Der Wettbewerb um den Entwurf eines neuen Rathhauses für Leipzig

Die seit etwa 15 Jahren schwebende Frage eines neuen Rathhaus-Baues für Leipzig ist auf einem wichtigen und hoffentlich entscheidenden Punkte angelangt. Während eine Schaar emsiger Arbeiter thätig ist, um die auf dem Gelände der alten Pleissenburg, das seit kurzem in den Besitz der Stadt übergegangen ist, stehenden, aus mehren Jahrhunderten stammenden Baulichkeiten abzutragen, sind im städtischen Kaufhause die Pläne zu einem neuen, auf dieser denkwürdigen Stätte zu errichtenden Rathhause ausgestellt, die der von der Gemeinde Leipzig unter den deutschen Architekten ausgeschriebene, soeben zum Abschluss gebrachte Wettbewerb hervorgerufen hat.

Die betreffende Angelegenheit ist in allen ihren Entwicklungsstufen von uns so eingehend behandelt worden, dass es überflüssig erscheint, nochmals auf ihre Vorgeschichte einzugehen. Wozu auch Gegensätze der Anschauungen und Meinungen nochmals heraufbeschwören, zwischen denen eine Vermittelung um so weniger möglich ist, je ernster die Ueberzeugung war, aus der sie entsprungen sind? Das aber wird man uns kaum verübeln können, dass wir unserer aufrichtigen Genugthuung über den vorläufigen Ausgang der Dinge Ausdruck geben, dass wir mit herzlicher Freude sowohl den Sieg der von uns vertretenen Sache, wie vor allem auch den im offenen Wettkampf errungenen, durch das Urtheil der von der Gemeinde erwählten Sachverständigen bestätigten Sieg des Künstlers begrüssen, den wir – und mit uns sicher die ungeheure Mehrheit der Fachgenossen – an erster Stelle zur Lösung der vorliegenden Aufgabe für berufen hielten und dessen Beiseiteschiebung wir daher nicht nur als ein schweres persönliches Unrecht wider ihn, sondern auch als einen unverzeihlichen Fehler empfunden hätten.

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Ueber das thatsächliche Ergebniss dieses jüngsten Wettbewerbs haben wir bereits auf S. 316 No. 50 u. Bl. kurz berichtet, während wir das Programm des am 5. November 1896 an die Architekten Deutschlands erlassenen Preisausschreibens auf S. 580 Jahrg. 96 besprochen und den demselben zugrunde liegenden, hier der leichteren Uebersicht wegen noch einmal abgedruckten Plan zur Auftheilung des Pleissenburg-Geländes auf S. 341 Jahrg. 96 mitgetheilt hatten.

Dass unter den Verfassern der 8 Entwürfe, die neben dem vom Preisgericht an die erste Stelle gerückten Plane des Stadtbauraths Prof. Hugo Licht durch einen Preis oder die Empfehlung zum Ankauf ausgezeichnet worden sind, die ältere Architektenschaft Deutschlands so gut wie gar nicht vertreten ist, während eine Reihe neuer, bisher noch niemals gehörter Namen auftauchte, dürfte zunächst allgemeine Verwunderung hervor gerufen haben. So Manchem dürfte die Frage nahe getreten sein, ob etwa das Preisgericht einseitigen Anschauungen nachgegeben und die Erzeugnisse einer überquellenden jugendlichen Künstlerphantasie den vorsichtig abgewogenen Schöpfungen einer reiferen, auf blendende Eindrücke verzichtenden Erfahrung vorgezogen habe, oder ob denn in der That jenes ältere Geschlecht von der rüstig aufstrebenden, besser vorgebildeten Jugend bereits überholt sei. Sind doch ähnliche Vorkommnisse, wenn auch nicht in dieser Ausdehnung, bei den jüngsten Wettbewerbungen unseres Faches wiederholt zu verzeichnen gewesen!

Lageplan

Es möge hier nachträglich bemerkt werden, dass der abgedruckte Lageplan mit dem der Wettbewerbung zugrunde gelegten insofern nicht ganz übereinstimmt, als in letzterem die beiden südlichen Ecken nicht abgeschrägt sind und ein Vorsprung auf der Südseite fehlt. Auch eine neue Gestaltung der Gartenanlagen auf den Aussenseiten ist in ihm nicht angedeutet.

Da der Plan für unsere Zwecke jedoch in wesentlichen nur Lage und Umgebung des Bauplatzes veranschaulichen sollte, so glaubten wir auf diese kleinen Abweichungen keinen Werth legen zu sollen.

So schmerzlich eine solche Sachlage von den Unterlegenen auch persönlich empfunden werden müsste, für das Fach als solches und für die Zukunft der deutschen Baukunst könnte es nur als glückverheissend betrachtet werden, wenn ihre jungen Kräfte eine derartige Probe ihres Könnens abgelegt hätten. Indessen kann ihr in Leipzig erzielter Erfolg noch nicht als solche gelten. Schon ein erster Gang durch die Ausstellung der eingegangenen Entwürfe lehrt, dass unter den Verfassern derselben ältere Künstler namentlich diejenigen Kämpen, deren Namen bei den Wettbewerbungen des letzten Jahrzehnts am häufigsten hervor geleuchtet haben – in verhältnissmässig geringer Zahl vertreten sind. Manche von ihnen dürften durch andere, gleichzeitig zur Lösung stehende Aufgaben von einer Betheiligung abgehalten worden sein. Viele andere dürften auf eine solche verzichtet haben, weil sie sich angesichts der ungewöhnlichen Schwierigkeiten des Entwurfs, welche nicht nur ein ungewöhnliches Können und eine im Abwägen der an Schönheit und Zweckmässigkeit gestellten Forderungen gereifte Erfahrung, sondern auch völlige Vertrautheit mit den örtlichen Bedürfnissen und Verhältnissen bedingten, sagen mussten, dass sie gegenüber einem so bewährten, gleichsam in die Aufgabe hinein gewachsenen Künstler wie Licht, den die öffentliche Meinung von vorn herein als den für sie an erster Stelle Berufenen bezeichnet hatte, nur sehr geringe Aussichten auf einen Erfolg hätten.

Waren doch annähernd fünfmal mehr Programme verlangt worden, als Entwürfe eingegangen sind. Namentlich bei der sächsischen Fachgenossenschaft scheint – nach gewissen bezeichnenden äusseren Merkmalen zu urtheilen – eine derartige bewusste Zurückhaltung in weitem Maasse stattgefunden zu haben und es erklärt sich hieraus von selbst die an sich auffällige Thatsache, dass unter den bei dem Wettbewerb ausgezeichneten Künstlern, soviel man weiss, kein einziger Sachse ist. Der Kampfplatz ist also in der That zur Hauptsache der wagemuthigen Jugend überlassen geblieben, der es zunächst darum zu thun ist, ihre Kraft zu messen, ohne dass es ihr einfiele, die Aussichten eines Erfolges in Rechnung zu ziehen.

Angesichts dieser Sachlage kann es nicht gerade Wunder nehmen, dass der Durchschnittswerth der vorliegenden Arbeiten – wenn man sie nach ihrer Eignung für eine etwaige Ausführung des Baues beurtheilt – im allgemeinen nicht allzu hoch steht und an denjenigen der durch die Wettbewerbungen um die Rathhäuser von Elberfeld, Stuttgart, Hannover usw. hervorgerufenen Entwürfe nicht ganz hinan reicht. Am schwächsten sind naturgemäss die Grundriss-Lösungen, unter denen nur sehr wenige voll befriedigen.

