XVIII. Blätter und Blüten aus der Neuzeit

Es kann nicht in der Absicht liegen, die Neuzeit eingehender behandeln zu wollen. Die Thatsachen sind noch zu frisch und die Berichterstatter so zurückhaltend, daß es nicht möglich ist, ohne aktenmäßige Unterlage eine zuverlässige Darstellung zu liefern. Was hier noch folgen soll, sind zusammenhangslose Thatsachen, aber auf amtliche Mitteilungen und selbsteigene Beobachtung gestützt. Mögen sie dazu dienen, das Gedächtnis der Mitlebenden aufzufrischen, und die Spätergeborenen antreiben sich bei ihren Eltern und Voreltern zu erkundigen.

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Gemeindeordnung

1850 erhielt die Rheinprovinz eine neue Gemeinde-Ordnung, infolge deren die Gesamtbürgermeisterei Siegburg durch einen Vorsteher (Bürgermeister), zwei Beigeordnete, zwei Schöffen und zwölf Gemeinderäte verwaltet werden mußte. Diese Anordnung bestand aber nur bis 1857, wo durch Kabinetsordre Sr. Majestät, von Marienbad aus datiert, die Stadt Siegburg von der alten Vogtei, Troisdorf und Wolsdorf, getrennt und selbst mit der Städteordnung der Rheinprovinz vom 15. Mai 1856 beehrt wurde. Seitdem besteht für die Verwaltung der Stadt- und Landbürgermeisterei Siegburg (Troisdorf und Wolsdorf) eine sogenannte Personalunion, und wird letztere nach den Vorschriften der damals wieder eingeführten Gemeindeordnung vom 23. Juli 1845 sowie dem Einführungsgesetze vom 15. Mai 1856 und einigen Abänderungen durch die Kreisordnung vom 30. Mai 1857 verwaltet.

Schulverhältnisse

An die Stelle des Herrn Kuttenkeuler trat 1851 Gerhard Brambach aus Siegburg, dessen Namen uns schon oben bei der Lateinschule begegnet ist. Er war ein gutmütiger und sehr biederer Herr, aber als tiftliger Philologe vielleicht etwas zu ängstlich, um nicht zu sagen kleinlich in der Behandlung fortschreitender Verhältnisse, so daß er am Ende seiner langjährigen Amtsthätigkeit es nicht verhindern konnte, sich vielfachen Bekritelungen und meist ungerechten Angriffen seitens der Unzufriedenen ausgesetzt zu sehen. Seine Liebe zum Schulwesen hatte er beibehalten und mit Unterstützung des Herrn Landrates Wülfing gelang es ihm, nicht nur das vielbedrohte Gnadengeschenk Sr. Majestät Friedrich Wilhelm III. für die Siegburger Schulen zu erhalten, sondern auch die Lateinschule 1852 durch das hohe Königliche Ministerium als wirkliches Progymansium anerkannt und 1865 in die Reihe der vollberechtiten Anstalten aufnommen zu sehen. Als Lehrer wirkten damals an der Schule der Rektor Franz Huberti und die Herren Gustav Humperdinck, Dr. Pöppelmann, Dr. Rachel, Rudolf Heinekamp, Kaplan Lindemann und Kaplan Sauvage, letzterer mit dem Pfarrer Greven von der Irrenheilanstalt als katholischer bezw. evangelischer Religionslehrer, im Gesang- und Zeichenunterrichte die Lehrer Mohr und Ullinger.

Die Elementarklassen zählten 1862 schon 473 Kinder, mit der evangelischen Privatschule und der der Israeliten über 540. Die Bevölkerungsziffer der Stadt belief sich auf 3432 Katholiten, 288 Protestanten und 226 Juden, einschließlich der in der Irrenheilanstalt untergebrachten Kranken und Bediensteten.

(Sein (Gustav Humperdincks) Sohn ist der bekannte Komponist von „Hänsel und Gretel“, „das Glück von Edenhall“, „die Wallfahrt nach Kevelar“, „das eherne Pferd“ und dgl. mehr,
Engelbert Humperdinck, geb. am 1. Sept. 1854 in dem jetzigen Gymnasialgebäude. Nachdem er sich 1871 in Paderborn das Zeugnis der Reife erworben, widmete er sich ein halbes Jahr lang dem Baufache und besuchte dann aus eigenem Drange und auf Anraten des Herrn Hiller am Kölner Musik-Konservatorium 4 Jahre die dortige Musikschule. Mit der Frankfurter Mozart-Stiftung beehrt, begab er sich 1876 zu Franz Lachner in München und genoß auch gleichzeitig den Unterricht am dortigen Konservatorium. Hier erwarb er sich den ersten Preis der Mendelssohn-Bartholdy-Siftung und fand auf seinen Reisen in Italien und Sicilien Gelegenheit, mit Richard Wagner bekannt zu werden. Derselbe lud ihn ein, bei den Vorbereitungen zur ersten Parsisal Aufführung in Bayreuth mitzuwirken, infolgedessen er dorthin übersiedelte und nun in näheren Verkehr mit ihm und seiner Familie trat. Er leitete 1881/82 den Musikverein und dessen Konzerte, arbeitete an der Herstellung der Wagner’schen Parsisal Partitur und übte den Knabenchor ein, welcher unter seiner Leitung im Parsifal mitwirlte. Nach Beendigung der Festspiele 1882 erlangte er den Preis der Maherbeer Stiftung und besuchte nun als deren Stipendiat nochmals Italien, Frankreich und Spanien. Herbst 1885 wurde er nach halbjährigem Aufenthalte zu Villa „Hügel“ als musikalischer Gesellschafter des alten Herrn Krupp zur Lehrthätigkleit an das Conservatorio del Liceo in Barcelona berufen, gab aber nach erfolglosem Versuche, die zurückgebliebenen Musikzustände der genannten Anstalt nach deutschem Muster zu reformieren und aus Gesundheitsrücksichten, die mit in die Wagschale fielen, 1886 die Stellung auf. Nunmehr wirkte er ein Jahr lang als Lehrer an dem Kölner Konservatorium und darauf zu Mainz behufs Herausgabe älterer Musikwerke für die Verlangshandlung Schott & Söhne. 1890 siedelte er nach Frankfurt über, wo er am Hoch’schen Konservatorium als Musik-Berichterstatter der Frankfurter Zeitung noch jetzt thätig ist. Seine Märchenoper Hänsel und Gretel ist in das Englische, Schwedische, Holländische, Böhmische, Ungarische, Russische, Französische übersetzt und macht gegenwärtig die Runde auf allen Hauptbühnen Deutschlands und hoffentlich auch im Ausland. Se. Majestät der Kaiser überreichte ihm nach der 100. Vorstellung derselben zu Berlin eigenhändig den Kronenorden 4. Klasse.)

Verlegung des Landratsamt in die Stadt

Kreishaus Siegburg, 1907

Die Verlegung des Landratsamtes in die Stadt hatte diese thatsächlich zur Hauptstadt des Siegkreises gemacht und das Königliche Friedensgericht, die Königliche Postexpedition, das Untersteueramt, das Hypothekenamt, die Kreis-Spar- und Darlehenskasse, der Kreisphysikus (seit 1848 der jetzige Geheime Sanitätsrat Dr. Brühl, Ritter des roten Adlerordens 4. und des Kronenordens 3. Klasse. Er verlegte aber erst 1850 seinen Wohnsitz von Königswinter nach Siegburg) und mehrere Ärzte, sowie zwei Apotheken verfehlten nicht, das Ihrige zur Hebung des Städtchens beizutragen. Als Notare fungierten lange Zeit die Herren Wurzer, Franz Halm und Börsken, als Hypothekenbewahrer Cornelius Lequis und als erster Sparkassenrendant seit 18354 Herr Marnach.

Kreishaus und Kaiser Wilhelm-Denkmal, aus Siegburg (1914)

Die 1856,57 gegründeten Kreisblätter von Ferdinand Dämisch (ein schon früherer Versuch war von ihm wieder aufgegeben worden) und Ferdinand Borgstette, zu denen sich später noch andere Blätter gesellten, machten die Kreisbewohner nicht nur mit den Tagesfragen bekannt, sondern wußten auch durch ihren Annoncenteil die kleinen Geschäfte der Stadt in empfehlende Erinnerung zu bringen und die Kauflustigen recht zahlreich durch die Thore zu locken.

Deutz-Gießener Eisenbahn und Postverkehr

Die Post besorgten ein Expedient und drei Unterbeamten, die Bestellung über Land drei Briefträger und zwar noch sehr weit in die Berge hinein. Seit 1848 sah man täglich einen Postwagen nach Overath fahren und 1861 die Straße vollständig ausgebaut werden. Der städtische Beitrag zu den Kosten belief sich auf 3704 Thaler 8 Sgr. 2 Pfg., der für die Zeitstraße, als diese 1863,/65 chaussiert wurde, auf 3694 Thaler und 10 Sgr.

(Die meisten Straßen im Siegkreise hat der Baumeister Court gebaut.)

Siegburg Bahnhof ca. 1865

Die Deutz-Gießener Eisenbahn hob 1859 den Postwagenverkehr zwischen Köln und Siegburg auf und nach der Fortsetzung derselben bis Gießen 1863 auch die schwierigere Verbindung mit Altenkirchen und dem Hinterlande. Nach Much wurde 1861 ein Postwagen eingerichtet und die Botenpost nach Waldbröl einer anderen Postexpedition zugewiesen. Zwischen Siegburg und Neunkirchen vermittelte den Verkehr ein Privatomnibus, 1866 auch für die Post, und seit 1867 ein staatlicherseits eingestellter Wagen. Die dreimaligen täglichen Fahrten nach Bonn wurden 1863 in zweimalige verwandelt, weil der Gasthofbesitzer Zum Stern mehrere Omnibusse nach Beuel laufen ließ und dadurch namentlich den Marktbesuchern das Reisen bequemer machte. Die Anlage des Bahnhofes im Westen erschloß den Siegburgern ein neues Gebiet zu Ansiedelungen, und die Verbindung desselben mit der Stadt führte die Herstellung einer dritten Mühlengrabenbrücke herbei, die 860 Thaler tostete. Die Bahnhofs- und Wilhelmsstraße bilden seitdem einen Stadtteil, der sich kühn mit jedem großstädtischen messen kann und namentlich zu Privatwohnungen geeignet ist.

Geschäftsleben in der Stadt

Die Kaiserstaße, aus Siegburg (1914)

Es versteht sich nun von selbst, daß mit der Leichtigkeit des Verkehrs auch das Geschäftsleben in der Stadt einen größeren Aufschwung gewann, und daß die Bürger es nicht verabsäumten, den Fortschritt der Verhältnisse nach Kräften auszunützen. Die Jahrmärkte verloren zwar an Bedeutung, aber der Ladenverkauf gestaltete sich zu einem so angesprochenen, daß man ohne Schaden schon auf die ersteren verzichten zu können glaubte. Man hatte kaum noch nötig, seine Einkäufe zu Köln oder zu Bonn zu besorgen; die Groß- und Kleinhändler wußten alles an Ort und Stelle zu schaffen und es den Kauflustigen schmuck und gut auf den Tisch zu legen. Die Geschäftsräume bekamen eine größere Ausdehnung, die Überbaue an den Häusern wurden zurückgezogen und die Dachgiebeln abgeschrägt; an die Stelle der Stubenfenster traten große Schaufenster, und als die Spiegelscheiben zur Anwendung kamen, verfehlte man auch nicht, diese in Siegburg zur Einführung zu bringen und es so den Großstädtern an Luxus gleich zu thun.

Die Gasanstalt

1862 wurde die städtische Gasfabrik angelegt und mit einer Anleihe von 25 000 Thalern aus der Provinzial-Hülfskasse bezahlt. Die Zinsen des Kapitals betrugen 4 ½ %. 1863 gestaltete sich der Gasverbrauch schon so ausgedehnt, daß man sich glückwünschen mußte zu der Anlage, obgleich der Kubikfuß damals noch 3 Thaler kostete.

Restauration der Kirche

Die Öllämpchen und Kerzen schwanden immer mehr aus den Wohnungen, und selbst in der Kirche wurden Gaskandelaber angebracht, als diese 1864 restauriert und zu einem würdigeren Gotteshause umgeschaffen wurde.

Der Unterhaltungsbeitrag des Staates betrug 774, der der Pfarrgemeinde 340 von 1114, jetzt ist er auf 7 zu 3 festgesetzt worden. Die Oberleitung der Arbeiten hatte der Kreisbaumeister Brandenburg unter Assistenz des Bauführers, jetzt Oberbaurates Jungbecker zu Köln. Die Chorfenster erwiesen sich 1868 als schadhaft und bekamen deshalb ein neues Maßwerk. In Verbindung damit wurden auch die Filialen und die Galerie an dem Chore und den Vorbauen angebracht. Die bunten Glasfenster lieferte die Kirchenkasse unter Beihülfe freiwilliger Zuwendungen, die Kirchenstühle im Mittelschiffe eine Kirchenbaugesellschaft der Stadt und die Kanzel mit der Kommunionbank die dankbare Pfarrgemeinde, als der Herr Dechant Schmitz 1871 sein 25-jähriges Pfarrer- und daneben auch das Schulpflegerjubiläum feierte. Weitere Ausbaue an der Kirche erfolgten 1888/89, wovon jedoch erst später die Rede sein wird.

Die letzten Stadtthore

Das Jahr 1864 sah endlich die letzten Stadtthore fallen, wodurch der Unterschied zwischen Städtern und Vorstädtern glücklich beseitigt wurde. Sie standen auf der jetzigen Kaiser- und der Bahnhofstraße, da, wo ich die Burggasse bezw. Elisabethstraße von ihnen abzweigen, und bildeten mit dem Mühlenthore recht unansehnliche Ruinen. Die katholische Geistlichkeit allein hält noch fest an der alten Stadtgrenze, indem sie zur Wahrung ihrer althergebrachten Rechte die Leichen aus den äußeren Stadtteilen – mit Ausnahme der an dem Wege zum Friedhofe vorkommenden – nicht schon im Sterbehause selbst in Empfang nimmt, sondern erst an der Stelle der ehemaligen Stadtthore, um sie von da ab zur gemeinsamen Ruhestätte zu begleiten. Diese Praxis findet vielfachen Ansloß bei den Bürgern und dürfte deshalb mit der Zeit doch wohl abgeschafft werden.

Gnadengeschenk Sr. Majestät an die evangelische Gemeinde

Die evangelische Gemeinde kam 1852 durch ein Gnadengeschenk Sr. Majestät Friedrich Wilhelms IV. von 500 Thalern und ein terminweise zurückzahlbares, zinsfreies Darlehen, das später vom Prinzregenten ihr zum Geschenk gemacht wurde, in die glückliche Lage, zu Kirchen- und Schulzwecken ein eigenes Haus in der Holzgasse ankaufen zu können und die Seite 397 erwähnte Privatschule darin unterzubringen. Diese Schule wurde 1866 auf die Kommunalkasse übernommen und zur Herstellung eines besseren Unterrichtslokales das jetzige Aichamt an der Ecke der Allée- und Wilhelmsstraße erbaut. Dasselbe wurde 1867 bezogen, erhielt später eine ansehnliche Erweiterung und wurde 1879 in das neue Schulhaus an dem Friedensplatze verlegt. Da die katholischen Schulen auch an Überfüllung litten, so mußte im folgenden Jahre ein weiterer Schulbau vorgenommen werden, der 3475 Thaler kostete und westlich von dem alten Krankenhause zu stehen kam. Auf diese Weise mehrten sich die Ausgaben, und die Lehrerbesoldungen, Armenunterstützung, Wegebauten und Gasverluste verursachten den Stadtvätern oft recht schwere Sorgen.

