Der jüngste Verkaufspalast New-Yorks

Der jüngste Verkaufspalast New-Yorks

Seitens der Architekten Wm. Hume & Son in New-York wird für die dortige Firma Simpson, Crawford & Simpson gegenwärtig ein Geschäftshaus ausgeführt, das sowohl nach seiner Ausdehnung wie nach seiner Ausstattung mit allen neuesten Errungenschaften der gerade auf diesem Gebiete so reichen amerikanischen Baukunst zu den grössten und schönsten Werken seiner Art zählen wird und auf dessen Besitz jede Grosstadt der Welt stolz sein könnte.

Das Haus, welches anstelle der bisherigen Verkaufsräumlichkeiten der Firma errichtet wird und daher, um den Betrieb des Geschäftes ohne wesentliche Störungen aufrecht erhalten zu können, in 3 Abtheilungen ausgeführt werden muss, liegt mit seiner 51,5 m langen Front an der Hauptstrasse des Kaufmanns-Viertels von New-York, der 6. Avenue, und erstreckt sich zwischen 2 Seitenstrassen derselben, der 19. und 20. Strasse, bis auf eine Tiefe von 75,5 m. Es wird durch einen in der Höhe des sechsten Geschosses mit einem Glasdache abgeschlossenen Hof von 15,5 m Breite und 23,5 m Länge durchbrochen, der im Verein mit den grossen Fenstern der fast ganz in Pfeiler und Oeffnungen aufgelösten Strassenfronten völlig genügt, um allen Innenräumen ausreichendes Licht zuzuführen. Nur an der von Nachbargrundstücken begrenzten Hinterseite des Hauses ist noch ein kleiner offener Hof angeordnet worden.

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Der Haupteingang liegt an der 6. Avenue; die hier befindliche 15,5 m breite und 4 m tiefe Vorhalle wird in New-York die grösste ihrer Art sein. Von den Nebeneingängen an den Seitenstrassen ist der eine ausschliesslich für die zu Wagen anlangenden Käufer bestimmt und mit einem Raum verbunden, in welchem diese ihre Garderobe sowie etwa mitgebrachte Packete aufbewahren lassen können. Die am Ende der Seitenfronten liegenden Eingänge dienen zum Aus- und Einbringen der Waaren sowie für die Angestellten des Geschäftes. Der Verkehr zwischen den verschiedenen Geschossen des Hauses wird in erster Reihe durch eine grössere Zahl von Personen- und Waaren-Aufzügen – zumtheil von ungewöhnlichen Abmessungen – bewirkt; doch sind neben diesen überall noch breite und bequeme Treppen-Verbindungen vorhanden.

Von den Innenräumen des Hauses dienen die vordere Hälfte des Erdgeschosses, das zu beiden Seiten des Haupteinganges eine Reihe von riesigen Schaufenstern enthält, sowie die darüber liegenden 4 Obergeschosse im wesentlichen zu Verkaufszwecken, während in der hinteren Hälfte des Erdgeschosses die Packräume angeordnet sind, aus welchen die verkauften Waaren in die zum Versand bestimmten, in der Nebenstrasse in ununterbrochener Reihe haltenden Wagen verladen werden. In den beiden obersten Geschossen befinden sich die Lagerräume der Firma sowie Arbeitsräume zur Herstellung gewisser Artikel; die Mehrzahl der letzteren wird jedoch in besonderen ausserhalb liegenden Fabriken angefertigt, welche nur für die Firma arbeiten und in ununterbrochenem Betriebe stehen. Selbstverständlich ist zwischen die Verkaufsräume noch eine Anzahl von Sälen und Zimmern zu anderen Zwecken eingeschaltet. So liegen im zweiten Geschoss ein 14 m zu 15,5 m grosser Damensalon mit Ankleide- und Toilettenzimmern, ein Telephon-, Telegraphen- und Postbureau und ebensowenig fehlt es an Garderoben, Speisezimmern usw. für die Angestellten des Geschäftes.

Der jüngste Verkaufspalast New-Yorks
Der jüngste Verkaufspalast New-Yorks
Geschäftshaus der Firma Simpson, Crawford & Simpson in New-York
Geschäftshaus der Firma Simpson, Crawford & Simpson in New-York

Eine besondere Verwerthung findet das nur über dem mittleren Theile des Hauses angeordnete achte Geschoss, zu dem von der Strasse her eigene Aufzüge empor führen. Hier ist ein grosses Restaurant angelegt, das mit seinem Zubehör an Küchen, Vorrathsräumen usw. hinter den entsprechenden Einrichtungen der ersten Hotels nicht zurücksteht. Der auf 1200 Personen berechnete Speisesaal kann durch theilweises Herausnehmen der Seitenwände während des Sommers in einen Palmengarten verwandelt werden, der im Verein mit den auf dem Dach der übrigen Theile des Hauses angeordneten Terrassen den Gästen einen behaglichen und kühlen Aufenthalt gewährt. In diesem obersten Geschosse befindet sich ferner ein photographisches Atelier, das zunächst für die Zwecke der Firma thätig ist und Abbildungen der von dieser geführten Waaren zum Versand anfertigt, aber auch jeden von den Besuchern des Hauses ertheilten Auftrag ausführt.

