zum Ankauf vorschlagen zu können.
Der Entwurf „Dixi“, Verfasser Prof. Stier-Hannover weist eine bebaute Fläche von 5535 qm und einen umbauten Raum von 77 697 cbm zu 19,30 M. auf. Der Verfasser hat völlig darauf verzichtet, der besonderen Form des Platzes irgend welche Zugeständnisse zu machen. Das Viereck seines Grundrisses, welches einen einzigen mächtigen viereckigen Hof umschliesst, nutzt die Tiefe in der Richtung Ost- West derart aus, dass die Ecken hart an die Baufluchtlinie stossen. Alle Ausstellungsräume und sogar der für das Kellergeschoss verlangte Vortragssaal sind in 2 Geschossen untergebracht. Letzter liegt als Gegenstück zu den Verwaltungszimmern sehr bequem seitlich vom Haupteingang. Skulptur und Kulturhistorie sind im Erdgeschoss, Gemälde und Naturhistorie im Obergeschoss angeordnet, derart, dass die Kunstgegenstände die nördliche Hälfte des Gebäudes einnehmen. Die Bilderkabinette haben nur Nord- und Ostlicht. Der Treppe wäre bei ihrem Austritt aus dem unteren gedrückteren Vorraum etwas mehr Kopfhöhe zu wünschen. Das obere hohe Vestibül ist sehr stattlich. Die Architektur der Hauptfront zeigt kräftige Säulenstellungen mit einer beherrschenden Kuppel in der Mitte. Die Seiten- und Hinterfront erscheinen etwas nüchtern und verbesserungsbedürftig. Das Preisgericht konnte diesen Entwurf mit einigen Aenderungen zur Ausführung empfehlen. Der mit dem zweiten Preise ausgezeichnete Entwurf „Leibniz“, Verfasser Schulz, in Firma Schulz & Schlichting, Berlin, bebaut bei knapper Bemessung des Grundrisses nur 3697 qm und umbaut bei geringer, ja zu geringer Höhenentwicklung 56 808 cbm zu 26,40 M. Eine Anpassung an die Dreiecksform des Bauplatzes ist in der Weise versucht worden, dass dem Grundriss die Form eines lateinischen ┴ gegeben wurde, mit vorgeschobenen Flügelbauten an den Enden der Arme des ┴. In den Flügelbauten ist das Dachgeschoss noch nutzbar gemacht; sonst sind alle Bauheile zweigeschosig. Man kann nicht behaupten, dass diese und ähnliche Anbequemungen an die Platzform als vollständig gelungene zu bezeichnen wären. Die im rechten Winkel sich schneidenden Fronten zielen auch hier schief auf die Seitenfluchten des Platzes, nur dass statt der ausspringenden Winkel einspringende erreicht sind. Dafür sind entschiedene Nachtheile in der Beleuchtung und in der Uebersichtlichkeit eingetauscht. Der Grundriss nutzt den an der Rückseite vorspringenden Mittelflügel als Treppenhaus aus und bringt dort im Erdgeschoss die Skulpturen unter. Das erste Obergeschoss ist mit Ausnahme der vorgeschobenen beiden Seitenflügel für die Bilder bestimmt. Das Erdgeschoss des Hauptbaues und die drei Geschosse der Seitenflügel sind rechts den kulturhistorischen, links den naturhistorischen Sammlungen eingeräumt, und zwar sind hier die beiden Obergeschosse völlig von der Bildersammlung getrennt und durch besondere Treppen zugänglich, eine Anordnung, welche dem Grundsatz bequemer Zirkulation widerspricht. Aeusserlich wirkt die Gruppirung der verschiedenen Bautheile mit der mitteleren flachen Kuppel und den Mansardendächern der Seitenflügel ansprechend. Auch die Stattlichkeit des Vestibüls und der Treppenanlage ist anzuerkennen.