Die rechtsrheinische Eisenbahn

Bedeutende Vorteile erhoffte man von der Anlage der rechtsrheinischen Eisenbahn, welche durch Kabinetsordre seiner Majestät von Ehrenbreitstein nach Siegburg konzessioniert war und eventuell eine Fortsetzung durch das Aggerthal erfahren sollte; allein andere Interessen führten dieselbe nach Düsseldorf, und schließlich mußte man froh sein, zur Verbindung mit dem Rheine eine kurze Zweigbahn von Friedrich-Wilhelmshütte her zu bekommen, und den Durchgangsverkehr der Station Troisdorf überlassen. Dieselbe wurde eröffnet am 1. Mai 1872, aber bei der Verstaatlichung der Eisenbahnen 1881 wieder matt gelegt.

Nicht minder ungünstig gestaltete sich der Ausbau der Westerwaldbahn für Siegburg, indem man die Häuser- und Terrainerwerbungen an der Zange und im Haufelde aufgab und die Einmündung der Strecke in die Deutz-Gießener Eisenbahn bei der Station Au vor sich gehen ließ. Beide Abwendungen sind für die Stadt ein unersetzlicher Schaden, der nur einigermaßen aufgewogen wird durch die Vorteile, welche ihr die Anlage der Königlichen Geschoßfabrik mit ihrer Arbeitsbeschäftigung gebracht hat. Dieselbe wurde ausgeführt nach dem Kriegsjahre 1870/71 und der Betrieb am 15. Juni 1875 mit dem Gusse einer 26 Ctm.-Granate eröffnet. Der Grund und Boden für die Anlage kostete annähernd 25 300 Thaler, da einzelne Morgen über 800 Thaler zu stehen kamen, und die Aufrichtung der Gebäude selbst über 2 ½ Millionen Mark, welche aus dem Milliardensegen nach dem Kriege mit Frankreich entnommen wurden. Die Stadt zählte damals 4619 Einwohner; 3895 Katholiken, 435 Protestanten und 289 Israeliten. Der Zuzug von außen aber und namentlich der Kindersegen, welcher der Arbeiterbevölkerung zuteil wurde, erhöhte dieselben bis 1882 auf 6912 und acht Jahre später auf 8328 Köpfe. Der Konfession nach zerfielen sie in 5602 Katholiken, 975 Protestanten und 335 Juden, im letztgenannten Jahre in 6669 Katholiken, 1334 Protestanten und 321 Juden, wozu noch je 2 und 2 Dissidenten kamen.

Die Königliche Geschoßfabrik

Es soll hier nicht unerwähnt bleiben, daß die wechselnde Arbeitermenge auf der Königlichen Geschoßfabrik, welche unter Umständen auf die Hälfte und noch tiefer herabsinkt, einen oft unangenehmen Einfluß auf das Geschäftsleben in der Stadt ausübt, und daß die Arbeiter, in Brotlosigkeit versetzt, dann teilweise gezwungen werden, sich mit ihren Familien an die Armenverwaltung zu wenden. (Vergl. Jahresbericht der Handelskammer zu Bonn 1892, Seite 9.)

Dadurch erwachsen dieser nicht unbeträchtliche Ausgaben, und doch ist die Stadt auf Grund der gegenwärtigen Gesetzgebung nicht in der Lage, vom Staate wie von den Privatindustriellen irgendeine Steuer zu erheben. Der Bürgermeister Brambach sollte dieses zuerst verspüren; die Stadtschulden stiegen auf 91 664 Mark; die Steuern konnten nicht wohl erhöht werden; die Beamten verlangten Gehaltsaufbesserungen, die Lehrer am Progymnasium nicht nur diese, sondern auch Wohnungsgeldzuschüsse; die Gasanlagen arbeiteten mit 48 Procent Verlust; die höhere Töchterschule mußte auf die Stadt übernommen werden, weil die Privatunternehmer das persönliche Interesse an ihr verloren hatten und doch die Schule nicht entbehrt werden fonnte. Da wurde ihm wider Willen der graue Kopf schwer, und gewissenhaft besorgt, wie er war, glaubte er den Anstrengungen nicht mehr gewachsen zu sein, um das Stadtschifflein noch weiter führen zu können.

Er dankte für den 1. Oktober 1873 ab und überließ das Steuerruder dem ebenso gewandten wie noch arbeitsfähigen Kreissekretair Herrn Jakob Spilles, welcher am 20. Oktober vom Stadtrate gewählt und gleich darauf auch von von der Königlichen Regierung zu Köln bestätigt wurde. Gerhard Brambach lebte noch 8 Jahre in stiller Zurückgezogenheit, zuletzt geehrt mit erhöhter Pension und einem wertvollen Geschenke seitens der dankbaren Gemeinde, und als er ins Grab gesenkt wurde, mochten Feind wie Freund das Lob des Herrn Dechanten gerechtfertigt finden, daß er eine anima candida gewesen sei.

Wohlthätigkeitsvereine und Krankenhaus

Der Wohlthätigkeitssinn der Siegburger hatte 1839 schon den ersten Frauenverein ins Leben gerufen, welcher es sich zur Aufgabe machte, hülflosen Wöchnerinnen in ihrer Notlage beizuspringen und arme Mädchen, soviel möglich, im Stricken und Nähen auszubilden, später auch, solche Hülfsbedürftige, wenn sie zur ersten hl. Kommunion gingen, mit passenden Kleidungsstücken zu versehen. Ihm folgte 1854 der Frauen- und Jungfrauenverein als Zweigverein der Stiftung Nationaldank behufs Pflege und Bedienung der im Kriege erkrankten oder verwundeten Soldaten, im Frieden zur Unterstützung der etwa vorhandenen Invaliden respektive deren Witwen und Waisen“.

Krankenhaus Siegburg, ca. 1895

(Verwandt damit, aber ganz unabhängig von ihm, ist der 1896 gebildete Lokal-Verein Siegburg zur Pflege im Felde verwundeter und erkrankter Krieger. Er gründet sich auf das Statut des bekannten Preußischen Vereins vom Jahre 1866 und das von diesem bestätigte Statut des Provinzialvereins zu Koblenz und will neben den Aufgaben des Hauptvereins in Kriegs- und Friedenszeiten die ihm zur Verfügung bleibenden Spezialfonds zunächst zur Lösung folgender Aufgaben verwenden: 1. Fürsorge für die Invaliden und die hülfsbedürftigen Teilnehmer an früheren Kriegen; 2. Fürsorge für die Ausbildung von Krankenpflegern und Kraufenpflegerinnen; 5 Mitwirkung bei Abhülfe außerordentlicher lolaler Notstände. Zur Ausbildung einer Santitätskolonne hat Sanitätsrat Dr. Levison freundlichst die Hand gereicht und unterzieht sich mit großer Liebenswürdigleit den betreffenden Anleitungen. Der Jahresbeitrag der ordentlichen Vereinsmitglieder beträgt 3 Mark.)

Der Elisabethenverein verdankt seine Anregung dem Herrn Kaplan Sauvage und wurde 1859 durch den Herrn Dechanten Schmitz mit Statuten ausgerüstet. Derselbe wollte sich der großen Mühe unterziehen, die Armen in ihren Wohnungen persönlich aufzusuchen und im Bedürfnisfalle die nötigen Lebeusmittel an sie verabreichen. Einen gleichen Zweck verfolgt der evangelische Frauen- und der israelitische Frauen- und sogenannte Wohlthätigkeitsverein, von denen ersterer im Jahre 1863, letztere beiden etwas früher, wenn ich nicht irre, gegründet worden sind.

Ein eigentliches Krankenhaus, das den sanitären Anforderungen der Neuzeit entsprochen hätte, existierte bis 1854 in Siegburg noch nicht, obgleich das alte Klausenhospital zur Aufnahme von hülflosen Altersschwachen benutzt und eventuell auch mit ansteckenden Kranken belegt wurde. Da übertrug man die Wartung und Pflege der Insassen den Schwestern vom h. Franziskus aus dem Mutterhause zu Aachen und zahlte ihnen außer den erforderlichen Zuschüssen für Licht, Brand, Leinwand und Mobilien etc. für jeden ihnen von der Armenverwaltung überwiesenen Kranken und Altersschwachen vertragsmäßig pro Tag 50, später 70 Pfennige, während es ihnen überlassen bleibt, mit den nunmehr bestehenden Orts- und Fabrikkassen besondere Pflegesätze zu vereinbaren.

Das alte Klostergebäude, die Klause, erfuhr eine teilweise Umgestaltung mit einem Erweiterungsbau und ist erst nach vielen Jahren durch ein großartiges Krankenhaus ersetzt worden.

Zu den Wohlthätigkeitsvereinen der Stadt rechnet unstreitig auch der katholische Gesellenverein, dessen Urheber nach dem bekannten Vorbilde des Herrn Kolping zu Elberfeld der damalige Kaplan Koch gewesen ist. Er wurde ins Leben gerufen am 1. Oktober 1854 und entwickelte sich namentlich unter der Leitung des Kaplan Büsdorf so hoffnungsvoll, daß man den Bau eines eigenen Lokales für ihn in Betracht ziehen und 1878 auch zur Ausführung bringen konnte. Dasselbe steht auf der jetzigen Ringstraße gegenüber dem Kaiserskirchhof, so genannt von den Totengräbern der in den neunziger und früheren Jahren dort bestatteten kaiserlichen und zum Teil auch französischen Krieger, welche in den Kämpfen an der Agger und um Siegburg herum gefallen waren.

Ein alter Schreinermeister von hier wußte sich der Thatsache noch zu erinnern, und in den Akten begegnet uns der Name schon 1772. Nach Büsdorfs Abdankung übernahm Kaplan Giesen den sorgenvollen Posten, und seiner Bemühung ist es zu verdanken, daß der Saal des Hauses nicht nur um ein Bedeutendes erbreitert, sondern hinter und über ihm auch eine Hausmeisterwohnung und Logierzimmer angebracht sind. Gott segne das ehrsame Handwerk! Nach den Statuten des Vereins will er durch Unterricht in der Religion, im geistlichen und weltlichen Gesange, im Lesen, Schreiben und Rechnen sowie auch im Zeichnen und in der Buchführung, ferner durch öffentliche Vorträge ohne gehässige religiöse Polemik und ohne Berührung der zeitigen Politik, durch Beschaffung passender Lektüre, Besprechungen und Unterhaltungen, Veranstaltung von unschuldigen Vergnügungen und gegenseitige Hülfe in der Not den religiösen und bürderlichen Sinn in seinen Teilnehmern pflegen und auf diese Weise einen tüchtigen und achtungsvollen Meisterstand heranbilden.

Nicht minder lobenswerten Bestrebungen huldigt der katholisch Arbeiter- und der evangelische Männer- und Jünglingsverein, welche beide aber erst in allerneuester Zeit zum Bedürfnisse geworden sind. Jener will durch Pflege des kirchlichen Lebens, durch Vorträge belehrenden Inhalts, durch Veredelung geselligen Zusammenseins und Anregung zur Sparsamkeit echt christliche Sitte und Glauben unter dem Arbeiterstande fördern und die soziale Stellung desselben zu heben suchen, dieser das evangelische Bewußtsein unter seinen Mitgliedern stärken, gute Sitte und allgemeine Bildung derselben heben, ihnen Gelegenheit zu gemütlicher und anregender Unterhaltung bieten und in außergewöhnlichen und unverschuldeten Notfällen auch Unterstützung gewähren. Beide Vereine erfreuen sich eines sehr zahlreichen Besuches und werden deshalb mit Gottes Hülfe auch die erwünschten Früchte eintragen.

Das Vereinsleben überhaupt

Nun würde man aber die Siegburger falsch beurteilen, wenn man sie nur von dieser Seite her in Betracht ziehen wollte. Dieselben haben von jeher die Geselligkeit geliebt und im öffentlichen sowie im Privatverkehre zur Geltung gebracht. Da giebt es einen Schützen- und einen kameradschaftlichen Verein, eine Gesellschaft für wissenschaftliche und gesellige Unterhaltung und einen sogen. gastronomischen Verein, verschiedene Turner-, Radfahrer- und Kegelgesellschaften und mehrere Männergesangvereine, eine nur Vergnügungen suchende Gesellschaft: Verein Verein und eine andere mit dem Zwecke der Geselligkeit, im Winter Karnevalsgesellschaften etc. und im Sommer Familienvereinigungen, kurz und gut, Gesellschaften über Gesellschaften, wer kann die Namen alle aufzählen?

Der Schützenverein erstand 1839 von den Toten und erwarb sich nach dem Revolutionsjahre 1849 das ehemalige Burgterrain behufs Herstellung eines eigenen Gesellschaftslokales und eines Schießplatzes.

1861 erhielt er Korporationsrechte und entfaltet nun unter seinem langjährigen Schützenhauptmann und Präsidenten, Bankdirektor Schiller, ein so friedliches und vergnügliches Zusammenleben, daß es den übrigen Gesellschaften nicht leicht fallen dürfte, es diesem Vereine an Ausdauer gleich zu thun. Se. Majestät Friedrich Wilhelm IV. verlieh ihm am 5. Oktober 1842 die goldene Huldigungsmedaille, welche der jedesmalige Schützenkönig als Ehrenschmuck trägt, und 1881 am 24. Juli Kaiser Wilhelm I. die große goldene Medaille zur Erinnerung an die huldvollst aufgenommene Mitteilung, daß Allerhöchstderselbe durch den statutenmäßig im Namen Sr. Majestät des Königs von Preußen vom Schützenhauptmann abgegebene erste Schuß beim Königsschießen den Sieg davongetragen habe. Diese Medaille trägt einstweilen noch der glückliche Treffer, dessen hervorragende Verdienste um die Burganlagen und die Gestaltung des Vereins die allgemeinste Anerkennung finden. Die Gesellschaft besteht aus aktiven und inaktiven Schützen, aus außerordentlichen und Ehrenmitgliedern, zu welchet ersteren Personen des geistlichen und des Offizierstandes, im Offiziersrang stehende Beamte und Herren ohne bleibenden Wohnsitz in der Stadt und endlich solche junge Leute ernannt werden können; welche ihrer Militärpflicht noch nicht genügt oder einstweilen keinen Freischein von derselben aufzuweisen haben. Der zweck des Vereins erklärt sich durch den Namen selbst. Er will durch Schießübungen seinen Mitgliedern Gelegenheit bieten, sich immer noch als Schützen auszubilden, und da die Geselligkeit mit obenansteht, „durch gemütliche Zusammenkünfte, gemeinschaftliche Vergnügungen und belehrende Unterhaltungen das auf wahre Freundschaft begründete gesellschaftliche Zusammenleben der Bewohner von Siegburg und Umgegend zu fördern“ suchen. Als Hauptfeste werden zwei gefeiert: der Geburtstag Sr. Majestät des Kaisers und Königs, durch Teilnahme an dem Gottesdienste und gemeinschaftliches Festmahl auf Kosten der Vereinskasse, sodann das eigentliche Schützenfest selbst, am Sonntag nach dem 23. Juli und in den nachfolgenden Tagen, während gleichzeitig in der Stadt Jahrmarkt ist und so die alten Verhältnisse von Siegburg neu aufgefrischt werden. Die Fahne trägt die Inschrift 1849 und auf der Rückseite die Worte: Eintracht macht stark.

