1905, von W. Schulte vom Brühl. Man weiß zur Genüge, daß viele Dichter, an deren Werken man sich wahrhaft erbaut, bei näherer, bei persönlicher Bekanntschaft verlieren. Josef Lauff aber gehört zu jenen Poeten, deren Bekanntschaft keine Enttäuschung bereiten kann, weil sein dichterisches Wesen und sein persönliches Auftreten in vollster Harmonie stehen. Da ist wirklich der Dichter auch der Mensch.
Es sind recht schiefe Urteile über den Mann entstanden. Man hielt ihn vielfach für einen strammen Militär, der etwa seinem Artilleriegaul ein Paar künstliche Pegasusflügel angeheftet halte und nun aus dem Sattel dieses Wunderrosses die Musen und Grazien kommandierte. Welches Aufsehen, als sich seinerzeit – es war auf dem Züricher Journalisten und Schriftstellertag – der dichtende Artillerieoffizier zum erstenmal einem großen Kreis seiner Kollegen von der Feder als – Mensch präsentierte. Allerlei Ausrufe der Verwunderung waren da zu hören. “Aber das ist ja ein ganz famoser Mensch!” – “Das ist ja ne vergnügte rheinische Haut.” Derartige Bemerkungen konnte man viel vernehmen.
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Die “rheinische Haut” scheint mir das Zutreffendste.
Als der Dichter sie abstreifte, um stolzredende Helden auf den Brettern erscheinen zu lassen, da war er nicht ganz er selbst; nun aber, da diese Periode seines Schaffens überwunden scheint, ist er mit doppeltem Behagen erneut in seine “rheinische Haut” geschlüpft und hat sich wieder mit altvertrauten Gestalten seiner Erinnerungen und seiner Phantasie umgeben und hat sie in seinem „Kärrekiek”, seinem „Pittje Pittjewitt”, seiner , Maria Verwahnen zu neuem Leben auferweckt.
Nun geistern sie in seinem gemütlichen Dichterheim in der Alwinenstraße zu Wiesbaden herum und freuen sich, daß es ihrem Vater “Jupp” so wohl ergeht, daß ihm die üblichsten Poetensorgen des Alltags gänzlich unbekannt sind, daß sein stolzes Heim in seiner ganzen Einrichtung, mit der fast erdrückenden Fülle wertvoller Gemälde, Statuetten, antiker Möbel, Trophäen und des reizvollen Kleinzeugs der Kunst und des Kunstgewerbes einem gemütlichen Museum ähnelt, und daß sich der glückliche Besitzer an der Seite “Frau Finchens“ und inmitten eines Kreises von sechs Sprößlingen – drei weiblichen und drei männlichen Geschlechts – sehr wohl fühlt.
Lauff ist eine glückliche Natur; er ist im Leben wie im Dichten ein genußfroher Sinnenmensch in gutem Sinn Er genießt eigentlich immer. Das macht, weil er Maler- und Poetenaugen zugleich hat und dazu ein freudiges Gemüt. Daher ist es wohl kaum verwunderlich, daß Lauff, der Meister farbiger und plastischer Anschaulichkeit, in seinen Dichtungen auch malerisch ganz ungewöhnlich veranlagt ist. Mit einer Sicherheit im Strich, um die ihn mancher Illustrator beneiden könnte, bringt er mit Blei, Feder und Buntstift seine oft grotesken Einfälle aufs Papier. Ich habe gewiß an die fünfzig derartiger Bildchen und Postkartengrüße, und jedes ist anders, und jedes in seiner Art genial, mag er nun einen Hahn krähen lassen oder einen Pegasus als Kinderpferdchen karikieren oder mit einigen Strichen eine landschaftliche Stimmung festhalten. Daß Lauff ein großer Naturfreund und Naturkenner ist, weiß man aus seinen Romanen, zumal aus seinen modernen, niederrheinischen. Ohne Gartenpflege, ohne allerlei liebenswürdiges Getier könnte er gar nicht leben. Und er kennt sich gründlich aus und ist dabei voll werktätiger Naturliebe. Welchen Schrecken erlebte ich erst neulich, als er in meinem Garten sein Messer zog und trotz des herrlichen Blütenansatzes keck an meinen Formobstbäumchen herumschnitt. Aber sein Tun und seine Worte überzeugten. So macht er wohl auf seinem herrlichen Sommersitz Haus Krein bei Cochem an der Mosel dem allerfahrenen Gärtner klar, wie er sich den Gurken und Rosen und Artischocken gegenüber zu benehmen hat. Und die Sache stimmt und ist keine Bücherweisheit, sondern Erkenntnis, die aus der Liebe zur Natur entstand. Der große Park dieses Sommersitzes mit seinem halben Hundert alter Nußbäume ist dieser Nußbäume wegen ein Dorado für die Eichhörnchen, die sich im Herbst in großen Scharen dort einstellen.
Ich plädierte einmal, allerdings auch mit einigem Zagen, für den Abschuß dieser Schädlinge und Nesterräuber. “Ja, ja, Sie haben recht”, sagte der Dichter.
“Aber wenn ich die Kerle so daherhuschen sehe, die Nuß im Maul, und ihre Zierlichkeit, dann bring ichs halt nicht fertig, draufzuhalten, und stelle das Tesching wieder zur Seite.”
“Leben und leben lassen”, das ist unausgesprochen rheinischer Grundsatz, und ich glaube, wenig Leuten ist er mehr in Fleisch und Blut übergegangen als “Freund Lauff.
Dieser Artikel erschien zuerst 1905 in Die Woche.