Petroleumquellen in Brand

Feuer in einem unermeßlichen Petroleumreservoir muß ungefähr so schrecklich sein, wie ein großer Brand an Bord eines Schiffes auf hoher See.

Denn nirgends wohl findet das Dichterwort: „Wohlthätig ist des Feuers Macht, wenn sie der Mensch bezähmt, bewacht – doch wehe, wenn sie losgelassen“, so sehr Anwendung, wie in solchem Fall. Die Petroleumquellen in Beaumont in Texas, speziell in Spindle Top, standen vor einiger Zeit in Gefahr, ein Raub der Flammen zu werden. Man kann sich eine Vorstellung von der Angst und Aufregung der Bevölkerung machen, wenn man bedenkt, daß gerade hier Petroleumquellen sich befinden, die so ziemlich die größten in Amerika und von ungeheurer Ergiebigkeit sind. Kleine Ursachen – große Wirkungen! Ein Wächter war des Nachts, trotz des strengsten Verbots, mit offener Laterne in einen Oberbau gegangen. Hier hatten sich Dämpfe angesammelt, die sofort explodierten. Selbstverständlich stand das Gebäude im Augenblick in Flammen, die sich sofort auf die großen Reservoirs ausdehnten. Feuerlärm schreckte die schlafenden Bewohner aus ihrer Ruhe auf, zunächst bemächtigte sich eine große Kopflosigkeit der ganzen Ortschaft. Alles wollte im ersten Augenblick flüchten, denn man glaubte, daß nunmehr alles dem Untergang geweiht sei. Einigen besonnenen Leuten gelang es jedoch zunächst, die beherztesten Männer um sich zu sammeln und die eigene Feuerwehr in Betrieb zu setzen.

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Das ganze Areal umfaßt 28 Oelquellen, von denen eine mit dem Reservoir in Brand geraten war; es handelte sich also darum, wenn man nicht wollte, daß namenloses Unglück geschähe, das Feuer auf seinen Herd zu beschränken. Glücklicherweise sind die Oelquellen selbst mit hohen Erdwällen umgeben, so daß jede einzelne ein für sich abgeschlossenes Ganzes bildet. Diese Maßnahme, die sich als außerordentlich wirkungsvoll erwies, zeigt, daß die Amerikaner jede Eventualität schon vor einem Unglück ins Auge fassen. Trotzdem reichten die eigenen Feuerlöschmittel nicht aus, um des Brandes auch nur annähernd Herr zu werden. Der Telegraph spielte nach allen Richtungen hin, und die Feuerwehren der ganzen Umgegend eilten auf Spezialzügen sofort zur Hilfeleistung herbei. Sie entfalteten eine fieberhafte und bei der herrschenden Hitze und dem erstickenden und giftigen Dampf eine heroische Thätigkeit.

Ein Petroleumbehälter in Brand
Ein brennender Petroleumsprudel

Aber auch mit dieser Hilfe erschien es zuerst fast aussichtslos, die Flammen zu bemeistern. Und da zeigte sich die Findigkeit des Amerikaners in ihrem ganzen Glanz. Alle Dampfmaschinen des Werkes wurden geheizt, man legte Röhren an, und mit Hilfe des heißen Wasserdampfs – es waren im ganzen hundert Maschinen, die Wasserdampf gaben – gelang es dann endlich, das Feuer auf seinen Herd zu beschränken und eine Uebersicht über den ganzen Umfang des Brandes zu gewinnen. Trotz alledem war es ein schauerlich schöner Anblick. Herrlich war es besonders anzusehen, als der Sprudel der Quelle selbst Feuer fing. Eine brennende und leuchtende Fontäne stieg in das Dunkel empor, sie wandelte die Nacht zum lichten Tag und ließ die drohende Gefahr mit schrecklicher Deutlichkeit erkennen.

Man arbeitete ununterbrochen von Mitternacht, da das Feuer entstand, bis zum nächsten Tag mittags, es brannte dann nur noch ein kolossales Reservoir, das 37 500 Faß Petroleum enthielt, und noch 48 Stunden später eine kleinere Nebenquelle. Die Rauchwolken verfinsterten bei Tageslicht den ganzen Himmel, vier englische Meilen ringsumher war die Gegend in stinkenden Qualm gehüllt. Alle oberirdischen Einrichtungen waren verbrannt, der Gesamtschaden, den das verheerende Element verursacht hatte belief sich auf weit über 100 000 Dollar. Thatsächlich war dieser Brand eine Art von Naturphänomen, und wenn der Schaden natürlich auch durch die Versicherungsgesellschaften gedeckt wurde, wird jedem, der dem grausigen Schauspiel beiwohnte, die Erinnerung für alle Zeiten im Gedächtnis bleiben.

Dieser Artikel erschien zuerst am 01.11.1902 in Die Woche.