Die Preisbewerbung um den Erweiterungsbau des Rathhauses zu Quedlinburg a. H.

Wie schon auf S. 536 in Kürze mitgetheilt, ist – der Wettbewerb für Baupläne zu einem Um- bezw. Erweiterungsbau des Rathhauses zu Quedlinburg dahin entschieden worden, dass drei Preise programmmässig ertheilt und ausserdem drei Entwürfe vom Preisgericht zum Ankauf empfohlen sind.

Im Nachfolgenden sollen noch einige Bemerkungen über das sachliche Ergebniss dieser interessanten Preisbewerbung gemacht werden, die zufolge der Schwierigkeit und Eigenart der zur Lösung gestellten Aufgabe eine ganz besondere Anziehungskraft auf die Fachgenossen ausgeübt zu haben scheint – ungeachtet der nicht gerade verführerischen Höhe der für Preise zur Verfügung gehaltenen Gesammtsumme von nur 3000 M.

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Das alte Rathhaus zu Quedlinburg ist ein ehrwürdiger aber schlichter Bau, der an und für sich als ein hervorragendes architektonisches Denkmal kaum wird bezeichnet werden dürfen. An der linken Ecke der Hauptfront am Marktplatz befindet sich ein mit Blende geziertes Eckthürmchen, daneben der Roland in bekannter plumper Auffassung. Auch das Hauptportal in Spätrenaissance-Formen, das dem sonst spätgothischen Bau im letzten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts hinzugefügt worden ist, darf auf besonderen Kunstwerth keinen Anspruch erheben. Die zahlreichen Fenster sind mit einfachen Gewänden rechteckig umrahmt, ohne weitere architektonische Hinzuthaten; das mächtige steile Satteldach ist von einigen grösseren und kleineren Erkern oder Luken durchbrochen.

Das alte Rathhaus und seine Umgebung im gegenwärtigem Zustande

Nichtsdestoweniger ist es ein überaus reizvolles Architekturbild, das sich dem Auge des Beschauers darbietet – ein Bild, ohne welches die altehrwürdige Harzstadt überhaupt nicht zu denken ist! Der alte Bau mit dem wirksamen Haupteingang, zu dem eine breite Freitreppe hinaufführt, ist über und über mit dichtem Weinlaub überzogen, das aus mächtigen Reben emporschiesst.

Zumal jetzt, wo das Laub abgefallen ist, gewährt die mit krausem, phantastisch verästeltem Rankenwerk überwucherte Hauptfront in ihrer derben Ausführung aus Sandstein in unregelmässiger Bearbeitung in ihrer altersgrauen Färbung einen eigenartigen alterthümlichen Eindruck. Dazu nun aber die wunderbare Zusammenstimmung mit der ganzen Umgebung! Rechts und links alte charakteristische Fachwerkshäuser, zumtheil bemerkenswerthe Muster niedersächsischer Holzarchitektur, die sich wie Schutz suchend an den trutzigen Massivbau des Rathhauses herandrängen – fast bedenklich nahe, wenn man an eine doch jederzeit mögliche Feuersgefahr denkt!

Geradezwischen der Hinterfront des Rathhauses und der Marktkirche, die mit ihrem mächtig aufstrebenden Thurmpaare von ungleicher, darum so malerisch wirkender Gestaltung der Helme das Gesammtbild vom Marktplatze her beherrscht, ein Gewirr von altersschwachen Häuschen, die sich mit ihren Geschossen wie müde nach der Strasse vorbeugen. Vor der Kirche sowohl wie in den Winkelchen neben und hinter dem Rathhause, an der Strasse „Am Hoken“ wie an der „Breitenstrasse“, von der man schwer begreift, dass sie zu einer solchen Bezeichnung gelangen konnte – überall ergeben sich Stimmungsbilder einer mittelalterlichen Stadt, die so entzückend eben nur in unseren alten norddeutschen Städten, insbesondere des Harzes, mit ihren einzigen Fachwerksbauten geboten werden können. Alles zusammen ein wunderbares Städtebild, dessen Erhaltung nicht nur dem Geschichts- und Alterthumsforscher, noch mehr dem Künstler am Herzen liegen muss! Es ist darum dankbar anzuerkennen, dass die Stadtverwaltung Quedlinburgs in richtiger Erkenntniss der Dinge den grössten Werth auf die Erhaltung des Bestehenden, soweit überhaupt möglich, legt und bei dem geplanten Um- und Erweiterungsbau ihres Rathhauses dasselbe thunlichst geschont wissen will. Mit den alten Fachwerkshäusern, die den Bestimmungen einer neueren Baupolizei-Ordnung gemeiniglich Hohn sprechen, wird ja freilich etwas aufgeräumt werden müssen, wenn überhaupt im Anschluss an das jetzige Rathhaus eine Erweiterung vorgenommen werden soll. Damit muss man sich aber vernünftigerweise einverstanden erklären!