Die Ausführung des Baues, dessen Kosten auf rd. 7,5 Mill. M. veranschlagt sind, erfolgt in sorgfältigster Weise. Die Gründung jedes einzelnen Pfeilers wird bis auf den gewachsenen Fels-Untergrund, d. i. bis zu einer Tiefe von 7-13,5 m herab geführt. Für den Aufbau komm durchweg die moderne amerikanische „Skelett-Konstruktion“ in ihrer neuesten verbesserten Form zur Anwendung bei der als Träger und Stützen der Decken und Mauer nur Stahlbalken und -Säulen benutzt werden und durch welche – nach allen bisherigen Erfahrungen – nicht nur völlige Stand-, sondern auch Feuersicherheit erreicht wird. (Die Feuersicherheit derartiger Konstruktionen wird in einem anderen von denselben Architekten errichteten Bau, dem 18 Geschosse hohen New Netherland Hotel, etwaigen ängstlichen Gästen in drastischer Weise vor Augen geführt. Es ist nämlich eine Reihe von Zimmern zur Besichtigung gestellt, deren gesammte Ausstattung an Fussböden, Täfelungen, Möbeln usw. absichtlich ausgebrannt worden ist. Obgleich hierbei eine Gluth entwickelt wurde, welche die Gaskandelaber zum Schmelzen brachte, sind doch die darüber und darunter gelegenen Räume von dem Feuer in keiner Weise beschädigt worden.)

Was das Material für die in reichen Renaissance-Formen gestalteten Fassaden betrifft, so ist für das unterste Geschoss der Hauptfront und der ersten Axen an den Nebenstrassen, also so weit die Portal- und Schaufenster-Architektur sich erstreckt – eine Herstellung in polirtem Granit gewählt worden. Die jonischen Säulen des Portals, sowie die nächststehenden Pfeiler der Schaufenster bestehen je aus einem 5,5 m langen Stück; die gleiche Länge erreichen die grossen Spiegelscheiben der Schaufenster, welche daher eigens für diesen Zweck beschafft werden mussten. Die oberen Theile der Hauptfront des Hauses, sowie die Seitenfronten bis zur Höhe des vierten Fenstergesimses wurden in Kalkstein, die oberen Theile der letzteren in gepressten Ziegeln von entsprechender Farbe mit einzelnen Steinverblendungen ausgeführt.

Geschäftshaus der Firma Simpson, Crawford & Simpson in New-York. Zentral-Hof
Geschäftshaus der Firma Simpson, Crawford & Simpson in New-York. Zentral-Hof
Geschäftshaus der Firma Simpson, Crawford & Simpson in New-York
Geschäftshaus der Firma Simpson, Crawford & Simpson in New-York

Auf der Höhe der konstruktiven steht die künstlerische Ausbildung der Innenräume. Erwähnt sei unter den letzteren zunächst der grosse Lichthof, von dem ein Aufriss der Schmalseite dargestellt ist. Die im Stil Francois I. gehaltene, mit Ausnahme der Bronze-Ballustraden in Eisen gegossene Architektur ist in Weiss und Gold dekorirt und wird am Abend durch prächtige elektrische Lichteffekte erhellt. Der Damensalon des zweiten Stockwerkes zeige den Empire-Stil und eine Verbindung von reicher Stuckdekoration mit Deckengemälden; die zu ihm gehörigen Toilettenzimmer usw. haben eine Ausstattung in weisser Marmortäfelung mit Wandspiegeln erhalten. Der grosse Speisesaal des 8. Stockwerkes ist im Louis XVI.-Stil durchgeführt; seine Kassetten-Decke ist mit eingesetzten Glasoberlichten versehen. – Dass auch die technischen Einrichtungen des Hauses allen Ansprüchen der Gegenwart in weitestem Umfange gerecht werden, braucht kaum besonders hervor gehoben zu werden. Für Heizung, Beleuchtung, Lüftung, Entwässerung und Wasserversorgung ist in bester Weise gesorgt. Etwaiger Feuersgefahr, die sich nach dem früher Gesagten jedoch niemals auf die Konstruktionen des Hauses, sondern nur auf dessen Inhalt erstrecken könnte, ist durch durchgängige Anwendung des sogen. „Sprikler-Systems“ vorgebeugt. Findet an irgend einer Stelle eine bestimmte Hitze-Entwicklung statt, so werden die betreffenden Vorrichtungen, von denen jede eine Fläche von 2,75 m im Geviert unter Wasser zu setzen vermag, automatisch ausgelöst, während zugleich die Löschmannschaften allarmirt werden. Zum Betriebe aller dieser Anlagen, von denen allein die Beleuchtungs-Anlage 7000 elektrische Lampen umfasst, wird die nöthige Kraft durch 4 im Erdgeschoss aufgestellte Dampfkessel geliefert, welche rd. 1000 Pferdekräfte entwickeln.

Eine Darstellung von Einzelheiten würde hier zu weit führen. Die vorstehenden allgemeinen Angaben dürften indessen wohl genügen, um dem Leser eine Würdigung dieser Schöpfung der Hrn. Wm. H. Hume & Son zu ermöglichen, die zu den ältesten und geachtetsten Baufirmen New-Yorks gehören. Der Unterzeichnete, welcher z. Z. erster Assistent dieser Firma ist, hofft damit einen kleinen Beitrag zur weiteren Anerkennung der Thätigkeit amerikanischer Architekten bei ihren deutschen Fachgenossen geliefert zu haben.

New-York 1899. Fritz Huberti, Architekt.

Dieser Artikel erschien zuerst am 21.03.1900 in der Deutsche Bauzeitung.