Dagegen sind unter den Fassaden eine ziemlich beträchtliche Anzahl reizvoller, freilich ganz überwiegend mit den ausgeworfenen Mitteln unmöglich auszuführende Pläne vorhanden, manche an Vorbilder aus jenen vorangegangenen Wettbewerbungen sich anlehnend, viele aber auch von selbständiger, aus eigenartiger künstlerischer Begabung entsprungenen Erfindung. Dass fast alle auf der Grundlage von Motiven und Formen sich aufbauen, die dem Mittelalter oder der deutschen Renaissance angehören, bedarf kaum einer besonderen Hervorhebung. Es kann jedoch festgestellt werden, dass dem Zuge der Zeit entsprechend gothische u. zw. spätgothische Formen in stärkerem Maasse vertreten sind als früher.

Eingegangen waren i. g. 51 Entwürfe, von denen das Preisgericht schon beim ersten Rundgange 10 ausgeschieden hat, „theils aus formellen Gründen, theils weil sie in technischer oder ästhetischer Hinsicht entschieden ungenügend erschienen“. Unter den verbleibenden 41 Entwürfen ist sodann eine zweite Sichtung erfolgt, bei der weitere 26 Arbeiten als minderwerthig zurückgestellt wurden, so dass also 15 auf die engere Wahl gelangten. Jenen 26 Entwürfen zweiten Ranges wird im Gutachten der Preisrichter je eine kurze Beurtheilung gewidmet, die freilich meist so allgemeiner und. unbestimmter Art ist, dass den Verfassern damit nicht allzu viel gedient sein dürfte.

Etwas ausgiebiger ist die Beurtheilung, welche – aufgrund der je durch einen Referenten und Korreferenten vollzogenen sorgfältigen Prüfung – die 15 Entwürfe erfahren haben, aus denen schliesslich durch Abstimmung die 5 durch Preise auszuzeichnenden und die 4 zum Ankauf zu empfehlenden Arbeiten ermittelt wurden. Wir werden bei Besprechung derselben wiederholt Gelegenheit haben, auf dieses Gutachten der Preisrichter zurück zu kommen.

Bevor wir jedoch auf die einzelnen Entwürfe des Wettbewerbs eingehen, wollen wir – alter Gewohnheit folgend – zunächst in zusammenfassender Weise kurz einige allgemeine Gesichtspunkte der Lösung erörtern.

Was dieselbe so ungewöhnlich schwierig machte, war in erster Linie die Form des Bauplatzes. An 3 Ecken schiefwinklig, an der vierten, rechtwinkligen mit einem Einsprung versehen, liess derselbe die Durchführung grosser Axenzüge im Innern des Gebäudes, wie der Architekt sie bei einem Monumental-Bau dieses Ranges so gern anstrebt und wie sie im Interesse der klaren Uebersichtlichkeit des Hauses für den Verkehr so erwünscht sind, nur in sehr beschränktem Grade zu. Auch die Anlage grösserer, zu monumentaler Wirkung gelangender Höfe war nahezu ausgeschlossen. Und zwar haben sich diese Nachtheile fast nicht geringer bei denjenigen Entwürfen geäussert, welche von einer Beseitigung des alten Thurmes der Pleissenburg ausgegangen sind, als bei denen, welche dessen Erhaltung angenommen haben. Es ist in der That wohl nicht zweifelhaft, dass ein Festhalten an dem s. Z. preisgekrönten Ehmig’schen Plane für die Auftheilung des Pleissenburg-Geländes (Jhrg. 95. S. 621) die Lösung der Aufgabe wesentlich erleichtert hätte – ganz abgesehen von den grossen Vorzügen, die jener Plan für die äussere Erscheinung der ganzen Baugruppe dargeboten hätte. Aber die Widerstände, die derselbe gefunden hat und die zur Hauptsache gegen die Durchführung einer Strasse durch den grossen Rathhaus-Hof und die Verbindung des Rathhauses mit Privathäusern sich richteten, sind anscheinend unüberwindlich.

Welche von den Fronten des Grundstücks als Hauptfront angesehen werden sollte, war im Programm nicht gesagt. Es blieb nach der Lage der Dinge jedoch kaum etwas anderes übrig, als für die nach dem Obstmarkt gerichtete Südfront sich zu entscheiden, die einerseits als längste den grössten Spielraum für beliebige architektonische Anordnungen darbot, andererseits aber an den geräumigsten Vorplatz grenzt, also am besten zur Geltung gebracht werden konnte. Nur wenige Entwürfe haben eine andere Lösung zu finden versucht und keine derselben ist geglückt.

Allerdings stand jene Annahme in gewissem Widerspruch mit der Forderung des Programmes, dass die vorhandenen gärtnerischen Anlagen möglichst geschont werden sollten.

Denn wird hiernach verfahren, so wird der grössere Theil der Süd- und Westfront des Rathhauses hinter hohen Bäumen sich verstecken.

Durch die Wahl der Hauptfront war selbstverständlich auch die Lage des repräsentativen Haupteinganges entschieden, der in allen besseren Arbeiten auf eine entsprechende Vorhalle mündet und von dem man auf die zu den Festräumen führenden Haupttreppen gelangt. Für einen zweiten Eingang ist der an der Nordost-Ecke des Grundstückes, an der platzartigen Kreuzung der im Innern des neuen Bauviertels geplanten Strassen gelegene einspringende Winkel die gegebene Stelle. Bei der knappen Bemessung des Bauplatzes war es zweckmässig, sich auf diese beiden Haupt-Zugänge zu beschränken, an den übrigen Fronten aber mit den innerhalb des Untergeschosses angelegten Durchfahrten sich zu begnügen und diese mit den Nebentreppen in bequeme Verbindung zu setzen. Leider haben viele Theilnehmer des Wettbewerbs eine solche Entsagung nicht geübt, sondern eine Mehrzahl von Eingängen an verschiedenen Stellen (an der Nord- und Westfront, sowie aus der Südwest- und Südost-Ecke) angeordnet, deren Hallen durch Untergeschoss und Erdgeschoss reichen, das letztere also in ungünstiger Weise zerreissen und einen Mehr-Aufwand an Raum bedingen.

Die Zahl der Geschosse war durch das Programm auf ein Untergeschoss, Erdgeschoss und 3 Obergeschosse festgesetzt, zu denen an den tiefer liegenden Stellen des Bauplatzes noch ein Kellergeschoss und – je nach Bedarf – auch noch ein theilweiser Ausbau des Dachgeschosses treten konnte. Abweichungen gegen diese Festsetzung finden sich nur insofern, als den im Programm gegebenen Andeutungen offenbar die Annahme zugrunde lag, dass auf das Erdgeschoss zunächst ein Zwischengeschoss und auf dieses das Hauptgeschoss folgen solle, während in einigen Entwürfen das letztere unmittelbar über dem Erdgeschoss angenommen ist und die Säle desselben in das darüber liegende Zwischengeschoss durchreichen.

Auf die Vertheilung und Anordnung der einzelnen Räume, über welche das Programm sehr ausgiebige Anhaltspunkte gab, näher einzugehen, würde zu weit führen. Eine entscheidende Rolle hat dabei wohl nur die Anordnung der 3 grösseren Säle gespielt, von denen der eigentliche Festsaal und der Sitzungssaal der Stadtverordneten mit den betreffenden Nebenritumen im Zusammenhange zu Feierlichkeiten sollten benutzt werden können. Die Mehrzahl der besseren Entwürfe zeigt diese Räume und mit ihnen den Saal für die Plenar-Sitzungen des Rathes an der Hauptfront aufgereiht und als wesentlichstes Motiv für die Fassaden-Gestaltung benutzt; doch fehlt es auch nicht an bemerkenswerthen und noch weniger an völlig verfehlten Arbeiten, in denen denselben eine andere Stelle zugewiesen ist. Selbstverständlich treten im einzelnen, namentlich inbezug auf die Anordnung und Vertheilung der Nebenräume auch bei jener Normal-Lösung grosse Verschiedenheiten auf. Ungenügend ist insbesondere vielfach die Galerie für das den Sitzungen der Stadtverordneten zuhörende Publikum behandelt; finden sich doch Entwürfe, in denen dieselbe nicht nur als ein offener, in den Saal vorspringender Balkon sondern sogar als offene Brücke zwischen Festsaal und Stadtverordneten-Saal behandelt ist. Dass die grössere Tiefe der Säle in den darunter liegenden Geschossen vielfach dazu verwendet ist, um den Korridor des Hauptflügels zu einer stattlichen Halle zu erweitern oder mit allerhand Nebenräumen (Festgarderoben usw.) auszustatten, ist ein Motiv, das schon bei den voran gegangenen deutschen Wettbewerben um eine entsprechende Aufgabe ausgedehnte Anwendung gefunden hat.