Diese Devise sollten alle Gesellschaften führen, aber mit dem Wechsel der Personen ändern sich oftmals auch die Bestrebungen. Von den übrigen Vereinen, deren oben Erwähnung gethan ist, erfreuen sich des längsten Daseins der Turn- und der Männer-Gesangverein, indem ersterer schon 1862, letzterer 1867 gegründet wurde. Der Turnverein hat nunmehr den Turn- und Fechtklub zur Seite und letzterer die Vereine: Germania, Konkordia, Eintracht und den Männerchor der Königlichen Geschoßfabrik, welche sämtlich die Lorbeeren ihres Vorgängers nicht ruhen lassen. Was der Turnverein zu leisten imstande ist, sah man 1878 bei dem glänzenden Gauturnfeste auf dem festlich geschmückten Marktplatze, und was der Männer-Gesangverein für Kräfte besitzt, abgesehen von der vortrefflichen Leitung seines nunmehrigen Ehrenpräsidenten Herrn Kaufmann J. Fußhöller, beweisen die vielfachen Anerkennungen und ehrenvollen Siegespreise, welche er bei Wettstreiten zu Köln, Wesel, Euskirchen, Barmen, Godesberg u.s.w. davongetragen hat, am lehztgenannten Orte 1890 z. B. den ersten Preis in der zweiten Klasse seiner Mitbewerber, eine silbervergoldete schöne Medaille und 300 Mark Gold, und zwar nach dem einstimmigen Urteile der Preisrichter. Die ganze Bürgerschaft war entzückt über diese Auszeichnung und bereitete den heimkehrenden Sängern einen ebenso verdienten wie herzlichen Empfang. 1892 konnte er sein 26-jähriges Stiftungsfest feiern und dasselbe durch die Opferwilligkeit der Stadt, seines wohlsituierten Präsidenten und der gesamten Bürgerschaft zu einem recht großartigen gestalten. Über 70 auswärtige Vereine sandten ihre Mitglieder resp. Abgeordnete her und versetzten zwei Tage lang die Stadt in eine nie gesehene Aufregung. Da gab es ein Singen und ein Klingen, ein Kommersieren und Jubilieren, wie es von 2000 Sängern und mehr nicht anders zu erwarten war, und wer sich am liebsten mit dem unfreundlichen Regengotte abfand, das waren die glücklichen Preisgekrönten, welche als Sieger in ihre Heimat zurückkehren konnten. Wenn Engel reisen, schrieb damals ein Blatt, dann weint der Himmel; so sollte es auch am 6. und 7. August sein, ohne daß die Heiterkeit und der gemütliche Frohsinn dadurch gestört wurden.

Ihre künstlerischen Leistungen aber, oft mit kleinen Lustspielen gepaart, beschränkten die Gesangvereine nicht auf die Anwesenheit ihrer jedesmaligen Mitglieder, sondern sie gönnen das Vergnügen auch gerne jedem Nichtmitgliede, das sich einfinden will, und wenn es gilt, den Armen eine Unterstützung zuzuwenden oder sonst zu öffentlichen Zwecken mitzuwirken, dann lassen sie sich niemals umsonst bitten, sondern ergreifen mit Freuden die Gelegenheit, den Lohn ihrer Musenkünste durch Entréeinnahmen zur Verfügung zu stellen. Die beiden Kirchenchöre sind erst in der Entwickelung begriffen und verfolgen selbstverständlich ganz andere als profane Ziele; aber auch sie treten schon vor das dankbare Publikum und erfreuen es durch ihre andachtsvollen Lieder.

Das Jahr 1866 brachte Siegburg den kameradschaftlichen Verein, teils um die erprobte Waffenbrüderschaft in den Heerespflichtigen zu erhalten, teils um durch häufige Zusammenkünfte zwecks Belehrung und Unterhaltung der Beteiligten die Liebe und Treue zu König und Vaterland in ihnen zu stärken und in den nachfolgenden Geschlechtern zu beleben. Am 26. Januar 1867 konnte man zum ersten Male einen sogenannten Appell im Reichensteine abhalten und die von der Regierung gutgeheißenen Statuten zur Befolgung vorlegen. Als Stiftungstag wurde der 3. Juli angenommen, an welchem sich das Schicksal zwischen Preußen und Österreich entschied, und als erster Kommandeur des Vereins der Oberstleutnant Muelenz gewählt, zum Adjutanten desselben der Notar Wurzer, welcher zuerst auf den patriotischen Gründungsgedanken gekommen war. Seitdem wird die Erinnerung an das hochwichtige Ereignis an dem Schlachttage selbst oder sonst an einem der nächsten Sonntage gefeiert und durch gemeinsamen Umzug in der Stadt, durch nachfolgendes Mahl mit Konzert sowie andere augepaßte Vergnügungen begangen.

Nichtmitglieder haben zu den Appellversammlungen keinen Zutritt, wohl aber zu den Festlichkeiten als solchen, und aufgenommen können in den Verein nur Personen werden, welche entweder im stehenden Heere oder sonst in der Marine gedient haben. Bei Todesfällen werden kriegerische Leichenfeiern veranstaltet und die braven Dahingeschiedenen bis zum letzten, großen Appell auf unfreiwilligen Urlaub entlassen. Die Bewohner von Aulgasse und Driesch haben einen eigenen kameradschaftlichen Verein und bekunden dieselbe patriotische Gesinnung wie jener.

Von einem Vereine ist bisher noch keine Rede gewesen, weil er wie der wissenschaftliche noch nicht in seiner Ruhe gestört werden wollte und eben erst die Augen wieder aufgeschlagen hat, das ist der Verschönerungsverein. Verfolgen alle übrigen Vereine mehr oder weniger das Privatinteresse, so harren seiner durchweg gemeinnützige Aufgaben, und da noch Geld in der Kasse ist, so dürfen wir der begründeten Hoffnung Raum geben, daß er das Versäumte nachholen und den Wünschen des Publikums gerecht werden wird. Der Anlauf dazu ist schon genommen; wir empfehlen nur die Anlagen einer rücksichtsvollen Behandlung.

Damit scheiden wir von dem Vereinsleben, ohne uns auf den inneren Betrieb desselben einzulassen. Vielleicht sind der Gesellschaften zu viele, was zur Zersplitterung und zu oft kostspieligen Ausgaben führt.

Aber wenn auch jeden Sonntag was los ist, wie der verstorbene Herr Dechant Schmitz sagte, so hat doch die Neigung zum Vergnügen der täglichen Arbeit noch keinen Abbruch gethan, und besucht man noch ebenso gern den Gottesdienst, wie man sich abends ein Feierstündchen im Wirtshause oder im trauten Kreise seiner Familie erlaubt.

Mit der Liebe zur Arbeit und zur Religion, mit dem Wohlthätigkeitssinne und dem Triebe zur Geselligkeit verbindet sich aber auch noch eine andere Eigenschaft bei den Siegburgern, welche trotz mancherlei Unterwühlungsversuchen ihre segensvolle Beständigkeit noch nicht verloren hat, ich meine die Liebe zum Vaterlande. Der Sozialismus hat keineswegs schon Anhänger in Siegburg gefunden, und der Geburtstag Sr. Majestät ist ein Freudenfest, dem Jung und Alt sich mit Begeisterung hingeben. Die Siegesfeiern von 1870 sind zwar vorüber; sie wurden stets mit der größten Dankbarkeit gefeiert; aber solange das Kriegerdenkmal existiert und die staatlichen Anstalten in- und außerhalb der Stadt das Einst und Jetzt ins Gedächtnis rufen, wird man freudig den großen Herrscher segnen, der dem deutschen Vaterlande und speziell auch Siegburg zum Aufschwunge verholfen hat.

Das Kriegerdenkmal

Das Kriegerdenkmal wurde 1876 errichtet und ist dem Andenken der 1866 und 1870/71 gefallenen Heldensöhne aus dem Siegkreise gewidmet. Auf einem viereckigen Unterbau mit achteckigem Aufsatze erhebt sich eine Kolossalsäule in Geschützform, oben geschmückt mit einer Siegesgöttin à la Rauch, unten umstellt mit vier Helmen nach altgriechischem Muster und auf den vorspringenden Eckbasen der Unterstufe mit vier dreistäbigen Kandelabern zur Aufnahme von Glutpfannen. An dem Sockel liest man die Namen der 168 Gefallenen und über denselben an dem Aufsathe die Sprüche: Durch mich wird entboten ein Gruß eurer Toten. – Ich stehe ohne Wanken, den Tapferen zu danken – Ich zeige nach oben, den Retter zu loben. – Mich mag überleben echt deutsches Streben.

Die Namen der Schlachtenorte sind an der Rundsäule angebracht. Das Modell wurde angefertigt von dem Architekten Ritschert aus Breslau und die Ausführung einem Bonner Steinhauer übertragen, der leider nicht das allerbeste Material dazu genommen hat. Die Siegesgöttin, Helme und Kandelaber sind aus Guß, das übrige aus weißem Sandstein. Das Ganze umgiebt ein schönes Eisengitter mit vier Ecklaternen, eine Hinzufügung der dankbaren Stadt, während das Denkmal selbst durch die Bemühungen eines dafür interessierten Komitées beschafft wurde, teils aus den Erträgen freiwilliger Gaben, teils durch Veranstaltung einer Lotterie und durch nicht unerhebliche Zuschüsse seitens der Kreisverwaltung und der erfreuten Stadtgemeinde. Letztere erhielt dasselbe bei seiner feierlichen Enthüllung am 18. August 1877 durch das Komitée zum Eigentum geschenkt und weiß es liebevoll in hohen Ehren und guter Pflege zu erhalten. Es kostet etwas über 20 000 Mark, das Gitter mit seiner Unterlage rund 2500 Mark.

Daß der Siegesjubel von 1870/71, nach fünfjähriger Vergangenheit, noch solche Blüten zutage fördern konnte, zeugt offenbar von echtem Patriotismus, welcher in den Herzen der Siegburger Platz gegriffen hatte.

Der Krieg von 1866, das soll nicht geleugnet werden, war vielen zuwider, und ebenso auch nicht, daß manchem erst nachträglich die volle Bedeutung desselben zur Erkenntnis gekommen ist. Aber wer konnte den glücklichen Ausgang des Streites voraussehen, wer bebte nicht vor dem Bruderkriege, wie man sich ausdrückte, obgleich es die Führerschaft Preußens und die Einigung des zersplitterten Deutschlands galt? Der Krieg mit Frankreich dagegen erfüllte alle Herzen mit Begeisterung. Die Landwehrleute und Reservisten zogen mit Todesverachtung ins Feld, dem gallischen Brennus das Schwert zu entwinden, und wem trotzdem noch der Abschied schwer wurde, dem sprachen die übrigen Mut zu und ließen es zu keinen Rührszenen kommen.

Man spielte gerade im Herrengarten die Regimentstochter, als die erste Nachricht von der Kriegserklärung in Siegburg eintraf. Der Herr Notar Wurzer stieg auf die Bühne und teilte sie den frohgespannten Zuschauern mit. Da entstand jedoch keine Bestürzung, kein unmutsvolles Auseinanderlaufen. Die Damen wie die Herren blieben unverwandt sitzen und vertrauten dem höchsten Schlachtenlenker, der dem Rechte zum Siege verhilft. Der Forstkandidat Knorr und mehrere andere Herren, welche die freche Herausforderung zur Fahne rief, schwangen mutig ihre Humpen und brachten schließlich noch eine Zaghaften, der das Franzosentum überschätzte, eine „Greuell “hafte Katzenmusik. Es war am 19. Juli, als Frankreich den übermütigen Krieg erklärte, während Preußen schon zwei Tage vorher den norddeutschen Bund aufgeboten hatte, um von jenem nicht unvorbereitet getroffen zu werden. Die süddeutschen Staaten folgten nach, der König von Baiern voran, und fest stand und treu, wie Max Wenzelburger singt, die Wacht am Rheine.

Die nun folgenden Ereignisse müssen hier füglich übergangen werden.

Die Kämpfe bei Weißenburg, Spichern, Wörth, Mars-la-Tour und Gravelotte (am 4., 6., 6, 16. und 18. August und bei Sedan am 1. September) leben unauslöschlich im Gedächtnisse der Deutschen und der Tag von Sedan, den selbst König Wilhelm nicht erwartete, gestaltete sich zu einem Siegesfeste, wie es noch niemals in der Geschichte dagewesen war. Ein Kaiser, eine Armee gefangen, eine zweite in Metz eingeschlossen und ganz Frankreich in Verwirrung, – welch eine Fügung nach Gottes Willen! Die Siegburger jubelten wie alle andern und steckten freudig die Fahnen aus; das Glockenseil wurde angezogen, die Daheimgebliebenen zum Danke aufzufordern, und als der Abend erschien, wo die Häuser beleuchtet wurden, da wogte alles durch die Straßen und jedermann sang das Lied: Lieb Vaterland, magst ruhig sein, fest steht und treu die Wacht am Rhein!

In der Stadt war ein Lazarett eingerichtet, um verwundete und erkrankte Soldaten aufzunehmen. Eine Ersatzschwadron Saarbrücker Ulanen, welche gleich anfangs hier gebildet und einexerziert wurde, rückte im September ins Feld und ließ die Arbeiterkompagnie zurück. Dann erschienen französische Offiziere, um in Siegburg als Gefangene zu leben, während unsere Soldaten gegen die Nordarmee kämpften und bei Amiens und St. Quintin siegreiche Lorbeeren davontrugen. Der Winter war ein sehr strenger und machte sich namentlich vor Paris fühlbar. Diese Stadt wollte sich nicht ergeben trotz Hunger und Kommüne, und wenn nicht die II. Armee unter Prinz Friedrich Karl von Metz losgekommen wäre (am 27. Oktober), wer weiß, welche Anstrengungen es noch gekostet hätte, die Massenaufgebote der Franzosen zur Auflösung zu bringen. Jede Siegesnachricht erfüllte mit neuer Aufregung, und ängstlich fragten sich die Hinterbliebenen, was aus ihren Söhnen, Brüdern, Gatten geworden sei. Der Briefträger Krebs meinte zwar: „Wenn der Mensch geboren wird, so bringt er eine Thräne mit“, aber damit war den Furchtgequälten doch nur sehr wenig gedient. Endlich meldete der Draht, daß Jules Favre ins deutsche Hauptquartier gekommen sei, um einen Waffenstillstand abzuschließen. Die Kaiserproklamation (am 18. Januar 1871) zu Versailles hatte schon den Mut gestählt.

Die Kanonen des Mont Valérien waren zum Schweigen gebracht und alle Ausfälle der Belagerten zurückgewiesen. Da mußte die Entscheidung fallen trotz Pöbelwut und Gambetta. Man hatte auf dem Brückberge ein kleines Barackenlager aufgeschlagen, um einen Teil der ausgehungerten Pariser darin unterzubringen. Allein diese Liebesmühe erwies sich umsonst. Die kriegsgefangene Besatzung blieb in der Hauptstadt, und die Deutschen bemächtigten sich nur der Kanonen, der Gewehre und was sonst noch an Kriegsmaterial darin vorhanden war. Die Zurückdrängung Bourbakis auf Schweizergebiet beschleunigte dann den lang erwarteten Frieden, und am 3. März konnte man in der Zeitung lesen, daß gestern der Kaiser folgende Depesche an die Kaiserin gesandt habe: „Soeben habe ich den Friedensschluß ratifiziert, nachdem er schon gestern in Bordeaux von der Nationalversammlung angenommen worden ist. Soweit ist also das große Werk vollendet, welches durch siebenmonatliche siegreiche Kümpfe errungen wurde, Dank der Tapferkeit, Hingebung und Ausdauer des unvergleichlichen Heeres in allen seinen Teilen und der Opferfreudigkeit des Vaterlandes.

Der Herr der Heerschaaren hat überall unsere Unternehmungen sichtlich gesegnet und daher diesen ehrenvollen Frieden in seiner Gnade gelingen lassen. Ihm sei die Ehre! Der Armee und dem Vaterlande mit tieferregtem Herzen Meinen Dank.“ – Wilhelm.

Was die Früchte des Krieges, abgesehen von dem Nationalbewußtsein, welches in Deutschland erstarkte, der Stadt Siegburg eingebracht haben, ist Seite 423 schon angedeutet worden. Die Anlage der königlichen Geschoßfabrik entfachte die Unternehmungslust der Spekulanten, und Häuser wurden erbaut, wo früher nur Gärten oder ödeliegende Plätze zu sehen waren. Die Preise für Grund und Boden stiegen um das Dreifache und die Arbeitslöhne nach Maßgabe der Sätze, welche auf der Königlichen Geschoßfabrik gezahlt wurden. Ein Kaufmann erstand ein Haus am Markte zum Abbruch für 14 000 Thaler, während ihm jahrs vorher noch 7000 Thaler zu hoch erschienen waren. Die Einführung der Goldwährung entzog dem Silber seine Wertschätzung, und die Marken entschlüpften eben so leicht den hartschwieligen Händen, wie früher ein Fünfgroschenstück oder gar das beliebte Kastemännchen, welches 21 Silbergroschen Wert hatte.