Entwurf von Grisebach & Dincklage, 1. Preis

Das Bedürfniss einer Stadt, die den Forderungen der Jetztzeit gegenüber nicht zurückbleiben will und darf, drängt nach Ausdehnung der bisherigen knapperen Verhältnisse. Die alten Räumlichkeiten reichen schon lange nicht mehr aus, und die Vergrösserung derselben auf dem historischen Boden des Rathhauses kann nur erfolgen, wenn mit der Beschränktheit der mittelalterlichen Zustände, soweit eben möglich, gebrochen wird.

Darum sind verschiedene Häuser in unmittelbarer Nachbarschaft bereits angekauft; für einen anderen und zwar grösseren Theil der benöthigten Grundstücke ist der Ankauf in Aussicht genommen, der dem Stadtsäckel natürlich bedeutende Geldopfer auferlegen wird, da es sich um Erwerbungen in bester Lage der Stadt handelt. Man will staffelweise mit dem Bau vorgehen und sich zunächst mit einer ersten Ausführung begnügen, die für sich einen angemessenen architektonischen Abschluss und also einen guten Anblick gewähren soll, so lange bis ein weiteres Bedürfniss nach Verwirklichung des von vornherein ins Auge zu fassenden Gesammtplans der Bauanlage drängt. Hierauf war in der Wettbewerbung ganz besonders Rücksicht zu nehmen, und es ist gerade diesem Gesichtspunkte der möglichst eingeschränkten Niederlegung von Nachbarhäusern bereits für die erste Bauinangriffnahme seitens des Preisgerichts gebührend Rechnung getragen worden.

Entwurf von Grisebach & Dincklage, 1. Preis

Viele Bewerber haben sich leichten Herzens über solche Erwägungen hinweggesetzt! Wenn auch eine geradezu entscheidende Bedeutung dieser Frage nicht beigelegt werden durfte, schon aus dem Grunde, weil nach dem Programm den Bewerbern volle Freiheit für ihre Vorschläge gelassen war, so liegt es doch nahe, eine in jener Beziehung vortheilhafte Anordnung als einen besonderen Vorzug im entsprechenden Falle anzuerkennen.

Entschieden eine der besten Lösungen dieser Frage sparsamsten Hausankaufs für den ersten Erweiterungsbau zeigt der mit dem ersten Preise ausgezeichnete Entwurf der Hrn. Grisebach und Dincklage, die in überaus geschickter Weise sich den vorhandenen Verhältnissen so anschliessen, dass eine Erwerbung jetzt noch nicht im Besitz der Stadt befindlicher Gebäude weder an der Strasse „am Hoken“ noch an der Breitenstrasse erforderlich wird. Die umstehende Grundriss-Zeichnung zeigt, wie an letzter Strasse die vorhandenen werthvollsten Baulichkeiten, die überhaupt inbetracht kommen, vorläufig geschont sind; dabei gewährt der zunächst in Ausführung zu nehmende Flügelbau an der Breitenstrasse durchaus das gewünschte fertige Bild. Der Vorschlag entspricht von allen Entwürfen wohl am meisten den nach der praktischen, wie nach der ästhetischen Seite zu stellenden Anforderungen.

Im Grundrisse der Gesammt-Erweiterung ist b, c, d, e das zu erhaltende alte Rathhaus. Im Grundrisse der ersten Ausführung sind die zum späteren Abbruch bestimmten, vorläuflg jedoch noch nicht angekauften alten Wohnhäuser mit a bezeichnet.