Wenn wir noch erwähnen, dass dem Zimmer des Oberbürgermeisters in den meisten Arbeiten ein Platz in unmittelbarer Nähe des Raths-Sitzungssaales und in einer auch in der Aussenarchitektur ausgezeichneten Stelle angewiesen worden ist, dass dagegen die Anlage des Rathskellers, als dessen natürlicher Ort wohl die der Altstadt zugekehrte Seite des Hauses anzusehen sein möchte, im allgemeinen geringere Beachtung gefunden hat, so glauben wir diese allgemeinen Bemerkungen schliessen zu können.

Denn die übrigen Momente der Lösung – insbesondere die Hauptgliederung des Grundrisses und die Anordnung des Aufbaues – lassen sich nicht aus einem einheitlichen Gesichtspunkte betrachten, weil für sie der Umstand entscheidend ist, ob die Verfasser der Entwürfe bei der ihnen durch das Programm frei gestellten Wahl für oder gegen die Erhaltung des alten Thurmes der Pleissenburg sich entschieden haben.

Es ist interessant, dass unter den 51 Theilnehmern des Wettbewerbs je die Hälfte von der einen bezw. der anderen Voraussetzung ausgegangen ist. 25 Bewerber, unter ihnen die Verfasser der an erster und dritter Stelle preisgekrönten Pläne und eines zum Ankauf empfohlenen Entwurfs haben sich entschlossen, den Thurm zu erhalten und in den Neubau einzugliedern. 26 Bewerber dagegen, unter ihnen die Verfasser der 3 übrigen preisgekrönten bezw. zum Ankauf empfohlenen Arbeiten haben die Beseitigung des Thurmes angenommen und sich dadurch für die Anordnung des Neubaues freies Feld geschaffen.

Wir haben bei unserer Besprechung hiernach zwischen diesen beiden Gruppen zu unterscheiden. Und zwar wollen wir uns zunächst den Entwürfen derjenigen Architekten zuwenden, welche die Erhaltung des Pleissenburg-Thurmes in Aussicht genommen haben.

Dass für dieselbe schwer wiegende Gründe sprechen, ist gewiss nicht zu verkennen. Und zwar sind es neben den ethischen Rücksichten der Pietät gegen das ehrwürdige geschichtliche Wahrzeichen der Stadt Leipzig auch solche der Zweckmässigkeit, die hierbei inbetracht kommen. Hr. Stdtbrth. Prof. Licht führt im Erläuterungsberichte seines Entwurfs mit Recht aus, dass man – welche Lösung auch angenommen werde – schwerlich jemals darauf verzichten werde, das neue Rathhaus Leipzigs mit einem mächtigen Hauptthurme zu schmücken und dadurch im Stadtbilde hervor zu heben. Benutze man für diesen den noch in 35 m Höhe vorhandenen Baukörper des alten Festungsthurmes als Unterbau, so lasse sich jener Zweck mit weitaus geringerem Kosten-Aufwande erreichen, als wenn man einen neuen Thurm von grund aus aufführen müsste. – Hiermit ist freilich gleichzeitig schon ausgesprochen, dass von einer Erhaltung bezw. Wiederherstellung des Thurmes in seiner ursprünglichen Erscheinung – wie sie bei Festhaltung an dem Ehmig’schen Lageplan möglich gewesen wäre – nicht die Rede sein kann, dass es einer namhaften Erhöhung desselben bedarf, um ihn an der Stelle, welche er jetzt im Gebäude einnehmen soll, auch äusserlich zur Geltung zu bringen. Indessen ist wohl kaum zu befürchten, dass der Thurm unter dieser Veränderung sein geschichtliches Gepräge völlig einbüssen würde. Ganz abgesehen davon, dass man das Umrissbild seiner Spitze mehr oder weniger an dasjenige des ehemaligen Lotter’schen Baues könnte anklingen lassen – was manche Bewerber gethan haben – würden schon die ungewöhnliche Stellung des Thurmes, seine Gestaltung als Rundbau und seine ungewöhnlichen Abmessungen (17 m im Durchm.) darauf hinweisen, dass es bei ihm nicht um eine Neuschöpfung, sondern um ein Vermächtsniss aus der Vergangenheit sich handelt. Zweckmässig wäre es allerdings wohl gewesen, wenn vor Erlass des Wettbewerbs eine technische Untersuchung über die Beschaffenheit des Thurm-Mauerwerks und seiner Fundamente veranstaltet worden wäre, um zu ermitteln, ob und bis zu welchem Grade der alte Bau überhaupt eine Erhöhung verträgt.

An den Versuch, den Baukörper des alten Thurmes organisch in den Grundriss des Neubaues einzufügen und den Innenraum desselben für die Zwecke des Rathhauses nutzbar zu machen, ist viel ehrliche Mühe gesetzt worden, die freilich nur in verhältnissmässig wenigen Entwürfen zu vollem Erfolge geführt hat. Da die unserem Berichte gesteckten Grenzen uns nur die Vorführung weniger Beispiele gestatten, so müssen wir uns mit einigen allgemeinen Andeutungen über die dabei eingeschlagenen Wege begnügen.

In der Mehrzahl der betreffenden Pläne ist Werth darauf gelegt, den Thurm zu der durch den südlichen Haupteingang bezeichneten Queraxe des Hauses in Beziehung zu bringen, was durch eine selbständige Behandlung der Südost-Ecke unschwer zu erreichen war, auch wenn die Fassade symmetrisch gehalten wurde. Und eben so leicht war es, ihn durch einen senkrecht zur Rückfront gerichteten zweiten Querflügel auch in die Axe der letzteren zu bringen. Vielfach ist er überdies durch weitere, den Längsfronten parallel laufende Flügel mit der West- und Ostseite des Gebäudes in Verbindung gesetzt, also zum Mittelpunkte der ganzen Anlage gemacht worden.

Es geschah dies namentlich bei denjenigen Entwürfen, die das Innere des Thurmes in den verschiedenen Geschossen als Durchgangs-Raum verwerthet und von ihm das Netz der inneren Flurgänge haben ausgehen lassen. Als sehr glücklich kann dieser Gedanke wohl nicht gelten, da die betreffenden, höchstens 4,5 m hohen, aber 12 m im Durchm. haltenden Räume ein unschönes, gedrücktes Aussehen haben und überdies unter Lichtmangel leiden würden. Die vereinzelt vorliegenden Versuche, den überflüssigen Raum für Fahrstühle, innere Wendeltreppen usw. zu verwenden, können nicht voll befriedigen.

