Haus Billing in Karlsruhe in Baden

Haus Billing in Karlsruhe in Baden

Arch.: Herm. Billing in Karlsruhe.

In den letzten Jahren ist im Westen der badischen Haupt- und Residenzstadt Karlsruhe ein Stadttheil entstanden, welcher in seiner bevorzugten Lage einige von der sonstigen schematischen Gleichförmigkeit der Fächerstadt wohlthuend abweichende Eigenthümlichkeiten besitzt.

In ihrer Verlängerung durchzieht ihn die Kriegsstrasse, eine hervorragende, durch vornehme Anwesen ausgezeichnete und in offener Weise ausgebaute Strasse, die zumtheil mit Villen, zumtheil mit aneinandergereihten Wohnhäusern besetzt ist. Dieser Umstand, sowie das benachbarte bewaldete Gelände der Albniederungen, der Niederungen eines bescheidenen Flüsschens, welches in den Ausläufern des Schwarzwaldes entspringt, Thäler mit hohen landschaftlichen Reizen hervorgebracht hat und vor seinem Ergiessen in den Rhein in der sonst flachen Ackerebene noch ein gutes Andenken zu hinterlassen bestrebt war, waren für den inrede stehenden Stadttheil Veranlassung, besondere bauliche Vorschriften aufzustellen, die Strassenführung von der geraden Linie abweichen und sie in etwas freierer Weise ohne Schematisirung verlaufen zu lassen. So entstanden die Liebig-, die Weltzien-, die Hübsch- und die Eisenlohrstrasse in leichter Schwingung, die dem Strassenbild Reize verleiht, wie sie die gerade Strasse nicht zu bieten imstande ist. Neben manchem, was dem leidigen geschmack- und gefühllosen Unternehmerthum zuzuschreiben ist, ist in diesem Stadttheil schon manch werthvolles architektonisches Werk von bewährten Künstlern wie Curjel & Moser, Billing, Neumeister usw. entstanden und die Vorzüge des Stadttheils lassen es wohl verstehen, wenn in diesem und jenem Künstler der Wunsch wach gerufen wurde, hier sein eigenes Haus zu errichten.

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So entschloss sich Herm. Billing zum Erwerb des am Zusammenfluss zweier Strassen liegenden, spitz zulaufenden Eckbauplatzes Eisenlohrstrasse No. 23.

Der Bauplatz ist nicht reichlich gross, sodass, wenn noch ein bescheidenes Gärtchen übrig bleiben sollte, das Haus dicht an die Strassengrenze gebaut werden und in seiner Eintheilung dieser folgen musste. Unter diesem Gesichtspunkte entstand der nebenstehende Grundriss, der eine einfache und wohldurchdachte Lösung der unregelmässigen Anlage darstellt.

Haus Billing in Karlsruhe in Baden
Haus Billing in Karlsruhe in Baden
Haus Billing in Karlsruhe in Baden
Haus Billing in Karlsruhe in Baden

Im Erdgeschoss reihen sich um die unregelmässige Diele die Wohnräume mit Küche und Nebentreppe, im Obergeschoss liegen die Schlaf- und Kinderzimmer, im Dachgeschoss die Fremdenzimmer und Mädchenkammern. Das Kellergeschoss enthält nur Vorrathsräume. Die Unregelmässigkeit des Grundrisses war für das Aeussere Veranlassung zu malerischen Bildungen und kommt insbesondere in der Dachlösung zum Ausdruck. Der Dachfirst wurde parallel zu einem Strassenzuge gelegt, sodass, wie die Beilage zeigt, gegen die Eisenlohrstrasse als Hauptstrasse eine windschiefe Fläche entstand, die zunächst etwas auffällt, mit der man sich jedoch bald versöhnt, um sie als einen Bestandtheil der künstlerischen Mittel zu betrachten, mit welchen der Architekt sein Werk in eigenartiger Weise ausgestattet hat. Unter diesen Mitteln stehen die Unregelmässigkeit und die Ungleichförmigkeit oben an. Keine Axe, kein gleiches Fenster, möglichste Verschiedenheit in allen Einzelbildungen, das ist die erkennbare Absicht, die in diesem Bauwerke unverhüllt zum Ausdruck kommt; und, es ist nicht zu leugnen, es ist nach diesem Grundsatze eine selbständige künstlerische Wirkung von eigenartigem Reiz und von persönlicher Haltung erzielt.

Die Fassaden sind, wie die Abbildungen zeigen, in hammerrechtem hellem Bruchsteinmauerwerk mit blauem Fugenverstrich ausgeführt; ein kleiner Theil der Fassade sowie die Fachwerksausmauerungen sind verputzt. Das Holzwerk, welches sich mit starker Entschiedenheit von den weissen Putzflächen abhebt und vorzüglich mit dem gelblichen Ton des Bruchsteinmauerwerkes und dem Blaugrün des Schieferdaches zusammengeht, ist theils geölt, theils bunt gestrichen. Eine Berankung der Fassade durch grüne Schlingpflanzen scheint nicht in Aussicht genommen zu sein, vielmehr dürfte der Baumschmuck der Strasse nach seiner Entwicklung berufen sein, das architektonische Bild in malerischer Weise zu ergänzen.

Haus Billing in Karlsruhe in Baden
Haus Billing in Karlsruhe in Baden
Haus Billing in Karlsruhe in Baden
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Auch für die Gestaltung der Innenräume gab die Unregelmässigkeit des Grundrisses dankbare Gelegenheit zum Ausschmücken und zu behaglicher Ausbildung. Von dem Charakter des Inneren giebt der Wohnraum auf unserer Beilage ein anschauliches Bild. Allenthalben wurden an Decken, Wänden und Einrichtungsegenständen energische Farbengegensätze gewählt.

Das Haus besitzt eine Zentralheizung. Seine Baukosten haben nur 40000 M. betragen. –

Dieser Artikel erschien zuerst am 25.11.1899 in der Deutsche Bauzeitung.