Vorwort
Die mehr als freundliche Aufnahme, welche meine Skizzen: “Köln vor fünfzig Jahren” als Feuilleton der Kölnischen Zeitung in Köln selbst und anderwärts gefunden haben, war die nächste Veranlassung, die mich bewog, den von vielen Seiten an mich ergangenen Aufforderungen nachzukommen, diese Skizzen weiter auszuführen. So sind aus den Skizzen Sittenbilder entstanden, in welchen ich es versucht habe, Köln am Rhein nach der Natur zu schildern, wie es vor fünfzig Jahren in den Hauptbeziehungen seines äußeren und inneren Wesens und Treibens, aller seiner socialen Verhältnisse in die Erscheinung trat.
Nothwendig mußte ich mich bei diesen Bildern auf Umrisse beschränken, durfte nicht zu sehr ausmalen, nicht zu weit in die Details gehen und durchaus nicht künstlerisch ausschmücken, mußte vor Allem der Wahrheit treu bleiben. Und treu bin ich der Wahrheit geblieben, mag auch Manchem, der zwischen dem jetzigen Köln und dem geschilderten eine Parallele zieht, vielleicht das Eine oder das Andere übertrieben erscheinen. Ich darf aber die Versicherung geben, daß ich, als geborner Kölner, nach bestem Wissen und Können versucht habe, ein möglichst lebenstreues Bild meiner Vaterstadt und ihres Bürgerlebens vor fünfzig Jahren zu entwerfen. In wie weit mir dies gelungen, das zu beurtheilen, überlasse ich Anderen.
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Meinen Zweck habe ich vollkommen erreicht, findet der Stammkölner in meinen Sittenbildern ein treues Gemälde seiner Vaterstadt, wie er sie vor fünfzig Jahren gekannt, frischen dieselben seine Erinnerungen auf, und rufen sie den Nichtkölnern ähnliche Zustände der Städte ihrer Heimat in die Erinnerung, da wir in den meisten Städten Deutschlands vor fünfzig Jahren in ähnlichen Ursachen ähnliche Wirkungen finden, wie ich dieselben aus Köln zu schildern versucht habe.
Bei meinen geschichtlichen Andeutungen, die sicher nicht unwillkommen sein werden, habe ich einen mehr allgemeinen Leserkreis vor Augen gehabt, weßhalb dieselben, fußen sie auch auf Quellen-Studium, keineswegs Ansprüche machen, für streng wissenschaftliche Abhandlungen gelten zu wollen. Man nehme dieselben für das, was sie sind, für allgemein gehaltene Andeutungen, namentlich zur Geschichte der Protestanten und Israeliten in Köln, welche Aufschlüsse geben sollen über zwei in der inneren Geschichte der Stadt so höchst wichtige Momente.
In meinen sprachlichen Erklärungen habe ich ebenfalls weniger den eigentlichen Sprachforscher, als einen allgemeineren Leserkreis berücksichtigt, dem sie das Verständniß des kölnischen Dialektes erleichtern sollen.
Ein kölnisches Sprüchwort sagt:
“Wae jitt, watt hae haett, es waeth, datt hae lèv!”
Köln, im Mai 1860.
E. W.
Einleitung
Köln ist nicht mehr Köln! – Jeder geborne Kölner wird sich dieser Redensart als einer stehenden Lieblings-Phrase in dem Munde seiner Großeltern, oder gar seiner Eltern erinnern. Ja, Köln ist nicht mehr Köln, wie es noch der Anfang dieses Jahrhunderts gesehen, wie es noch vor fünfzig Jahren war, ein düsteres, trauriges Denkmal seiner bedeutungsvollen, großen Vergangenheit, deren Monumente in ihrem Verfalle vielberedte Leichensteine. Der lebensfrische Hauch einer neuen Zeit hat den Grabesmoder verweht. Die Stadt hat in ihren Chroniken den Beginn einer neuen Aera verzeichnet; eine neue vielverheißende Lebensperiode hat ihr begonnen.
In ihrer ganzen äußeren Erscheinung, in allen ihren commerciellen und industriellen, und daher in allen ihren socialen Verhältnissen ist die Stadt eine völlig andere geworden. Die Umgestaltung ist aber eine so gewaltig große, eine in allen ihren Elementen so völlige und durchgreifende, daß man kaum begreifen kann, wie dieselbe das Werk von noch nicht fünfzig Jahren.
Bedingt in den Zeitverhältnissen, steht die Zukunft der Stadt Köln fest. Sind jene keiner Umwälzung unterworfen, braucht man eben kein Weissager zu sein, um der Stadt die glänzendste Zukunft vorherzusagen, ein stätiges, noch rascheres und fruchtbareres Entfalten, als das der Glanzepochen, deren sich ihre Geschichte rühmt. Köln lebt in der Uebergangs-Periode, unter Deutschlands Städten wieder eine der ersten Großstädte zu werden. Daß Köln eine Großstadt wird, werden muß, bedeutender, als es in seiner mittelalterlichen Blüthezeit gewesen, ist unter den bestehenden Verhältnissen eine Nothwendigleit. Hoffen wir, voll treuer Zuversicht, daß dieselbe möglichst unerschütterlich, denn Köln kann bei jeder denkbar politischen Umwälzung nur verlieren.
Wir freuen uns einer lebensthätigen, hoffnungreichen Gegenwart, genießen in der Erwartung einer noch reicheren Zukunft die Früchte des Werdens, und mitwirkend in der allgemeinen Umgestaltung der Dinge und Verhältnisse, haben wir selbst nicht wahrgenommen, mit welchen Riesenschritten sich dieselben um uns her neu gestaltet haben.
Vielleicht, mein geneigter Leser – wenn ich Dich so nennen darf -, ist Deine Phantasie aber noch im Stande, sich ein lebendiges Bild der Stadt Köln zu entwerfen, wie dieselbe vor etwa fünfzig Jahren in ihrem Aeußeren und Inneren, im Wesen und Treiben ihrer Einwohner in die Erscheinung trat.
Ist dies nicht der Fall, reicht Deine Erinnerung nicht so weit, so findest Du doch wohl Gefallen, mit mir einen Rundgang um und durch das damalige Köln zu machen, mitunter einen verstohlenen Blick in das innere Familienleben seiner damaligen Bürger zu thun, sie in ihren traulichen Kreisen, in ihren Freuden und Leiden zu belauschen, Dich mit mir um etwa ein halbes Jahrhundert in die Uebergangs-Periode aus der guten alten Zeit, wie unsere Großeltern die Tage ihrer Jugend nannten, zurückzuversetzen.
Dies ist ein Auschnitt aus dem Buch Köln 1812, mehr Infos dazu hier. Das Inhaltsverzeichnis zum Buch, in dem die online verfügbaren Abschnitte verlinkt sind, ist hier zu finden.