Den Vorzug verdienen jedenfalls jene Pläne, die von dem vorerwähnten Gedanken ganz absehen und den inneren Verkehr des Hauses an dem Thurme vorbeileiten; sei es dass sie ihn einseitig mit Flurgängen berühren, sei es dass sie ihn zwischen solche einschliessen. Der Innenraum desselben dient dann allerdings meist zu untergeordneten Zwecken, als Archiv, Plankammer u. dergl.; doch haben einige Bewerber es auch erreicht, durch Zusammenziehung mehrer Geschosse ihn für eine wichtigere Bestimmung geeignet zu machen. Ebenso ist es mehrfach gelungen, die inneren Höfe so anzuordnen, dass in ihnen der Thurm in seiner ganzen Höhe zu angemessener architektonischer Erscheinung gelangt – zumtheil in der Axe einer Hoffront hervorspringend, zumtheil einer Ecke des Hofes sich vorlagernd. Es fehlt freilich auch nicht an solchen Plänen, in denen der Thurm zwischen Baumassen völlig eingeschachtelt ist, so dass sein Innenraum des Lichtes entbehrt und unnutzbar wird. Er bildet dann lediglich ein Verkehrshinderniss. –

Was die architektonische Ausgestaltung des Thurmes und seine Verwerthung für das Fassadenbild betrifft, so erhellt ohne weiteres und wurde schon oben erwähnt, dass diese letzte nur durch einen sehr beträchtlichen Aufbau über dem vorhandenen Baukörper zu erreichen war. Mit Ausnahme Einzelner, die sich damit begnügten, den in alter Form wieder hergestellten Thurm lediglich von einem Hofe sichtbar zu machen, die aber damit auf den wesentlichsten, aus seiner Erhaltung zu erzielenden Vortheil verzichteten, haben fast alle Bewerber sich zu einem derartigen Vorgehen entschlossen. Einige, indem sie an der Erscheinung des ursprünglichen Lotter’schen Baues festhielten, auch wenn diese zu der von ihnen gewählten Fassaden-Architektur in schroffen Gegensatz trat; andere, indem sie den Aufbau mit der letzteren in Uebereinstimmung brachten; noch andere, indem sie ihre Architektur der Lotter’schen annäherten oder doch eine Vermittelung mit ihr anstrebten. Uns will dieser letzte Weg als der richtigste dünken. Viel zu wenig Gewicht ist in den meisten Fällen auch darauf gelegt worden, das Umrissbild des ganzen Baues so zu gestalten, dass der aus der Mitte desselben aufsteigende Thurmriese mit demselben in gefälliger Harmonie steht.

Entwurf des Hrn. Stadtbrth. Prof. Hugo Licht in Leipzig, I. Preis

Das hervorragendste Beispiel der inrede stehenden Gruppe von Entwürfen – zugleich die hervorragendste Arbeit, die aus diesem Wettbewerb entsprungen ist, bildet der mit dem Kennwort „Arx nova surgit“ bezeichnete Plan des Stdtbrths. Prof. Hugo Licht in Leipzig, dem durch die Entscheidung des Preisgerichts der erste Preis zutheil geworden ist (vgl. die Abbildgn.). So manchem, der die ausgestellten Entwürfe in flüchtiger Musterung nur nach dem äusseren Eindrucke auf sich wirken lässt, wird er im Gegensatze zu den phantasiereichen Leistungen anderer Bewerber vielleicht etwas gar zu schlicht und nüchtern erscheinen. Beim näheren Eingehen auf ihn dürfte er jedoch bald inne werden, dass er es hier nicht mit einer Konkurrenz-Arbeit üblichen Schlages, sondern mit dem zur Ausführung reifen Werke eines erfahrenen Meisters zu thun hat, der seine Grösse vor allem in der Beschränkung auf das unter den gegebenen Verhältnissen Angemessene und Mögliche sucht.

Entwurf des Hrn. Stadtbrth. Prof. Hugo Licht in Leipzig, I. Preis – Grundriss

Der Grundriss – wir beschränken uns in allen Beispielen auf denjenigen des Hauptgeschosses mit den grossen Sälen – ist von wohlthuender Einfachheit und Klarheit. Durch Anordnung von 2 inneren Querflügeln sind 3 Höfe gewonnen, deren millerer durch einen den alten Thurm enthaltenden Verbindungsau getheilt wird. Der von den beiden Mittelhöfen sichtbare Thurm, der in den unteren Geschossen für Archivzwecke usw. dient, im Hauptgeschoss dagegen eine durch das 3. Obergeschoss reichende Halle für die Ausschuss-Sitzungen der Stadtverordneten enthält, ist dem Verkehr entrückt, aber doch bequem zugänglich und gut beleuchtet. Die 3 Säle liegen an der Vorderfront, getrennt durch ansehnliche Vorräume, auf welche die beiden Haupttreppen des Hauses münden. An den Sitzungssaal der Stadtverordneten schliessen sich auf der rechten Seite des Hauses die übrigen Räume derselben (über der Garderobe die Tribüne des Publikums), an den Sitzungssaal des Rathes auf der linken Seite die durch ein Gehege von dem Verkehr auf den Flurgängen gesonderten Diensträume der Geschäftsleitung. Im Erdgeschoss liegt unterhalb des Festsaals die grosse Eingangshalle, von der beiderseits die Aufgänge zu den Haupttreppen empor führen; 2 andere Eingänge sind an den beiden Ostecken angeordnet. Treppen, Vorhallen, Flurgänge sind reichlich und würdig, aber ohne jeden auf den Schein berechneten Luxus bemessen. Dass die Lage der einzelnen Räume und ihre Verbindung unter einander dem Bedürfniss auf das genaueste entspricht, ist bei der Vertrautheit des Verfassers mit diesem ohne weiteres anzunehmen.

Von ähnlicher Einfachheit sind die in schlichten Renaissance-Formen deutschen Gepräges gehaltenen Fassaden, bei denen – im Hinblick auf die verhältnissmässig niedrige Kostensumme – auf dekorativen Schmuck fast ganz verzichtet ist.

Reichere architektonische Motive treten nur an dem Mittelbau der Hauptfront sowie an den Thürmchen auf, welche die Ecken beleben und auf die Kuppelhaube des Hauptthurms vorbereiten. Seine Wirkung sucht der Bau, dessen Ausführung sich der Künstler in Rochlitzer Porphyr und Kalkstein gedacht hat, vorzugsweise in der Wucht des Maasstabes und des Reliefs, sowie im Adel der Verhältnisse und der Gruppirung der Baumassen. In der letzteren wirken allerdings die westlichen Eckbauten, deren Form im übrigen gesucht ist, etwas zu hart; indess bedürfte es, wie die Preisrichter mit Recht betonen, nur geringer Abänderungen, um hierfür Abhilfe zu schaffen. –

Entwurf der Architekten Spannnagel u. Wünscher in München. III. Preis
Entwurf der Architekten Spannnagel u. Wünscher in München. III. Preis – Grundriss

Zwischen dem Entwurfe Licht’s und dem zu derselben Gruppe gehörigen, mit dem 3. Preise gekrönten Plane „Ergo bibamus“ der Architekten Spannagel und Wünscher in München (Abbildg.) ist ein ziemlich weiter Abstand. Das Verdienst seines Grundrisses beruht vor allem in der Anordnung des südlichen Hauptflügels und in den bequemen Verbindungen. Anfechtbar ist dagegen die Einschachtelung des einer unmittelbaren Lichtzuführung entbehrenden alten Thurms in einen gleichfalls nur sehr mangelhaft beleuchteten Umgang. Für die Auszeichnung des Entwurfs hat jedoch in erster Linie die Gestaltung der in den Formen deutscher Renaissance gehaltenen, entfernt an das Leipziger Fürstenhaus anklingenden Fassade den Ausschlag gegeben, an der die Preisrichter insbesondere die klare, schlichte Umrissbildung rühmen. (Die Behandlung der Original-Zeichnung ist für unsere Wiedergabe leider sehr wenig günstig gewesen) Den etwas fremdartig wirkenden Hauptthurm zu der Gruppirung des Frontbaues in Einklang zu bringen, ist den Künstlern allerdings nicht gelungen. –

Auch der Entwurf mit dem Kennspruch: „Vordem ein’ feste Burg dahier in meinem Grunde stand, die Neue Pleissenburg dafür bin jetzo ich genannt“ von Architekt Hans Freude in Bunzlau verdankt die ihm zutheil gewordene Empfehlung zum Ankauf lediglich der mit grossem malerischen Geschick bewirkten Erfindung seines Fassadenbildes. Im übrigen geben die Preisrichter zu, dass der Verfasser in der Aneinanderfügung ungleichartiger Gebäudetheile etwas weiter gegangen sei, als es bei einem einheitlich entstehenden modernen Gebäude zulässig ist. Der Hauptthurm hat die in keinem anderen Plane erreichte Höhe von 140 m erhalten. Der unfertige Grundriss ist etwas gekünstelt. –

