Minna Lauer

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Zum 70. Geburtstag, 1. November.
Am 1. November feiert Minna Lauer, die hochverdiente Vorkämpferin für Frauenrechte in Deutschland, ihren 70. Geburtstag. Die vielen Anhänger und Freunde dieser seltenen Frau werden hiervon überrascht sein, denn niemand wird der in vollster Frische unermüdlich Tätigen, die in jugendlicher Begeisterung von der Rednertribüne zu uns spricht, die zahlreiche anstrengende Reisen im Dienst der von ihr vertretenen Sache im In- und Ausland unternimmt, dieses Alter glauben.

Wenn Minna Lauer heute zurückblickt auf ihr Werk, auf die mit rastloser Arbeit ausgefüllten Jahre, auf die verschiedenen von ihr begründeten Vereine, die Schar der Freunde und Anhänger, darf ein Gefühl des Stolzes sie erfüllen. Die mühevolle Arbeit der Pionierin hat reiche Früchte getragen, und wenn auch ihr Ideal, die Gewährung des aktiven und passiven Wahlrechts an die Frau, heute noch nicht erreicht ist, so nähern wir uns doch diesem Ziel, und die kommende Generation wird vielleicht dankbar ernten, was von dieser mutigen Vorkämpferin der Frauenbewegung für sie gesäet worden.

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Minna Lauer, die Tochter eines evangelischen Geistlichen, stammt aus einem kleinen Orte der Mark. In jugendlichem Alter verheiratete sie sich mit einem Arzt, wurde jedoch nach wenigen Jahren Witwe. Nun machte sie ihr Lehrerinnenexamen, ging hierauf als Erzieherin nach Paris, lehrte nach einigen Jahren in die Heimat zurück und wirkte als Lehrerin an einer Mädchenschule in Hamm. Dort vermählte sie sich zum zweiten mal mit dem Gymnasialdirektor Eduard Lauer, dessen fünf Kindern aus erster Ehe sie liebevolle Fürsorge erwies; ihr Gatte wurde später nach Danzig, dann als Stadtschulrat nach Berlin versetzt. Nach vierzehnjähriger glücklicher Ehe wurde sie zum zweitenmal Witwe, sie widmete sich nun mit regem Eifer geschichtlichen und wissenschaftlichen Arbeiten. Ihr erstes Auftreten in der Öffentlichkeit wurde durch die damalige Kronprinzessin Viktoria (spätere Kaiserin Friedrich) veranlaßt, die sie zur Mitarbeit bei ihren Bestrebungen heranzog, den Beruf der Krankenpflegerinnen auszugestalten.

Minna Lauer
Frau Minna Lauer, bekannte Vorkämpferin der Frauenbewegung, feiert am 1. November in Berlin ihren 70. Geburtstag (siehe den nebenstehenden Artikel). Phot. M. Schurgast.

Im Jahre 1888 wurde der Verein Frauenwohl gegründet, der das Ziel verfolgt, für die rechtliche, wirtschaftliche und geistige Befreiung der Frau zu kämpfen. Minna Lauer übernahm den Vorsitz, und ihr tatkräftiges Wirken gewann dem Verein immer zahlreichere Anhängerinnen. Nach seinem Vorbild wurden in allen Teilen des Deutschen Reiches Schwesternheime errichtet, die sich im Jahre 1899 zu dem Verbande fortschrittlicher Frauenvereine zusammenschlossen, auch hier hatte Minna Lauer bis zum Jahre 1907 den Vorsitz inne. Im Jahre 1901 wurde der Deutsche Verband für Frauenstimmrecht begründet, Minna Cauer gehörte zum Vorstande, und im Jahre 1907, als besondere Landesvereine für Frauenstimmrecht gebildet wurden, wurde sie Vorsitzende des Preußischen Landesvereins. Von den zahlreichen Einrichtungen, die Minna Lauer anregte und mitbegründete, seien die Mädchen- und Frauengruppen für soziale Hilfsarbeit in Berlin genannt, ferner der Kaufmännische Verband für weibliche Angestellte, der sich glänzend bewährte und eine ungemein große Anzahl von Mitgliedern zählt. Minna Lauers hervorragendes organisatorisches Talent fand in all diesen Vereinen reiche Gelegenheit zur Betätigung. Aber noch immer genügten der arbeitsfreudigen Frau diese Aufgaben nicht, und so gründete sie im Jahre 1895 die von ihr herausgegebene Zeitschrift „Die Frauenbewegung“.

In beredter Sprache kämpft sie hier für das Recht der Frau im Zusammenhang mit den jeweiligen Tagesfragen, ihre eindrucksvoll geschriebenen Leitartikel streifen alle Vorgänge der Gegenwart, soweit sie mit der Frauenfrage Berührungen aufweisen.

Mögen die seltene Begeisterungsfähigleit, das Streben nach dem Idealen, die Freude am Schönen, aber auch die unermüdliche Tätigkeit und hingebende Arbeit Minna Lauers ihren Mitarbeiterinnen und Anhängerinnen zum Vorbild und zur Anregung dienen, vor allem aber der Jugend, die sie in ganz besonderer Weise für ihre Ziele zu begeistern weiß und deren Zukunft ein erheblich Teil ihres Wirkens zugute kommen wird. Käthe Hirschfeld.

Dieser Artikel erschien zuerst in Reclams Universum Weltrundschau 16.-22.10.1911, er war gezeichnet mit „Käthe Hirschfeld“.