Entwurf für die Stadterweiterung von Einbeck

Einbeck, die alte Hauptstadt des Fürstenthums Grubenhagen, mit jetzt 8000 Einwohnern, liegt abseits der grossen Verkehrswege im lieblichen Ilmethale, zwischen dem Solling und den Vorbergen des Harzes. Eine zwischen Kreiensen und Göttingen abzweigende Nebenbahn verbindet die Stadt mit der Bahnlinie Hannover-Kassel.

Im Mittelalter weit stärker bevölkert als jetzt, und weit berühmt durch das „Einbecker Bier“, ist die Stadt später zurückgegangen. Erst in neuerer Zeit fängt sie an, eine Weiterentwicklung durch Einführung industrieller Betriebe und durch lebhafte Bäuthätigkeit zu zeigen. Das Bedürfniss nach einem umfassenden Stadterweiterungsplan hat sich geltend gemacht und der Unterzeichnete ist beauftragt worden, einen Entwurf hierfür aufzustellen.

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Im Süden und Westen der Stadt sind die mittelalterlichen Festungswerke, Mauer, Wall und Graben, mit schöngeformten Thurmruinen malerisch belebt, noch erhalten und bieten reizvolle Spaziergänge mit schönen Ausblicken auf die altersgrauen Kirchen und Häuser. An den anderen Seiten sind die Festungswerke leider beseitigt und haben theils den Eisenbahn-Anlagen, theils dürftig angelegten Strassen und Wegen weichen müssen. Das Gelände im Süden und Westen liegt tief und ist von munter fliessenden Bächen durchströmt, während es im Nordosten ansteigt und von der tiefeingeschnittenen Landstrasse nach Kuventhal durchzogen wird,

Uebersichtsplan der Stadt Einbeck – Entwurf für die Stadterweiterung

Die Strassen der Stadt, mit ihren alten Fachwerkshäusern und schönen Kirchen gewähren meist einen malerischen Anblick, namentlich bietet „der Markt“ mit der Marienkirche und den trotzigen Thürmen des Rathhauses ein mittelalterliches Bild von bestrickender Schönheit.

Die Stadtbehörde stellte als Hauptbedingung für den Bebauungsplan die Forderung auf, dass die im Erweiterungsgebiet vorhandenen Wege so weit wie irgend angängig zu Strassen auszubilden seien, und dass bei neu festzulegenden Strassen auf eine günstige Durchschneidung der Eigenthumsgrenzen besonderer Werth gelegt werden müsste.

Diese Forderungen und die Erwägung, dass auf einen grosstädtischen Verkehr auch nach Ausbau des Erweiterungsgebietes nicht zu rechnen sein wird, führten dazu, bei der Ausbildung des Strassennetzes ganz zwanglos vorzugehen, auf die konsequente Durchführung grosser Verkehrszüge zu verzichten und, bei Wahrung eines guten Zusammenhanges, die Strassen möglichst der vorhandenen Situation anzuschmieren. Der Grundriss der alten Stadt bot Beispiele in reicher Anzahl dar, wie durch eine mässige Krümmung der Strassenwendungen rechteckige oder dem Rechtecke sich nähernde Baublöcke und einer malerischen Bebauung Vorschub leistende Strassenfluchten geschaffen werden können. In dem Gelände zwischen Bahnhof und der Chaussee nach Salzderhelden, welches gegen. den Bahnhof um etwa 2 m tiefer liegt, waren schon Strassenzüge festgelegt, die in den neuen Plan mit aufgenommen sind. – Zu beiden Seiten der vorerwähnten tief eingeschnittenen Landstrasse nach Kuventhal sollen die neuen Strassen mit dem Gelände ansteigen. Die Landstrasse kann später, wenn der Verkehr es erfordert, überbrückt werden, wozu beiderseitig angeordnete Strassenerweiterungen gute Gelegenheit geben.

Um die verschiedenen, im Erweiterungsgebiete vorhandenen Wasserläufe, die hier nicht wie in einer Grosstadt überwölbt werden können, vor Verunreinigung zu wahren und sie unter steter Aufsicht zu erhalten, ist darauf geachtet, wenigstens an einer Seite derselben eine Strasse anzulegen.

Die Wille mit Zubehör sind zu Promenaden, mit gärtnerischen Anlagen geziert, ausgebildet worden. Hoffentlich gelingt es, diese Wälle gegen die Planirungswuth eines Theiles der Stadtvertretung zu wahren und sie der Stadt als schönsten und eigenartigsten Schmuck dauernd zu erhalten.

Die einfachen Plangestaltungen werden im übrigen aus der beigegebenen Abbildung leicht zu erkennen sein.

Hannover, im August 1895.
Aengeneyndt, Stadtbauinspektor.

Dieser Artikel erschien zuerst am 22.02.1896 in der Deutsche Bauzeitung.