Landungsmanöver

Militärische Skizze von Graf E. Reventlow, Kapitänleutnant a. D. Landungsmanöver werden im wirklichen Krieg da und dann nötig sein, wenn man festen Fuß auf einer feindlichen Küste fassen will, entweder, um die Stellung des Gegners an der Küste zu vernichten, oder aber, um in das Innere des feindlichen Landes einzudringen. Unter solchen Umständen ist ein Landen von Truppen an fremder Küste heutzutage ein schwieriges und gefährliches Manöver, das mit großer Sorgfalt vorbereitet und durchgeführt werden muß, wenn es nicht mißglücken und starke Menschenverluste im Gefolge haben soll.

Bequem zum Landen kann ein Platz an und für sich genannt werden, wenn die großen Schiffe recht dicht an die Küste heranfahren können, das Wasser also möglichst tief ist, wenn ferner die Boote bis unmittelbar an das Land herangebracht werden können, so daß die auszuschiffenden Mannschaften nicht nötig haben, durch das Wasser zu waten.

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Weiter kommt zu den Anforderungen, die man an einen guten Landungsplatz stellen muß, noch hinzu, daß er einigermaßen gegen Wind und Seegang geschützt ist, damit nicht ein plötzlich sich erhebendes Unwetter nicht nur die Landung selbst unmöglich machen, sondern auch die Schiffe zwingen kann, die Anker zu lichten und die gelandeten Truppen im Stich zu lassen. Dieser letzte Umstand bringt uns auf die Wichtigkeit, die die Schiffe während der ganzen Aktion noch für das Landungskorps besitzen. Zunächst müssen sie die Landung „vorbereiten“, das heißt, den Widerstand, den der Feind ihrer Ausführung entgegenseht, brechen oder bis zu einem Grad schwächen, daß das Landungskorps des Restes der Schwierigkeiten allein Herr werden kann. Erläutern wir den Gang einer solchen Landung an einem praktischem Beispiel, wie es unsere Bilder, die gelegentlich einer hochinteressanten Uebung auf und vor der Insel Borkum aufgenommen wurden, veranschaulichen.

Landung von Mannschaften und Pferden

Die Insel, die nicht befestigt ist, war zum Zweck dieses Manövers durch zwei Batterien der Gardefußartillerie besetzt worden, deren eine den Südweststrand, die andere den Oststrand besetzt hielt. Außerdem standen im Dorf selbst noch zwei Batterien, und ein kriegsstarkes Infanteriebataillon, dem noch Dragoner und Pioniere zugeteilt waren, lagerte verteilt und gedeckt zwischen den hohen, mit Sandhafer bewachsenen Dünen, die einen natürlichen Schutz des Strandes und eine vorzügliche Deckung der zerstreut liegenden schützen bildeten.

Wie Pferde ausgeladen werden

Morgens erschienen die Panzerschiffe „Baden“ und „Württemberg“, sowie der kleine Kreuzer „Ziethen“, die sich zunächst über die Lage der feindlichen Strandbatterieen orientierten, sie dann im Verlauf des Tages nacheinander beschossen und jede von ihnen nach kurzem Gefecht zum Schweigen brachten. Es leuchtet ohne weiteres ein, daß die beiden Linienschiffe mit ihren mächtigen Geschützen und dem dichten Hagel aus ihren Maschinenkanonen und -gewehren den Schwachen und nur durch ihre geringe Sichtbarkeit geschützten Batterien weit überlegen waren. Es kommt hinzu, daß der starke Panzerschutz die Schiffe ganz unverletzlich und ihre beständige Bewegung durch Hin- und Herfahren sie zu sehr schwer treffbaren Zielen machte, um so schwerer, als ja die Fußartillerie sonst niemals Gelegenheit hat, sich im Schießen auf schnellfahrende, weitentfernte Schiffe zu üben. Der Angriff konzentrierte sich schließlich auf den Südweststrand, und auch das Herbeiholen der Ostbatterie nach diesem am meisten gefährdeten Punkt konnte nicht hindern, daß am Nachmittag gegen vier Uhr die Schiedsrichter und Unparteischen die ganze Artillerie der Insel als niedergekämpft oder vernichtet erklärten. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die Arbeit der Schiffe viel schwieriger und langwieriger gewesen wäre, wenn anstatt dieser leichten und ungeschützten Landgeschütze schwere Küstengeschütze, durch starke Wälle oder Panzertürme gedeckt, vorhanden gewesen wären, wie sie die wichtigen Hafen- und Flußzugänge aufweisen, z. B. an der Mündung der Elbe und Weser, der Kieler und Wilhelmshavener Bucht sind solche Befestigungen und Geschütze vorhanden, so müssen die Schiffe natürlich weit mehr auf die Erhaltung ihrer eigenen Gefechtsfähigkeit bedacht sein, da die modernen Küstengeschütze so schweren Kalibers und so weittragend sind, daß sie selbst die starken Schiffspanzer noch auf verhältnismäßig große Entfernungen durchschlagen und die Bedienungsmannschaften auch im Frieden beständig in der Beschießung schwimmender und in Bewegung befindlicher Ziele geübt werden.

