Berühmte Rheinweinkellereien

Sommerzeit – Wanderzeit. Und giebt es leicht eine fröhlichere Wanderung als in dem von Natur und Geschichte geadelten Paradies Deutschlands, dem Rheingau ? Hier schauen die Jahrtausende herab auf eine Kultur, die die Römer mit dem erobernden Schwert und dann mit der prangenden Rebe ins Land trugen, bis die erwachten Deutschen erst die Römer und endlich auch die gallische Gefahr vertrieben und den sonnigen Weinsegen behielten.

Gegenüber von Mainz, noch am Main knapp vor seiner Mündung, hebt das Rheingaugebirge als Ausläufer des Taunus bei der Heimstätte des Hochheimers an und zieht sich mit seinen nach Süden abfallenden, sonnendurchglühten Gemarkungen bis nach Aßmannshausen, wo der herrliche, einzige rote Rheinwein mit dem eigenartig an süße Mandeln mahnenden Wohlgeschmack gedeiht. Mit der Bahn die Strecke in einer Stunde durcheilen oder auf dem schmucken Rheindampfer thalwärts fahren ?

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Das giebt nur kurze Freude und geringe Wissenschaft von den Burgen und Schlössern, von den Zaubern der Landschaft, von den kühlen Wirtsstuben und schattigen Lauben, wo der leichte, offene Wein so gedeihlich zu trinken ist. Am wenigsten aber erfährt man von den mächtigen Schatzkammern der Kellereien, wo die Edelsorten in mächtigen Fässern gären und sich klären, bis das stolzeste Getränk reif ist, das die Welt der Feinschmecker kennt. Der Geschmack der Menge hat sich freilich den Moselweinen zugewendet. Aber für den erlesenen Genuß des bedächtigen Feinschmeckers, der das Bouquet im langsamen Schlucken atmet und jeden Tropfen zwischen Zunge und Gaumen langsam rieseln läßt, daß sich die Freude an Geschmack und Geruch dem letzten Nerv des also beglückten Leibes mitteilt, den Geist erhebend, das Herz erquickend, für solchen Trinker bleibt der Rheinwein der König aller Weine.

Weinkellereien der Königlich Preussischen Domäne Abtei Eberbach im Rheingau

Die alte Kunst, den Edeltrank zu keltern und ihn reifen zu lassen, ist nach den Römern von den Mönchen des Cisterzienser- und Benediktinerklosters fortgepflanzt worden. Alle die großen Sitze des Rheinweinkultus waren früher Klöster, ehe sie in das weltliche Eigentum ihrer jetzigen Besitzer übergingen. Neben dem Juwel Schloß Johannisberg des Fürsten Metternich sind die ausgedehntesten und wertvollsten Weingüter des Rheingaus im Besitz des preußischen Staates und des Hauses A. Wilhelmj. Als im Jahr 1877 der damalige Kronprinz Friedrich den berühmten Geiger Wilhelmj in Wiesbaden besuchte, sagte er zu seinem Wirt: ‚Nicht wahr, lieber Professor, Ihr Herr Vater ist der erste Weingutsbesitzer im Rheingau ?“ ‚Nein, Kaiserliche Hoheit,“ entgegnete der Künstler, „das ist vielmehr Ihr Herr Vater, Seine Majestät der Kaiser; mein Vater ist der Zweite.“

Weinprobe in der Kgl. Kellerei von Rüdesheim

Unsere Bilder zeigen einiges von den fürstlichen Sitzen des Rheinweins. Die königlich-preußische Domäne Abtei Eberbach bei Hattenheim war bis 1803 noch Cisterzienserkloster und ist heute der Hauptsitz der vom preußischen Fiskus im Rheingau betriebenen Weinkultur. Die weitgedehnten Gebäude des Klosters, die wir auf dem Bild erblicken, haben eine recht verschiedene Bestimmung erhalten. Ein Teil der Hochbauten ist nämlich als Strafgefängnis eingerichtet. Das große Refektorium der Mönche dient als Kelterhaus, und in den nächtigen Kellern lagern die Stückfässer zu je 1200 Liter und die noch größeren Fässer mit ihren goldigschimmernden Schätzen, unter denen der „Steinberger Kabinett“, der an Feuerkraft überlegene Rivale des „Johannisberger Schloß“, die vornehmste Rolle im Weinadel spielt. Um den hohen Herrn herum bilden die andern vornehmen Herren einen ehrfuchtgebietenden Hofstaat. Da ist der Markobrunner, so genannt von dem Marktbrunnen, der die Gemarkungen der Gemeinden Erbach und Hattenheim scheidet, mit seinem Vollgehalt und dem wundersamen Bouquet da ist der Rüdesheimer Fürstenwein, mit dem die Stadt Frankfurt im Jahr 1863 die deutschen Fürsten – mit Ausnahme König Wilhelms I, der nicht kam – bewirtete und der damals den ganzen Römer mit seinem lieblichen Duft erfüllte. Und alle die andern hoch- und hochwohlgeborenen Herren unter den Weinen.

