Bilder des Tages 26/1900

Der Krieg in China,

der, ohne förmlich angekündigt zu sein, mit der Eroberung der Forts von Taku begonnen hat, nimmt seinen Fortgang. Die Staaten mit moderner Kultur haben bei dem Kampf, den sie jetzt duchfechten, gerade deshalb einen schwereren Stand, weil sie den Chinesen im Frieden immerhin einiges von den Errungenschaften der modernen Entwicklung beigebracht haben.

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Uebersichtsplan der chinesischen Hauptstadt Peking mit Angabe der Lage der fremden Gesandtschaften

So war bei der Verteidigung der Takuforts Küstenartillerie beteiligt, die europäische Instrukteure gebildet hatten.

Vom Krieg in China – Chinesische Küstenartillerie mit europäischen Instrukteuren in den jetzt eroberten Takuforts

Für Deutschland einzutreten, war bei dem ersten Vorstoß das Kanonenboot „Iltis“ berufen, das vor Ausbruch des Krieges ruhig in der Bucht von Tsintau gelegen hatte und dessen Besatzung nun die Gelegenheit wahrnahm, vor dem Feind den Mut und die Disziplin in glänzender Weise zu bekunden, die ihr im strammen Dienst in Friedenszeit anerzogen waren. Oberleutnant Hellmann starb den Heldentod, und der Kommandant des Schiffs, Korvettenkapitän Lans, wurde schwer verwundet; der Kaiser belohnte seine Tapferkeit sofort durch Verleihung des Ordens pour le mérite.

Das Kannonenboot Iltis vor Ausbruch des Krieges in der Kiautschaubucht

Die eigentliche Operationsbasis für die fremden Geschwader ist der Hafen von Tschifu, aber der Krieg hat sich zur Zeit um Tientsin konzentriert, einen der wichtigsten Punkte für die gesamte chinesische Handelspolitik.

Der Hafen der deutschen Kolonie Tsingtau
Hafen von Tschifu, die Operationsbasis der europäischen Geschwader

Die Boxer haben unter den Ausländern in Tientsin bereits ein furchtbares Blutbad angerichtet. Die Ueberlebenden hatten sich, da ein Entkommen aus der Stadt nicht möglich war, in das im englischen Teil gelegene Stadthaus, die sogenannte Gordon Hall, geflüchtet.

Das Stadthaus in der englischen Niederlassung von Tientsin (Gordon Hall), wo die Europäer von den Chinesen jetzt eingeschlossen sind

In der Hauptstadt Peking, deren eigenartige Anlage der untenstehende Plan veranschaulicht, werden die Gesandten ebenfalls von den Chinesen in der sogenannten Gesandtschaftstraße blockiert, während aus der eigentlichen Mandschustadt, dem Sitz der Dynastie, nur dunkle Gerüchte von den Entschließungen der Kaiserin in die Öffentlichkeit dringen.

Bilder aus der chinesischen Hafenstadt Tientsin am Peiho, dem Mittelpunkt des Auftstandsgebietes in der Provinz Petschili – Das chinesische Arsenal am Peihofluß
Bilder aus der chinesischen Hafenstadt Tientsin am Peiho, dem Mittelpunkt des Auftstandsgebietes in der Provinz Petschili – Eine Kompanie regulärer chinesicher Infantrie
Bilder aus der chinesischen Hafenstadt Tientsin am Peiho, dem Mittelpunkt des Auftstandsgebietes in der Provinz Petschili – Eine Bande bewaffneter Boxer

Man muß also mit der Fortdauer des Kriegs mit allen seinen Schrecken rechnen, wenn gleich Li Hung-tschang, der als fremdenfreundlich gilt, nach Peking berufen wurde, um eine Vermittlung zu Wege zu bringen.