Transport von Geschützen in den Dünen

Vor Borkum hatten es also die beiden alten Schiffe unserer Sachsenklasse bedeutend leichter, und als die Landbatterien schwiegen, war der Augenblick des Ausschiffens des Landungskorps gekommen. Das Korps hatte nunmehr nur noch das Gewehrfeuer der in den Dünen verteilt liegenden Schützen zu fürchten, das, wenn es auch die Landung nicht verhindern kann, so doch keineswegs gering zu achten ist. Man muß bedenken, daß das Landungskorps, in den Booten der Kriegsschiffe verteilt, sich verhältnismäßig langsam der Küste so weit nähert, bis die Wassertiefe gestattet, die Boote zu verlassen und die letzte Strecke bis an den Strand zu durchwaten. In den Booten nun sitzt eine verhältnismäßig große Anzahl von Menschen, dicht zusammengedrängt, so daß sie von ihren Gewehren kaum Gebrauch machen können, zumal sie die verstreut und gedeckt liegenden Schützen gar nicht sehen. Diesen bieten dagegen die Boote ausgezeichnete Ziele, und es ist wohl anzunehmen, daß dieser Teil der Landung noch manches Opfer an Menschen und Booten fordern wird. Deswegen ist hier auch die größte Schnelligkeit geboten, sowohl was das Bemannen der Boote, wie auch die Annäherung an die Küste anlangt. Dampfbarkassen schleppen die Bootszüge mit Aufbietung aller Maschinenkraft heran, und sowie die Lotungen, die Sichtbarkeit des Meeresgrundes oder aber das Aufgrundlaufen der Boote zeigen, daß nun gewatet werden kann, dann heißt es: heraus aus du Booten und so schnell wie möglich aufs Trockene! Die erwähnten Dampfbarkassen oder Pinassen führen Maschinengewehre mit an Bord und bestreichen mit ihnen fortwährend die Strandlinien, wo die feuernden Schützen vermutet werden, und auch die großen Schiffe feuern mit allen Geschützen über die Boote oder de Köpfe des Landungskorps hinweg, um es vor Verlusten zu bewahren und die Verteidiger am Strand zu schwächen und einzuschüchtern. Dazu sind gerade die zahlreich auf unsern Schiffen vorhandenen Maschinenkanonen und Maschinengewehre ganz ausgezeichnete Waffen, da ihre ungeheure Feuergeschwindigkeit gestattet, auch ohne die einzelnen Schützen zu sehen, doch ein ganzes Terrain derart unter Feuer zu nehmen, gleichsam zu rasieren, daß es kein Mensch dort aushalten kann.

Liegende Schützen in Deckung am Strand

Wenn dann die ausgeschifften Truppen erst einmal gelandet sind, haben sie meist gewonnenes Spiel, denn der Feind, der die Landung nicht hat verhindern können, ist noch weit weniger imstande, mit seinen geschwächten Kräften den Angriff des noch völlig frischen Landungkorps abzuschlagen. Dieses bildet sofort am Strand Schützenlinien, auch die Maschinengewehre werden aus den Dampfbooten an Land gebracht, um eine wirksame Unterstützung zu bilden, nun geht es systematisch unter Benutzung aller natürlichen Deckungen des Geländes gegen den Feind vor, und es entspinnt sich ein reiner Landkampf.

Zur Kritik nach dem Manöver

Dieser Artikel erschien zuerst am 26.07.1902 in Die Woche.