Schlossruine Reichartshausen mit dem Marienturm

Anders in der Stimmung und von einziger Intimität wirkt das untenstehende Bild, auf dem wir die Kellermeister in der Kabinettskellerei des Schlosses Johannisberg bei ihrer Arbeit sehen. Die großen Fässer enthalten alle „Johannisberger Kabinett!“ Ein anderes Bild veranschaulicht eine Weinprobe in der Kgl. Kellerei von Rüdesheim; hier hat einst Karl der Große den Weinbau angelegt.

Fürstliche Metternische Kabinettskellerei in Johannisberg am Rhein

Unser nebenstehendes Bild führt uns zum Hauptsitz der Weinkultur des Hauses Wilhelmj, das nach Verhandlungen, die zur Zeit gepflogen werden, auch in den Besitz des preußischen Staates übergehen soll; das Schloß Reichartshausen, das früher mit zu den reichen Besitzungen des Cisterzienserklosters Eberbach gehörte. Unser Bild zeigt die wundervolle, zwischen 1152 und 1157 im romanischen Stil erbaute Ruine des Schlosses mit dem Marienturm. Das Bild ist zur Zeit der Weinlese aufgenommen, im Augenblick, da ein Rauenthaler Fuhrmann die Trauben vom Rauenthaler Berg im „Ladfaß“ zum Kelterhaus fährt. Die Bilder auf zeigen Leben, Arbeit und Weinfreude in den Keller- und Kelterräumen. In voller Kulturarbeit ist man auf dem unteren Bild, und vorn an dem Tisch sitzen die bisherigen Eigentümer der Weingüter, die beiden Brüder Wilhelmj. Aus den verschiedenen Gemarkungen des Rheins ist der Wein gebracht worden, und in Strömen ergießt sich der süße Traubensaft in die Bottiche. Das Prachtstück der Kellereien von Wilhelmj ist das im Jahr 1876 von Emil Ritterhaus mit einem poetischen Trinkspruch getaufte Riesenfaß in Hattenheim. Dieses Faß, eine Meisterleistung rheinischer Böttcherkunst, ist aus slavonischem Eichenholz gebaut und erhielt auf der Wiener Weltausstellung den ersten Preis.

Berühmte Rheinweinkellereien – Schlosskellerei von Reichartshausen

Ein alter Rheingauer Spruch sagt: „Je größer der Pfuhl, desto besser der Wein.“ Dieses stets gefüllte größte Rheinweinfaß Deutschlands birgt 64 000 Liter Wein in seinem mächtigen Bauch. Im Jahr 1500 wurde schon einmal im Kloster Eberbach solch großes Faß mit Steinberger Kabinettswein gefüllt. Aber schon 20 Jahr später wurde im Bauernkrieg das Faß von revoltierenden Bauern ausgetrunken und dann zertrümmert.

Berühmte Rheinweinkellereien – Weinpresse im Kelterhaus zu Reichartshausen

Gewiß sind die drei berühmten Hochburgen des Rheinweins nicht die einzigen, die des Rheingaus Ehren hochhalten in der Welt der Trinker. Bei Rüdesheim erheben sich noch zwei altklassische Schlösser des edlen Weinbaus, die einst den Adelsherren, den Füchsen und Brömsern vom Rheingau gehörten und deren alte, stolze Turme die Rüdesheimer Landschaft beherrschen: die Brömserburg, jetzt Eigentum der Grafen Ingelheim, und die Boosenburg.

Berühmte Rheinweinkellereien – Boosenburg bei Rüdesheim am Rhein

Auch von diesen Weinen gilt der Patenspruch, den der Dichter dem Hattenheimer Riesenfaß widmete: „Ich sag: Gott segne dich, du alter, du edler, dunkler, goldner Saft, du bist der Schöpfer, der Erhalter der echten, rechten Lebenskraft.“

Berühmte Rheinweinkellereien – Riesenfass in Hattenheim

Und so schließen auch wir diese Bilderreihe mit dem alten Spruch: „Gott segne unsern Rheingau !“

Dieser Artikel erschien zuerst 1900 in Die Woche, er war gekennzeichnet mit „E. G.“.