Die ehemalige Marienkapelle zu Ludwigstadt in Oberfranken

Das Städtchen Ludwigstadt liegt an den Abhängen des Thüringer Waldes, in dem romantischen Loquitzthal und ist Station der Bahnlinie Saalfeld-Bamberg Von Fremden ist diese Gegend bis jetzt noch wenig besucht worden; mich führten im vergangenen Jahre die Wiederherstellungsarbeiten an der benachbarten Burg Lauenstein öfters dorthin.

In Ludwigstadt hat sich eine sehr interessante alte Rundkapelle erhalten, welche der Mutter Gottes geweiht war und wahrscheinlich bereits im Anfang des 16. Jahrhunderts, als Fr. von Thüna zu Lauenstein die Reformation einführte, profanirt worden ist. Gegenwärtig ist sie im Besitz eines Schmiedes, der den oberen Theil als Wohnung und den unteren als Werkstätte und Ziegenstall eingerichtet hat. Da an verschiedenen Stellen jetzt viereckige Fenster mit moderner Umrahmung angelegt sind und obendrein auf dem runden Unterbau sich ein Satteldach mit zwei Giebeln aufsetzt, macht das Ganze einen sehr wunderlichen und keineswegs kirchlichen Eindruck.

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Wie aus den beigegebenen Abbildungen ersichtlich, beträgt der Durchmesser des kreisrunden Bauwerkes 10 m, die Höhe etwa 8 m. Die Mauern sind in dem unteren Theil 2 m stark, sodass im Lichten noch 6 m verbleiben. Im Innern sind 8 halbkreisförmige Nischen ausgespart, die nach oben mit je einer halben Kuppel abschliessen; in eine der Nischen ist eine schmale Treppe eingebaut, die zu dem in halber Höhe befindlichen Umgang von 1 m Breite führt. Dieser Umgang wird dadurch gebildet, dass die Mauerstärke in dem oberen Theil auf die Hälfte eingeschränkt ist (Abbildg. 2 u. 3). Es erscheint mir wahrscheinlich, dass der Eingang zu der Kapelle sich früher auf diesem Umgang befunden habe und durch eine äussere Treppe zugänglich war. Die jetzt in einer der Nischen vorhandene Thür scheint erst in späterer Zeit angelegt zu sein.

Abbildg. 2-4

Eine Marienkapelle von nahezu gleicher Grundrissanordnung wie die in Ludwigstadt findet sich bekanntlich auf dem Marienberg bei Würzburg und ich füge zum Vergleich deren Grundriss in Abbildg, 4 (nach Handb. f. Arch.) hier bei. Es ist zu berücksichtigen, dass der schraffirte Choranbau erst später hinzugefügt wurde und sich ursprünglich an dessen Stelle auch nur eine einfache Nische befunden haben dürfte. Die Würzburger Marienkapelle soll 706 erbaut worden sein, doch nimmt Essenwein an, dass sie früher als römisches Grabmal gedient habe.

Die Aehnlichkeit der beiden Kapellen in der Grundrissbildung ist so gross, dass man den Gedanken nicht von der Hand weisen kann, dass die eine das Vorbild für die andere gewesen sei. Die Würzburger Kapelle ist jedenfalls die ältere, denn die Römer sind in die Gegend von Ludwigstadt niemals vorgedrungen und auch im Anfang des 8. Jahrhunderts dürfte das Christenthum wohl kaum schon daselbst Verbreitung gefunden haben. Karl der Grosse, der die dortige Gegend seinem Reich einverleibte, ertheilte dem Bischof Bernwelf von Würzburg den Befehl, zur Förderung des Christenthums im Radanzgau Kirchen zu bauen. Da Ludwigstadt zu diesem Gau gehörte, dürfte es wahrscheinlich sein, dass wir in der dortigen Marienkapelle eine der von Bernwelf damals gebauten Kirchen vor uns haben. Im Jahre 945 soll der damalige Burgherr von Lauenstein, Graf Popo I. von Henneberg in der Kapelle begraben worden sein und später auch seine Nachfolger auf Lauenstein, die Grafen von Orlamünde. Im Anfang des 11. Jahrhunderts kam die Gegend von Ludwigstadt zu dem neugegründeten Bisthum Bamberg und es wurden damit die Beziehungen zu Würzburg abgeschnitten.

Abbildg. 1 – Marienkapelle zu Ludwigstadt i. B.

Eine genauere Untersuchung des interessanten Bauwerks würde sich bei der spärlichen Zahl der erhaltenen Karolingerbauten jedenfalls lohnen und wohl auch über die naheliegende Frage, ob eine Gruft vorhanden war oder nicht, Aufschlüsse bringen.

Halle a. S., Gustav Wolff, Baumstr.

Dieser Artikel erschien zuerst am 23.02.1898 in der Deutsche Bauzeitung.