Entwurf von Prof. Fred Skjold Neckelmann in Stuttgart. Engere Wahl
Entwurf von Prof. Fred Skjold Neckelmann in Stuttgart. Engere Wahl – Grundriss

Von den 5 noch hierher gehörigen Plänen, welche zur engeren Wahl gestanden haben, erscheint uns der mit dem Kennwort „Jeronimus Lotter“ bezeichnete, von Prof. Skjold Neckelmann in Stuttgart verfasste (Abbildg.) weitaus als der bedeutendste. Jedenfalls zählt der Grundriss desselben zu den besten und eigenartigsten Leistungen des ganzen Wettbewerbs. Der alte Thurm, in der Ecke eines sehr ansehnlichen, regelmässig gestalteten Hofes gelegen, enthält im Untergeschoss und Erdgeschoss eine Vorhalle, zu der man aus der im Hofe liegenden Anfahrt auf einer Freitreppe empor steigt. Im Zwischengeschoss ist er als Archiv benutzt, während der Innenraum des Haupt- und 3. Obergeschosses wieder zusammengezogen ist und für die standesamtlichen Eheschliessungen dient. Alles in allem eine Verwendung des alten Baues, wie sie glücklicher nicht gedacht werden kann. Nicht minder glücklich ist die Vereinigung der Haupt-Treppen und Vorräume in einem tiefen Flügel zur rechten Seite des Thurmes, wenn man gegen die Anordnung von glasgedeckten Höfen im Inneren eines Rathhauses auch grundsätzliche Bedenken haben kann, und ebenso entspricht die Lage und Anordnung der Festräume aufs trefflichste allen Anforderungen. Leider mangelt der Architektur des Aeusseren, bei welcher der Künstler die ihm eigene Formensprache mit Motiven der deutschen Renaissance zu verschmelzen gesucht hat, der bestechende Reiz des Individuellen. –

In jener Verbindung des (in diesem Falle viereckig ummantelten) Thurms mit einem grösseren Hofe ähnelt dem vorbesprochenen der mit einem Schilde in Schwarz und Weiss bezeichnete Plan, der ihm im übrigen jedoch im Grundriss keineswegs gleich steht. Architektonisch ist er nicht ohne Verdienst. –

Auf den grösseren Rest der in die betreffende Gruppe fallenden Entwürfe, unter denen sich neben manchen minderwerthigen noch eine ganze Reihe tüchtiger Arbeiten befindet, vermögen wir im einzelnen leider nicht einzugehen.

Genannt haben sich als Verfasser der Pläne „Ein Wahrzeichen“: Arch. Fr. Schöberl in Speyer (der Grundriss schliesst dem Licht’schen sich an); „Auf historischem Boden“: Arch. Richard Klepzig in Leipzig; „Altes und Neues“: Arch. Heinrich Rust in Leipzig; „Kleeblatt im Schilde“: Brthe. Eisenlohr & Weigle in Stuttgart. –

Auch bei den Entwürfen der zweiten Gruppe, deren Verfasser auf eine Verwendung des alten Pleissenburg-Thurmes verzichtet haben, macht sich inbezug auf die Hauptgedanken der Grundriss- Lösung eine gewisse Uebereinstimmung geltend. Die grosse Mehrzahl derselben zeigt den freien Raum zwischen den äusseren Flügeln durch 2 Querbauten getheilt, so dass also 3 Höfe entstehen. Zuweilen ist der mittlere derselben mit Glas gedeckt; es treten dann nur 2 grössere Höfe zur Seite eines tiefen Mittelbaues hervor.

Zuweilen wird der eine oder andere jener grossen Höfe noch durch einen Verbindungs-Bau unterbrochen und die Gesammtzahl der Höfe ist somit auf 4 oder 5 gesteigert.

Den Thürmen ist mit Ausnahme zweier Entwürfe, von denen der eine einen thurmlosen, nur durch bedeutsamen Giebelschmuck ausgezeichneten Bau, der andere einen Aufbau im Inneren der Anlage zeigt, durchweg eine Stellung an der Front zugewiesen worden und zwar überwiegend an der Südwest- oder Südost-Ecke, mehrfach auch inmitten der Südfront in Verbindung mit einem Aufbau über den Saalfronten. Natürlich fehlt es auch nicht an Plänen, deren Verfasser ohne allzu ängstliche Rücksicht auf die Baukosten nicht mit einem Thurme sich genügen liessen, sondern deren zwei an der Südfront, zuweilen auch noch einen an der Nordost-Ecke angeordnet haben.

Entwurf von Reg.-Bauführer Slawski u. Arch. Jennen in Karlsruhe. II. Preis
Entwurf von Reg.-Bauführer Slawski u. Arch. Jennen in Karlsruhe. II. Preis – Grundriss

Eine zweithürmige Anlage tritt uns zunächst in dem mit dem Kennwort „Hansa“ bezeichneten Entwurfe der Hrn. Reg.-Bauführer Slawski und Arch. Jennen in Karlsruhe entgegen, dem die Preisrichter die Stelle hinter der Licht’schen Arbeit angewiesen und für den sie Worte wärmsten Lobes gefunden haben. „Ein Plan von höchstem künstlerischen Werth, vorzüglich wirkend durch die Gestaltung der schönen, hohen Hallen des Innern, wo die Differenzen in den Höhenlagen gewisser einander benachbarter Räume hohe malerische Effekte herbeiführen. Der vortrefflichen Innenarchitektur hält die äussere die Wage“.

So heisst es in dem amtlichen Gutachten, dem man sich im allgemeinen nur anschliessen kann, wenn auch nicht zu verkennen ist, dass die Fragen der Zweckmässigkeit in dem Entwurf eine entsprechende Lösung nicht immer gefunden haben. Der eigenartige Gedanke, dem derselbe seinen malerischen Reiz verdankt, ist, den die Festsäle enthaltenden, im Aeusseren durch die beiden Thürme bezeichneten Theil des Hauses gleichsam als einen für sich bestehenden Bau mit selbständiger Geschosstheilung zu behandeln, so dass die Verbindung mit den übrigen Theilen durch Treppen vermittelt werden muss. Dabei war es möglich, auch den unterhalb der Säle liegenden Räumen, der Eingangs- und Wandelhalle, sowie den grossen Hauptkassen eine bedeutendere Höhe zu geben und sie dadurch in würdigster Weise hervorzuheben. Freilich konnte dies andererseits nicht ohne eine gewisse Raumverschwendung geschehen, die sich an anderen Stellen des Hauses gerächt hat. So ist z. B. die Zuhörer-Tribüne des Stadtverordneten-Saales, die sich an der inneren Langseite des Festsaals fortsetzt, von einem durch Oberlichte erhellten Korridor zugänglich, an dessen anderer Seite Dienstzimmer angebracht sind.