Unter solchen Auspizien kam Bürgermeister Spilles ans Ruder, und der Neid muß es ihm lassen, daß er, unterstützt von einsichtsvollen Stadtverordneten, mit Umsicht und Geschick die Mittel ausgenutzt hat, welche ihm die Stadt und Gelegenheiten zur Hebung des Gemieinwesens an die Hand gegeben haben. Die Steuerschraube durfte freilich nicht stärker angedreht werden, um die Mißvergnügten vor lautem Aufschrei zu bewahren; aber er wandte seine Aufmerksamkeit der städtischen Gasanstalt zu, welche außer der Bürgerschaft und der Provinzialheilanstalt auch der Königlichen Geschoßfabrik den nötigen Beleuchtungsstoff liefern sollte. Der Gasverbrauch betrug im Jahre 1873 schon 110 552 cbm bei einer Herstellungsmasse von 216 163 cbm, weil 46 %, wie schon erwähnt, durch schadhafte Röhrenleitung und auf andere nicht aufgeklärte Weise verloren gingen. Die Ausbesserung der Röhren verminderte 1874 den Verlust auf 26 ½ % und die Herabsetzung des Preises von 3 Thaler auf 6 Mark veranlaßte endlich die Stadtbewohner, nun fast in allen Häusern Gasflammen anzubringen und das Öllämpchen noch weiter beiseite zu stellen. Der Bezug des Gases nach der Königlichen Geschoßfabrik machte 1876 eine Erweiterung der bisherigen Produktionswerke nötig, welche mit Einschluß des zweiten Gaskessels 89 572 Mark kostete. Die Aufsicht über dieselben bekam Fritz Fußhöller. Er entwickelte eine recht angestrengte Thätigkeit und suchte auf jede Weise den Bedürfnissen der Gasabnehmer gerecht zu werden. Eine für ihn hergestellte Wohnung an der Ringstraße kostete 13 358 Mark. Die Benutzung des Gases auch zu Koch- und Heizungszwecken in Verbindung mit dem zeitweiligen Mehrbedarf der staatlichen Institute steigerte der Stoffverbrauch allmählich bis zum Drei- und Vierfachen, so daß man 1890 nicht umhin konnte, noch einen dritten Gaskessel aufzustellen und die Produktionswerke 1892 abermals zu vergrößern. Beide Anlagen erforderten ein Kapital von rund 113 000 Mark, welches zum Teil aus den Erträgen der Gasanstalt, zum Teil durch eine Anleihe seitens der Stadt gedeckt wurde. Die Einnahme der Anstalt belief sich 1890 auf 94 928 Mark, während die Ausgabe für Kohlen u.s.w. nur 66 412 Mark betrug, so daß also ein Reingewinn von 28 516 Mark verzeichnet werden konnte.

Auf Grund dieser Einnahmequelle, bei einer noch keineswegs allzuhohen Kommunalsteuer von 225 % Umlage auf Klassen- und Einkommensteuer, 150 % auf Grund- und Gebäudesteuer und 33 % auf Gewerbeexclusive Hausiergewerbesteuer, durfte die Stadtverwaltung es wagen, im Interesse der Bürgerschaft und des Gemeinwohles Einrichtungen ins Leben zu rufen, welche in volksbildender und gesundheitlicher Beziehung von größter Wichtigkeit für dieselben geworden sind. Dahin gehört zunächst die Weiterentwickelung des städtischen Progymnasiums zu einem vollständigen Gymnasium, weil auf der rechten Rheinseite von Düsseldorf bis Hessen-Nassau hinauf gar kein solches existierte und deshalb die Bevölkerung gezwungen war, entweder ihre Söhne lange Zeit privatim unterrichten zu lassen oder sie sehr weit von Hause zu schicken. Der Rektor Huberti war alt geworden und mußte wegen Kränklichkeit sein Amt niederlegen.

Das Königl. Lehrerseminar und das Gymnasium

Da schien es den Stadtvätern angebracht, das 1803 schon angestrebte Ziel näher ins Auge zu fassen und durch Anstellung eines fähigen, für das Schulwesen warm interessierten Leiters der Anstalt die Wege anbahnen zu helfen, auf welchen sich das Bedürfnis einer Vollanstalt allmählich einstellen könnte. Die Wahl fiel auf den Oberlehrer Herrn Dr. vorm Walde zu Düsseldorf, welcher denn auch von Sr. Majestät am 15. Mai 1875 bestätigt wurde. Was der Bürgermeister bei Gelegenheit seiner Einführung in das Amt durch den Königlichen Provinzial-Schulrat Stauder aus Koblenz im Herrengarten mit Recht hervorhob und alle Anwesenden freudig begrüßten, daß die neue Ära nicht nur für die Stadt sondern auch für die Umgegend zu großem Segen gereichen möge, sollte sich durch die Anstrengungen des Lehrerkollegiums sowie nicht minder auch durch die Opferwilligkeit der Stadt in der schönsten Weise erfüllen. Die Schülerzahl nahm mit jedem Jahre zu, und die Entlassungsprüfungen konnten mit Resultaten auftreten, welche die abgehenden Schüler auf jeder anderen höheren Lehranstalt willkommen hießen.

Königl. Lehrerseminar, aus Siegburg (1914)

Die Beschaffung größerer Hörsäle im Schulgebäude nötigte 1878 zur Aufführung eines sechsklassigen Elementarschulgebäudes am Friedensplatze, weil bis dahin noch zwei Knaben- und eine Mädchenschule in dem Progymnasium untergebracht waren, und das Bedürfnis einer Wohnung für den Rektor zum Ankaufe des Schnellerschen Hauses in der Kaplaneistraße, welches durch seinen Garten mit dem Gymnasial-Schulhofe in Verbindung stand. Die Herstellung des ersteren kostete 59 998 Mark, der Ankauf des letzteren mit Garten 20 000 Mark, welche die Stadt freudig zum Opfer brachte, so sehr auch ihre Schuldenlast dadurch vermehrt wurde.

Siegburg, Königl. Lehrerseminar, ca. 1897

Der Name Friedensplatz hat aber mit einem politischen Friedensschlusse nichts zu thun, sondern verdankt seinen Ursprung der schließlich hergeführten Einigung im Stadtratskollegium über das zu erwerbende Terrain, nachdem man lange Zeit über die Zweckmäßigkeit desselben gestritten hatte. Die Hoffnung auf baldige Erweiterung des Progymnasiums zu einem vollständigen Gymnasium führte 1879 dann zur Umgestaltung resp. Erhöhung des Schulgebäudes um ein weiteres Stockwerk, welches 31 885 Mark in Anspruch nahm. Zur leichteren Verwaltung der Schulden entlieh man 250 000 Mark aus der Kreis-Spar- und Darlehnskasse zu Siegburg und zahlte, um es nur mit einem Gläubiger zu thun zu haben, die Einzelbeträge an die Provinzial-Hülfskasse und andere Schuldforderer zurück. Indes belief sich die angesammelte Schuld so hoch noch nicht, aber man wollte mit dem Überschusse noch andere Ausgaben decken die sich voraussichtlich in nächster Zeit einstellen würden.

Königl. Gymnasium, aus Siegburg (1914)

Am 23. November 1875 hatte die Stadt mit der Königlichen Staatsregierung einen Vertrag abgeschlossen, demgemäß diese ein Externat-Lehrerseminar in Siegburg einrichten und jene dazu ein näher auszuwählendes, etwa einen halben Hektar großes, passendes Terrain hergeben wollte. Bis zur Herstellung des Gebäudes sollte der Unterricht in einem Privatgebãude erteilt werden, wozu die beiden Häuser No. 22 und 23 auf der Kaiserstraße auserwählt wurden.

Siegburg, Gymnasium, ca. 1897

Die Eröffnung des Seminars erfolgte am 2. Dezember 1876 durch den Königlichen Provinzial-Schulrat Linnig aus Koblenz mit der Einführung des Seminardirektors Dr. Schuler aus Großstrehlitz, welcher leider einen geschwächten Körperzustand von dort mitbrachte. Er mußte deshalb schon 1877 ins Grab steigen und die Leitung der Anstalt dem früheren Gymnasiallehrer Dr. Küppers aus Koesfeld, zuletzt Kreisschulinspektor in Mülheim, überlassen. (Derselbe wurde 1892 nach Berlin versetzt und erhielt zum Nachfolger Dr. Wimmers aus Kempen.) Bei der „Ingebrauchnahme“ des neuen staatlichen Gebäudes sollte das Lehrerseminar 180, vorzugsweise der katholischen Bevölkerung von Siegburg angehörige, schulpflichtige Kinder mit Unterricht versehen und bei der Auswahl derselben, jedesmal für die unterste Klasse, der Wunsch des Seminardirektors Berücksichtigung finden. Der städtischen Schulaufsicht wurden die Seminarschulen entzogen; sie stehen einzig unter der Aufsicht des Seminardirektors resp. der diesem vorgesetzten Behörde. Für die Herstellung der Lokale sollte die Stadt einen noch näher zu bestimmenden Beitrag leisten, welcher später auf 9100 Mark festgesetzt wurde, und für Reinigung und Heizung der Lehrzimmer, für Unterhaltung und Ergänzung der Lehrmittel sowie für Beschaffung der nötigen Utensilien jährlich 2100 Mark zahlen. Einzelne Punkte in dem Vertrage erfuhren 1888 eine Abänderung zu Gunsten der Stadt.

Von Wichtigkeit für alle möglichen Vorkommnisse ist Paragraph 10, welcher also lautet: „Für den Fall der Auflösung, Verlegung oder wesentlichen Umgestaltung des Seminars kann dieser Vertrag seitens des Königlichen Fiskus unter Beobachtung einer jährlichen Frist gekündigt werden, wogegen seitens der Stadtgemeinde eine Kündigung nicht zulässig ist. Für den Fall der Kündigung des Vertrages seitens des Königlichen Fiskus wird letzterer unbeschränkter Eigentümer der ihm für die Zwecke des Seminars abgetretenen Grundstücke, hat aber den nach § 6 für die Herstellung der Lokale der Übungsschule gezahlten Betrag und für den Fall der Veräußerung oder Verwendung des Grundstückes zu anderen als Seminarzwecken einen dem zur Zeit der Veräußerung resp. anderweitigen Verwendung vorhandenen Wert des Grund und Bodens im Gegensatz zum Wert der auf diesem errichteten Baulichkeiten und sonstigen Anlagen entsprechenden Betrag der Stadtgemeinde zu vergüten.“ Die Stadt erwarb das für gut befundene Terrain 1878 für 17 585 Mark, mußte aber bis 1886 warten, ehe der erste Spatenstich zu dem Gebäude ausgeführt wurde. Die Leitung des Baues hatte der Kreisbauinspektor Baurat Eschweiler aus Siegburg, die Maurerarbeiten der Stadtrat Heister von hier, welcher auch den größten Teil der Königlichen Geschoßfabrik und später das Feuerwerkslaboratorium gebaut hat. 1888 konnte das Gebäude bezogen und vom Provinzial-Schulrat Linnig aus Koblenz als Vertreter des hohen Königlichen Ministeriums dem Seminardirektor und seinen Zöglingen überwiesen werden.

Ein feierlicher Aktus erhöhte die Freude der Zunächstinteressierten und ein nachfolgendes Festmahl mit Musik die Stimmung der Teilnehmer, welche von nah und fern zur Feier des Ereignisses herbeigeeilt waren In der Zwischenzeit hatten nun auch die Gymnasial-Angelegenheiten nicht geruht, sondern durch die Bemühungen des Bürgermeisters, des Progymnasial-Rektors Dr. vorm Walde und die persönliche Verwendung des Herrn Landrates Freiherrn von Loe zu Berlin den gewünschten Abschluß gefunden. Das Königliche Ministerium ordnete am 29. Oktober 1884 die Einrichtung der Gymnasialprima für das Schuljahr 1885/86 an, und Se. Majestät Kaiser Wilhelm I. ernannte am 5. April 1886 den bisherigen Leiter der Anstalt zum Königlichen Gymnasialdirektor. Die Stadt überließ das Schulgebäude mit seinem Garten und der Direktorialwohnung dem Staate als Eigentum und verpflichtete sich, neben einer einmaligen Zuwendung von 5000 Mark behufs Vervollständigung der Bibliothek und der physikalisch-naturwissenschaftlichen Sammlungen und Apparate einen jährlichen Zuschuß von 10 000 Mark zur Unterhaltung der Anstalt zu liefern.

Der von der Stadtvertretung gestellte Antrag, dem Gymmnasium den bisherigen, katholischen Charakter zu belassen, fand bei der Staatsregierung keine Berücksichtigung. Die definitiv angestellten Lehrer am Progynmasium traten mit allen Pflichten und Rechten in den Dienst des Staates über und erhielten zur Ergänzung des Personals noch einen Oberlehrer und einen katholischen Religionslehrer zugesellt, dessen Stelle bis dahin ein städtischer Kaplan versehen hatte. Die feierliche Erhebung der Anstalt fand am 15. Juni statt, und endigte, wie sich das von selbst verstand und nicht anders sein durfte, mit einem solennen Festessen im Hotel Stern. Als Vertreter des Provinzial-Schulkollegiums figurierte wiederum der Provinzial-Schulrat Linnig aus Koblenz, dessen Verdienste um die Anstalt eine besondere Anerkennung verdienen, und als Freunde und Gönner derselben neben der Stadt- und Kreisvertretung und sehr vielen Bürgern der Herr Regierurngspräsident von Sydow und der Regierungs- und Schulrat Florschütz aus Köln, ein Beweis, welch hohe Bedeutung man der Vervollständigung der Anstalt beilegte.

Das neue Krankenhospital

Zu diesen geistig-humanen Einrichtungen, wobei sich Staat und Stadt wohlwollend die Hand reichten, gesellte sich seit einigen Jahren schon ein Denkmal ganz anderen Charakters, welches der Pflege und Wiederherstellung der körperlichen Gesundheit gewidmet ist, ich meine das städtische Krankenhospital.

Siegburg, Krankenhaus, ca. 1897

Zwei Geschwister, Gertrud und Wilhelmine Hagen aus Siegburg, namentlich die letztere im Auftrage ihrer inzwischen verstorbenen Schwester Gertrud, schenkten der Stadtgemeinde am 12. Januar 1880 drei neben einander liegende Parzellen Landes an der Ringstraße mit dem ausgesprochenen Wunsche, dort ein neues Krankenhospital errichtet zu sehen, und als die Stadtvertretung darauf einging, am 3. Februar desselben Jahres auch noch 60 000 Mark Geld mit der ebenfalls angenommenen Bedingung, daß die Leitung des in Frage stehenden Hospitals, soweit es gesetzlich möglich sein werde, römisch-katholischen Ordensschwestern und vorab den Schwestern des h. Franziskus aus dem Mutterhause zu Aachen übertragen würde, was selbstverständlich der oberhoheitlichen Genehmigung bedurfte. Diese wurde von Sr. Majestät Kaiser Wilhelm Allergnädigst erteilt, und nun durfte es denn auch die Stadt an sich nicht fehlen lassen, das hochherzige Legat aus ihren Mitteln zu ergänzen, damit ein zweckentsprechendes, mit allen nötigen Einrichtungen versehenes Krankenhaus hergerichtet würde Den Plan dazu lieferte die Architektenfirma Müller und de Voß zu Köln, die Ausführung hatte der Bauunternehmer Heister aus Siegburg unter der Oberleitung des Baumeisters Court. Fräulein Danco schenkte noch 3000 Mark dazu und andere beteiligten sich an der inneren Ausrüstung desselben, sodaß man mit 134 348 Mark auskam.

Leider sollte der Prachtbau, an dem jedermann mit Vergnügen hinaufblickte, in der Nacht vom 13. auf den 14. Januar 1893 ein Raub der Flammen werden, ohne daß die Entstehung des Feuers irgend welche Aufklärung gefunden hat. Dem energischen Eingreifen der Feuerwehr und anderer hülfreichen Hände gelang es, die armen Insassen sämtlich bis auf eine nicht ganz zurechnungsfähige Pflegebefohlene, welche wahrscheinlich zurückgelaufen war, dem Verderben zu entreißen und schließlich auch das untere Stockwerk, von einzelnen Deckenbeschädigungen abgesehen, in brauchbarem Zustande zu erhalten. Die Bürger Siegburgs nahmen sich der Obdachlosen mit großer Liebenswürdigkeit an und leisteten den Krankenschwestern sowie den Kranken selbst die allerzuvorkommendsten Dienste.

