Soldatenkost

Von A. Oskar Klaußmann. „Menage“ hieß in früheren Zeiten die Kost der Soldaten. Der fremdartige Ausdruck war aber auch das einzig Interessante an dem Essen, das der Soldat damals erhielt. Die Kost war sehr einförmig und oft nicht zum besten zubereitet, denn als Köche fungierten Mannschaften, die vom Kochen meist nicht viel verstanden.

Die Neuzeit hat auf diesem Gebiet gewaltige Veränderungen gebracht. Schon aus hygienischen Gründen, dann aber auch, um die Dienstfreudigkeit und die Kräfte der Leute zu fördern, verabreicht man heute in allen Armeen den Soldaten eine reichliche, wohlschmeckende, vortrefflich zubereitete Kost, die unter strengster Kontrolle einer ganzen Reihe von Vorgesetzten steht, ebenso wie man auch dem gemeinen Mann gestattet, bei der Zusammenstellung des Küchenzettels ein Wort mitzureden. Der letzte Fortschritt, der zum Beispiel in der Beköstigung der Soldaten in der deutschen Armee gemacht worden ist, war die Bewilligung des warmen Abendbrots, während in weit zurück liegenden Zeiten überhaupt kein Abendbrot gereicht wurde, sondern es dem Soldaten über lassen blieb, mit dem Kommißbrot, das man ihm lieferte, auszukommen und sich dazu aus eigenen Mitteln etwas Belag, Fleisch, Wurst oder „Fettigkeit“ zu kaufen.

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Ganz vorzüglich beköstigt wurden zu allen Zeiten die englischen Soldaten. Diese sind bekanntlich Angeworbene, und es finden sich immer weniger Leute, die für längere Zeit Handgeld nehmen. Man muß ihnen daher gewisse Annehmlichkeiten bieten, und hierzu gehört in erster Linie das Essen. Abb. führt in eine Kasernenstube der Royal Westfüsiliere, und der Frühstückstisch macht einen sehr stattlichen Eindruck. Zum Frühstück erhält der englische Soldat Tee, frischgebackenes Weißbrot, Zucker und Butter. Mittag- und Abendessen sind ebenfalls sehr reichlich; es gibt jedesmal warmes Fleisch, und auch in der Zwischenzeit erhält der englische Soldat noch einmal Tee mit etwas Weißbrot und Butter.

Ein komfortables Esszimmer – Englische Soldaten bei der Mahlzeit

Der französische Soldat ist genügsamer. Für ihn bleibt die Hauptsache das Nationalgericht, die Suppe, in der Fleisch, Gemüse und Kartoffeln zusammengekocht sind.

Eine Kasernenstube englischer Fülsiliere

Unentbehrlich aber ist ihm das Weißbrot, und unser schweres Kommißbrot bildet für ihn den Inbegriff der Schrecken. Die französischen Gefangenen, die in den Jahren 1870/71 in Deutschland interniert waren, entsetzten sich geradezu vor diesem Brot, das allerdings nur einem robusten norddeutschen Magen bekommen kann.

Französische Soldaten beim Abkochen

Die Ausgabe des Essens erfolgt bei allen Armeen fast gleichmäßig und genau so wie in der Marine. Zu den verschiedenen Mahlzeiten bläst der Hornist, und in der alten preußischen Armee hatte der Soldat, der sich zu jedem Signal einen Text zurechtmacht, das zum Essen rufende Signal in die Worte umgesetzt: „Kalfakter, Kalfakter, Kalfakter nach Flaps“. „Flaps“ heißt nämlich in der deutschen Soldatensprache das Essen.

In Norwegen – Abholen der Mittagsrationen

Wir sehen, daß die Ausgabe des Essens in Norwegen sich genau so vollzieht wie in Deutschland (Abb.). Der Mann, der Stubendienst hat, tritt mit einem großen Kessel oder eisernen Topf an und läßt sich unter Aufsicht des Unteroffiziers vom Tag, gewöhnlich auch eines Offiziers, die vorgeschriebene Anzahl von Portionen Fleisch und Gemüse, die für seine Mannschaftsstube bestimmt sind, aushändigen.

Italienische Soldaten beim Mittagessen im Kasernenhof

Das Einteilen der Portionen, wie es z. B. auf Abb. zu sehen ist, macht in allen Armeen den Köchen große Arbeit und sehr oft Schwierigkeiten. Die Soldaten sollen keine Knochen, sondern nur Fleisch erhalten. Die Portionen müssen sorgfältig abgewogen sein.

In großen Garnisonen hat man vortreffliche moderne Kochapparate mit Dampf, durch die die Speisen sehr wohlschmeckend werden, wenn man dem Apparat nur einige Aufmerksamkeit schenkt.

In der russischen Armee tun sich die Mannschaften für die Kost zu Artels zusammen („Artel“ heißt ungefähr Zunft, Genossenschaft). An der Spitze einer solchen Genossenschaft steht der Artelschtchif, gewöhnlich ein Unterofffzier, der die Einkäufe besorgt und in Uebereinstimmung mit den andern Mitgliedern der Kochgenossenschaft bestimmt, was für den Tag gekocht werden soll.

Revierkranke bei der Mahlzeit

Daß sich der Soldatenhumor auch der Kost bemächtigt hat, ist selbstverständlich. So nennt zum Beispiel der österreichische Soldat „Sack und Pack“ ein Gericht, bei dem Suppe, Fleisch, Gemüse und Mehlspeise zusammengekocht sind.

„Schuhfetzen“ und „Schlapf“, „Seifensackel“, „Tambourschwänzel“, „Wasserspatzen“, „Schusterbube“ und „schwimmende Batterie“ sind ebenfalls Namen aus der österreichischen Soldatenküche, während zum Beispiel der sächsische Soldat verschiedenen häufig vorkommenden Gerichten die humoristischen Bezeichnungen: „Kasernenschloßen“, Gamaschenknöpfe“. „Sägespäne“, „Bindfaden“, „Regenwürmer“, „Fettigkeit“ usw. gibt.

Dieser Artikel erschien zuerst 1905 in Die Woche.