Der Entwurf „Besten Gruss“, Verfasser Anger & Rust in Leipzig, mit einem dritten Preise ausgezeichnet, hat eine bedeckte Grundfläche von 5249 qm bei einem umbauten Raum von 67 400 cbm zu 21,33 M. Baukosten auf l cbm. Er schliesst sich als Trapez mit zwei durch einen grossen inneren Glashof getrennten Höfen der Dreiecksform des Grundstücks von allen prämiirten Arbeiten am engsten an. Die Schwächen der Beleuchtung, welche aus den dreieckigen Innenhöfen sich ergeben könnten, werden zumtheil aufgehoben durch stufenförmige Anordnung je zweier Hofseiten derart, dass die dort belegenen Erdgeschossräume durch Zurücktreten des oberen Geschosses noch Oberlichter gewinnen. Gute Zirkulation und Uebersichtlichkeit ist vorhanden. Das Erdgeschoss ist links der Skulptur, rechts an der Rückfront der Kulturgeschichte vorbehalten. Das ganze Obergeschoss der Umfangsbauten gehört den Gemälden. Die naturgeschichtlichen Sammlungen finden in und an dem Glashofe ihren Platz. Es dürfte hier zu bemerken sein, dass derartige, durch zwei oder mehr Geschosse reichende Höfe zwar architektonisch, wie auch in vorliegendem Fall, höchst monumental wirken, für die Aufstellung von Sammlungsgegenständen aber, welche, um im Raume mitzuwirken, einen kolossalen Maasstab erfordern, erhebliche Schwierigkeiten bieten. Auch das Vestibül ist gleich dem Lichthof vornehm gehalten. Zu tadeln sind die niedrigen Vorbauten der Hauptfront. Imganzen sind die in Backstein mit reichlicher Verwendung von Haustein gedachten, den Formen der alten Hannover’schen Gothik sich nähernden Fassaden höchst malerisch gruppirt und fast zu reich ausgestattet.
Der andere, mit einem dritten Preis bedachte Entwurf mit dem Kennwort „Am Stadtpark“, Verfasser Heine, Hannover, erreicht bei rund 4000 qm Grundfläche und 83 321 cbm umbauten Raumes knapp den zugelassenen Satz von 18 M. auf 1 cbm. Der Grundriss zeigt einen langgestreckten Hauptbau an der Maschrandstrasse, welchem sich an der Rückseite ein in der Längenausdehnung eingeschränktes Viereck, das einen inneren Hof einschliesst, angliedert. Das Erdgeschoss enthält Skulpturen und Denkmäler der Kulturhistorie, das I. Obergeschoss an der gesammten Rückseite Gemälde, nach der Vorderfront Räume für Ethnographie und Mineralogie, das II. Obergeschoss über den Gemäldekabinetten Räume zu sonstigen naturhistorischen Sammlungen. Die Bautheile weisen grosse Tiefen auf, für deren Beleuchtung der Hof namentlich in den einspringenden Becken der Anschlüsse nicht ganz ausreicht. Die geräumige dreigeschossige Eingangshalle und die schöne Treppenanlage, sowie die edle Einfachheit der Fassaden, etwa im Sinne der älteren Berliner Schule, sind im höchsten Maasse anzuerkennen. Statt der sonst üblichen Kuppel bekrönt ein Zeltdach den Eingangsbau.
Zwei der zum Ankauf empfohlenen Entwürfe: „An der Leine“, Verfasser Hagberg-Berlin, und „Klenze“, Verfasser Börgemann-Hannover, zeigen ganz ähnliche Grundriss-Anordnungen, ein längliches Viereck mit zwei eingeschlossenen Höfen, welche aber für die Beleuchtung der anliegenden Räume nicht ganz ausreichen dürften. Der erste Entwurf sieht in seiner Ausgestaltung in den Formen der deutschen Renaissance mit hohem Mittelthurm eher einem Rathhaus als einem Museum ähnlich. Bei letztem erscheint die Treppenanlage verkümmert; auch lässt er im Aeusseren eine wünschenswerthe Belebtheit der Fassaden vermissen. Beide sind zumtheil dreigeschossig gedacht, mit Verweisung der Naturhistorie in das oberste Geschoss.
Sehr eigenartig durchgebildet ist der zum Ankauf empfohlene Entwurf: „Tres in unum“, Verfasser Unger-Hannover. Die dreigeschossige Anordnung der 3696 qm bedeckenden Anlage mit niedrigster Bemessung der nicht für Vortrags- und Ausstellungszwecke bestimmten Kellereien, sowie die Ausnutzung auch der Vorhallen und des Treppenhauses zur Unterbringung von Ausstellungs-Gegenständen haben es ermöglicht, dass nur 64 712 cbm Raum mit 23,2 M.Kosten für 1 cbm umbaut wurden. Der annähernd halbkreisförmige Mittelbau mit zwei nach den Seiten vorspringenden Eckflügeln und einem nach der Rückseite vortretenden Mittelflügel zeigt als Bogensehne eine zweigeschossige, unten offene, oben geschlossene Halle. Der Mittelflügel enthält den Haupteingang nebst Treppe und dahinter unten den tiefer in das Erdreich einschneidenden Vortragssaal; über letzterem kirchliche Skulpturen. Ferner im Sockelgeschoss und Obergeschoss Kultur- und Naturhistorie; im Hauptgeschoss an der Rückseite die Gemäldesammlungen mit den der Bogenform jener Bautheile folgenden keilförmigen Kabinetten; in dem einspringenden Bogen der Vorderfront die Skulptur. Der Verfasser hatte seine Absichten, die auf eine klare Trennung der einzelnen verschiedenartigen Theile des Museums hinausliefen, in einem eingehenden gedruckten Erläuterungsbericht dargelegt. Es erscheint jedoch bei solcher Trennung die Durchführung einer geregelten Zirkulation umsoweniger erreicht, als die Verbindungshalle der Vorderfront nur im Hauptgeschoss nutzbar ist. Der durch den äusseren Bogen gewonnenen günstigen Keilform der Bilderkabinette steht deren Unzweckmässigkeit für die Räume des inneren Bogens entgegen. Die Rücklage des Haupteingangs ist nicht empfehlenswerth, zwei weitere Eingänge in den Seitenflügeln werden für den Betrieb nicht praktisch sein. Dass die Gruppirung sich der Platzform in origineller Weise anschliesst, ist anzuerkennen. Der Entwurf ist in stattlichen romanischen Formen mit äusserlicher Hervorhebung des Eingangsbaues durchgeführt.