Das erste, was nun zu geschehen hatte, war, den Trümmerhaufen mit einem Notdache zu versehen, damit nicht Wind und Regen das Ganze noch zum Einsturz brächten. Die Wiederherstellung des Baues erfolgte im Frühjahr mit vermehrten Sicherheitsvorkehrungen. Die Brandentschädigung betrug 28 427 Mark: 20 200 Mark seitens der Provinzial-Feuer-Societät und 8227 Mark seitens der Versicherungsgesellschaft Colonia für Mobilar. Eine angestrengte Lotterieeinnahme brachte 5330 Mark ein, der National-Frauen- und Jungfrauen-Verein spendete 900, der katholische Frauenverein 300, der israelitische Frauenverein 175, der Männergesangverein 275 Mark und so noch andere anderes, bis der Schaden ersetzt war.

Die Herz-Jesukapelle

Mit dem Krankenhause in Verbindung steht ein reizendes Kapellchen, welches aber der katholischen Kirchengemeinde gehört und ebenfalls von den Geschwistern Hagen gestiftet wurde. Da knieet manche Hülfsuchende vor dem Bildnis der immerwährenden Hülfe und der Leidtragende wandelt seinen Gang mit dem Heilande, um von dem Kreuzeswege mit ihm wieder aufzustehen. Das Kirchlein wurde am 15. November 1882 eingesegnet und nach dem Wunsche der frommen Stifterinnen sowie der Schwester Raphaela im Hospitale dem Herzen Jesu gewidmet, welches für alle Menschen sein Blut vergossen habe. Weitere Zuwendungen vermachte Wilhelmine Hagen der katholischen Pfarrkirche zu Siegburg, indem sie 23 150 Mark zur Lesung von Messen und Abhaltung von Andachten, 600 Mark zu anderweitigen kirchlichen Zwecken und 6000 Mark zur Errichtung eines neuen Hochaltars legierte. Se. Majestät Kaiser Wilhelm II. erteilte Huldvollst seine Einwilligung zu der Stiftung, und das erzbischöfliche Generalvikariat traf Bestimmung über die zuerst genannten Kapitalien.

Das städtische Schlachthaus und die Wasserleitung

Wie sehr der Stadtverwaltung die gesundheitlichen Verhältnisse am Herzen lagen und auch nach Möglichkeit von ihr gefördert wurden, beweisen zwei weitere Anlagen, welche wohl gleichzeitig von ihr geplant, aber erst nacheinander zur Ausführung gebracht wurden, das städtische Schlachthaus am Mühlengraben und die Herstellung einer Wasserleitung mit Hülfe eines Reservoirs auf dem Wolsberge.

Das Schlachthaus wurde 1884 angelegt und kostete rund 100 000 Mark, die Wasserleitung 1885 – 87, mit einem Kostenaufwande von mehr als 200 000 Mark. Die angeblichen Verluste der Metzger, welche ihnen den Zwang, das Schlachthaus zu benutzen, auferlegt würden, fanden eine Begleichung teils auf gütlichem Wege, teils auch nach angestrengtem Prozesse, wenn die Forderungen zu hoch erschienen. 1894 kam noch eine städtische Kühlhaus-Anlage hinzu in Verbindung mit einer Eisfabrik, welche beide zusammen mit Einschluß des Grund und Bodens rund 90 000 Mark kosteten. Sie wurden 1895 in Betrieb gesetzt und gereichen sowohl den Schlächtern wie auch den übrigen Benutzern zu sehr angenehmer Befriedigung.

Der Inspektor des Schlachthauses ist ein geprüfter Tierarzt. Er hat freie Wohnung und eine zufriedenstellende Besoldung, damit er sich unausgesetzt seinen Diensten und Obliegenheiten widmen kann. Daß diese nicht klein sind und von der größten Wichtigkeit für das fleischbedürftige Publikum, mag der Schlachthausbericht vom Jahre 1894 darthun, welcher in der Zeitung veröffentlicht wurde. Darnach wurden in dem Jahre 7191 Tiere geschlachtet:

15 Pferde und 362 Ochsen, 1309 Kühe und 680 Rinder, 2053 Kälber und 218 Schafe, 290 Ziegen und 2464 Schweine und sämtlich vom Schlachthausinspektor besichtigt.

Von ihnen wurden verworfen und vernichtet:
1 Ochs und 3 Kühe; wegen Tuberkulose und wässeriger Beschaffenheit des Fleisches 1 Kuh, wegen Tuberkulose und traumatischer Bauchfellentzündung 1 Kuh (trauma-Wunde), wegen Tragsackentzündung und Wassersucht ebenfalls 1 Kuh, wegen Darm- und Bauchfellentzündung 1 Kalb und 1 Schwein;
als minderwertig auf der Freibank verkauft: 2 Ochsen wegen Tuberkulose, 1 Ochs wegen Magen-Zwergfellgeschwüres, ein weiterer Ochs wegen eines Magen-Lebergeschwüres, 12 Kühe und 1 Rind wegen Tuberkulose, 1 Kuh wegen Eiterherde in der Leber und wegen Magerkeit, 12 Kühe wegen Milchfieber und 1 wegen Trommelsucht, die notgedrungen geschlachtet werden mußten;
den Vorbesitzern zurückgegeben: 2 Kühe wegen Tuberkulose, 2 ½ wegen Herz- und Herzbeutelentzündung, 1 Kuh wegen Magerkeit, 1 Kalb wegen Herzentzündung, 1 Kalb wegen Quetschungen und Magerkeit, 1 Ziege wegen Tuberkulose, 1 Schwein wegen Rotlauf, 2 Ziegenböcke wegen abnormen Geruchs.

Von den auf die Freibank verwiesenen resp. für minderwertig erklärten Tieren wurden vielfach die Eingeweide der betreffenden kranken Körperhöhle vernichtet. An sonstigen Organen resp. Körperteilen wurden beseitigt: A. vom Großvieh: 72 Lungen wegen Tuberkulose, 5, in denen sich Kalkherde befanden, 26, welche nach dem Schächten aufgeblasen worden waren, 28 wegen Hülsenwurmblasen, 25 wegen Eiterherde, 9 wegen Inkrustationen und Cavernen; 41 Lebern wegen Hülsenwurmblasen, 40 Lebern wegen Leberegel, 40 wegen Eiterherde, 23 wegen Verhärtung, 28 wegen Tuberkulose, 12 wegen sonstiger Entartung; 20 Milzen wegen Tuberkulose, 3 Milzen wegen Eiterherde; 7 Zwergfelle wegen Tuberkulose, 4 wegen traumatischer Entzündung; 8 Euter wegen Tuberkulose, 6 wegen Euterknoten; 3 Nieren wegen Eiterherde, 2 wegen Wassersucht; 8 Vorderkiefer wegen Strahlenpilzgeschwulste; 6 Herzen wegen Entzündung; etwa 80 Pfd. Fleisch wegen Quetschungen oder Eiterherde. B. von Schweinen: 11 Lungen wegen Würmer, 12 wegen Tuberkulose; 27 Lebern wegen Hülsenwurmblasen, 4 Lebern wegen Eiterherde; 1 Niere wegen Schrumpfung, 3 desgl. wegen Wassersucht, etwa 40 Pfd. Fleisch wegen Knochenbruchs. C. von Kälbern: 6 mal die Nabelpartie wegen Nabelentzündung, 6 Lebern wegen derselben Krankheit, 2 Vorderkiefer wegen Geschwulst, 2 blutige Flankenpartieen, 12 Lungen wegen Tuberkulose, ¼ Brustwand wegen Rippenbruchs, 1 Herz wegen Entzündung. D. von Schafen und Ziegen: 111 Lebern wegen Leberegel, 12 wegen Hülsenwurmblasen, 26 Lungen wegen Würmer, 17 Lungen wegen Kalkherde, 20 wegen Hülsenwurmblasen, 2 Euter wegen Verhärtung, 5 Pfd. Fleisch wegen Bißwunden und 9 Ziegenlungen, welche nach dem Schächten aufgeblasen waren.

Siegburg, den 7. Januar 1895. Brüning, Schlachthaus-Inspektor.

Das Ergebnis dieser Zusammenstellung mag jeder sich selbst ziehen.

Geschäft ist Geschäft, und die Unehrlichkeit hebt an, wo die Ehrlichkeit aufhört. Die Schlachthausgebühren werden jährlich nach Maßgabe des Bedürfnisses erhoben und von der Schlachthausverwaltung eingezogen.

Die Wasserwerke erforderten in den ersten Jahren ihres Bestehens eine Zubuße, weil manche Bürger und Bürgerinnen trotz aller Mängel, woran durchgängig das Brunnenwasser litt, von demselben nicht lassen wollten. Diese Zubuße ist aber längstens schon in Wegfall gekommen und wird allmählich auch durch erzielte Mehreinnahmen wieder wett gemacht werden. Die chemischen und bakteriologischen Untersuchungen des Wassers haben ergeben, daß es unbedingt ein sehr gutes Trinkwasser ist und allen Anforderungen genügt. Es wird aus einem Brunnen in der Nähe der Sieg gewonnen und durch ein Hebewerk dem erwähnten Ansammlungsbehälter zugeführt.

Freiwillige Feuerwehr

Waren gesundheitliche und zum Teil auch Bequemlichkeitsrücksichten die erste Veranlassung zu der Wasserleitung, so erweist sich dieselbe erst vollends von Bedeutung, wenn das Brandsignal ertönt und alle Bürger in große Aufregung versetzt werden. Man muß nur eine Feuersbrunst in früherer Zeit mitgemacht haben, um die ganze Wichtigkeit der Hydranten einsehen zu lernen. Die Brunnen waren vielfach zu selten und zu wasserarm, als daß sie im Notfalle hätten aushelfen können, und der Mühlengraben zu abgelegen, um durch Saugwerke oder Kübel das Wasser herbeischaffen zu lassen. Dann stellte man sich in Reihen und ließ die Eimer von Hand zu Hand fliegen; aber bald fehlten diese, bald die reichenden Hände, und wenn jene zur Stelle kamen, war meistens kein Tropfen mehr darin, noch viel weniger zu verwenden. Dann schrie man um Wasser, und die Polizei drängte zur Arbeit, aber die Leute spielten die Neugierigen, und die Spritzen standen regungslos vor dem Feuer, dessen Umsichgreifen sie wehren sollten.

Nach dem Feuerlöschungsreglement von 1842 waren sämtliche Bürger der Stadt in 7 Abteilungen verwiesen, um gegebenen Falles ihre Handdienste zur Verfügung zu stellen. Die erste Abbteilung bildeten die Spritzenführer mit den notwendigen Bedienungsmannschaften, den Bäckern, Schreinern, Metzgern und Schuhmachern für je eine Spritze, in der Aulgasse die Kannenbäcker für die dortige Spritze; die zweite Abteilung die Haken- und Leiterbesorger, wozu Zimmerleute und Maurer bestellt waren; die dritte Abteilung Personen, welche feuergefährliche Stellen beobachten und die nötigen Sicherheitsmaßregeln treffen sollten; die vierte Effektenberger und notwendige Beaufsichtiger; die fünfte Wasseranfahrer oder sogenannte Zuträger; die sechste Laternenmänner zur Beleuchtung der Straßen bei Nacht — man benutzte auch Pechkränze etc. – und die siebente „Quadrataufseher“, welche die Nachbaren zur Brandstätte führen und zur Mitbringung von Eimern etc. anhalten sollten. Das war ein sehr buntscheckiger Apparat und wirkte dabei schwerfällig und noch dazu unzuverlässig. Diesem Übelstande ist durch die Bildung einer freiwilligen Feuerwehr abgeholfen, welche nach dem Vorbilde von anderen Städten durch den Bürgermeister 1881 in Anregung gebracht und am 1. Mai schon mit 80 Bürgern zum aktiven und 20 andern zum inaktiven Dienste besetzt wurde. Jetzt ist die Mitgliederzahl eine viel größere und das Interesse an der Sache ein fast allgemeines. An der Spitze der Feuerwehr steht ein Brandmeister, welcher die Leitung und Einübung derselben und ihre Vertretung bei der Stadt hat. Die inaktiven Mitglieder zahlen einen Jahresbeitrag von 2 Mark, die aktiven keinen. Die Kleidung ist eine einheitliche und sehr zweckmäßig und schön ausgewählt. Sie verfügen über sehr gute Werkzeuge und Apparate und stellen ihre Übungen an einem Steigerturm an, welcher in der Nähe des Mühlengrabens errichtet ist. Das alte Spritzenhaus wurde beseitigt und durch ein neues am Marktplatze ersetzt.

Das Wichtigste aber sind die Hydranten, welche in den meisten Fällen genügen, selbst ohne Spritzen das Wasser über die höchsten Häuser zu treiben, und sehr zahlreich, in fast allen Straßen angebracht sind. Erster Brandmeister war der Kreiswegebauinspektor Herr Holzberger, zweiter Karl Becker, Kaufmann und Stadtverordneter, der dritte Dr. med. Schwann und der vierte der noch jetzt amtierende, erste Beigeordneter der Stadt, Herr Albert Dobbelmann. Es ist eine Freude, den Übungen der Feuerwehr zuzusehen. Leiter und Mannschaften verdienen die dankbarste Anerkennung. Wenn ein Feuerwehrmann im Dienste Schaden erleidet, so sorgt die Stadt für seine Wiederherstellung resp. Hülflosigkeit und ebenso auch für die Hinterbliebenen. Ein gesammelter Unfallsfonds muß die nächsten Mittel dazu hergeben, und außerdem ist die gesamte Feuerwehr noch in der Feuerwehr-Unfallskasse der Provinz versichert.

1885 wurde mittelst einer Lotterieveranstaltung eine prachtvolle Fahne beschafft und der Überschuß des Ertrages, 1700 Mark, zu dem besagten Unfallsfonds gelegt, der dadurch einen ansehnlichen Stock bekam.

Katholische und Evangelische Kirche

Der Bau des erwähnten Spritzenhauses neben dem Gymnasium machte das alte an der katholischen Pfarrkirche überflüssig, weshalb man es der letzteren gegen Entschädigung durch einen Garten am Hospitale abtrat und diesen zur Erweiterung von dessen Hofräumen benutzte. Dadurch kam die Kirchengemeinde in die angenehme Lage, einem längst gefühlten Bedürfnisse am Gotteshause abhelfen und dasselbe zu beiden Seiten des Turmes in der Frontlage vergrößern zu können. Dieser Erweiterungsbau wurde 1888 begonnen und gleichzeitig die frühere Sakristei wieder hergestellt, welche durch den Raum hinter dem Hochaltare ersetzt worden war. Beide Ausführungen kosteten 27 000 Mark und mußten durch Steuerumlage auf die Kirchenmitglieder gedeckt werden.

Pfarrkirche St. Sevatius, aus Siegburg (1914)

Das Innere der Kirche läßt freilich noch sehr viel zu wünschen übrig, aber auch hier ist schon manches geschehen und noch anderes in Vorbereitung begriffen. Der Pfarrer Koch ist unablässig bemüht, das lang Verabsäumte nachzuholen und namentlich auch die kostbaren Reliquienschreine wieder aufbessern zu lassen, welche von jedem Kunstkenner mit großer Bewunderung betrachtet werden. Der Provinzial-Landtag hat freundlichst eine Unterstützung dazu bewilligt und wird sich hoffentlich auch noch zu weitern Schritten bereit finden lassen, da die Unkosten ganz enorme sein werden. Eine neue Orgel enthält 26 Register und kostete 12 500 Mark.

