Weibliche Regimentschefs

Die Stellung eines Regimentschefs oder Regimentsinhabers ist in unsern Tagen eine Ehrenstellung, die verliehen wird auf Grund der höfischen Courtoisie oder als besondere Auszeichnung für hochverdiente Generäle und Staatsmänner.

Im 19. Jahrhundert dürfte wohl Bismarck der einzige Staatsmann gewesen sein, der als Nichtsoldat von Kaiser Wilhelm II. durch die Verleihung eines Regiments ausgezeichnet wurde. Dem Inhaber oder Chef zu Ehren wird vielfach das Regiment benannt.

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Diese Ehrenstellung des Regimentschefs hat aber ihre geschichtliche Bedeutung. Im Mittelalter beruhte die Heeresordnung der europäischen Staaten auf der Lehnspflicht der Vasallen, deren jeder nach der Größe seines Lehens mit einer bestimmten Anzahl von Reitern und Waffenknechten dem Ruf seines Lehnsherrn zu folgen verpflichtet war. Als mit dem Lockern des Lehnsbandes die Söldnerheere aufgestellt wurden und die Heere ihre Ordnung nach französischem, ursprünglich römischem Muster erhielten, war es Ehrensache und Auszeichnung der Großen des Reichs, durch Werbung Regimenter aufzustellen und der Kriegsmacht des Landesherrn zur Verfügung zu halten. Da geschah es nun oft, daß Prinzen oder große Kavaliere selbst nicht in der Lage waren, die Führung ihrer Regimenter zu übernehmen, sondern diese einem militärischen Oberstleutnant überließen, und aus dieser Uebung entstand seit Kaiser Maximilian (1493 bis 1519) die Ehrenstellung des Regimentsinhabers oder Regimentschef.

Kaiserin Friedrich (frühere Aufnahme), Chef des 2. Leibhusarenregiments Kaiserin (Posen) und den Füsilierregiments von Gersdorff Nr. 80 (Wiesbaden und Homburg)
Deutsche Kaiserin Auguste Viktoria, (in der Uniform des Kürassierregiments Königin Pasewalk), Chef d. Füsilierregiments Königin (Flensburg)
Königin Margherita von Italien, Chef des hessischen Jägerbatallions (Marburg)

Aus den militärischen Traditionen der regierenden Häuser und der höfischen Courtoisie entstand nun auch die anmutige Sitte, daß fürstlichen Damen die Inhaberschaft von Regimentern verliehen wurde. Naturgemäß ist das Verhältnis des weiblichen Regimentschefs zu seinem Regiment nicht auf den kameradschaftlichen Fuß gestellt wie bei Fürsten und Generälen, die bei festlichen Anlässen im Offizierkasino speisen, während die Dame als Regimentschef doch nur Abordnungen der Offiziere in Audienz empfängt. Bei Paraden hingegen treten die weiblichen Regimentschefs in die volle Ehrenpflicht ihrer Stellung und führen, in die Uniform ihres Regiments gekleidet, zu Pferde das Regiment dem Kriegsherrn vor. Im deutschen, russischen und rumänischen Heer finden wir vielfach fürstliche Damen als Regimentschefs und Inhaberinnen, von denen wir einige in ihrer Uniform den Lesern im Bilde zeigen können.

Prinzessin Adolf von Schaumburg-Lippe, Chef des 5. Westfälischen Infantrieregiments Nr. 53 (Köln)
Grossherzogin Viktoria von Hessen, Chef des 3. Hessischen Infantrieregiments (Leibregiments) Nr. 117 (Mainz)

Der Deutschen Kaiserin als geborener Prinzessin von Schleswig-Holstein wurde das schleswig-holsteinsche Füsilierregiment Königin verliehen, das sie in früheren Jahren oft ihrem kaiserlichen Gemahl vorgeführt hat. Die Kaiserin Friedrich sehen wir auf dem Bild in der Uniform ihres Leib-Husarenregiments Kaiserin Nr. 2 (Posen), in der sie als Kronprinzessin oft bei Paraden das Regiment geführt hat. Außerdem ist Kaiserin Friedrich jetzt Chef des Füsilierregiments v. Gersdorff Nr. 80. Der deutschen Hof- und Militärsitte zufolge wurde auch Königin Margherita von Italien, die Gattin des Verbündeten des Deutschen Kaisers, durch die Verleihung der Inhaberschaft einer deutschen Truppe ausgezeichnet. Die Königin ist Chef des hessischen Jägerbataillons (Marburg).

Erbprinzessin Charlotte von Sachsen-Meiningen, Chef des Grenadierregiments König Friedrich III (2. Schlesisches) Nr. 11 (Breslau)
Kronprinzessin Maria von Rumänien, Chef des 4. Rumänischen Husarenregiments (Berlad)

Drei Schwestern des Kaisers sind Regimentschefs: die Erbprinzessin von Sachsen-Meiningen, Charlotte, ist Chef des Grenadierregiments König Friedrich III. (2. Schlesisches) Nr. 11, die Gemahlin des Prinzen Adolf zu Schaumburg Lippe, Prinzessin Viktoria, Chef des 5. westfälischen Infanterieregiments Nr. 53 und die Kronprinzessin von Griechenland, Prinzessin Sophie, Chef des Königin Elisabeth Garde-Grenadierregiments Nr. 3. Die Großherzogin Viktoria von Hessen ist 1. Inhaberin des großherz. hessischen Infanterieregiments Nr. 117.

Ferner wird die Großherzogin von Baden als Chef des Königin Augusta Garde-Grenadierregiments Nr. 4 geführt, die Königin-Mutter der Niederlande beim Infanterieregiment Prinz Friedrich der Niederlande Nr. 15, die Prinzessin Arthur von Großbritannien, Herzogin von Connaught, beim 64. Regiment, der Lieblingstruppe ihres Vaters des Prinzen Friedrich Karl, während die Königin Wilhelmina der Niederlande die Chefstelle bei den 15. Husaren innehat. Die beiden Garde-Dragonerregimenter sind bekanntlich der Königin Viktoria von England und der Kaiserin Alexandra von Rußland verliehen. Eine Ausnahme in der preußischen Armee bildet die Stellung a la suite der Herzogin von Sachsen-Koburg beim Alexanderregiment in Berlin.

Dieser Artikel erschien zuerst 1900 in Die Woche.