Die Frage der Ausführbarkeit des Baues zu dem im Bauprogramm angenommenen Betrage von 400 000 M. mit Gestattung von 10 % Ueberschreitung, für den gesammten Erweiterungsbau und von 170 000 M. für die erste Ausführung hat dem Preisgericht kaum Veranlassung gegeben, einen sonst nach Grundrissgestaltung und künstlerischer Auffassung ansprechenden Entwurf zu beanstanden. Der Schwerpunkt der ganzen Aufgabe lag unbedingt auf künstlerischem Gebiete, wennschon natürlich der verständigen Anordnung des Anschlusses und Zusammenhangs der Verwaltungsräume, insbesondere der Führung der Korridore und der Anlage der Treppenhäuser die nöthige Aufmerksamkeit geschenkt werden musste. Dass für den Grundriss eines öffentlichen Gebäudes einseitig liegende Korridore mit Fenstern nach einem geräumigen, möglichst stattlichen Hofe den Vorzug verdienen vor einer Mittelkorridor-Anlage mit zweifelhaft erscheinender Beleuchtung, versteht sich hier wie in jedem anderen Falle von selbst. Unbegreiflich ist aber, dass in einer nicht geringen Anzahl von Entwürfen die nach dem ganzen Plane recht wohl zu ermöglichende einheitliche Hofentwicklung durch einen Verbindungsbau arg gestört wird, der lediglich die Haupttreppe und die Aborte enthält. Hauptsächlich scheint diese unschöne Gestaltung zweier Höfe von naturgemäss ungünstigen Abmessungen aus der bewussten Absicht entstanden zu sein, die durch das Portal des vorhandenen Baues gegebene Hauptaxe zu betonen und bis zur Hinterfront am Marktkirchhof zwecks unmittelbarer Verbindung durchzuführen. Bei dem verhältnissmässig bescheidenen Bedürfniss hätte diesem an und für sich durchaus anzuerkennenden Gesichtspunkte wohl in anderer, weniger einschneidender Weise genügt werden können, wie jedenfalls durch eine grössere Anzahl von Entwürfen, vor allem durch den Grundriss des mit dem ersten Preise gekrönten Planes dargethan wird.

Was nun die künstlerische Seite dieser Preisbewerbung anbelangt, so lag das Hauptmoment derselben in dem Anschlusse eines Neubaues an ein ehrwürdiges altes Gebäude, dessen Eigenart nicht unterdrückt werden durfte, vielmehr neben der neuen Bauanlage noch vollständig sich Geltung verschaffen soll! Wennschon im Programm eine Wahl der Architekturformen freigestellt war und es nur als erwünscht bezeichnet wurde, sie mit denen des alten Gebäudes – dem vielleicht durch maassvolle Wiederinstandsetzung ein anderes Aussehen gegeben werden könnte – in Einklang zu bringen, so war doch von vornherein allen Bewerbern eine ganz bestimmte Richtschnur auf den Weg gegeben, die auch im allgemeinen überall Beachtung gefunden hat. Da der Charakter des alten Rathhauses gewahrt werden muss, so kann aber unmöglich eine Lösung infrage kommen, welche die Aufsetzung eines neuen oberen Geschosses auf das alte Haus in Aussicht nimmt. Die Theilnehmer des Wettbewerbs, welche ohne ein solches nicht auszukommen geglaubt haben, können wohl unmöglich das alte Quedlinburger Rathhaus vorher gesehen und namentlich im Inneren studirt haben! Abgesehen davon, dass der Aufbau noch eines oberen Geschosses das Aeussere des gegenwärtigen Baues bis zur Unkenntlichkeit verändern müsste, würde eine solche Ausführung aber auch als geradezu unzweckmässig und fast unmöglich erachtet werden müssen, da nur übrig bliebe, mit dem vorhandenen Inneren gründlich aufzuräumen. Von den alten, grösstentheils bedenklich versackten Balkenlagen, von den im jetzigen Obergeschoss nur in Fachwerk hergestellten Wänden, von dem ganzen mächtigen Dachstuhl würde kaum wesentliches erhalten bleiben können, und nur die äusseren Umfassungsmauern und allenfalls das Erdgeschoss wären zu schonen, – ein kaum zu rechtfertigender Flickbau!

