Bilder vom Tage 25/1900 – China

China steht im Mittelpunkt des politischen Interesses. Wenn es noch irgendjemand fraglich erscheinen mochte, daß der Aufstand der Boxer oben gern gesehen und unterstützt würde, so werden die letzten Zweifel geschwunden sein, nachdem der bisherige fremdenfreundliche Präsident des Tsungli-Yamen, Prinz Ching, seines Postens enthoben und durch eine fremdenfeindliche Persönlichkeit ersetzt worden ist.

Die Mächte haben sich daher zum Einschreiten gezwungen gesehen, der Stein ist ins Rollen gekommen, und niemand vermag heute zu sagen, wann und wo er wieder Halt machen wird.

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Die Ablösungsmannschaften, die, 1200 an der Zahl, wie alljährlich in die ostasiatischen Gewässer abgegangen sind, sind dort bereits an Bord des Lloyddampfers „Köln“, auf dem sich auch ein Spezialkorrespondent der „Woche“ befindet, eingetroffen, sie werden vermutlich Gelegenheit erhalten, für die Wahrung der deutschen Ehre und der deutschen Interessen mit Mut und Tapferkeit einzutreten.

Letzte Grüße unserer Blaujacken an die Heimat
Einschiffung der kriegsmäßig ausgerüsteten Ablösungsmannschaften in Wilhelmhaven
Der Dampfer des Nordd. Lloyd Köln, der die Truppen nach Ostasien gebracht hat, bei der Einnahme von Proviant

Die militärischen Ereignisse konzentrieren sich jetzt um die chinesische Hauptstadt Peking, wo die fremden Gesandtschaften von den Chinesen blockiert werden.

Das deutsche Klubhaus in Tientsin, wurde von den Boxern beschossen
Bahnstrecke zwischen Tonku und Tientsin
Bahnhof der jetzt zerstörten Linie Tientsin-Peking

Ueber das Schicksal des deutschen Gesandten Freiherrn von Ketteler schwirrten die beunruhigendsten Gerüchte durch die Luft, haben aber zum Glück bis jetzt keine Bestätigung gefunden. Einen seiner treuesten Mitarbeiter und einen der besten Kenner der chinesischen Sprache, den Freiherrn Konrad v. d. Goltz, hat er jetzt nicht an seiner Seite, da letzterer augenblicklich in Deutschland weilt. In Peking haben indessen die Boxer mit den Verwüstungen begonnen.

Natürlich fielen die christlichen Kirchen der fanatischen Zerstörungswut zuerst zum Opfer. Die erste militärische Aktion der Mächte richtete sich demnach gegen Peking. Da aber die einzige Eisenbahn (vgl. die Uebersichtskarte), die man zum Vormarsch benutzen konnte, die Linie Tongku-Tientsin-Peking, von den Aufständischen zerstört worden war, kamen die vereinigten Truppen der Mächte nur langsam vorwärts und mußten schließlich wieder umkehren. Indessen haben die europäischen Admiräle an anderer Stelle eingegriffen. Nach kurzer Kanonade haben sie die Takuforts, die den Eingang in den Peihofluß und damit auch Tientsin verteidigen, genommen und so die Basis zu weiterem Vorgehen gewonnen.

Porträts

An dieser Kanonade haben sich die deutschen Schiffe „Hansa“, „Hertha“, „Gefion“ und das kleine Kanonenboot „Iltis“ sehr hervorgethan. In die eigentliche deutsche Interessensphäre hat sich der Aufstand noch nicht ausgedehnt. Hier dürften die Chinesen aber auch mit blutigen Köpfen heimgeschickt werden, denn in Tsingtau hält der Gouverneur Kapitän z. S. Jäschke mit seinen Truppen treu Wacht im fernen Osten von Asien.

Katholische Kirche in Peking, jetzt von den Boxern eingeäschert
Uebersichtskarte des chinesischen Aufstandsgebietes in der Provinz Petfchili
Prinz Ching, der jetzt abgesetzte Präsident des Tsungli-Yamen

Durch den plötzlichen Ausbruch der Unruhen in China hat der große Ablösungstransport, der diesmal wie alljährlich neue Mannschaften nach unserer Kolonie Kiautschau und auf die Schiffe unseres Kreuzergeschwaders bringt, ganz ungeahnte Bedeutung erhalten. Nicht weniger als 1200 stramme Seeleute und Soldaten sind jetzt schon auf dem Dampfer „Köln“, auf dem sich auch der Spezialkorrespondent der „Woche“ befindet, in den ostasiatischen Gewässern eingetroffen und dürften wohl ein entscheidendes Wort mitzusprechen haben.

Dieser Artikel erschien zuerst 1900 in Die Woche.