Ev. Kirche, aus Siegburg (1914)

Ein Kreuzweg wurde unter dem Turme angebracht, nachdem Frau Witwe Johann Schneller das Geld dazu geschenkt hatte. Diese vermachte vor ihrem Tode 7600 Mark, im Restbetrage zur Herstellung eines neuen Hochaltares, wozu schon verschiedene andere Stiftungen gemacht waren. Zu letzterem Zwecke wurden auch die 2300 Mark bestimmt, welche dem Herrn Dechanten Schmitz bei Gelegenheit seines diamantenen Priesterjubiläunis von der dankbaren Gemeinde geschenkt wurden, um sich ein Ehrendenkmal dafür in der Kirche herzurichten. Derselbe fügte noch 3000 Mark zur Aufbesserung der Kaplangehälter hinzu, 500 Mark zur Spendung an die Armen und 1000 Mark zur Bekleidung armer Kommunionkinder, d. h. in ihren Zinsen. Er starb am 9. November 1890, gottergeben und lebensmüde, weil er schon Jahre hindurch an der Ausübung seiner Geschäfte gehindert war. Seine Geistesfrische bewahrte er bis zum Tode, aber wiederholte Schlaganfälle bannten ihn an das Zimmer und zuletzt an das Bett.

Siegburg, kath. Kirche, ca. 1897

Die Beteiligung an seinem Leichenzuge war eine allgemeine, da auch die Nichtkatholiken ihn hochschätzten und verehrten. Er hatte 1887 auch 1000 Mark zu der geplanten Orgel geschenkt, aber die Töne derselben nicht mehr erklingen hören. Ein Denkmal für ihn wurde durch freiwillige Beiträge beschafft.

Siegburg, Kirche, ca. 1897

Die evangelische Gemeinde benutzte bis 1879 die hochliegende Abteikirche, obgleich sie schon 1859 die Gemeindeseelsorge von der der Irrenheilanstalt getrennt und einen eigenen Pfarrer für sich eingesett hatte. Diese Mitbenutzung aber war in Frage gestellt worden, als 1868 auf Antrag des hochverdienten Direktors, später Geheimen Medizinalrates Dr. Nasse zu Siegburg, der rheinische Provinzial-Landtag eine fünffache Teilung und dementsprechend auch Verlegung der Anstalt nach Regierungsbezirken beschloß und niemand im voraus angeben konnte, was schließlich aus den weitschichtigen Gebäuden der Abtei noch einmal gemacht werden würde. Unter diesen Umständen sammelte man schon unter Pastor Leipoldt Gelder an, und als dann das Verhängnisvolle eintrat, durfte man es auf Grund hochherziger Legate und vermehrter Steuerumlagen wagen, ein Kirchlein in der Stadt aufzurichten, wie es schmucker und den damaligen Verhältnissen entsprechender wohl nicht gut gedacht werden konnte. Se. Majestät der Kaiser und der Oberkirchenrat schenkten dazu 11 000 Mark, die Fabrikbesitzer Kommerzienrat Rolffs & Cie, Herr Georg Keller aus Siegfeld, jeder 1000 Mark, Geheimrat Nasse und der Rentner Movius aus Köln je 500 Mark, der Gutsbesitzer Becker aus Niederpleis für sich 200 Mark, der Fabrikbesitzer Hardt aus Lennep 500 Mark, ein Holländer namens ver Looren van Themat 8000 Mark und früher schon Herr Rolffs aus Kannstat 1000 Mark, welche zur Herstellung und Speisung einer Heizungseinrichtung in der Kirche verwandt werden sollten.

Der Bauplatz allein kostete 11 500 Mark, der äußere Bau aus Ziegelsteinen 60 000 Mark. Die Glocken stiftete noch Herr Georg Keller aus Siegfeld, die Orgel zum weitaus größten Teile Kommerzienrat Rolffs und die Kanzel nebst dem Altare einige andere Mitglieder der hocherfreuten Gemeinde. Am 23. Juni 1879 konnte dann der Pfarrer Siller mit Gefolge die kirchlichen Heiligtümer aus der Abteikirche herunterholen und den ausgeschmückten Neubau durch den Superintendenten Bartelheim aus Köln feierlich einweihen lassen. Dem kirchlichen Akte folgte ein Festessen im Herrengarten, woran Männer und Frauen freudig teilnahmen. Die drei Glocken wurden vom Glockengießer Klaren aus Sieglar hergestellt und mit den Glocken der katholischen Pfarrkirche zu Siegburg in Einklang gebracht. Möge es für beide Konfessionen eine Mahnung sein, daß nichts den bestehenden Frieden unter ihnen stören dürfe, und daß das schönste Verhältnis einer Gemeinde harmonische Eintracht ist.

Verlegung der Irrenheilanstalt

Die Verlegung der Irrenheilanstalt mag verschiedene Gründe haben, die zu untersuchen nicht Sache des Laienverstandes ist. Eine Zeitung meinte darüber, daß die Räumlichkeiten nicht mehr ausgereicht hätten, eine andere, daß die Scheidung zwischen heilbaren und unheilbaren Kranken auf die Dauer unhaltbar gewesen sei, weil man nicht im voraus wissen könnte, wie lange sich der Heilungsprozeß hinziehen werde, eine dritte gar, daß man den Privatunternehmungen habe vorbauen und die Irrenheilpflege in ein einheitliches Geleise bringen wollen. Die Sachverständigen werden die Entscheidung gehabt und Nebenrücksichten nicht stattgefunden haben.

Die neuen Irrenanstalten entstanden zu Grafenberg, Andernach, Merzig, Düren und Bonn und wurden, sobald sie fertig gestellt waren, von den betreffenden Berzirkskranken des Abteiberges mit ihrem Wartepersonal bezogen. Geheimrat Nasse siedelte nach Andernach über, um später die Direktion des Bonner Heilinstitutes und gleichzeitig auch die neugeschaffene Professur für Psychiatrie an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu übernehmen. Seine Liebe indessen sollte er zu Siegburg lassen, und da liegt er denn auch, wie er letztwillig gewünscht hatte, neben seiner zweiten Gattin begraben.

Strafanstalten

An die Stelle der Geistesirren rückte fast unmittelbar eine andere Gesellschaft, die wir Geistesverwirrte nennen wollen. Die Provinz hatte für die Anstaltsgebäude keine Verwendung mehr, und da die Stadt nicht in der Lage war, den vielleicht möglichen Ankauf des Berges in ernsthafte Erwägung zu ziehen, so knüpfte man mit der Königlichen Staatsregierung Unterhandlungen an, und diese verstand sich denn auch dazu, nach mehrjähriger Anpachtung der Räume zu Strafanstaltszwecken das frühere Besitztum des Staates mit 470 000 Mark zurückzukaufen und die vorhin genannten Zwecke darin weiter zu verfolgen. Ein seltsames Geschick fürwahr dieser Wandel auf dem Siegberge! Zuerst eine Kultusstätte des Wodan oder, wenn Simrock Recht hat, des Gottes Sieg-Tyr, dann eine Herrenburg mit kriegslustigen Gesellen, welche die ganze Gegend unsicher machten, 1064 ein Benediktinerkloster mit „Engeln im Fleische“, wie Lambert von Hersfeld sich ausdrückt, später ein freiadliches Stift mit Berufenen und Unberufenen im Ordenskleide, 1815 eine Lateinschule und Kaserne für den Stamm des Landwehrbataillons, 1825 eine Irrenheilanstalt zum Segen für die Leidenden und nun ein Gefängnis für nicht schwere Verbrecher, um nächstens einem Zuchthause Platz zu machen, sobald das Schwesterinstitut auf dem Brückberge fertig gestellt ist, – wie wird das noch enden?! Der Gefängnisbau auf dem Brückberge unfasst einen Flächenraum von 11 ¼ Hektar und wurde im April 1893 begonnen. Er ist für 200 weibliche und 527 männliche Personen eingerichtet und kostet laut Anschlag, ohne die innere Ausstattung, 1 385 000 Mark, der Grund und Boden 53 814 Mark.

Das Königliche Feuerwerkslaboratorium

Königl. Feuerwerkslaboratorium, aus Siegburg (1914)

Tragen letztere beiden Einrichtungen dem Namen Siegburg nichts ein, und ist es für die Stadtbewohner keineswegs angenehm, fortwährend gefangene Übelthäter durch die Straßen geführt zu sehen, wie ehemals wildtobende Geisteskranke, so versöhnt sie auf der anderen Seite doch wieder eine Anlage ganz anderen Charakters, welche als Erweiterungsbau der Königlichen Geschoßfabrik zur Welt kam, aber sehr bald eine ganz unabhängige Stellung von ihr einnahm, das Königliche Feuerwerkslaboratorium. Es wurde mit unglaublicher Geschwindigkeit im Sommer 1892 aus der Erde gezaubert und konnte im Oktober schon fast vollständig in Betrieb gesetzt werden. Der Zuzug seiner Arbeiter von außen, in Verbindung mit denen der Königlichen Geschoßfabrik, welche ihren Geschäftsbetrieb um mehr als das Doppelte gesteigert hatte, rief eine Bevölkerungszunahme für die Stadt hervor, wie sie in gleicher Weise bis dahin noch nicht stattgefunden hatte.

Die neuen Stadtteile

Die Wohnungsnot war eine fühlbare und für die sittlichen und gesundheitlichen Verhältnisse gleich nachteilig, ja gefährlich.

Stadtplan Siegburg 1897

Da fing man an zu bauen, und wer Geld hatte zu bauen und auch keins hatte, glaubte es bei dem niedrigen Zinsfuße nicht besser anlegen zu können, als wenn er es in Wohnhäuser steckte und die geschraubten Mietsverhältnisse nach Kräften ausnutzte. 1892 entstanden 30 neue Häuser in der Stadt, 1893: 80 und 1894 über 100. Der Driesch verlor dadurch sein ländliches Aussehen, und an der Kaiser- und der Luisenstraße wurden Facaden aufgeführt, welche sich mit den alten Kastanienbäumen vor ihnen nicht gut vertragen konnten. Dieselben mußten fallen trotz Wegebauverwaltung und Spaziergänger und werden als solche wohl niemals wieder ersetzt werden.

Die Stadt wurde dadurch in die Zwangslage gebracht, nun auch ihrerseits große Anstrengungen zu machen und die Fahr- und Feldwege, welche bisher weniger beachtet waren, in passierbaren Zustand zu versetzen.

Die Ebenung derselben nahm sehr viele Zeit in Anspruch, und die Anlage von Gas- und Wasserleitungen kostete sehr große Summen. Dazu kam noch, daß die Neustädter auch keine naheliegenden Elementarschulen hatten und die alten am Friedensplatze schon vielfach überfüllt waren.

Daher kaufte man an der Friedrichsstraße ein recht großes Terrain und stellte daselbst 1892 ein 6-klassiges Schulgebäude mit passenden Lehrerwohnungen her.

Das nötigste in diesem Stadteile ist nun wohl ein Gotteshaus, damit die bewohner mit Leichtigkeit die Kirchen besuchen können und über ihren irdischen Sorgen nicht gänzlich den Himmel vergessen. Stadtrat Hansen hat schon bedingungsweise das Grundstück dazu geschenkt, und eine Kirchenbaugesellschaft hat sich gebildet, die nötigen Gelder dazu anzusammeln; da darf man auf die Herstellung desselben Vertrauen setzen.

Der Friedhof

Der Friedhof an der Aulgasse ruft uns zwei Wohlthäter ins Gedächtnis, deren Verdienste hier nicht unerwähnt bleiben sollen. Kommerzienrat Rolffs aus Bonn stiftete daselbst 1891 ein 6 m hohes, ganz aus einem Stein gehauenes, kunstvolles Kruzifix, welches ein Bildhauer, Kaffenberger mit Namen, dem berühmten Sühnkreuze zu Baden-Baden nachbildete und dabei in allen Stücken seinem Vorgänger Nikolaus Lerch aus Leyen gefolgt sein soll. Letzterer lebte im 15. Jahrhundert. Der zweite Wohlthäter ist der Kaufmann Jean Fußhöller aus Siegburg, dessen einziger Sohn ihm vor Jahresfrist gestorben war. Er schenkte 1896 mit seiner Frau Gemahlin 7000 Mark zu dem bereits vorhandenen Gelde zwecks Ausschmückung und teilweiser Vergrößerung des St. Johannistapellchens, welches ursprünglich wohl dem hl. Kreuze gewidmet war. An die Stelle des Jüngers Johannes trat später der Schifferheilige Johannes von Nepomuk (eine Vermutung), als dieser 1729 kanonisiert war, vergleiche Seite 94 und 284 und auch das Sachregister.

Schulwesen

Daß sich die Opferwilligkeit der Siegburger eng mit ihren Glücksgütern verbindet, mögen drei weitere Beispiele darthun, ohne daß wir den geheimen Wohlthätern damit zu nahe treten wollen. In den siebziger Jahren hatte ein Fräulein Pesch es versucht, gegen Entgelt in selbst gemieteten Lokalen nicht schulpflichtige Kinder unter ihre Aufsicht zu nehmen und dieselben spielend, zum Teil auch unterrichtend, wohlwollend zu beschäftigen. Diesem Beispiele folgten 1880 evangelische Gemeindeglieder mit der Errichtung einer Kleinkinderverwahrschule, zunächst auch in gemieteten Räumen, bis sich die Frau Fabrikbesitzer Georg Keller der Kleinen annahm und auf einem vom Rentner Baldauf geschenkten, in der Nähe der Kirche liegenden Grundstücke eine passende Schule herrichten und gleichtig damit eine Aufseherinwohnung verbinden ließ. Die Katholiken betrachteten das zu freudiger Nachahmung, und auf Grund von Anteilscheinen, mit Beihülfe verschiedener Legate seitens der Geschwister Hagen, Fräulein Luise Strunk und der Fräulein Barbara Kuttenkeuler unternahm es der Kirchenvorstand, für seine Glaubensgenossen nun auch ein derartiges Institut ins Leben zu rufen und es mit Genehmigung der weltlichen Obrigkeit unter die Leitung der Schwestern aus dem Hospitale zu stellen. Die Stadtverwaltung leistet beiden Schulen einen jährlichen Beitrag, der sich jedesmal nach der Anzahl der besuchenden Kinder richtet.

Herr Georg Keller siedelte 1890 nach Bonn über, um in den letzten Tagen seines Lebens sich der Geschäftssorgen zu entschlagen. Er hatte mit großer Teilnahme die Verhältnisse Siegburgs verfolgt und für die Armen stets ein liebevolles Herz gehabt. Darum schenkte er bei seinem Weggange der Stadtgemeinde 30 000 Mark zu wohlthätigen Zwecken, jedoch mit dem ausgesprochenen Zusatze, daß die Zinsen des Kapitales der ärmeren Bevolkerung zugute kommen und nicht zur Bestreitung der gewöhnlichen Armenlasten dienen sollten. Der Stadt empfahlen sich als solche die Einrichtung einer Näh- und einer Haushaltungsschule, von denen mit ersterer bereits der Anfang gemacht und die letztere in allmählicher Vorbereitung begriffen ist.

Die höhere Töchterschule hatte 1887 eine Umgestaltung erfahren und war nach einem vom Kreisschulinspektor vorgelegten Plane zu einer vierklassigen Schule für Kinder zahlungsfähiger Eltern eingerichtet worden, ohne daß das frühere Ziel damit aufgegeben wurde. Diese Umgestaltung erforderte eine Vermehrung und Vergrößerung der bisherigen Klassenräume, welches sich der Geheime Kommerzienrat Rolffs nicht entgehen ließ, der Stadt abermals einen Beweis seines großen Wohlwollens zu geben und seine Anhänglichkeit an dieselbe zum schönsten Ausdrucke zu bringen. Er schenkte der Stadt nicht nur das Schulgebäude, welches er eigens zu dem Zwecke hatte erbauen und schon einmal vergrößeren lassen, sondern kaufte auch noch ein anschießendes Grundstück dazu, um weitere Anlagen darauf vornehmen zu können. Sein ihm schon früher erteiltes Ehrenbürgerrecht bekundet die Dankbarkeit der wackeren Siegburger.

