Landhaus Stöckhardt in Woltersdorfer Schleuse bei Erkner-Berlin

Architekt: Heinrich Stöckhardt-Berlin. In der Nähe Berlins, an einem der malerischsten Punkte der abwechslungsreichen Landschaften der Oberspree, in Woltersdorfer Schleuse, hat sich der Architekt Heinrich Stöckhardt-Berlin ein Landhaus errichtet, welches in Verbindung mit dem dasselbe umgebenden Zier- und Nutzgarten ein vortreffliches Beispiel eines behaglichen, freundlichen und idyllischen Landsitzes für die Wohnbedürfnisse einer Familie ist. Zu seiner Beschreibung lassen wir dem Künstler selbst das Wort

„Am östlichen Ufer des Flakensees, einem der vielen malerischen Seen des Oberspree-Gebietes, ging vor etwa hundert Jahren ein Stück des damals bis hart an das Ufer herab reichenden königlichen Forstes Rüdersdorf zunächst durch Erbpacht an den damaligen Mühlenbesitzer und Schleusenmeister über, dessen Erben dieses später urbar gemachte Gelände erwarben, parzellirten und bis auf wenige Restgrundstücke, die heute noch den genannten Erben gehören, veräusserten.

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Durch die Nähe des weit ausgedehnten alten Nadelwaldes und des wasserklaren Sees, abseits vom grossen Verkehr, eignet sich das hier, an der sogenannten Woltersdorfer Schleuse gelegene Gelände, wie kaum ein anderes in der näheren Umgebung Berlins, zum Sommeraufenthalt für Erholung- und Ruhesuchende.

Lageplan

Ein mit zwei Seiten an den Wald grenzendes, an der Friedenstrasse No. 4 gelegenes, annähernd 2 Morgen grosses Grundstück erwarb und bebaute ich im Jahre 1897. Die unregelmäßige Form des Grundstückes gab Gelegenheit zu einer nicht uninteressanten Lösung des Gartenplanes, wie es der beigefügte Lageplan angiebt. Im parkähnlich angelegten Vordergarten wurde, 16 m von der der und 12 m vom Nachbarhaus entfernt, das zunächst für den Sommeraufenthalt bestimmte Wohnhaus ausgeführt. Der nach dem Walde zu liegende rückwärtige Theil des Grundstückes ist der Obst- und Gemüsegarten. Der von Obstspalier eingeschlossene Wirthschaftshof, das Wirthschaftsgebäude, der Geflügelstall mit Voliere, ein eisernes Glashaus für Weinbau, ein Waarenhaus, mehre Mistbeete, der Kesselbrunnen usw. liegen südwestlich vom Hause. Von dem im Schatten des Waldes angelegten Spielplatz gelangt man durch eine Pforte hinaus nach dem Walde.

Erdgeschoss
Obergeschoss

Das Hauptgebäude hat 198 qm bebaute Fläche und an Geschossen: 1 Untergeschoss 3 m i. L. hoch, mit kleinem Unter- und Eiskeller, 1 Erdgeschoss 3,75 m hoch, 1 Obergeschoss 3,38 m hoch, 1 Dachgeschoss 3 m hoch, 1 Oberboden 2,95 m hoch.

Das Untergeschoss, dessen äussere Wände mit isolirenden Luftschichten aufgeführt wurden, enthält an Räumen: die Küche mit 2 Speisekammern, 1 grossen Wirthschaftsraum mit Speisenaufzug, 1 Mädchenzimmer, 1 Vorrathsraum, Treppenraum, sowie die Gärtner-, bezw. Hausmannswohnung mit gesondertem Zugange. Der Eingang zum Untergeschoss befindet sich unter dem Eingangsvorbau des Erdgeschosses.

Das Erdgeschoss enthält: 4 Wohn- bezw. Schlafzimmer, eine offene, im Winter verglaste 20 qm grosse Loggia, 1 Veranda. Die Garderobe mit Abort ist in Höhe des Treppenpodestes angeordnet.

Das Obergeschoss enthält: 1 Vorderzimmer, 3 Wohn- bezw. Schlafzimmer, 1 Loggia wie im Erdgeschoss, 1 Veranda, 1 Küche; die zugehörige Speisekammer liegt in Höhe des oberen Treppenpodestes.

Das Dachgeschoss enthält: 1 Zimmer, 3 Kammern, Bodenraum mit dem 4 cbm fassenden eisernen Wasser-Reservoir und den Oberboden.

Das Hauptdach wurde in Ludovici-Falzziegeln, dasjenige der Veranda, des Eingangs-Pavillons und das schräge Freitreppen-Dach dagegen mit Schiefer auf Schalung und Pappe in deutscher Art eingedeckt. Das Dach hat einen Ueberstand von 0,70 m.