Thatsächlich lag eine überaus schwierige Aufgabe vor, deren allseitig befriedigende Lösung vielleicht ganz unmöglich erscheint.

Die meisten Bewerber sind an dem Versuche gescheitert, den alten Rathhausbau mit der Erweiterungs-Anlage in ästhetisch befriedigender Weise unmittelbar zu verbinden, wie es doch aus Zweckmässigkeits-Rücksichten der Raum-Anordnung verlangt werden musste. Es darf nur ein Gruppenbau infrage kommen, bei dem das vorhandene Bauwerk möglichst unberührt bleibt, und aus welchem dasselbe als selbständiger Gebäudetheil sich herauslöst, dem die übrigen Theile pietätvoll sich anzugliedern haben.

Wie das bei allen Rathhaus-Konkurrenzen allmählich üblich geworden ist, kann sich die Mehrzahl der eingereichten Entwürfe ohne das Beiwerk eines mächtigen, die ganze Bauanlage beherrschenden Thurmes nicht mehr begnügen. Dass der schlichte Bau des Quedlinburger Rathhauses ohne Erkeraufbauten, Dachreiter u. dergl. nicht verbleiben durfte, vielmehr etwas „aufgemuntert“ werden musste, um sich einigermaassen in die neue Kleiderordnung einzufügen und von dem aufdringlichen Nachwuchse nicht todtgemacht zu werden, verstand sich hiernach von selbst! Der Misserfolg eines solchen wenig rücksichtsvollen Verfahrens mit der jetzigen ehrwürdigen Erscheinung konnte nicht ausbleiben! Darum war die Entscheidung des Preisgerichts zugunsten des Entwurfs der Herren Grisebach und Dincklage nicht zweifelhaft, der mit feinem Empfinden den alten Rathhausbau so gut wie unberührt lässt und die Ueberleitung zum Erweiterungsbau auf das Geschickteste vermittelt. Wenn überhaupt eine Ueberwindung der architektonischen Schwierigkeiten möglich erscheint, so ist sie den Verfassern des Entwurfs „Finkenheerd“ gelungen, deren übrigens meisterhaft dargestellte Hauptansicht vom Marktplatz hier mitgetheilt wird. In reizvoller Gruppirung schliesst sich der Erweiterungsbau längs der Strasse „am Hoken“ an, ohne trotz grösserer Höhenentwicklung seines 3geschossigen Aufbaues den Eindruck des mittelalterlichen Vordergebäudes irgendwie zu beeinträchtigen. Nicht ganz auf derselben künstlerischen Höhe steht die Ausbildung der Hinterfront am Marktkirchhof, die des von Rathhaus-Konkurrenzen grösseren Maassstabes her bekannten architektonischen Gepränges wohl zu einem ansehnlichen Theile hätte entbehren können! Die gewaltige Thurmanlage würde hier zur besseren Zusammenstimmung mit dem Uebrigen wesentlich bescheidener gestaltet werden müssen – schon mit Rücksicht auf die in unmittelbarer Nachbarschaft an einer höchstens 20 m breiten Strasse belegene Kirche mit ihrem riesigen Thurmpaare – obwohl der in dem Schaubild gezeichnete mächtige Thurmhelm, scheinbar gerade aus der Ecke zwischen dem alten und neuen Giebel aufschiessend, sich in dieser Gruppirung zweifellos gut ausnimmt.

Abgesehen von dem Entwurfe „Finkenheerd‘“, der hier eingehender gewürdigt wurde, ist es nur eine geringe Zahl von Bearbeitungen, die in dieser besonderen künstlerischen Beziehung

den Anforderungen der Aufgabe gerecht werden konnte. Bei aller Anerkennung der zumtheil höchst achtungswerthen Leistungen, die von grosser Hingabe an die Sache zeugen, ist es eben nur Wenigen gelungen, der inneren Schwierigkeiten Herr zu werden, Bei dem beschränkten Raume dieses Blattes kann jedoch auf die übrigen, durch Preisertheilung oder Empfehlung zum Ankauf ausgezeichneten Entwürfe nicht weiter eingegangen werden, ohne dass damit den verdienstvollen Verfassern derselben irgendwie zu nahe getreten werden soll.

