Architekt: Professor Albert Schmidt in München. Im Spätherbst des vergangenen Jahres ist die protestantische St. Lukas-Kirche in München, das stattliche Werk des Erbauers der Synagoge und einer Reihe anderer trefflicher monumentalen Bauwerke Münchens, des Architekten Professor Schmidt, in feierlicher Weise ihrer Bestimmung übergeben worden.
Die Berichte über die Vorgeschichte des Baues und insbesondere die Geschichte des der Ausführung zugrunde gelegten Entwurfes, die wir in den No. 82 und 84 des Jahrganges 1893 unseren Lesern vorgetragen haben, gestatten uns, hier lediglich über den Bau selbst und seine künstlerische Einordnung in das Stadtbild zu berichten.
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Das Gebäude erhebt sich auf dem von der Stadt München zur Verfügung gestellten Mariannenplatz, welcher von drei Seiten von bebauten Strassen umsäumt ist und an der vierten Seite sich frei gegen die Isar und die gegenüberliegenden Gasteiganlagen öffnet. Diese vornehme, landschaftlich schöne und für die Veränderung des Stadtbildes sehr bedeutungsvolle Lage auferlegte dem Architekten die gewissenhaftesten Erwägungen über die Stellung des Baues und die Gestaltung seiner Umrisslinie. Welches Ergebniss diese Erwägungen gehabt haben, geht aus der diesem Aufsatz vorangestellten Ansicht der Kirche und ihrer Umgebung von den Gasteiganlagen aus hervor. Auf die Gestaltung des zentral geordneten Grundrisses hatten die Form des Platzes und die Forderungen der Fernsicht den bedeutendsten Einfluss. Die nahezu quadratische Form des Platzes drängte von selbst zu einer zentralen Grundrissanordnung und diese kam der Gestaltung des Aufbaues insofern in günstiger Weise entgegen, als sie zwanglos gestattete, die stattlichen Thürme in diagonaler Lage so anzuordnen, dass sie einmal das Hauptportal des Gotteshauses nicht engbrüstig einschlossen, sondern gleich geöffneten Armen die Besucher empfangen, und dass sie zum anderen durch diese Stellung der Kuppelmasse die volle, unbedeckte Entfaltung erlauben. So ist die organische Gestaltung des Bauwerkes wie die eines jeden ächten Kunstwerkes die Erfüllung der nothwendigen Bedingungen, die aus Zweck und Oertlichkeit entspringen.
Von der reichen und malerischen Gruppirung des Aeusseren giebt die Abbildg. ein anschaulicheres Bild, als die lebhafteste Beschreibung es zu geben vermöchte. Für die Architekturtheile ist gelblich-grauer Bodenwöhrer Sandstein, für die Flächen ein graurother Verblendziegel verwendet.
Den Kern des Innenraumes bildet die Kuppel mit 14 m lichter Weite und 42 m lichter Höhe. Sie wird von vier freistehenden, 2,5 m starken, Bündelpfeilern aus Pappenheimer Dolomit getragen. Das Langschiff, wenn man bei der zentralen Anlage von einem solchen sprechen darf, ist nach beiden Richtungen der Hauptaxe polygonal abgeschlossen; es hat etwa 46 m Länge, das Kreuzschiff 42 m; die Seitenschiffe haben eine Weite von 7 m. Das Innere ist aus Rippen und Kappen durchweg massiv gewölbt. Die Stützen des Mittelschiffes bestehen aus Abbacher Sandstein.
Altar, Kanzel und Taufstein sind aus polirtem, farbigem Marmor gefertigt und mit figürlichen Theilen aus Bronze bereichert. Den Altar schmückt eine gemalte Kreuzabnahme von Goldberg. Mit Glasmalereien versehene Fenster werfen reiche farbige Lichtfluthen in das Innere, Gestühle und Orgel sind aus Eichenholz gefertigt. Das Innere ist weiträumig und feierlich und trägt in der gross angelegten Raumgestaltung der psychischen Wirkung Rechnung, welche namentlich bei Bauwerken für die Gottesverehrung als Mitwirkung bei den feierlichen gottesdienstlichen Handlungen auf das menschliche Gemüth nicht gerne vermisst wird.
Die Akustik wird als eine gute und von der Kuppelanlage nicht beeinflusste gerühmt; die Erfahrungen, die der Erbauer in dieser Hinsicht schon an seiner Neuen Synagoge in München sammeln konnte, berechtigen mit neueren Untersuchungen, die für den Berliner Dom an einer Reihe von alten Kuppelkirchen angestellt wurden, zu der Annahme, dass eine Kuppelanlage als solche die akustischen Verhältnisse eines Raumes nicht ungünstig beeinflusst und dass eine gute Akustik lediglich von einer logischen und guten Gliederung des Raumes abhängt.
An der Ecke des Mariannenplatzes und der Strasse wurde ein zur Kirche gehöriges Pfarrhaus im Stilcharakter der Kirche errichtet, welches mit seiner rein Umrisslinie sich mit der Kirche zu einer malerischen glücklichen Baugruppe vereinigt.
Mit dieser Kirche ist die Stadt München um ein Bauwerk bereichert, welches durch Grösse der Auffassung, Kühnheit der Konstruktion und durch seine künstlerische Durchbildung in ihrer Baugeschichte eine hervorragende Stelle einnimmt und dem Stadtbilde von jenseits der Isar ein neues und charakteristisches Wahrzeichen verliehen hat.
Die beim Bau betheiligten Firmen waren die folgend: Lincke & Vent für die Erd- und Maurerarbeiten; die Aktiengesellschaft Granitwerke Blauberg für die Steinmetzarbeiten; die Aktiengesellschaft Kiefer ; Kiefersfelden für die Marmorarbeiten; G. & M. Dosch für die Zimmerarbeiten; F. S. Kustermann für de Eisenlieferung; L. Kiessling & Cie. und die Kommanditgesellschaft Steger & Röder für die Eisenkonstruktion; Friedr. Schweitzer für die Schieferdecker und Friedr. Krasser für die Spänglerarbeiten. In die Schreinerarbeiten theilten sich die Firmen Wilh. Schröder (Portale, Thüren, Fenster, Schalldeckel, Altar usw.), Albert Schmidt (Gestühl) und die Berlin-Passauer Fabriken für Parket und Holzbearbeitung (Parketböden). Die Schlosser- und Kunstschmiedearbeiten übernahmen Fr. Höck und D. Bussmann, die Glaserarbeiten Math. Waigerleitner, die Asphaltarbeiten Ziv.-Ing. Carl Lindner, die Pflasterarbeiten L. Aufschläger’s Nachfolger und J. Kaffel, und die Tapeziererarbeiten Rude & Behringer. Rud. Otto Meyer lieferte die Heizanlage, C. Fr. Ulrich in Apolda die Glocken und Steinmeyer & Cie. in Oettingen die Orgel. Sämmtliche Firmen wohnen, soweit nicht der Wohnort besonders angegeben ist, in München. –
Dieser Artikel erschien zuerst am 15.05.1897 in der Deutsche Bauzeitung.