Was nun die übrigen Schulen angeht, abgesehen von den 4 Übungsschulen in dem Lehrerseminare, so zählt die Stadt augenblicklich 6 Knaben- und 9 Mädchenklassen, für die evangelische Bevölkerung 4 gemischte Klassen und dazu noch eine jüdische Privatschule, welche jährlich einen städtischen Zuschuß von 750 Mark empfängt. Für Lehrlinge u. dergl. ist durch eine dreiklassige Fortbildungsschule gesorgt, mit welcher sich in der neuesten Zeit noch eine Einrichtung zur Erlernung von Handfertigkeiten verbindet. Die Unkosten belaufen sich weit über 46 000 Mark, aber dafür hat die Stadt – das Lehrerseminar und das Gymnasium mit eingeschlossen – auch Bildungsanstalten aufzuweisen, wie sie nicht manche Stadt ihrer Größe und Einwohnerzahl aufzeigen kann. Was nun noch zu wünschen wäre, möchte wohl ein Waisenhaus sein, indes sind die Ansichten darüber geteilt. Die Unterbringung der Kinder ist oft mit sehr großen Schwierigkeiten verbunden und die Erziehung derfelben vielfach dem Zufalle überlassen, hier mögen die Kinderlosen ansetzen und sich aus Liebe zu Gott den Dank der Elternlosen verdienen.

Unten am Markte erhebt sich ein Wetterhäuschen, das ebenfalls von Freunden des Gemeinwohles gestiftet ist und gerne in Benutzung genommen wird. Thermometer und Barometer zeigen die Witterungsverhältnisse des Tages an, und wenn der Himmel will, auch einige Zeit im voraus, aber das Wetter selbst können sie nicht machen, noch viel weniger die Geschäftstemperatur anzeigen, worauf es den Unternehmungslustigen doch ganz besonders ankommt. Diese finden aber eine Warnung an der Südseite desselben, wo die Lage der Stadt und die Höhe des St. Michaelsberges angegeben sind. Der letztere liegt 61 Meter über dem Meeresspiegel und das Zellengefängnis noch 57 Meter höher.

Bevölkerung von Siegburg

Die Bevölkerungsziffer der Stadt belief sich 1890 auf 8328 Einwohner: 6669 Katholiken, 1334 Evangelische, 4 Dissidenten und 321 Juden; 1895 auf 10 850 Einwohner: 8393 Katholiken, 2129 Evangelische, 4 Dissidenten und 319 Juden, welche in 953, 1895 in 1127 Häusern wohnten und 1592 bezw. 2148 Haushaltungen bildeten, inclusive der einzeln lebenden Personen.

Geschäftsverkehr

Zur Einkommensteuer waren im ersten Jahre 104 Personen und Familien veranlagt, zur Klassensteuer 1644 und zur Gewerbesteuer 374. Seit dem Gewerbesteuergesetz vom 24. Juni 1891 erfolgte 1893 die Veranlagung der Gewerbetreibenden nach den jährlichen Erträgen oder dem Anlage- und Betriebskapital in 4 Klassen, welche in abnehmender Ordnung 1, 2, 43 und 231 Betriebe aufwiesen ohne diejenigen, welche weder einen jährlichen Ertrag von 1500 Mark noch ein Anlage- und Betriebskapital von 3000 Mark zu verzeichnen haben. Hotels, Gast- und Schenkwirtschaften giebt es 48 in Siegburg, Schankstätten unter Ausschluß von geistigen Getränken, Kaffeewirtschaften etc. 15. (1896.)

Post- und Eisenbahnstatistiken

Näheren Anhalt über den Geschäftsbetrieb resp. die Verkehrsverhältnisse vermögen uns die Post- und Eisenbahnstatistiken zu geben, welche deshalb hier mitgeteilt werden sollen.

Die Postexpedition zu Siegburg wurde 1870 zu einem Postamte erhoben und hatte der Reihe nach zu Verwaltern die Herren Dönniges, von Gizicky, von Vornstaedt, Major Eberhard und Herrn Neubauer, letztere vier als postdirektoren. 1895 übernahm der Staat das jahrelang gemietete Lokal mit sämlichen Anlagen und Hofraum für 100 000 Mark als Eigentum und sucht es nun im Inneren zweckentsprechnder umzugestalten. Es liegt an der Ecke der Bahnhofs- und der Wilhelmstraße und ist leicht erkenntbar an den drei karyatidenartigen Figuren, welche den Balkon über dem Haupteingange tragen. Mit dem Postamte verbunden ist eine Telegraphen- und Telephonstation, deren Drähte nach allen Windrichtungen hin auslaufen. Der Geschäftsbetrieb gestaltete sich in den letzten 10 Jahren wie folgt:

Die Post hatte188518901895
Postagenturen678
Posthülfsstellen57
Amtliche Verkaufsstellen11119
Postbriefkasten192335
Beamte7713
Unterbeamte181822
Postillione345
Wagen365
Pferde677
Summe der von Pferden der Station zurückgelegten Kilometer46 72052 91048 238
Eingegangene Briefsendungen334 314530 594764 608
Aufgegebene “300 528499 434651 092
Eingegangene Pakete34 48845 71369 266
Aufgegebene “29 01636 83451 922
Eingegangene Wertsendungen3 36629843752
Betrag derselben3 564 2165 981 1192 899 144
Aufgegebene Wertsendungen3 8524 3655 396
Betrag derselben4 444 1126 918 41110 593 054
Eingegangene Nachnahmen3 2225 2318 457
Betrag derselben23 43641 848112 055
Aufgegebene Nachnahmesendungen4 4109 4963 660
Betrag derselben23 34632 24040 004
Eingegangene Aufträge4 6544 5525 686
Betrag derselben446 572441 544515 009
Aufgegebene Aufträge1 7032 7842 866
Eingezahlte Postanweisungen28 29737 16458 322
Betrag derselben1 843 6432 539 2753 619 867
Ausgezahlte Postanweisungen20 46426 82132 159
Betrag derselben928 9211 375 2511 446 037
Zahl der erschienenen Zeitungen334
Zahl der eingegangenen Zeitungsexemplare8297141215
Zahl der eingegangenen Zeitungsnummern136 374104 728225 387
Zahl der ausgelieferten Zeitungsexemplare546697965
Zahl der ausgelieferten Zeitungsnummern123 700194 312254 322
Zahl der Ortsbriefträger457
Zahl der Landbriefträger543
Die Bestellung der Sendungen erfolgte bei Briefen556 mal
Die Bestellung der Sendungen erfolgte bei Paketen222 “
Die Bestellung der Sendungen erfolgte bei Wertsendungen322 “
Zahl der Abholer113114121
Zahl der mit der Post gereisten Personen195819901894
Betragsergebnisse: Einnahme Mk.1 905 9702 617 4923 787 556
Ausgaben977 0961 391 7951 557 884
Bearbeitete Telegramme14 235182 50026 545

(Die erschienenen Zeitungen: Siegburger Kreisblatt, die Siegburger Zeitung, der Sieg-Bote und die Sieg-Zeitung)

Der Eisenbahnverkehr (vergl. Seite 420 und 422) erfuhr 1884 eine Erweiterung durch die Eröffnung der Aggerthalbahn mit einer Haltestelle auf dem Driesch, während der Anschluß des Brölbähnchens (Strecke Niederpleis-Siegburg) noch auf sich warten läßt, aber in Vorbereitung begriffen ist. Die Bruttoeinnahme für die Stationskasse Siegburg ergab 1894 aus dem Güterverkehre 433 031,29 Mark, aus dem Personenverkehre 184 449,20 Mark, für die Haltestelle Driesch, wo keine Güter verladen werden, 17 240,60 Mark; die Zahl der verausgabten einfachen Fahrkarten betrug dort 205 080, hier 48 425, Zahl der Rückfahrkarten 72 897 bezw. 9559 Stück. An Eil- und Frachtgut gingen ab 89 704 Tonnen und kamen an 116 674 Tonnen, die Tonne = 20 Ctr. oder 1000 kg. Den größten Anteil an den Gütern hatten wohl die Königlichen Institute: Geschoßfabrik, Feuerwerkslaboratorium und Gefangenen-Anstalten, an zweiter Stelle die Firma Rolffs & Komp. für ihre Kattundruckerei und Mühlenanlagen (sie beschäftigt über 800 Arbeiter), ferner die Maschinenfabrik der Gebr. Krämer, Spezialität in Holzbearbeitungsmaschinen für Tischlerei und Wagenbau, sodann der Eisenhammer und die Fabrik für feuerfeste Steine der Gebr. Hansen, die Thongruben-Besitzer und Anpächter, die Destillateure und Kaufleute, Möbelhändler, Bierwirte etc.

Der Frachtfuhrverkehr ist ein beschränkter, wenigstens in den Richtungen der Eisenbahnen, aber bei den schönen Straßen fluß-aufwärts und abwärts (Rhein, Sieg, Agger) doch immer noch erheblich. Die Schwierigkeiten der Buisdorfer und Siegburg-Mülldorfer Fähren wurden 1852 und 1885 durch die Anlage von Brücken beseitigt, hier durch eine eiserne, dort durch eine steinerne (1855 eröffnet), und 1886 auch die alte hölzerne Brücke über die Agger durch eine in „Bruchstein-Konkret-Mauerwerk“ ausgeführte ersetzt. Der Postwagen rollt einstweilen nur noch bis Much und Neunkirchen, um später vielleicht ganz eingestellt zu werden. Dann sind die Thurn- und Taxisschen Erinnerungen vorüber, und der Schwager braucht nicht mehr zu halten, um seinem Freunde das Leiblied zu blasen. Der Siegburger hört übrigens noch gern das schmetternde Posthorn und wenn ein Künstler auf dem Bocke sitzt, auch mit Vergnügen das alte Schier dreißig oder die Wacht am Rhein. Sitzt er des Abends beim Bier oder beim Wein, was um 7 Uhr sehr häufig der Fall ist, dann trinkt er sich rasch noch ein Gläschen und denkt:; Lieb Vaterland kannst ruhig sein, fest und treu die Wacht am Rhein, denn er geht immer gerade.

Den Personenverkehr heben namentlich verschiedene Einrichtungen, deren sich die Stadt staatlicher- und privaterseits zu erfreuen hat. Da finden wir neben den schon erwähnten Fabriken und höheren Lehranstalten, abgesehen von den beiden Strafanstalten, das Königliche Landratsamt und das Bezirkskommando, das 1879 umgestaltete Friedensgericht mit zwei Amtsrichtern und das Grundbuchamt, das Steuer-, Untersteuer- und Katasteramt, die Königliche Oberförsterei Siebengebirge und die Kreis-Schulinspektion, das Landesbauamt und die Kreisbauinspektion, die Kreis-Spar- und Darlehnskasse und eine Volksbank (eine eingetragene Genossenschaft mit unbeschränkter Haftpflicht, gegründet 1874), den Kreisphysikus und Kreistierarzt mit 7 weiteren Ärzten, zwei Notarien und zwei Rechtsanwälte, zwei Apotheken und ein Aichamt und wie sie alle heißen mögen die Institutionen oder Vertreter derselben, sie alle ziehen das Publikum in die Stadt und beleben den Verkehr und die Verkehrsmittel. Das Königliche Amtsgericht ist auf die Wilhelmsstraße verlegt und soll sich noch 20 Jahre in einem gemieteten Hause behelfen, obgleich sich der Geschäftsbetrieb verdoppelt und dem entsprechend das Gerichtspersonal vermehrt hat. An der Spitze des selben steht seit seiner Einrichtung der Amtsgerichtsrat Noeggerath, während der zweite Richter schon mehrfach gewechselt hat und der Grundbuchrichter erst nächstens eintreten wird. Zur Zeit besteht noch das Hypothekenamt.

Verkehrswege

Die Verkehrswege befinden sich im besten Zustande und machen sowohl der Stadt- wie auch der Provinzial-Verwaltung die größte Ehre.

Fast keine Straße ist unberücksichtigt geblieben, und wo die Pflasterung noch nicht anging, hat man Kiesanschüttungen oder Makadamisierung vorgenommen, bis die Bedürfnisfrage zu einer anderen Lösung hinandrängt.

Die provinzielle Baupflichtigkeit erstreckt sich auf die Köln-Frankfurter, die Beuel-Overather und die sogen. Zeitstraße. Nahezu 150 Laternen, immer mehr mit Gasglühlicht versehen, beleuchten schon die Wege und Trottoire für die unsicher Wandelnden, und wer nicht gerade in von Mühlers Stimmung ist, entbehrt kaum noch des trübseligen Freundes, den der Himmel zum Wegweiser bestellt hat. Die Herstellung der Wege hat der Stadt sehr große Opfer gekostet, ohne daß wir die Einzelposten hier aufzählen wollen; aber dafür hat sie auch ein städtisches Aussehen, und man braucht nicht mehr das Klima von den Füßen zu schütteln, wie einstmal ein Gutsbesitzer sich ausdrückte. Die Reinigung der Straßen liegt noch den anschießenden Hausbewohnern ob, jedoch die Abfuhr des Kehrichts mit Einschluß der Hausabfälle einem versuchsweise gedungenen Unternehmer, der hoffentlich bestehen bleiben wird. Der vom Verschönerungsverein geschenkte Sprengwagen wird nächstes Jahr in Thätigkeit treten, da der Sonnenbrand inzwischen abgenommen hat.

Städtischer Haushaltungsetat

Die Stadtschulden belaufen sich auf 717 170 Mark 69 Pfg. und werden mit 3 ½ % verzinst. Ihre Deckung finden sie in dem Immobiliarvermögen der Stadt, in der Kraft der Steuerzahler, in den Einnahmen aus städtischen Anstalten sowie verschiedenen anderen Hülfsquellen, die nachstehend verzeichnet sind, und müssen bis 1929 sämtlich amortisiert werden.

Nach dem Haushaltungsetat für 1896/97 sind zu dem durchlaufenden „eisernen Bestande“ von 5000 Mark und dem Überschuß aus dem Vorjahre von 1554,53 Mark die Einnahmen veranschlagt:

A.aus Pacht von Grundbesitz auf326,50 Mk.
aus Jagtpacht auf455,00 Mk.
aus Verlauf von Grabstätten auf dem Friedhof auf600,00 Mk.
an Zinsen aus besonders verwalteten Fonds auf1 541,00 Mk.
aus Pacht von Armen-Grundstücken, Zinsen von Armen-Kapitalien und -Stiftungen sowie aus sonstigen Armengefällen9 320,00 Mk.
an Staatszuschüssen und anderen Kompetenzen für das Unterrichtswesen auf9 700,88 Mk.
aus Schulgeld für die höhere Mädchenschule auf7 200,00 Mk.
an Einnahmen aus städtischen Anstalten auf186 468,00 Mk.
B.an direkten Steuern auf:
a) 140 % der staatlich veranlagten Grund-, Gebäude- und Gewerbesteuer sowie der Staatseinkommenssteuer, einschließlich der für die Einkommen von 440 bis 660 und von 660 bis 900 M. Fingiert veranlagten Einkommensteuersätze von 2,40 und 4 M. und der Forensaleinkommensteuer103 340,00 Mk.
b) 140 % der veranlagten Betriebssteuer1 800,00 Mk.
C.an indirekten Steuern auf
1. Hundesteuer (10 M. Pro Hund)2 500,00 Mk.
2. Abgaben von Lustbarkeiten1 500,00 Mk.
3. Biersteuer6 500,00 Mk.
4. Immobilienumsatzsteuer (1% des Wertes der veräußerten Immobilien)2 000,00 Mk.
D.an Gebühren
1. Markt- und Stadtgelder auf360,00 Mk.
2. Gebühren für Prüfung und Beaufsichtigung der Neubauten auf1 000,00 Mk.
Endlich, unvorhergesehene und verschiedene Einnahmen394,09 Mk.

