Wohnhaus des Hrn. Baron Theodor von Liebieg in Reichenberg in Böhmen

Wohnhaus des Hrn. Baron Theodor von Liebieg in Reichenberg in Böhmen

Architekten: Walcher & Molthein in Wien und Karl Lederle in Reichenberg. Das in den dieser und der folgenden Nummer beigegebenen Abbildungen zur Darstellung gebrachte eigenartige Wohnhaus ist eine Anlage, deren malerischer Charakter sich zumtheil aus den Bedingungen des Geländes, die im Grundriss des hohen Erdgeschosses angedeutet sind, ergeben hat.

Das Bauwerk liegt an einer flachen Berglehne am Eingange zu einem durch Naturschönheiten ausgezeichneten Thale, an der Grenze des Stadtgebietes, und stellt in seiner vielgestaltigen Anlage den Uebergang aus dem Stadt- in das Landhaus dar. In dieser Absicht ist der Fachwerkbau in gefälliger Weise mit dem Steinbau zu einer Baugruppe zusammengeschlossen. Die Grundrissanlage stammt von den Architekten Walcher & Molthein in Wien, während der gesammte Aufbau mit Einschluss der Durchbildung des Inneren nach den Entwürfen des Hrn. Arch. Karl Lederle in Reichenberg ausgeführt wurde. –

Dies ist ein historischer Text, welcher nicht geändert wurde, um seine Authentizität nicht zu gefährden. Bitte beachten Sie, dass z. B. technische, wissenschaftliche oder juristische Aussagen überholt sein können. Farbige Bilder sind i. d. R. Beispielbilder oder nachcolorierte Bilder, welche ursprünglich in schwarz/weiß vorlagen. Bei diesen Bildern kann nicht von einer historisch korrekten Farbechtheit ausgegangen werden. Darüber hinaus gibt der Artikel die Sprache seiner Zeit wieder, unabhängig davon, ob diese heute als politisch oder inhaltlich korrekt eingestuft würde. Lokalgeschichte.de gibt die Texte (zu denen i. d. R. auch die Bildunterschriften gehören) unverändert wieder. Das bedeutet jedoch nicht, dass die darin erklärten Aussagen oder Ausdruckweisen von Lokalgeschichte.de inhaltlich geteilt werden.

Die zahlreichen Abbildungen überheben uns einer weiteren Beschreibung des Bauwerkes, welches ein bemerkenswerthes Beispiel dafür ist, dass auch in Reichenberg das Wohnhaus beginnt, aus den Händen des Unternehmerthums in die Hände berufener Künstler überzugehen. Der Prozess vollzieht sich zwar langsam, aber doch stetig. Erwähnt sei nur einiges inbezug auf die künstlerische Durchbildung des Inneren. Unter Preisgabe der Stileinheit ist hier der Versuch unternommen, jedem Raum unter Anlehnung an die deutsche Vergangenheit ein individuelles Gepräge zu geben und dabei den Charakter der Wohnlichkeit in erster Linie mitsprechen zu lassen. Dieser geht insbesondere aus der Durchbildung des Thurmzimmers hervor, während der Speisesaal, in seiner Formensprache etwas der italienischen Renaissance genähert, mehr unter dem Gesichtspunkte des Eindruckes gesellschaftlicher Repräsentation gestaltet ist.

Die Bauausführung lag vorwiegend in den Händen von Reichenberger Firmen; nur vereinzelte Ausstattungsstücke wurden von auswärts bezogen. Dem künstlerischen Wandschmucke durch Hrn. Lederle sind verschiedene Flächen des Inneren vorbehalten. Das Ganze ist ein Beispiel eines ohne Luxus, aber mit allen Erfordernissen einer behaglichen Lebensführung ausgestatteten Einfamilienhauses und steht mit dem Herrenhause Ginzkey in Maffersdorf an der Schwelle einer neuen Entwicklung des Wohnhausbaues in der deutschen Hauptstadt Böhmens. –

Dieser Artikel erschien zuerst in der Deutschen Bauzeitung vom 13.05.1899.