Der Wasserthurm in Thorn

Der Wasserthurm in Thorn - Lageplan und Schnitt

Die dicht am rechten Ufer der Weichsel, etwa 10 km von der russischen Grenze entfernt gelegene, von rd. 30 000 Einwohnern (einschl. 7000 Soldaten) bewohnte Stadt und Festung Thorn erhielt in den Jahren 1893/94 anstelle von früheren, im Mittelalter angelegten und in den letzten 3 Jahrhunderten mehrfach umgebauten Wasserleitungen und von Grundbrunnen eine neue zentrale Wasserversorgung mittels Grundwasser, das etwa 4 km seitlich des Weichselstromes in einer Tiefe von 2 m unter Absenkung um 2,5 m dem dort völlig reinen und nur von schwacher Kultur bestandenen Sandboden mittels Schachtbrunnen und Sickersträngen entnommen wird.

Von hier gelangt dasselbe durch eine 1,3 km lange eiserne Gefällsleitung von 450 mm l. W. zum Wasserhebewerk, in welchem es zunächst in einen, aus 2 abwechselnd arbeitenden Kammern bestehenden, massiven und mit Erde bedeckten Tiefbehälter von zus. 900 cbm Fassungsraum fliesst. Die Sohle desselben liegt 3 m unter dem abgesenkten Grundwasserspiegel der Quellbrunnen. In dem gut gelüfteten Tiefbehälter kommt das Wasser zur Ruhe und setzt hier den mitgeführten Sand ab. Einer Filterung und Enteisenung bedarf es nicht. Aus dem Tiefbehälter wird das Wasser durch zwei abwechselnd betriebene Differential-Pumpen mit gesteuerten Ventilen (nach Riedler) mittels 2 getrennt liegenden Druckrohren von 400 und 250 mm Durchmesser in die Innen-Stadt geführt, nachdem jedes derselben vorher eine Vorstadt durchschnitten hat. Soweit das geförderte Wasser nicht verbraucht wird, steigt es nach rückwärts in einen Hochbehälter, der dann auch zur Ausgleichung der Druckverhältnisse in den Vertheilungsröhren und zur Aufspeicherung einer gewissen Wassermenge für die Nacht dient.

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Der Hochbehälter, ein zylindrisches schmiedeisernes, 400 cbm fassendes Gefäss hat einen Kugelboden und ist in einem massiven Wasserthurm aufgestellt. Der Durchmesser des Eisenbehälters beträgt 10 m, seine Höhe 6 m. Mitten durch ihn ist eine eiserne Wendeltreppe von 2 m l. W. geführt. Der niedrigste Wasserstand mit + 86 über N.N. liegt 21 m über dem Gelände des Wasserwerkes und 26-45 m über dem Versorgungsgebiete der Stadt. Das Aeussere des Thurmes ist mit ausgesuchten Maschinensteinen unter Zuhilfenahme von rothem Sandstein für Auskragungen und für das Stadtwappen verblendet. Die im Innern entstehenden, durch eiserne Säulen getragenen und durch Eisentreppen verbundenen Stockwerke sind im Interesse der Reinhaltung des Wasservorrathes im Behälter von jeder Verwendung frei gehalten.

Der Wasserthurm in Thorn
Der Wasserthurm in Thorn

Lage und Einrichtung des Wasserwerkes waren zum grossen Theile durch fortifikatorische Maassnahmen bedingt. Einmal durfte das Werk nicht näher an die Quellfassung herangerückt werden, da diese im Gebiete der Aussenwerke der Festung liegt; ferner musste die Anlage so beschaffen sein, dass auch nach Zerstörung des Wasserthurmes und der Pumpen das Wasser, wenn auch unter vermindertem Drucke, zur Stadt gelangte. Das bedingte einmal die Nothwendigkeit, die Druckrohre zur Stadt als Gefällsleitungen zu bauen, sodann aber, 2 Druckrohre in verschiedenen Richtungen zur Stadt zu führen, damit bei Vernichtung des einen das andere im Betriebe bleibt.

Sodann musste über dem Hochbehälter ein Observatorium eingerichtet werden, daher die Wendeltreppe, welche zu einer einen umfassenden Rundblick gewährenden Fachwerkslaterne führt. Endlich wurden mehre Sammelbrunnen schussicher mit Beton eingedeckt.

Der Wasserthurm in Thorn - Lageplan und Schnitt
Der Wasserthurm in Thorn – Lageplan und Schnitt

Die gesammte Wasserleitungsanlage wurde gleichzeitig mit einer Schwemm-Kanalisation nach den Entwürfen und unter der Leitung des Unterzeichneten unter Mitarbeit des Hrn. Obering. H. Metzger z. Z. in Bromberg ausgeführt. Die Dampfpump-Anlage ist von der Maschinenfabrik A. Horstmann in Preuss. Stargard nach deren eigenen Vorschlägen gefertigt, der Eisenbehälter und die Dachkonstruktion ist von der Maschinenfabrik von Born & Schütze in Mocker bei Thorn geliefert. Stadtbaurath R. Schmidt-Kiel.

Dieser Artikel erschien zuerst am 28.01.1899 in der Deutsche Bauzeitung.