Die Vereinigten Staaten sind das Paradies des Fischers. Ihre Seen und Teiche, ihre Ströme und Bäche, die Meere, die ihre Küsten bespülen, bergen einen ungeheuren Fischreichtum.
Forellen beleben die klaren Gebirgsbäche der Rocky Mountains, der Adirondacks und der Weißen Berge Vermonts, die Flüßchen und Bäche, die sich auf der kanadischen Seite in die großen Seen ergießen. Diese beherbergen köstliche Lachsforellen, Hechte, Schleie, Weißfische und Maifische. Im Mississippi und in seinen Nebenflüssen trifft man den Stör, der einen ganz guten Kaviar liefert, den Büffelfisch, der achtzig, ja hundert Pfund schwer wird, den Katzenfisch und die übrige Schar der Süßwasserfische. An den Küsten der Neuenglandstaaten wird in großen Massen der Hering, der Schellfisch, der Kabeljau und die Makrele gefangen.
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Der Golf von Mexiko liefert neben andern Fischen den Pompano, einen der schmackhaftesten Fische, einen Leckerbissen für jeden Gourmet, und dort tummelt sich auch der Trapon, der Silberkönig, dessen aufregende Jagd mit Schleppangel und Harpune königlicher Sport ist. Die Pacificküste hat ihren Lachs, der im Sakramento, im Kolumbiafluß, im Fraser River und bis hinauf nach Alaska so massenhaft gefangen wird, daß man in den dortigen Städten, wie einst in der guten alten Zeit in Hameln, in die Mietsverträge der Dienstboten sehen sollte: mehr als zweimal darf in der Woche Lachs nicht auf den Tisch kommen. Jedenfalls giebt es in San Franzisko eine Menge Hausfrauen, die sich genieren, Lachs, dies Armeleutegericht, auf den Tisch zu bringen.
Bei diesem Reichtum hat die Fischerei in den Vereinigten Staaten neben der sportlichen auch eine wichtige volkswirtschaftliche Seite. Es sind sehr ansehnliche Beträge, die die Fischerei alljährlich abwirft, z. B. im Jahr 1890 laut Bericht des Zensusbureaus – der Bericht für 1900 liegt noch nicht vor – mehr als einhundertneunzig Millionen Mark. Natürlich entfällt auf die Hochseefischerei der größte Teil dieser Summe Aber auch der Ertrag der Binnengewässer ergiebt eine ganz bedeutende Ziffer. Aus diesem Grunde ist es zu verstehn, daß der Bund und die Einzelstaaten sich der Fischerei nach Kräften annehmen und sie auf jede Weise zu fördern suchen, indem sie für die Bestockung der Gewässer mit Fischbrut sorgen und der Raubfischerei durch Gesetze entgegentreten. Dies ist bei der Mißachtung, die der Durchschnittsamerikaner gegen alles hegt, was ihn in seiner persönlichen Freiheit beschränkt, eine schwere Aufgabe. Daher ist es erfolgreicher, die Lücken, die Netz und Angel in den Scharen der Fische geschaffen, durch neuen Nachwuchs zu ersetzen, und die hierauf abzielenden Bemühungen der dem Ministerium des Innern unterstellten Bundesfischereikommission sind von außerordentlichem Erfolg begleitet.
Den Besuchern der Chikagoer Weltausstellung wird der geräumige Pavillon noch in Erinnerung sein, in dem diese Kommission eine ganz hervorragende Sonderausstellung untergebracht hatte, ein Riesenaquarium, das so ziemlich alles enthielt, was in amerikanischen Gewässern schwimmt und kriecht. Die Kommission wird vom Bund mit reichen Mitteln ausgestattet und von hervorragenden Fachleuten gebildet. An ihrer Spitze steht ein Gelehrter, der das Getier, so da in der Tiefe haust, zu seinem besondern Studium gemacht hat. Der Kommission steht ein eigener Dampfer zur Verfügung, mit dem Studienreisen im Interesse der Hochseefischerei unternommen werden.
An geeigneten Plätzen, an der Meeresküste sowohl wie an den Binnenwässern, liegen die großartigen Anstalten, in denen die junge Fischbrut gezüchtet wird.
Unsere Bilder veranschaulichen den Betrieb. Abb. S. 1354 fuhrt uns an das Ufer des Potomak, des prächtigen Stroms, an dem die Bundeshauptstadt Washington liegt, und zeigt uns das Einholen eines Netzes voller Maifische, deren man zur Besetzung der Brutanstalt bedarf. Dann werden die laichreifen Fische zum Zweck der Befruchtung der von den Weibchen abgelegten Eier aus dem Behälter genommen. Das Bild S. 1355 zeigt die Forellenbrutanstalt zu Northville, in den Tannenwaldungen Michigans gelegen. sorgfältig verpackt wird der so vorbereitete Laich nach den geeigneten Flüssen und Bächen gesandt und dort ausgesetzt. Der Versand geschieht in Spezialeisenbahnwagen, deren Inneres untenstehende Abbildung veranschaulicht. An den Längsseiten ziehen sich niedere Behälter hin, in denen sich der Laich und junge Fischchen, die auch zum Bestocken der Gewässer verwendet werden, befinden. Die Wagen sind mit allem ausgerüstet, dessen man bedarf, um die Fische am Leben und die Temperatur des Wassers auf der geeigneten Höhe zu erhalten. Jeder Wagen enthält ein kleines Laboratorium und einen Raum zum Aufenthalt für die Begleiter der Sendung, deren Betten sich oberhalb der Fischkästen befinden. Millionen von Fischen und Milliarden von Eiern werden auf diese Weise alljährlich versendet und ausgesetzt. Mag auch ein großer Teil davon zu Grunde gehen oder die Beute der Raubfische werden: es bleibt noch genug übrig, um die Gewässer zum Nutzen der Fischerei und zur Freude des Sportliebhabers neu zu beleben.
Einige Staaten sind dem Beispiel der Bundesregierung gefolgt und sorgen durch eigene Behörden und Anstalten für die in ihrem Machtbereich liegenden Gewässer, wenn auch in kleinerem Maßstab. Ihre hauptsächlichste Aufgabe ist es, der Raubfischerei zu steuern, sowie für strikte Ausführung der Verordnungen über die Schonzeit zu sorgen.
Dank dieser Fürsorge werden die Flüsse und Seen der Vereinigten Staaten in Zukunft wohl ihren Fischreichtum bewahren. Und wie jetzt, wird man auch in späteren Zeiten an ihren Ufern ganze Scharen von Anglern erblicken, die in stiller Beschaulichkeit ihrer Liebhaberei frönen. Ihnen allen den Gruß des deutschen Anglerbundes „St. Petri Heil!“
Dieser Artikel erschien zuerst am 19.07.1902, er war gekennzeichnet mit „F. E. O.“.