Es mag nur zum Schlusse dem Gedanken Raum gegeben werden, dem die technischen Mitglieder des Preisgerichts sich nicht haben verschliessen können: Ist es im vorliegenden Falle richtig gewesen, die Lösung einer so eigenartigen Aufgabe auf dem Wege der öffentlichen Preisbewerbung zu suchen? Wäre es nicht vorzuziehen gewesen, statt dessen sich an einen beschränkten Kreis in mittelalterlicher Kunst bewanderter Architekten zu wenden, bei deren Auswahl man kaum hätte in Verlegenheit gerathen können? Die Ausschreibung eines öffentlichen Wettbewerbs führt bekanntlich nicht allzu häufig zum gewünschten Ziele. Der Erfolg eines solchen hängt doch in erster Linie von der gestellten Aufgabe selbst ab, wogegen die bei einem Misserfolge als aus der Art und Weise des Preisgerichts-Verfahrens hervorgegangen gerügten Mängel, so oft erst in zweiter Linie verantwortlich gemacht werden dürften. Wenn auch bei der Quedlinburger Rathhaus-Konkurrenz insofern die öffentliche Ausschreibung sich bewährt haben mag, als es gelungen ist, einen anscheinend zur Ausführung geeigneten Entwurf zu bekommen, so hätte doch manchem strebsamen Mitarbeiter an dieser Preisbewerbung die Aufwendung so vieler Mühe an eine wenig hoffnungsvolle Aufgabe erspart werden können, die der Einsetzung der Kräfte eines nach ganz bestimmter Richtung vorgebildeten Architekten bedurfte.

Weiterhin entsteht eine zweite Frage: Ist es überhaupt empfehlenswerth, dem alten Rathhausbau einen solchen Neu- oder Erweiterungbau anzufügen und würde nicht der Stadtverwaltung von Quedlinburg die nochmalige Erwägung dringlichst anheimzustellen sein, ob es nicht in dem vorliegenden Falle vorzuziehen sein sollte, auf einen solchen Anbau in Verbindung mit dem alten Rathbause ganz und gar zu verzichten und dafür lieber einen Neubau an anderer Stelle in Aussicht zu nehmen?

Ein solcher würde zweifellos allen Anforderungen der Verwaltung mindestens in demselben Maasse gerecht zu werden vermögen, als es bei der besten Lösung des Anschlusses an das vorhandene Gebäude möglich erscheint, vorausgesetzt, dass es angängig wäre, für einen solchen Neubau eine geeignete Lage in der Nähe des jetzigen Stadtmittelpunktes oder an sonstiger für den Geschäftsverkehr günstiger Stelle ausfindig zu machen. Voraussichtlich würde an der Höhe der Baukosten sogar noch zu sparen sein, schon weil es sich um die Niederlegung so theurer Häuser, wie derjenigen in unmittelbarer Nähe des jetzigen Rathhauses wohl nicht zu handeln brauchte. Vor allem ist dann nicht zu befürchten, dass das reizvolle mittelalterliche Stimmungsbild des Quedlinburger Rathhauses mit seiner Umgebung uralter Fachwerkshäuser, das das Interesse eines jeden Besuchers der alten Harzstadt gerade wegen des Zusammenpassens aller Einzeltheile lebhaft erweckt, irgendwie beeinträchtigt werde. Eine Ausnutzung des Rathhauses in seinem jetzigen, möglichst unberührt zu lassenden Zustande ist doch naturgemäss beschränkt. Die Instandsetzung des alten Baues würde natürlich nicht ausgeschlossen zu halten sein, wobei man vielleicht an eine passende Verwendung der frei werdenden Räume für die Zwecke eines städtischen Museums denken könnte.

Die jetzt zum Abschluss gelangte Preisbewerbung hat gezeigt, dass an an und für sich die Lösung eines Erweiterungsbaues unter Erhaltung des gegenwärtigen Rathhauses wohl möglich ist. Ob diese Lösung aber, so befriedigend sie vorläufig erscheinen mag, unter allen Umständen die gewiesene ist, das darf weiterer Ueberlegung der näher betheiligten Kreise vertrauensvoll anheimgestellt werden, und hierzu die Anregung zu bieten, sollte der Zweck dieser Schlussbemerkungen sein.

Dieser Artikel erschien zuerst am 28.10.1896, er war gekennzeichnet mit „Peters“.