Die beiden Frontthürme sind im Aeusseren nicht ganz gleichwerthig behandelt, trotzdem nach ihrer Stellung und nach der Bedeutung der in ihnen liegenden Räume keiner ein Uebergewicht beanspruchen kann. Es sei dahin gestellt, ob eine derartige, lediglich auf die malerische Wirkung zielende Anordnung nicht doch etwas gesucht erscheint. –

Entwurf des Architekten Wendt in Stettin. IV. Preis
Entwurf des Architekten Wendt in Stettin. IV. Preis – Grundriss

Noch eigenartiger in Auffassung und Durchführung stellt der durch den 4. Preis ausgezeichnete, unter dem Kennwort „Auch Einer“ eingesandte Entwurf des Architekten Wendt in Stettin sich dar (vgl. die Abbildg.). Im Gegensatze zu fast allen übrigen Bewerbern hat der Verfasser die Hauptfront und den Haupteingang des Hauses nicht an der südlichen, dem Obstmarkt zugekehrten Seite des Grundstücks angenommen, sondern an der nach Osten vorbeiführenden, die Burgstrasse mit dem Königsplatz verbindenden Strasse. Hier liegen im Hauptgeschoss, das unmittelbar über dem Erdgeschoss folgt, der Sitzungssaal des Rathes und der Festsaal, während der mit letzterem durch ein Vorzimmer zusammen hängende Sitzungssaal der Stadtverordneten in der Südfront sich anschliesst. Wir halten eine solche Anordnung für irrthümlich, weil man verlangen kann und muss, dass der Haupteingang eines Öffentlichen Gebäudes von diesem Range an einem grösseren Platze und nicht an einer Strasse liege.

Aber wir erkennen gern an, dass – von diesem grundsätzlichen Bedenken abgesehen – der Plan des Hauses, dem ein zweiter Haupteingang an der Südost-Ecke gegeben ist, eine meisterhafte Lösung gefunden hat. Besonders anziehend wirkt das Geschick, mit dem in ungesuchter Weise – lediglich zum Ausgleich gewisser Unregelmässigkeiten – die Flurgänge mehrfach zu Hallen erweitert sind; dem Inneren des Hauses würde dadurch in allen seinen Theilen ein Gepräge der Vornehmheit und Stattlichkeit aufgedrückt werden, das in fast allen anderen Entwürfen nur auf einzelne bevorzugte Stellen sich beschränkt. Beachtung verdient auch der Gedanke, das zwischen der auf der Südseite vorhandenen Parkanlage und dem Bauplatz befindliche dreieckige Gelände in seiner jetzigen, dem Hof der alten Pleissenburg entsprechenden Tiefe zu erhalten und ebenso den beiden südöstlichen Höfen des Neubaues die gleiche Höhen- (bezw. Tiefen-) Lage zu geben. Es ist dadurch nicht nur für das Untergeschoss, sondern auch für den Keller eine treffliche Beleuchtung gewonnen worden, die namentlich dem Rathskeller zugute kommt.

Ansprechend und von hoher, Begabung zeugend, ist die malerisch gehaltene Ausgestaltung der Fassade in gothischen Stilformen, die anscheinend auf eine Verwendung von Ziegeln und Haustein berechnet ist. Mit Recht rühmt sie das Gutachten der Preisrichter als „eine hervorragende, künstlerische, hochpoetisch wirkende Leistung“; freilich wird dabei bemerkt, dass ein grösseres Maasshalten, namentlich im Schmuck mit kleineren Thurmhelmen, angezeigt gewesen wäre. Zweifelhaft kann man ferner darüber sein, ob nicht überhaupt der architektonische Maasstab der Einzelheiten etwas zu klein gegriffen ist und ob ein Bauwerk dieser Art „dem Charakter Leipzigs entsprechen“ würde, wie es das Programm verlangte. Unzweifelhaft ist es dagegen wohl, dass dasselbe mit den bereit gestellten Mitteln nicht ausgeführt werden könnte. –

Entwurf des Archit. Max Fritsche in Frankfurt a. M. V. Preis

In dem Entwurfe „Bitte schön“ des Architekten Max Fritsche in Frankfurt a. M. (Abbildg.), dem der 5. Preis zutheil geworden ist, hat der Thurm seine Stelle auf der Westseite, jedoch unfern der Südwest-Ecke erhalten; er überbaut einen Nebeneingang, der unmittelbar in die hinter den grossen Räumen des Südflügels liegende Halle führt. Auch hier liegen die drei in der Fassade zu einem reich entwickelten Baukörper mit 2 Giebeln und einem Dachreiter zusammen gefassten Säle, von denen der Festsaal durch 3 Geschosse reicht, in dem Stockwerk über dem Erdgeschoss. Der Grundriss ist klar und übersichtlich.

Die Fassaden-Architektur, die sich von Ueberschwänglichkeiten frei hält, zeigt gute Verhältnisse und kommt durch den Wechsel der mit vornehmem Schmuck ausgestatteten Haupttheile und der schlicht behandelten übrigen Baumassen zu trefflicher Wirkung. Sie verdient in vollem Maasse das ihr von den Preisrichtern gespendete Lob, dass in ihr der Charakter eines stolzen reichsstädtischen Rathhauses durchaus getroffen sei. –

Entwurf des Architekten Hermann Billing in Karlsruhe (Z. Ankauf empfohlen)
Entwurf des Architekten Hermann Billing in Karlsruhe (Z. Ankauf empfohlen) – Grundriss

Unter den drei dieser Gruppe angehörigen Plänen, welche zum Ankauf empfohlen worden sind, ragt der mit der Marke eines in weiss und roth gespaltenen Schildes bezeichnete Entwurf des Architekten Hermann Billing in Karlsruhe (vergl. die Abbildungen) um mehr als Haupteslänge hervor. Vermuthlich dürfte die Mehrheit der Fachgenossen sogar mit uns der Ansicht sein, dass er eines Preises in höherem Grade werth gewesen wäre, als manche der ihm vorgezogenen Arbeiten. Dass die Grundriss-Anordnung, bezüglich welcher wir auf die mitgetheilte Abbildung verweisen, „zu dem Besten gehört, was bei dem Wettbewerb eingelaufen ist“, wird von den Preisrichtern durchaus anerkannt. Nicht minder loben sie an der sehr eigenartigen, in den Formen an deutsche Renaissance anklingenden, aber aus naiver mittelalterlicher Empfindung hervorgegangenen und insbesondere auf monumentale Massenwirkung zielenden Fassade den stark hervortretenden Zug zur Einfachheit und Natürlichkeit. Dagegen tadeln sie die Verwendung fremdartiger Motive und finden ein vollkommenes Gleichgewicht der Massen nicht gewahrt. Es ist das Empfindungs-Sache und wir haben nicht das Recht, uns hiergegen aufzulehnen. Jedenfalls hat, der Künstler, der in den letzten Jahren wiederholt mit hoch interessanten kleineren Arbeiten von selbständiger Haltung hervorgetreten ist, mit dieser neuesten Leistung gezeigt, dass er auch einer Aufgabe dieses Ranges gewachsen ist. Wir können ihm nur lebhaft wünschen, dass ihm recht bald Gelegenheit geboten werde, seine künstlerischen Bestrebungen an einer grösseren Bauausführung zum Ausdruck zu bringen.

Der verdiente Erfolg wird ihm dann sicherlich nicht fehlen, während es bei Wettbewerbungen erfahrungsmässig selten Glück bringt, eigene Pfade zu wandeln. –

Der Vorzug, den wir der Billing’schen Arbeit geben, schliesst im übrigen keineswegs in sich, dass wir nicht auch die beiden anderen zum Ankauf empfohlenen Pläne der Architekten Rich. Walter und Gust. Hildebrand in Charlottenburg (mit der Marke eines in weisse und rothe Streifen zerlegten Schildes) bezw. des Architekten Hans Hausmann in Charlottenburg („Mein Leipzig lob’ ich mir“ I.) als tüchtige Arbeiten anerkennen. Beide zeichnen sich durch klare, übersichtliche Grundrisse aus, wenn auch der erste die vorgeschriebene Verbindung der Säle zu einem Festlokal nicht enthält. Auch inbezug auf ihre, in gothischen Stilformen gehaltene Architektur sind sie nicht ohne Verdienst. Aehnlich wie bei dem mit dem zweiten Preise gekrönten Entwurfe zeigt auch der Hausmann’sche Plan 2 Thürme in der Hauptfront, die jedoch hier nicht den gesammten Festbau, sondern nur den in der Fassade mit einem Giebel hervorgehobenen Hauptsaal einschliessen; ein dritter, Thurm liegt an der Nordost-Ecke. In dem zweiten Entwurf ist der Thurm einseitig dem Giebel des Hauptsaales angegliedert. –

