Schiffshebungen

Von Graf E. Reventlow, Kapitänleutnant a. D. Die Hebung eines gesunkenen Schiffes ist stets mit bedeutenden Schwierigkeiten verbunden, die um so größer sind, je größer das Deplazement des Schiffes ist.

Man kann sogar sagen, daß der Prozentsatz der gesunkenen eisernen Schiffe, deren Hebung überhaupt bewerkstelligt werden kann, im Verhältnis zur Gesamtzahl beinah verschwindend gering ist.

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Zur Beurteilung dieser Möglichkeit kommt eine ganze Anzahl von Faktoren in Betracht, zu denen in erster Linie die Wassertiefe zu rechnen ist, auf der das Wrack gesunken ist. Uebersteigt diese zehn Meter, so ist die Wahrscheinlichkeit schon unter Umständen sehr gering; übersteigt sie zwanzig, so können nur ausnahmsweise günstige Verhältnisse Aussicht auf Erfolg bieten. Der Grund hierfür liegt nicht nur darin, daß mit zunehmender Tiefe auch die Arbeit für den am Wrack beschäftigten Taucher schwierig, ja von einem gewissen Punkt an überhaupt unmöglich wird, sondern es kommt noch hinzu, daß auf großen Tiefen und in offener See schon bei verhältnismäßig geringem Wind eine Dünung aufkommt, die jegliches Arbeiten ausschließt; auch starke Strömung ist ein sehr erschwerender Umstand, und der Taucher kann z. B. in der Elbe nur während der kurzen Zeit des Hoch- und Niedrigwassers am Werk sein.

Erste Lage des gesunkenen Schiffs

Von großer Wichtigkeit ist ferner die Beschaffenheit des Meeresbodens; ist dieser weich oder besteht er gar aus Triebsand, so versinkt ein eisernes Schiff schon nach ganz kurzer Zeit so tief, daß an eine Hebung überhaupt nicht zu denken ist.

Hebung durch Anwendung des luftgefüllten Zylinders

Von einer wenn auch nach langen Mühen glücklich erfolgten Hebung berichten unsere Bilder. Der Dampfer „Emil Berenz“ hatte im vergangenen Januar, mit einer Ladung Getreide von England kommend, in der Danziger Bucht so schlechtes Wetter und hohe See getroffen, daß bei dem starken Ueberliegen des Schiffes die gesamte Ladung nach der einen Seite gerutscht war und der „Emil Berenz“ sich nicht wieder aus der schrägen Lage aufrichten konnte. Vergebens versuchten Bergungsdampfer das Schiff in den Hafen zu schleppen, schon drang das Wasser in den Schornstein, und es blieb nichts anderes übrig, als es nahe dem Strand auf Grund zu setzen. Es galt nun, das im übrigen gänzlich unverletzte Schiff, das nur geringfügige Undichtigkeiten aufwies, zu heben und in den Hafen zu bringen. Nachdem mehrere Monate vergebliche Versuche gemacht worden waren, unternahm eine schwedische Bergungsgesellschaft das Werk und gelangte nach beinah dreimonatigen Arbeiten zum Ziel. Hierbei wurde ein ebenso neues, wie interessantes Verfahren angewendet, indem man mächtige, mit Luft gefüllte Stahlzylinder mit Ketten und Stahltrossen an dem zu unterst gelegenen Teil des Schiffes befestigte, das übrigens vollständig auf der Seite lag.

Ausrichtung des gesunkenen Dampfers

Ihrer Größe entsprechend besitzen diese Zylinder natürlich einen mächtigen Auftrieb, und es leuchtet ein, daß das Schiff sich heben muß, sowie dieser Auftrieb sämtlicher Zylinder größer ist als das Gewicht, das das Wrack im Wasser besitzt. Zugleich war der Taucher hinuntergegangen und hatte alle Undichtigkeiten sorgfältig beseitigt, so daß der kräftige Pumpendampfer durch Entleeren der Innenräume die Hebearbeit des Zylinders unterstützen konnte.

Das Schlauchwerk zum auspumpen

Sehr erschwerend wirkte jedoch der Umstand, daß infolge der verrutschten Ladung der Dampfer auf der Seite liegen blieb, denn das gesunkene Schiff mußte erst aufgerichtet werden, ehe es gehoben werden konnte. Für dieses Aufrichten thaten nun wieder die Zylinder ausgezeichnete Dienste: man befestigte solche nämlich an oder unter der tiefliegenden Seite, hob diese damit in die Höhe und hielt sie so, unterstützt von den Richtekränen der Bergungsdampfer. Die Zylinder glichen also das ganze Gewicht der auf Schrägliegen wirkenden Ladung aus, und damit konnte die Hebung des gesunkenen Dampfers beginnen.

Hebung des aufgerichteten Dampfers

Neuerdings hat die Technik nun auch auf diesem Gebiet ganz bedeutende Fortschritte gemacht; man verwendet nämlich zum Zweck von Schiffshebungen große Kautschuksäcke, die mit Acetylen gefüllt werden. Dies hat vor den Stahlzylindern zunächst den Vorteil, daß Acetylen leichter als die Luft ist, also eine größere Hebekraft besitzt, ferner, daß man die Beutel unter Wasser füllen kann, da durch eine höchst sinnreiche Einrichtung mittels zugleich mit den Beuteln versenkter Apparate das Gas unter Wasser erzeugt und den Beuteln zugeführt wird. Bei den Zylindern hat man die doppelte Arbeit, da sie nur mit Wasser gefüllt, versenkt werden können und dann, wenn sie unter Wasser befestigt sind, wieder ausgepumpt werden müssen, um den für die Hebung nötig Auftrieb zu besitzen.

Dieser Artikel erschien zuerst am 11.10.1902 in Die Woche.