Chang-chih-tung, fremdenfreundlicher Generalgouverneur der chinesischen Provinzen Hunan und Hupeh
Li Hung-tschiang, wurde zur Verhandlung mit den Großmächten nach Peking berufen

Die deutsche Streitmacht in China wird daher demnächst durch die beiden ersten auf Kriegsstärke gebrachten Seebataillone unter Führung des Generalmajors v. Hoepfner vermehrt werden. Mit hinaus zieht Major v. Kronhelm, der Kommandeur des zweiten Bataillons, während Major v. Madai, der Kommandeur des ersten, möglicherweise in der Heimat bleibt, um den General v. Hoepfner in seiner Eigenschaft als Inspekteur der Marine-Infanterie zu vertreten. Das dritte Seebataillon, dessen Kommandant seit März dieses Jahres Major Christ ist, steht bekanntlich in Tsintau.

Der Kaiser mit der Besatzung des nach China bestimmten Kanonenboots Luchs

Zu den Schiffen, die nach dem Kriegsschauplatz entsandt werden, gehört auch das Kanonenboot „Luchs“, das der Kaiser kürzlich bei seinem Aufenthalt in Kiel besuchte.

Graf Michael Murawiew,

der in der vergangenen Woche plötzlich verstorbene russische Minister des Aeußern, hat sein hohes Amt nur vier und ein halbes Jahr verwaltet. Im Jahr 1893 war er zum Gesandten in Kopenhagen ernannt worden, bekleidete also keineswegs einen der hervorragendsten diplomatischen Posten, die Rußland zu besetzen hat. Allein, da der Zar mit seiner Familie häufig in der dänischen Hauptstadt Aufenthalt nimmt, hatte wohl Murawiew gerade in dieser Stellung öfter Gelegenheit, seinem Kaiser persönlich seine Ansichten zu entwickeln. In der inneren Politik huldigte er altrussischen Anschauungen, in der äußeren bewährte er sich als Friedensfreund, er hielt also dieselben Ziele für erstrebenswert, wie Zar Nikolaus I. Daß sich der junge Zar in Murawiew nicht getäuscht, beweist die dominierende Stellung, die Rußland heute im Rat der Völker einnimmt.

Graf Murawiew, russischer Minister des Aeußeren, gestorben am 21. Juni in Petersburg im Alter von 55 Jahren

Die amerikanischen Präsidentenwahlen,

die Ende dieses Jahres stattfinden, werfen bereits ihre Schatten voraus, die beiden großen Parteien haben ihre Kandidaten ernannt und diese ihre Agitation begonnen. Es stehen einander nach Admiral Deweys Rücktritt dieselben Personen wie vor vier Jahren gegenüber, der Demokrat Bryan und der Republikaner Mac Kinley, aber der Kampf wird sich vermutlich um ganz andere Dinge drehen. Die Silberfrage, die damals im Vordergrund stand, spielt zur Zeit keine Rolle, und als neues Element ist der Imperialismus in die amerikanische Politik gekommen.

William Bryan, Kandidat der demokrat. Partei für die amerikanische Präsidentschaft
Präsident Mac Kinley, abermals Kandidat der republikanischen Partei in Nordamerika

Die Enthüllung der Kreuzigungsgruppe in Kiel,

die in Gegenwart des Kaisers am 20. Juni stattfand, gestaltete sich, besonders durch die warmempfundenen Worte, die der Monarch, nachdem die Hülle von dem Eberleinschen Werk gefallen war, an die Mannschaft richtete, zu einer erhebenden Feier.

Bild von der feierlichen Enthüllung der von Professor Eberlein modelierten Kreuzigungsgruppe vor der Kieler Garnisonskirche

Das Denkmal, das den gekreuzigten Christus darstellt, zu dessen Füßen eine Mutter mit ihrem Kind verzweiflungsvoll trostreiche Hilfe sucht, soll, wie der Kaiser ausführte, die Frauen und Kinder der auf fernem Weltmeer weilenden Seeleute symbolisch verkörpern, die im Aufblick und im Vertrauen zum Allmächtigen stärkenden Mut finden, um die Zeit qualvollen Bangens um das Schicksal der ihrigen zu überwinden.