Ein Eingehen auf die weiteren Entwürfe, unter denen noch mehre theils in der Grundriss-Anordnung, theils im Aufbau bemerkenswerthe Arbeiten sich befinden, wenn auch keiner an die vorbesprochenen heran reicht, müssen wir uns auch hier versagen. Genannt haben sich Hr. Arch. Heinr. Rust in Leipzig, der noch mit einem Plane in der anderen Gruppe vertreten ist, als Verfasser des Entwurfs „In arte voluptas“ (eines der wenigen, in denen auf einen Thurm ganz Verzicht geleistet ist) und Hr. Arch. Kratz in Berlin als Verfasser des Planes „Sachsens Kunst – Sachsens Stolz“, dessen gothische Fassade durch künstlerische Phantasie anzieht. –

Zum Schlusse unserer Besprechung haben wir noch auf einen Entwurf einzugehen, der – an sich der ersten Gruppe angehörig – an dem Wettbewerb selbst nicht theilnehmen konnte, weil er an die im Programm vorgeschriebenen Grenzen des Bauplatzes sich nicht gehalten hatte, der aber in so überzeugender Weise die Vorzüge einer Erweiterung dieser Grenzen dargelegt hat, dass der Rath von Leipzig bereits zu dem Beschluss gelangt ist, den Stadtverordneten eine Ausführung des Baues auf Grundlage dieses Plans in Vorschlag zu bringen.

Hr. Stadtbaurath Prof. Licht, der Verfasser desselben, war schon bei seinen Vorstudien über die Möglichkeit einer Errichtung des Rathhauses auf dem Gelände der Pleissenburg zu der Ueberzeugung gelangt, dass eine Lösung der Aufgabe innerhalb der in Aussicht genommenen Umfassungslinien ausserordentlich schwierig und wenig dankbar sein werde. Er hatte daher in dem aus Mitgliedern des Raths und der Stadtverordneten-Versammlung zusammengesetzten Ausschusse zur Feststellung des Programmes für den Wettbewerb, dem er – damals noch Baudirektor und Beamter des Raths – nur mit berathender Stimme angehörte, eine Abänderung der betreffenden Bestimmungen beantragt.

Demnach sollten nur die der inneren Stadt zugekehrten nördlichen und östlichen Grenzen des Bauplatzes festgelegt werden, die Führung der nach der Promenade gerichteten westlichen und südlichen Fluchten des Rathhauses dagegen innerhalb gewisser Beschränkungen dem freien Ermessen der am Wettbewerb theilnehmenden Architekten überlassen bleiben. Hr. Licht ist mit diesem Antrage s. Z. nicht durchgedrungen und daher genöthigt gewesen, die Vorschläge, die er selbst nach dieser Richtung hin zu machen hatte, in einem besonderen Entwurfe niederzulegen. Immerhin schliesst sich der letztere seinem, den Programm-Forderungen angepassten Plane so eng an, dass er denselben unter dem gleichen Kennwort einreichen und als eine „Variante“ von diesem bezeichnen durfte.

Entwurf des Stadtbrth. Prof. Hugo Licht in Leipzig. Variante – Lageplan
Entwurf des Hrn. Stadtbrth. Prof. Hugo Licht in Leipzig, I. Preis – Grundriss

Wie der nebenstehende Lageplan zeigt, sind die Grenzen des Bauplatzes in diesem Plane nicht unwesentlich erweitert.

Seine südliche Flucht ist nicht parallel der gegenüberliegenden Häuserfront des Obstmarktes geführt, sondern folgt – nahezu parallel der durch den Auftheilungsplan des Pleissenburg-Geländes festgelegten Nordfront des Hauses der alten Linie des Pleissenburg-Walles. Ebenso bildet die Westfront nicht eine Fortsetzung der für das nördliche Häuserviertel angenommenen Flucht, sondern ist von der Nordost-Ecke aus in einem stumpferen Winkel gegen die Nordfront derart geführt, dass die Halbirungslinie des von der Westfront und Südfront gebildeten spitzen Winkels in den Mittelpunkt des alten Pleissenburg-Thurmes fällt. Dafür ist an diesem Winkel eine sehr erhebliche, in der Front 40 m breite Abschrägung angeordnet worden.

Entwurf des Hrn. Stadtbrth. Prof. Hugo Licht in Leipzig, I. Preis

Die grossen Vorzüge einer derartigen Gestaltung des Bauplatzes springen ohne weiteres in die Augen. Sie bestehen zunächst darin, dass der Grundriss ein regelmässigerer wird und dass den Höfen eine bedeutendere Grundfläche gegeben werden kann. Für die Ansicht des Hauses von der Promenade aus kann es nur günstig sein, wenn die von Norden oder Osten kommenden Beschauer es nicht in so starker Verkürzung sehen, sondern schon aus weiterer Entfernung einen Blick auf die zur Richtung ihres Weges schräg stehenden Fronten gewinnen können. Vor allem aber ist für die Frage, wohin die Hauptfront und der Haupteingang des neuen Rathhauses zu legen seien, die denkbar beste Lösung gegeben, wenn als Hauptfront jene südwestliche Abschrägung angenommen werden kann. Hier, an der Ecke der West- und Südpromenade; auf welche von der dem Rathhaus entgegen gesetzten Seite die Carl Tauchnitz, Simson- und Harkort-Strasse münden, also an einem der wichtigsten Kreuzungs-Punkte für den Verkehr des neuen Gross-Leipzig ist von selbst ein Platz entstanden, der wie kein anderer zum Vorplatz des Monumental-Baues sich eignet, in welchem die gegenwärtige Bedeutung der Stadt ihren Ausdruck finden soll. Mit der Hauptfront nach diesem Platze gerichtet, bietet derselbe nicht nur die besten Standpunkte für den Beschauer – und zwar Standpunkte, bei denen der über dem alten Pleisseuburg-Thurm errichtete Hauptthurm voll zur Geltung kommt: er tritt auch in eine nahe Beziehung zu dem jenseits gelegenen zweiten grossen Monumental-Bau von Leipzig, dem Palaste des Reichsgerichts.

Dass auch der in der Bürgerschaft lebhaft vertretene Wunsch nach möglichster Erhaltung der alten Promenaden-Anlagen dabei erfüllt wird, sei nur beiläufig erwähnt.

Wie sich der Künstler die Ausgestaltung des Hauses auf diesem Bauplatze gedacht hat, zeigen der mitgetheilte Grundriss und die Ansicht von der Carl Tauchnitz-Brücke. Durch eine breite, nach aussen geöffnete Vorhalle eintretend, gelangt man unmittelbar zur grossen Haupttreppe, welche an der Schmalseite des mächtigen fünfeckigen Haupthofes liegt und aus ihren oberen Fenstern einen Blick auf den in der Axe dieses Hofes aufsteigenden Thurm gewähren würde. Im Hauptgeschoss liegt oberhalb der Eingangshalle der Sitzungssaal des Rathes, an den sich – wiederum durch ein Gehege vom Durchgangs-Verkehr auf den Flurgängen abgeschlossen – die Diensträume der Geschäftsleitung reihen. Der Festsaal, zu dem man ebensowohl von der Haupttreppe wie von der zum Vorsaal der Stadtverordneten führenden zweiten grösseren Treppe gelangen kann, hat seinen Platz an der Südfront behalten.

Dem Saal der Stadtverordneten, denen der ganze Ostflügel eingeräumt ist, wurde sein Platz an der Südostecke angewiesen. – Nicht ganz so günstig, wie in dem programmmässigen Entwurfe Lichts ist die Stellung des Thurmes, doch liesse sich unschwer eine bessere Verbindung der Flurgänge auch auf der Südostseite desselben durchführen.