Die Grundrisse der übrigen Entwürfe zeigen grosse Mannichfaltigkeit, im wesentlichen aber doch ähnliche Formen, wie die hier bereits aufgeführten. Neben einigen dreispitzigen Anlagen zeigen andere, namentlich die Arbeiten „Bramante“ und „Artem non odit“ usw. das Viereck mit eingeschlossenem Hof. Der Entwurf mit dem Zeichen eines Pfeils hat das Viereck mit 2 Innenhöfen und an der Rückseite 2 kapellenhafte Ausbauten und zwar einen gothischen und einen romanisch, während der Hauptbau romanisch durchgeführt ist. Der ┴-förmige Grundriss überwiegt.
Ihn zeigt der Entwurf „In arte voluptas“, ein prachtvoller Renaissencebau, mit nicht weniger als drei glasbedeckten Innenhöfen neben einem hofartigen glasbedeckten Treppenhaus, leider die verfügbare Kostensumme ganz erheblich überschreitend. Dem gleichen Umstand erlag auch die fein und klar durchgeführte Arbeit „Im Wettstreit“ usw., als deren Verfasser sich Prof. Hehl-Berlin und Lorenz-Hannover genannt haben. „Nordlicht“ hat das ┴ mit vorgeschobenen Eckflügeln, desgleichen „Für Kunst und Wissenschaft“. „Inter arma“ zeigt gleichfalls ein sehr auseinander gezogenes ┴. „Der Krone Hannovers“ verbindet den Hinterflügel mit dem Hauptbau durch viertelkreisförmige geschlossene Hallen, übrigens ein höchst stattliches Architekturstück in Rundbogenformen, bei Verwendung von Ziegel- und Haustein. Aehnliche Anordnungen weisen „Kunst und Wissenschaft“ und „Was in Sandstein usw.“ auf; letzter ein Entwurf im Sinne hannoverscher Gothik. „Waage mit Zirkel“, legt einem langgestreckten Vorderbau einen halbringförmigen Hinterbau an.
Die vorwiegende Stilrichtung ist überall, wo sonst nichts besonderes zu den vorgenannten Entwürfen bemerkt ist, die Hochrenaissance. Eine eigenartige Arbeit im Sinne der neuzeitlich in Amerika verwendeten romanischen Richtung mit hohem Mittelthurm, ┴-förmigem Grundriss mit vorgeschobenen niedrigen Seitenflügeln und abgerundetem Hinterflügel ist: „Ewig still steht die Vergangenheit.“ Es ist erfreulich, dass aus der Summe der hier wiederum aufgewendeten verdienstvollen und grösstentheils unbelohnten Arbeit doch wenigstens ein, wenn auch nicht durch neue ungewohnte Auffassung blendender, so doch klarer und stattlicher, den Bedürfnissen des Hannoverschen Provinzial-Museums angemessener Entwurf hervorgetreten ist. Die Provinzial-Verwaltung hat Hrn. Prof. Stier beauftragt, aufgrund seines preisgekrönten Planes eine der Ausführung zugrunde zu legende neue Skizze herzustellen, bei Einschränkung des Grundrisses auf ein Maass, welches die Herstellbarkeit für 22 M. für 1 cbm gewährleistet.
Von einer monumentalen Ausführung der Fassaden in Haustein hat die Stadt ihre Beisteuer abhängig gemacht. Da der gleiche geschätzte Architekt schon im Wettbewerb für das stadthannoversche Kestnermuseum den ersten Preis errang, auf die Ausführung aber verzichten musste, so ist sein jetziger besserer Erfolg im Wettbewerb um das Provinzial-Museum um so mehr zu begrüssen.
Dieser Artikel erschien zuerst am 11.01.1896 in der Deutsche Bauzeitung, er war gekennzeichnet mit „R.“