Gesamtansicht der Kreuzigungsgruppe

Die Fronleichnamsprozession in Wien

gestaltet sich alljährlich zu einer großen und erhebenden Feier. Dieses glänzendste unter den geistlichen Festen bietet besondere Gelegenheit zur Entfaltung des ehrwürdigen Prunks der katholischen Kirche. Seit seinem Regierungsantritt hat Kaiser Franz Josef, wenn nicht außerordentliche Umstände ihn daran verhinderten, alljährlich an dem großen Fronleichnamsumzug teilgenommen. Unser Bild zeigt den greisen Monarchen, wie er gefolgt von den Erzherzögen, an ihrer Spitze der präsumtive Thronfolger Franz Ferdinand, und unter Vorantritt der hohen Geistlichkeit, durch die teppichbelegten blumenbestreuten und geschmückten Straßen barhäuptig den Weg nach dem ehrwürdigen Stephansdom zurücklegt.

Der Kaiser von Oesterreich und die Erzherzöge im Zug der grossen Fronleichnamsprozession in Wien am 14. Juni

Zwei Brautpaare im Haus Wittelsbach.

Zwei liebliche Mädchenerscheinungen sind es, die die Doppelporträts wiedergeben und die die beiden anmutigen Bräute des bayrischen Herzogshauses an der Seite ihrer Verlobten zeigen. An einem Tag, dem 10. Juli, sollte die Vermählung der zwei Töchter des berühmten Augenarztes Herzogs Karl Theodor in Bayern stattfinden, doch hat der Tod der Fürstinmutter von Hohenzollern der Großmutter des Prinzen Albert von Belgien, eine Verschiebung der Vermählungsfeierlichkeiten zur Folge gehabt. Die Hochzeit des zweiten Brautpaars, der zweiundzwanzigjährigen Herzogin Marie Gabriele, der jüngsten der Töchter des herzoglichen Paars mit Prinz Rupprecht, dem künftigen Erben des bayrischen Throns findet nach den ursprünglichen Dispositionen am 10 Juli statt worauf die Neuvermählten ihren Wohnsitz in der schön gelegenen alten Bischofsstadt Bamberg nehmen werden.

Prinz Rupprecht von Bayern und seine Braut Herzogin Marie Gabriele in Bayern
Prinz Albert von Belgien und seine Braut Herzogin Elisabeth in Bayern

Die „Kieler Woche“.

Auf den blauen Fluten der von grünen Buchenhügeln umrahmten Kieler Föhrde herrschte in der vergangenen Woche reges Leben. Von allen Seiten, von England, aus dem deutschen Binnenland waren die schmucken Jachten gekommen und durchfurchten nun mit ihren weißen Segeln wie Schwäne die Bucht, um sich auf ein gegebenes Zeichen in windesschneller Wettfahrt zu messen Galt es doch, wertvolle Preise zu erringen, denn der Kaiser, selbst ein eifriger Liebhaber des Jachtsports, hat in liberalster Weise die einzelnen Rennen mit wertvollen Ehrenpreisen ausgestattet.

Die Jacht des Kaisers „Meteor“, dem in der englischen Jacht „Sybarita“ ein gefährlicher Konkurrent erstand, die Jachten der Kaiserin und des Prinzen Heinrich, „Iduna“ und „L’Espérance“, beteiligten sich lebhaft an den Wettfahrten.