Die Aussenarchitektur ist, der des anderen Entwurfs nahe verwandt, unter Verzicht auf gesuchte malerische Wirkungen in schlichter Monumentalität gehalten. Günstig jener anderen Arbeit gegenüber ist es, dass die dort angenommenen Ecklösungen in Wegfall gekommen sind. Dass der Bau einen wesentlichen Theil seines künstlerischen Reizes erst in der eingehenderen Ausgestaltung und wirklichen Durchführung erlangen und dass hierbei die herbe Strenge, die ihm anscheinend nicht ohne eine gewisse Absicht gegeben ward, ganz erheblich sich mildern würde, steht für jeden fest, der Lichts Schaffen kennt und zu würdigen weiss.

Und deren sind viele – nicht nur in Leipzig, sondern in ganz Deutschland und darüber hinaus. Sie alle werden sich mit uns in dem Wunsche einen, dass es dem ausgezeichneten Meister recht bald vergönnt sein möge, Hand an dieses Werk zu legen, das nach menschlichem Ermessen das Hauptwerk seines Lebens und die Krönung seiner künstlerischen Laufbahn bilden dürfte. –

Vorläufig wird allerdings in der Pleisse-Stadt noch stark gegen ihn und seinen Entwurf gewühlt – sowohl mit den Mitteln der Verkleinerung, wie leider auch mit denen gehässiger Verdächtigung. Und dazu hat sich in letzter Zeit noch ein gut gemeinter, aber jedenfalls stark post festum kommender und wenig überzeugender Vorschlag gesellt, die ganze Bauplatzfrage von anderen Gesichtspunkten zu lösen und – unter völliger, einen Aufwand von Millionen bedingender Umgestaltung des ganzen Stadttheils – das Rathhaus in streng regelmässiger Form zu gestalten.

Welche Kämpfe etwa noch in der Stadtverordneten-Versammlung stattfinden werden, lässt sich z. Z. nicht übersehen. Dem gegenüber steht freilich der allgemeine Wunsch, die so lange verschleppte und doch so drängende Angelegenheit des Rathhausbaues endlich zur Entscheidung zu bringen. Wir wollen hoffen, dass er sich mächtiger erweisen wird als alle Gegenströmungen. –

Es sei uns endlich noch gestattet einige Worte über den Wettbewerb als solchen und das Urtheil des Preisgerichts zu äussern. Veranlassung hierzu giebt uns die Thatsache, dass die Verdächtigungen, welche wir oben bereits erwähnten und zu denen sich leider ein bei dem Wettbewerb betheiligter Fachgenosse hat hinreissen lassen, auch jenes Urtheil nicht unbehelligt gelassen haben. Man hat in unzweideutiger Weise die Vermuthung ausgesprochen, dass nicht nur der erste Preis verliehen worden sei, weil der Verfasser des Entwurfs bekannt war, sondern dass auch die Verfasser mehrer anderer mit Preisen gekrönter Entwürfe diese Auszeichnung nur dem Umstande zu danken hätten, dass sie Schüler bezw. Mitarbeiter einzelner namentlich genannter Preisrichter seien.

Wir haben nicht nöthig, die Preisrichter gegen eine solche Verdächtigung in Schutz zu nehmen. Sie stehen hoch über derselben und die ungeheure Mehrheit der Fachgenossen wird mit uns der Ueberzeugung sein, dass sie bei Abgabe ihres Urtheils ohne jede persönliche Rücksicht allein ihrem künstlerischen Gewissen gefolgt sind. Aber es lässt sich allerdings nicht leugnen, dass die Grundsätze, von denen sie hierbei ausgegangen sind, nicht ganz mit den bisher fast immer üblich gewesenen übereinstimmen und dass hierin wohl der Keim zu jenen ebenso gehässigen, wie thörichten Annahmen zu suchen ist.

Die bisher festgehaltene Ueberlieferung, die sich im Laufe der letzten 30 Jahre entwickelt hatte und die auch wir jederzeit vertreten haben, war die: den Werth der zu einem Wettbewerb eingegangenen Arbeiten und hiernach ihre Preiswürdigkeit zunächst nach ihrer Uebereinstimmung mit dem gegebenen Programm, dann aber nach ihrer Brauchbarkeit für die Zwecke des auszuführenden Baues zu bemessen. Ausschlaggebend ist hierbei in den meisten Fällen allerdings die Lösung der Zweckmässigkeits-Fragen, also zunächst der Grundriss; doch liegt es in der Hand der Preisrichter, auch der künstlerischen Haltung die entsprechende Berücksichtigung angedeihen zu lassen. –

Das Leipziger Preisgericht hat – zum mindesten bei Ertheilung der 4 niederen Preise und der Empfehlung zum Ankauf – das letztere Moment an die erste, die Grundriss-Lösung dagegen erst an die zweite Stelle gesetzt und ist inbezug auf die Programm-Bestimmungen über Einhaltung der Baukosten und Uebereinstimmung der Architektur des Hauses mit dem Charakter der Stadt offenbar nicht engherzig gewesen. Und zwar kann jene Bevorzugung architektonisch interessanter, wenn auch im Grundriss schwächerer und die Zurückstellung anderer Entwürfe von trefflichem Grundriss, deren stilistische Ausgestaltung den Preisrichtern weniger gefiel, nicht etwa nur mittelbar aus dem Ergebniss der Entscheidung gefolgert werden, sondern dieselbe ist im Gutachten der Preisrichter mit voller Offenheit ausgesprochen worden. Es handelt sich also nicht um Zufälligkeiten, wie sie immer vorkommen können und oft genug vorgekommen sind, sondern um einen aus ehrlicher Ueberzeugung aufgestellten und streng festgehaltenen Grundsatz.

Ist dieser Grundsatz richtig und können von der weiteren Durchführung desselben gute Erfolge für unser deutsches Konkurrenzwesen erwartet werden? Nach unserer Kenntniss der Verhältnisse sind wird nicht imstande, diese Frage zu bejahen.

Dass man uns hieraus den Vorwurf machen könnte, wir redeten unter Umständen der Bevorzugung einer unkünstlerischen vor einer künstlerischen Arbeit das Wort, haben wir wohl nicht zu fürchten. Die Unterschiede zwischen den mit einander um den Preis ringenden Entwürfen sind in dieser Beziehung wohl meist und waren auch in dem hier vorliegenden Falle nur so gering, dass nur persönliche Empfindung den Ausschlag geben kann. Der letzteren aber in einem Preisgericht die entscheidende Stimme anzuweisen, ist immer gefährlich – selbst wenn es gelingen sollte, stets die nicht nur künstlerisch begabtesten, sondern auch zugleich urtheilsfähigsten Fachmänner zu Richtern zu gewinnen.

Es ist gefährlich, weil hierbei gar zu leicht übersehen werden kann, dass es sich nicht um einen akademischen, zur Ermittelung und Belohnung des Talents bestimmten Wettbewerb, sondern um einen solchen mit praktischen Zielen handelt. Es ist aber gefährlich vor allem um der Folgen willen, welche sich daraus für die Auffassung ergeben würden, mit der die Theilnehmer eines Wettbewerbs an diesen heran treten. So lange sachliche Gesichtspunkte für die Entscheidung des letzteren im Vordergrunde standen, galt es allein, die an sich beste und brauchbarste Lösung der Aufgabe zu finden. Ist das künstlerische Gefallen maassgebend, dass die Preisrichter an dem Entwurf empfinden, so wird fortan weniger für die Sache, als mit Berechnung auf die Person der Preisrichter gearbeitet werden. Wohin das führen würde, brauchen wir wohl nicht auseinander zu setzen.

Dieser Artikel erschien zuerst am 03., 10., 14. & 17.07.1897 in der Deutsche Bauzeitung, er war gekennzeichnet mit „-F.-“.