Landhaus Stöckhardt in Wolterdorfer Schleuse bei Erkner-Berlin

Als Bekrönung des Vordergiebelwalmes ist die Richtekrone, in Metall nachgebildet, aufgestellt worden. Die Schornsteine erhielten Köpfe in reicherer Ausführung; die Dachflächen sind durch sogen. Schlepp- und Dreiecks-Dachfenster belebt worden; die Dachrinnen erhielten verzierte Schwanenhälse. Die Hausfassaden sind in Art der südtyroler Landhäuser in Mörtelputz-Architektur, mit wenig vortretenden Gesimsen, ausgeführt. Die Giebel sind in ausgemauertem, geputztem Holzfachwerk hergestellt. Das Holzwerk derselben wurde in mittelalterlicher Weise mit reinem Ochsenblut gestrichen und dann lackirt, wodurch der Farbenton des Eichenholzes vollkommen erreicht ist. Die Fenster haben verstellbare, grün lasirte und lackirte Fensterläden erhalten. Grün lasırte und lackirte Spalierlatten sind an sämmtlichen Aussenwänden des Hauses für Obstberankung angebracht. Von den 3 Freitreppen sind 2 in Holz, die Haupteingangs-Treppe massiv ausgeführt worden.

Die Ausschmückung der Räume im Innern erfolgte in denkbar einfachster Weise. Die Zimmerwände wurden mit hellen englischen Tapeten belegt, die Decken erhielten Vouten und sind geweisst. Das grosse Wohnzimmer im Erdgeschoss wurde etwas reicher mit naturalistischem Blumenornament als Fries unter der Deckenvoute geschmückt. Die Heizung der Räume erfolgt durch eiserne Patent-Reguliröfen. Die Wasserversorgung geschieht vom Reservoir aus. Elektrisches Läutewerk ist vorhanden.

Das Wirthschafts-Gebäude, 44,05 qm gross, in ausgemauertem Holzfachwerk erbaut, erhielt Schieferdach auf Schalung und Pappe, ist im Innern geputzt und enthält an Räumen: 1 Badestube, 1 Waschraum, Kesselraum, Gerätheraum, zugleich als Zugang zu dem Tonnenraum der daneben liegenden 3 Aborte (System Sackhof & Sohn, Berlin). Ueber der Badestube liegt der Taubenschlag.

Dem Eingang zum Waschraum gegenüber liegt im Hofraum der 10,5 m tiefe gemauerte Kesselbrunnen, in welchem der Pulsometer untergebracht ist. Dieser wird durch den im stehenden Röhrenkessel erzeugten Dampf in Betrieb gesetzt, wodurch das Wasser aus dem Brunnen nach dem Reservoir gedrückt wird und von diesem aus die Wasserversorgung für das Haus, die Wirthschafts-Gebäude und mittels 8 Hydranten für den Garten erfolgt. Die Kessel-, Reservoir- und Wasserleitungs-Anlage besorgte C. Eichler, in Firma Henry Hall Nachfolger Berlin-Fürstenwalde.

An das Wirthschafts- Gebäude lehnt sich ein 12 qm grosses eisernes Glashaus, für Weinbau bestimmt, an. Dieses stellte J. Malick & Co. in Berlin auf. Die Maurer-, Zimmer-, Staaker-, Tischler- und Steinmetzarbeiten fertigte H. Kurfiss in Erkner an, die Schlosserarbeiten Thomas die Dachdeckerarbeiten Neumann‚ die Klempnerarbeiten Conrad, sämmtlich in Erkner, die Glaserarbeiten Lüders in Berlin. Die Tapeten lieferten Gebrüder Hildebrandt in Berlin, den Speisen-Aufzug A. Dammann & Fuhrmann in Berlin, die Maler- und Anstreicherarbeiten besorgte Otto Leuschner in Erkner, Blitzableiter und Läutewerk sind von Fritz Wiegel, die Drahtgitter von Paul Heinze, Berlin.

Landhaus Stöckhardt in Wolterdorfer Schleuse bei Erkner-Berlin

Das Grundstück von 1 M. 116,3 Quadrat-R. Grösse kostete einschliesslich Auflassung usw. 12 362 M. Die Herstellung des Gartens besorgte der Gärtner Fehr in Woltersdorf für 2294 M., die Obstbäume lieferte der Garten-Dir. N. Gaucher in Stuttgart für 440 M., die Zierbäume und Sträucher Oekonomie-Rth. Späth in Rixdorf für 167 M., das Weinhaus Malick & Co., Berlin für 550 M., den Drahtzaun Paul Heinze, Berlin für 1932 M., die Spalier- Anlagen beanspruchten eine Summe von 95 M., das Hauptgebäude 198 qm beb. Fläche (1 qm beb. Fläche = 14,80 M.) = 29 393 M., das Wirthschafts-Gebäude 44,05 qm beb. Fläche (1 qm beb. Fl. = 10,30 M.) = 4565 M. Der Dampfkessel, Pulsometer, die Badestuben-Einrichtung, Reservoir, Druck- und Wasserleitung usw. (C. Eichler, Berlin-Fürstenwalde) erforderten 5150 M., zusammen 54 654 M.“

Dieser Artikel erschien zuerst am 11.06.1898 in der Deutsche Bauzeitung, er war gekennzeichnet mit „H. Stöckhardt (V. B. A.)“.