Auf der Kieler Föhrde – Die Berliner Rennyacht Wannsee mit vollen Segeln
Bilder von den Segel-Wettfahrten auf der Kieler Föhrde vom 21. Juni bis 1. Juli – Die Schiedsrichter in Thätigkeit
Die englische Rennyacht Sybarita
Segel-Wettfahrt der Jachten aus der Sonderklasse
Segel-Wettfahrt auf der Kieler Föhrde – Die entscheidende Wendung am Markdampfer
Ein Nachzügler
L’Espérance, Kreuzerjacht des Prinzen Heinrich, in der Regatta der Kreuzerjachten erster Klasse

Das vierzehnte Schlesische Musikfest

ist vorüber, und alle, die daran teilgenommen haben, sind mit seinem Verlauf zufrieden. Oberbürgermeister Büchtemann, der Vorsitzende des Komitees, konnte die für die Fortführung der Feste in Görlitz erfreuliche Mitteilung machen, daß zum Bau einer Musikhalle bereits 300 000 Mark aufgebracht seien, die der Protektor, Generalintendant Graf Hochberg, der Stadt zur Verfügung gestellt habe. Die Aufführungen, unter Leitung des Königlichen Kapellmeisters Dr. Muck, waren durchweg vorzüglich und wurden von dem überaus zahlreichen Publikum mit rauschendem Beifall aufgenommen. Neben dem Festdirigenten wurden auch die Solisten in wahrhaft begeisterter Weise ausgezeichnet. Es waren aus Berlin: die treffliche Sopranistin Frl. Emmy Destinn, die zum erstenmal zur Mitwirkung bei einer solch großen Veranstaltung herangezogen wurde, der Tenorist Kurt Sommer und der Geigenkünstler Professor Halir, denen sich die Dresdener Altistin Frl. Charlotte Huhn erfolgreich an die Seite stellte.

Porträts vom 14. Schlesischen Musikfest in Görlitz

Gutenbergfeste

wurden dieser Tage an vielen Orten Deutschlands gefeiert, nirgends aber in so glänzender Weise wie in Mainz, der Vaterstadt des Erfinders der Buchdruckerkunst. Auch der hessische Hof nahm an der Feier in einer gegenüber dem Gutenbergdenkmal errichteten Hofloge teil. Die mit einer Ausstellung alter Druck. und Druckwerkzeuge verbundenen Feste gipfelten in einem prachtvollen Festzug, dem größten, den Deutschland wohl je gesehn. Der künstlerisch durchgeführte Gedanke war, daß Vergangenheit und Gegenwart dem Erfinder der Buchdruckerkunst huldigen sollten.

Die Gutenbergfeier in Mainz – Der Großherzog von Hessen auf der Hoftribüne gegenüber dem Gutenbergdenkmal am 24. Juni

Personalien.

Mit der Neubildung des italienischen Ministeriums hat nach dem Austritt des Kabinetts Pellour König Humbert den mehr als achtzigjährigen Senator Saracco betraut, dem seine Aufgabe verhältnismäßig leicht gelungen ist. Saracco, der neben dem Präsidium selbst das Ministerium des Innern übernimmt, hat die Regierung aus Mitgliedern der bisherigen Mehrheit zusammengesetzt. – In Düsseldorf vollendete der Genremaler Emil Schuback sein achtzigste Lebensjahr. Der hochangesehene Künstler genießt wegen seines liebenswürdigen und bescheidenen Wesens in allen Kreisen die größte Beliebtheit, er hat sich um die Künstlerunterstützungs- und Witwenkasse, sowie um den Bildungsverein besondere Verdienste erworben. – In Krakow in Mecklenburg-Schwerin feierte der wohlverdiente Arzt Medizinalrat Dr. Wiedow sein fünfzigjähriges Doktorjubiläum. Wie ideal er seine Aufgabe auffaßte, seinen leidenden Mitmenschen zu helfen, beweist zur Genüge die Thatsache, daß er während seiner zweiundzwanzigjährigen Praxis die Armen seines Wohnorts stets unentgeltlich und mit unermüdlicher Opferwilligkeit behandelte.

Personalien 01
Personalien 02

Dieser Artikel erschien zuerst 1900 in Die Woche.