____________
Summa341 560,00 Mk.

Die Ausgaben

An allgemeinen Verwaltungskosten auf22 865,00 Mk.
An polizeilichen Ausgaben auf22 000,00 Mk.
für Unterhaltung der Wege auf6 000,00 Mk.
zur Unterhaltung und Nutzbarmachung des Gemeindevermögens auf5 695,00 Mk.
für die städtischen Anstalten und Einrichtungen160 168,00 Mk.
an Kosten für das Armenwesen32 320,00 Mk.
für die Elementarschulen46 623,00 Mk.
für die höhere Mädchenschule
(von diesem Betrag kommt das Schulgeld mit 7200 Mk. in Abzug.)
7 750,00 Mk.
an Zuschuss für die jüdische Privatschule750,00 Mk.
als Beitrag zu den Kosten des Gymnasiums10 000,00 Mk.
verschiedene andere Ausgaben2 260,00 Mk.
zur Armortisation und Verzinsung von Schulden
(die Beträge für die Anleihen betreffs der Gasanstalt, des Wasserwerkes, des Schlachthauses und des Schulwesens sind in den desfalligen Ausgaben mit enthalten)
10 553,71 Mk.
für Einquartiersvergütung1 800 Mk.
verschiedene Ausgaben1 794,00 Mk.
unvorhergesehene Ausgaben5 001,29 Mk.
Abgang an Steuern1 000,00 Mk.
Eiserner Bestand durchlaufend5 000,00 Mk.
____________
Summa341 560,00 Mk.

Von den Spezialetats, deren Endsummen im Hauptetat anthalten sind, schließen ab:

a.der Etat der Gasanstalt mit einer Einnahme von131 600 Mk.
und einer Ausgabe von109 000 Mk.
__________
Überschuss:22 600 Mk.

b.der Etat des Wasserwerkes mit einer Einnahme von34 288 Mk.
Und einer Ausgabe von30 738 Mk.
__________
Überschuss:3 550 Mk.
c.der Etat des Schlachthauses mit einer Einnahme von19 730 Mk.
und einer Ausgabe von19 730 Mk.



d.das städtische Aichamt mit einer Einnahme von350 Mk.
und einer Ausgaben von300
___________
Überschuss:50 Mk.

(Zu „aus Pacht von Armen-Grundstücken“, Zinsen von Armen-Kapitalien und -Stiftungen sowie aus sonstigen Armengefällen: Das Grundvermögen umfasst 49,74 Ar, die Kapitalien belaufen sich auf 80 156 Mark, die teils in Wertpapieren, teils hypothekarisch und teils in der Kreis-Sparkasse angelegt sind.

Zu „Kosten für das Armenwesen“: In dem Rechnungsjahre 1894/95 wurden allein an baaren Geldunterstützungen für einheimische und auswärts lebende, aber zur Stadt gehörende Arme verausgabt 7723 Mk., für Kleidungsstücke 906 Mk, für ärztliche Behandlung, chirurgische Hülfleistung, Arzneikosten und Beherbergung 1655 Mk. Etc. etc. Summa 10 284 Mk., wobei aber die im Hospitale untergebrachten ärmeren Kranken und Waisenkinder noch nicht in Betracht gezogen sind. Jene erforderten eine Ausgabe von 6125, diese eine solche von 2939 Mk. Für auswärtige Verbände wurden verausgabt 3894 Mk.)

Schlusswort

Hiermit schließen wir unsere Mitteilungen und überlassen es einem glücklicheren Nachfolger, das Versäumte nachzuholen und den Faden der Erzählung weiter zu spinnen. Mögen sie dem nachsichtigen Leser eben so viel Vergnügen bereiten, wie es Schreiber dieses Mühe gekostet hat, die zerstreuten Nachrichten zu sammeln und schlecht und recht, wie es sich gerade machte, zusammenzustellen. Siegburg hat eine denkwürdige Vergangenheit und so Gott will, eine noch schönere Zukunft. Möge das Glück ihm gewogen bleiben und der Himmel seine Arbeit segnen.

Siegburg, den 19. September 1886.

Dies ist ein Ausschnitt aus Rudolfs Heitkamps Buch “Siegburgs Vergangenheit und Gegenwart” von 1897. Mehr Infos dazu hier.

Kapitelübersicht

Über das Buch
Buch zur Siegburger Geschichte von 1897 wieder erhältlich
Rezension zu Siegburgs Vergangenheit und Gegenwart
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Kapitel des Buches
Die mit Links hinterlegten Textteile sind bereits online verfügbar. Die anderen Teile werden nach und nach eingestellt.

I. Siegburgs älteste Verhältnisse – Wahrheit und Vermutung.
Der Siegberg und seine Bewohner
Römerstraßen & Altdeutsche Gräber
Ansiedlungen und Ständeunterschiede
Rechte und Gerichtswesen
Der Auelgau und die erste christliche Gemeinde
Die Siegburg
Pfalzgraf Heinrich und sein Streit mit Anno, Erzbischof von Köln

II. Die Gründung der Abtei
Die Gründung der Abtei, ihr Zweck, die Abteikirche & die Ordensregeln
Insassen und Ausstattung des Klosters mit Gütern
Der Burgbann, die Rechtspflege und der Vogt
Annos Tod, sei Begräbnis und seine letzte Ruhestätte

III. Die Stadt Siegburg
Die Stadt Siegburg – Markt-, Zoll & Münzrecht sowie ihre Befestigung
Ihre Verwaltung und Gerichtsbarkeit
Älteste Zustände in ihr
Lage und Beschaffenheit

IV. Entwickelung der Abtei
Entwickelung der Abtei und die Fixierung ihrer Besitzungen
Die Sage von Erpho
Klösterliches Leben und Treiben
Annos Lebensbeschreibung und das Annolied
Blutbad in Köln, geflüchtete Juden in Siegburg
Die Decanie im Auelgaue
Vornehme Begräbnisse auf der Abtei
Vermächtnis Heinrichs IV. und Heinrichs V.
Die Propsteien Oberpleis, Hirzenach, Remagen, Zülpich
Bedeutende Ordensmänner
Abt Kunos Vermächtnis und Anordnungen
Streit mit dem Kassiusstift und die Propstei Millen
Reinalds von Dassel Vorschrift hinsichtlich der abteilichen Güter

V. Städtisches
Städtisches: Marktprivilegien, Christihimmelfahrtsmarkt & Servatiustag
Städtisches Leben und Treiben
Leprosenhäuser – Krankenhäuser, die Kirche und die Einführung des St. Nikolausfestes
Die Märtensfeuer
Das Holzfahrtsfest und der Maibaum

VI. Kannosisation Annos und Siegburgs Kunstschätze
Der Streit um das Burgterrain von Blankenberg, das Burgrecht, der Schutzbrief sowie eine Wasserprobe
Annos Heiligsprechung
Annos Charakterisierung, die Abteikirche
Reliquien und Reliquienschreine
Älteste Siegel der Abtei, der Stadt und des Gerichtes etc., die Einverleibung der Kirchen Oberpleis und Zülpich

VII. Verhängnisvolle Zeiten
Ausplünderung Siegburgs, Engelbert von Köln und Heinrich von Limburg, Übertragung der Schutzvogtei an die Kölner Kirche
Heinrichs Bemühungen, dieselbe (die Schutzvogtei) für das Haus Berg wiederzuerlangen
Das Faustrecht, die Zustände auf der Abtei sowie die Visitation des Klosters
König Richard und Kölner Flüchtlinge in Siegburg
Vertrag , Burg & Pfarrkirche
Privilegium der Kölner Marktbesucher in Siegburg
Consultationsrecht der Wipperfürther (und ebenso auch der Lenneper in Siegburg)
Eine Judenverfolgung

Wortlaut der Vogtsreversalien
Ökonomische Verhältnisse der Abtei und die Einverleibung der Pfarrkirchen
Die Topfbäcker, das Waldschuldheißenamt
Siegburger Juden

VIII. Dynasten im Abtsgewande.
Verhältnis der Abtei zur Kölner Kirche, zum Reiche und dem Hause Berg
Schutz- und Trutzbündnis zwischen der Abtei und Stadt Siegburg
Verhältnis der Abtei zum römischen Stuhle
Dienstmannenverhältnis
Siegburg Enklave von Berg, Löwenburg und Blankenberg
Berg zum Herzogtum erhoben
Verhältnis zwischen Deutz und Siegburg
Propstei Aulgasse

IX. Das aufstrebende Bürgertum
Pelegrin von Drachenfels
Überrumpelung Siegburgs durch Adolf von Berg und Brand der Stadt
Schlichtung der Streitigkeiten zwischen Adolf und Pelegrin

Der güldene Opferpfennig der Juden
Frühmessenstiftung
Agger- und Siegbrücke
Verwendung der Accise
Das Mühlenthor
Verkauf der Burg an das Erzstift Köln und Rückgängigkeit des Verkaufs

Die ersten Zunftbriefe
Das Schöffenessen
Ausübung des Münzrechtes der Abtei

Vorladungen vor die Feme
Das Recht des Antastes in der Vogtei und Stadt Siegburg
Der Galgenberg

Der Seidenberger Hof und das Hofgericht
Windecker Vertrag
Wolsdorf und Troisdorf
Zollstätte zu Bergheim
Formalitäten bei der Huldigungsfeier neuer Äbte
Vikar Hulweck
Das Reichskammergericht
Türkensteuer
Preisverhältnisse

X. Siegburgs Blütezeit.
Reichsunmittelbarkeit der Abtei
Restauration der Pfarrkirche
Bevölkerungsziffer der Stadt
Namen der Häuser an den Hauptstraßen
Der Tierbungert
Reformatorische Bestrebungen im Erzstift Köln etc.

Das Zunftwesen in Siegburg
Städtische Verwaltung
Neubürger
Heiden
Einwohnerzahl, Gewerbe, Accise

Das Rathaus
Protestanten in Siegburg
Sittliche Zustände in der Stadt
Gebhard Truchses von Waldburg
Kampf auf dem Brückberg
Anschlag gegen den Abt
Die Rottmannschaften

Inventare
Preisverhältnisse
Mahlzeiten

Hans Sachs „Schöne Tischzucht“
Armenpflege

XI. Ringen und Kämpfen
Lehnwesen der Abtei
Schulwesen in der Stadt
Die Trivialschule
Sittliche Zustände
Eine Hinrichtung nach Karls peinlicher Halsgerichtsordnung
Acciseneinnahmen

Der Vogtseid
Klever Vertrag vom . Okt.
Früheres Verhältnis der kontrahierenden Teile
Güter-Erwerbungen und -Veräußerungen der Abtei
Tod Herzogs Johann Wilhelm und seine Folgen für Siegburg
Belagerung von Siegburg
Spanische Besatzung in der Stadt
Das Sendgericht
Das Schätzchen von Siegburg

XII. Die Zeit des dreißigjährigen Krieges.
Schutzbrief Kaisers Ferdinand II.
Kontributionen
Gustav Adolf
Baudissin in Siegburg
Schwedische Besatzung unter Loyson
Pfarrer Menner
Räumung der Abtei seitens der Schweden
Bekanntmachung des Abtes von Bellinghausen betreffs der Wiederaufbauung der zerstörten Häuser
Glasjunker als Zünftler
Klösterliche Verhältnisse
Soldatenleben
Hexenprozesse
Feuersbrunst
Die Pfarrkirche
Glockenguß in Siegburg

XIII. Verlust der abteilichen Reichsunmittelbarkeit
Schutzbrief Kaisers Ferdinand III.
Johann von Bock
Vergleich vom Jahre
Die Minoriten in Siegburg
Pfalz-Neuburgische Besatzung in der Stadt
Die Leibkompagnie des Abtes
Rangstreit unter den Stadträten
Ein fauler Häring
Die Elementarschule
Die Pest
Aufnahme von Novizen
Jagdübung der Konventualen
Neue Kapitulation zwischen der Abtei und dem Herzoge
Prätensionen desselben
Bernard Gustav von Baden als Koadjutor
Seine Abdankung
Einjährige Bürgermeister
Präliminarvertrag zwischen der Abtei und dem Herzog
Der Erbvergleich
Erneuerung des Vertrages mit den Minoriten

XIV. Das freiadlige Stift und die Unterherrlichkeit Siegburg
Heinrich Worm
Besetzung Siegburgs durch die Franzosen
Billetierung der Juden
Eine erbauliche Scene in der Kirche
Hungersnot
Ein Kirchendiebstahl
Das Minoritenkloster
Erbhuldigung des Herzogs
Zunftverhältnisse
Revision der Abtei
Ein Geleitsbrief
Die Accise
Französische Einquartierung
Größe abteilicher Höfe der Umgegend
Kriegswirren
Konsumtionssteuer
Die Vogtei Siegburg
Beschränkung der Abtei in Gütererwerbungen
Zurückbringung der geflüchteten Reliquienschreine
Die erste Apotheke in der Stadt
Sporteln der Ärzte

XV. Die Franzosen in Siegburg und die drei letzten Äbte
Der 7-jährige Krieg
Siegburger Geiseln in Stade
Der Geiselprozeß
Die Muttergotteskapelle
Huldigung des Abtes
Abschaffung von kirchlichen Feiertagen
Die neue Poststraße
Brand der Abtei
Die Pfarrkirche
Das Läuten mit den Glocken und die Donnerwettersgärten
Revolution in Frankreich
Die Maas-Sambrearmee
Kämpfe um Siegburg herum
Einquartierungen
Säkularisation der Abtei

XVI. Siegburg unter bergischer Herrschaft
Das Zunftwesen
Schulverhältnisse
Die Kirchen Siegburgs
Verkauf der abteilichen Mühlen
Siegburg als Munizipalstadt
Budget vor
Der neue Friedhof
Bepflanzung des Marktes mit Kastanienbäumen
Huldigung des jungen Herzogs Ludwig Napoleon
Bevölkerung der Stadt
Aufhebung der Zünfte
Das französische Gesetzbuch
Zurückhaltung der Reliquienschreine
Der russische Feldzug und die Schlacht bei Leipzig
Frhr. von Hallberg
Übergang der Verbündeten über den Rhein
Steuern
Eine russische Wagenburg und der Marktplatz
Napoleons Abdankung
Die Rheinlande fallen an Preußen
Proklamation des Königs Friedrich Wilhelms III.
Napoleons Ende

XVII. Siegburg als Hauptstadt des Siegkreises
Der Landwehrstamm in der Stadt
Hungersnot
Kabinettsorder Sr. Majestät betreffs der Siegburger Schulen
Die Lateinschule
Die Siegburger Kirmes und die Bonner Studenten
Kirchliche Verhältnisse
Die Irrenheilanstalt
Örtliche und bürgerliche Verhältnisse in der Stadt
Das Zeughaus
Eine höhere Töchterschule
Das Postwesen
Fabrikanlage von Rolffs & Comp.
Die israelitische Synagoge
Die evangelische Gemeinde
Marktverkehr
Die Kartoffelkrankheit
Pfarrer Engelmann
Das Jahr
Konstitutionelle Verfassung
Zug der Freischärler unter Kinkel behufs Plünderung des Siegburger Zeughauses und die Schlacht auf dem Stallberg
Der Lohmarer Wald
Empfang des Kronprinzen Friedrich Wilhelms IV.

XVIII. Blätter und Blüten aus der Neuzeit
Gemeindeordnung
Schulverhältnisse
Verlegung des Landratsamt in die Stadt
Deutz-Gießener Eisenbahn und Postverkehr
Geschäftsleben in der Stadt
Die Gasanstalt
Restauration der Kirche
Die letzten Stadtthore
Die rechtsrheinische Eisenbahn
Die Königliche Geschoßfabrik
Wohlthätigkeitsvereine und Krankenhaus
Das Vereinsleben überhaupt
Das Kriegerdenkmal
Das Königl. Lehrerseminar und das Gymnasium
Das neue Krankenhospital
Die Herz-Jesukapelle
Das städtische Schlachthaus und die Wasserleitung
Freiwillige Feuerwehr
Katholische und Evangelische Kirche
Verlegung der Irrenheilanstalt
Strafanstalten
Das Königliche Feuerwerkslaboratorium
Die neuen Stadtteile
Der Friedhof
Schulwesen
Bevölkerung von Siegburg
Geschäftsverkehr
Post- und Eisenbahnstatistiken
Verkehrswege
Städtischer Haushaltungsetat

Anhang
Liste der Äbte
Abteiliche Güter
Liste der Vögte
Wort- und Sachregister mit Erklärung und Übersetzung der im Texte vorkommenden fremdsprachlichen Stellen und Ausdrücke sowie anderen Erläuterungen.